OGH 4Ob56/93

OGH4Ob56/938.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei B*****-Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Brigitte Birnbaum und Dr.Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei M*****-Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Prunbauer & Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 11.März 1993, GZ 4 R 12/93-10, womit die einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 4.Dezember 1992, GZ 38 Cg 284/92-6, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die Beklagte die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin - eine 100%ige Tochtergesellschaft der M*****gesellschaft mbH & Co KG - ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "Bezirksjournale", welche in Wien und teilweise auch in der Umgebung von Wien gratis verteilt wird. Die Beklagte ist Medieninhaberin der "Bezirkszeitung-Stadtjournal", bei welcher es sich um eine in Wien verteilte Gratiszeitung handelt.

In der Ausgabe Nr.6/92 der periodischen Druckschrift "Bezirkszeitung-Stadtjournal" (Ausgabe Floridsdorf) war auf Seite 5 folgende Einschaltung veröffentlicht:

Auf Seite 11 derselben Ausgabe erschien nachstehende Einschaltung:

Die Ausgabe Nr.11/92 enthielt auf Seite 17 folgende Einschaltung:

Sämtliche Einschaltungen waren entgeltlich. Zugunsten der M*****gesellschaft mbH & Co KG wurde eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher der Beklagten geboten wurde, "ab sofort im geschäftlichen Verkehr den Verlag oder Vertrieb oder Verkauf einer periodischen Druckschrift, insbesondere der 'Bezirkszeitung, Stadtjournal Landstraße' zu unterlassen, wenn darin Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge oder Berichte enthalten sind, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird und die nicht als 'Anzeige', 'entgeltliche Einschaltung' oder 'Werbung' gekennzeichnet sind, sofern Zweifel über deren Entgeltlichkeit auf Grund ihrer Gestaltung und Anordnung nicht ausgeschlossen werden können". Gegenstand des der M*****gesellschaft mbH & Co KG zu 17 Cg 102/92 des Handelsgerichtes Wien anhängig gemachten Verfahrens sind Einschaltungen in der Ausgabe Nr.5/92 der "Bezirkszeitung", und zwar "Sensation von Singer: Bügeln in der halben Zeit" und "Strickmoden Geher".

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die "Bezirkszeitung-Stadtjournal" zu verteilen oder verteilen zu lassen, wenn darin Einschaltungen enthalten sind, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet worden ist, wenn diese Einschaltungen nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichnet sind und Zweifel über die Entgeltlichkeit der jeweiligen Einschaltung durch Gestaltung oder Anordnung nicht ausgeschlossen werden können. Die Beklagte verschaffe sich durch die Verletzung der Kennzeichnungspflicht einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil. Die zugunsten der M*****gesellschaft mbH & Co KG erlassene einstweilige Verfügung sei noch nicht rechtskräftig; ihr Wortlaut decke sich nicht mit dem Sicherungsbegehren der Klägerin. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin sei daher weiter aufrecht.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Klägerin fehle jedes Rechtsschutzinteresse, weil ihre Muttergesellschaft über einen Unterlassungstitel verfüge. Sie mißbrauche offensichtlich das Wettbewerbsrecht, um einem kleineren und leistungsschwächeren Lokalmedium zu schaden. Das sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Einschaltung "Sensation von Singer: Bügeln in der halben Zeit" sei nach Aufmachung und Anordnung unschwer als Werbung zu erkennen; hier bestehe daher keine Kennzeichnungspflicht.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte habe entgeltliche Einschaltungen veröffentlicht, ohne sie im Sinne des § 26 MedienG zu kennzeichnen; die Einschaltungen seien auch nicht ohne Zweifel als entgeltliche Einschaltungen erkennbar. Mit einem Verstoß gegen § 26 MedienG werde sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt.

Das Rechtsschutzbedürfnis eines nach § 14 UWG Klageberechtigten könne nach der Entscheidung 4 Ob 5/90 (ÖBl 1990, 119 = MR 1990, 103) nur verneint werden, wenn - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - ein Exekutionstitel vorhanden ist. Vor diesem Zeitpunkt könne dem Klageberechtigten keinesfalls zugemutet werden zuzuwarten, ob und wann ein anderer, mit dem er in einem bestimmten Naheverhältnis steht, mit seiner Klage Erfolg haben wird. Das müsse insbesondere dann gelten, wenn die mehreren, miteinander wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Personen von verschiedenen Rechtsanwälten vertreten werden, die ihre Ansprüche zumindest teilweise unterschiedlich formulieren und begründen, so daß auch nicht mit Sicherheit der gleiche Ausgang aller Verfahren zu erwarten sei. Für die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses reiche es somit nicht aus, daß andere mit dem Kläger in Verbindung stehende Parteien einen Titel im Provisorialverfahren erwirkt haben, zumal im gegenständlichen Verfahren auch andere Verstöße herangezogen würden.

Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Von der Entscheidung 4 Ob 5/90 (ÖBl 1990, 119 = MR 1990, 103) abzugehen, bestehe kein Anlaß. Es sei aber zu prüfen, ob der von einem dem Kläger rechtlich oder tatsächlich verbundenen Klageberechtigten erwirkte Exekutionstitel rechtskräftig sein muß, um das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers verneinen zu können. Die gleichen Gründe, die dagegen sprechen, daß das Rechtsschutzbedürfnis schon dann verneint wird, wenn eine im Naheverhältnis zum Kläger stehende Person "gerade dabei ist, sich einen Unterlassungstitel zu verschaffen", müßten auch hier gelten. Daß eine einstweilige Verfügung erlassen ist, genüge nicht, weil es keineswegs als unwahrscheinlich anzusehen sei, daß die einstweilige Verfügung im Rechtsmittelverfahren wieder beseitigt wird. Von einer schikanösen Rechtsausübung im Sinne des § 1295 ABGB könne nicht gesprochen werden, wenn sich der Kläger, dessen Mitbewerber sich wettbewerbswidrig verhält, nicht damit begnügt, den Prozeßerfolg einer anderen, wenngleich mit ihm in einem Naheverhältnis stehenden Partei abzuwarten, sondern selbst sein Rechtsschutzbegehren weiter betreibt.

Eine eindeutige Kennzeichnung als Werbung sei gerade bei einer Gratiszeitung zu verlangen. Während die Einschaltung "Kreativität zieht an" auch bei flüchtigem Lesen als Werbeeinschaltung erkennbar sei, treffe dies für die Einschaltungen "Die Singer 'Style' - der absolute Preishit" und "Sensation von Singer: Bügeln in der halben Zeit" nicht zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung braucht der nach § 14 UWG Klageberechtigte regelmäßig nicht abzuwarten, ob ein anderer Berechtigter mit einer auf Grund desselben Sachverhaltes erhobenen Unterlassungsklage zum Ziel kommt; sein Rechtsschutzbedürfnis fällt auch nicht allein dadurch weg, daß andere Mitbewerber oder Verbände bereits einen Exekutionstitel auf Unterlassung der in Rede stehenden Wettbewerbshandlung erwirkt haben (MR 1989, 219 ua). Das Rechtsschutzinteresse ist aber dann zu verneinen, wenn im Einzelfall zwischen verschiedenen Klageberechtigten solche tatsächlichen oder rechtlichen Bindungen bestehen, daß nach der Lebenserfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß das schutzwürdige Interesse eines Klageberechtigten durch eine andere Person vollwertig gewahrt werde (ÖBl 1986, 102 ua). Dabei genügt es nicht, wenn eine im Naheverhältnis zum Kläger stehende Person "erst dabei ist, sich seinen Exekutionstitel zu verschaffen" (ÖBl 1990, 121).

Daß auch eine einstweilige Verfügung ein Exekutionstitel ist, der dem Kläger unter den genannten Voraussetzungen das Rechtsschutzbedürfnis an einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung (nicht aber an einem inhaltsgleichen Urteil: ecolex 1990, 627) nimmt, ist unstreitig (RdW 1986, 44 ua). Ob das nur für eine rechtskräftige einstweilige Verfügung gilt, ist bisher vom Obersten Gerichtshof nicht näher erörtert worden. In der Entscheidung ÖBl 1979, 81 hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, daß eine vom Kläger selbst erwirkte einstweilige Verfügung "inzwischen" rechtskräftig geworden war; daß dies bei der Entscheidung über das Sicherungsbegehren im zweiten Verfahren offenbar noch nicht der Fall gewesen war, hatte den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses nicht gehindert. Bei der Prüfung der Frage, ob dies ganz allgemein gilt, ist zu erwägen:

Eine einstweilige Verfügung ist grundsätzlich - soweit nicht einem dagegen erhobenen Rekurs aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (§ 78 EO, § 524 Abs 2 ZPO) - schon vor ihrer Rechtskraft vollstreckbar; sie ist daher ein Exekutionstitel (§ 1 Z 1 EO). Die einstweilige Verfügung kann aber infolge Rekurses aufgehoben oder dahin abgeändert werden, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wird. Ob dann, wenn Sachverhalt und Begehren in beiden Verfahren gleich sind, kein Rechtsschutzinteresse an der Erlassung der zweiten einstweiligen Verfügung besteht (s. OLG Wien WBl 1989, 279; vgl Tetzner, Die Klagenhäufung im Wettbewerbsrecht GRUR 1981, 803 [809], welcher es genügen läßt, wenn einer der mehreren Klageberechtigten eine einstweilige Verfügung erwirkt hat), bedarf aber keiner Untersuchung, weil es hier schon an der Übereinstimmung im Sachverhalt fehlt. Während der zu 17 Cg 102/92 ergangenen einstweiligen Verfügung die entgeltlichen Einschaltungen "Sensation von Singer: Bügeln in der halben Zeit" und "Strickmoden Geher" (beide in der Ausgabe Nr.5/92 der "Bezirkszeitung") zugrunde liegen, stützt sich das Sicherungsbegehren im vorliegenden Fall auf die entgeltlichen Einschaltungen "Sensation von Singer: Bügeln in der halben Zeit", "Die Singer 'Style' - der absolute Preishit" und "Kreativität zieht an: Selbstgeschneidertes wirklich attraktiv!". Schon allein dadurch ist ein verschiedener Ausgang der beiden Verfahren denkbar, weil es für die Berechtigung des Sicherungsantrages genügt, wenn auch nur einer der behaupteten Verstöße vorliegt; es kann daher durchaus sein, daß die einstweilige Verfügung erst auf Grund des im zweiten Verfahren zusätzlich behaupteten Sachverhaltes Bestand hat. Wird demnach im zweiten Verfahren ein Sachverhalt behauptet, der über den im ersten Verfahren geltend gemachten Sachverhalt hinausgeht und der, für sich allein genommen, das Sicherungsbegehren zu begründen vermag, dann ist der Rechtsschutz des zweiten Klägers durch die erste einstweilige Verfügung nicht vollständig gewahrt. In einem solchen Fall ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers durch die Erlassung der ersten einstweiligen Verfügung nicht weggefallen, wobei es nicht darauf ankommen kann, ob eine Bestätigung der ersten einstweiligen Verfügung im Rechtsmittelverfahren wahrscheinlich ist. Das Rekursgericht hat den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses daher zu Recht verneint, ohne daß es noch darauf ankäme, ob die Begehren tatsächlich inhaltsgleich sind.

Die Rechtsmittelwerberin hält an ihrer Auffassung fest, daß die beanstandeten Einschaltungen schon bei flüchtigem Lesen als Inserate erkennbar seien, seien doch die hier genannten Preise, Zahlungskonditionen und Ratenbeträge - ebenso wie die wiedergegebenen Fotos - typische Werbeaussagen. Auch dem kann nicht gefolgt werden:

Ob entgeltliche Einschaltungen als solche gekennzeichnet werden müssen, hängt davon ab, ob Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können (§ 26 MedienG). Dabei ist entscheidend, ob das angesprochene Publikum - an dessen Aufmerksamkeit, Erfahrung und Fachkunde ein Durchschnittsmaßstab anzulegen ist - den entgeltlichen Charakter einer Veröffentlichung zweifelsfrei erkennen kann (WBl 1992, 135; WBl 1992, 102; WBl 1991, 365). Dabei ist in die Beurteilung das gesamte Erscheinungsbild der Druckschrift einzubeziehen, in der die Einschaltung erfolgt. Sind, wie hier, redaktioneller Teil und Inseratenteil nicht getrennt und werden, wie in Gratiszeitungen üblich, auch in redaktionellen Beiträgen die Vorzüge bestimmter Waren oder Dienstleistungen herausgestrichen, dann müssen entgeltliche Einschaltungen schon dann als entgeltlich gekennzeichnet werden, wenn sie nach ihrem Inhalt und ihrer Gestaltung nicht deutlich von den redaktionellen Beiträgen unterschieden sind.

Das trifft hier zu: Die beanstandeten Einschaltungen sind nicht wie Inserate, sondern ähnlich den redaktionellen Beiträgen einer Gratiszeitung gestaltet. Da ihr entgeltlicher Charakter nicht zweifelsfrei erkennbar ist, liegt ein Verstoß gegen § 26 MedienG vor; solche Verstöße begründen aber zugleich auch eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses der Beklagten beruht auf §§ 402, 78 EO; §§ 41, 50, 52 ZPO, jene über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte