OGH 4Ob56/09b

OGH4Ob56/09b14.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Helmut S*****, vertreten durch Huainigg Dellacher & Partner Rechtsanwälte OEG in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner Mag. Dr. Hermann S*****, wegen 10.182,86 EUR sA, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 6. Februar 2009, GZ 1 R 24/09p-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 7. Jänner 2009, GZ 26 Nc 2/08w-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss zu lauten hat:

„Das zu 26 Nc 2/08w des Bezirksgerichts Klagenfurt geführte Verfahren ist im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und zu erledigen. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.“

Die Kosten des bisherigen Verfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Antragsteller und Antragsgegner sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein vom Antragsteller bewohntes Haus befindet. Der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner zur Zahlung von 10.182,86 EUR sA zu verpflichten. Der Anspruch betreffe die gemeinschaftlichen Lasten der Liegenschaft im Verhältnis der Anteile der beiden Parteien als Miteigentümer und beruhe auf § 839 ABGB. Der Antragsteller trage seit 1984 sämtliche Kosten der Liegenschaft allein. Infolge des bestehenden Hälfteeigentums seien die Miteigentümer aber je zur Hälfte verpflichtet, die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Liegenschaft unmittelbar zusammenhängenden Lasten (Grundabgaben, Kanal, Objektversicherungen, notwendige Reparaturen am Miteigentum uä) zu tragen; die verbrauchsbezogenen Abgaben und Betriebskosten träfen hingegen den auf der Liegenschaft wohnenden Antragsteller allein. Der Antragsteller habe seit 2000 - näher aufgeschlüsselte - Hälftebeträge der Zahlungen für die Liegenschaft in Höhe des begehrten Betrags gezahlt, die nach den Verhältnissen der Anteile vom Antragsgegner zu übernehmen gewesen wären.

Das Erstgericht sprach ohne weiteres Verfahren aus, dass über den Antrag gemäß § 40a JN im streitigen Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden sei. § 838a ABGB verweise Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren, soweit davon die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber betroffen seien. Solches treffe auf die hier geltend gemachten Ansprüche nicht zu. § 838a ABGB sei dahin auszulegen, dass im Außerstreitverfahren nur die grundlegenden Rechtsverhältnisse zwischen den Miteigentümern geklärt werden könnten, also etwa die Feststellung, der Antragsgegner sei verpflichtet, die Hälfte der Aufwendungen für die Liegenschaft zu zahlen. Die sich aus einer derartigen Verpflichtung ergebenden Zahlungsbegehren seien hingegen weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen. Darüber hinaus sei nach dem Vorbringen des Antragstellers auch von einem Schadenersatz-, Bereicherungs- oder Verwendungsanspruch als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Begehrens auszugehen, weshalb auch aus diesem Grund der außerstreitige Rechtsweg unzulässig sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig sei, in welcher Verfahrensart der Anspruch eines Miteigentümers gegen einen anderen Miteigentümer auf anteilige Zahlung der vom Antragsteller vorläufig allein getragenen Lasten für die gemeinsame Liegenschaft geltend zu machen sei. Der Antragsgegner sei am Rekursverfahren nicht zu beteiligen, weil der angefochtene Beschluss a limine gefasst worden sei. Der Antragsteller begehre keine Verteilung von Nutzen und Aufwand einer gemeinsamen Sache iSd § 839 ABGB. Er stütze seinen Anspruch nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern mache darüber hinaus mit der Behauptung, für den Antragsteller (gemeint: -gegner) liegenschaftsbezogene Lasten gezahlt zu haben, eine weitere Rechtsgrundlage geltend, nämlich einen Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB. Über ein solches Begehren sei im streitigen Verfahren zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers, über den nunmehr nach Zustellung der Entscheidungen der Vorinstanzen und des Rechtsmittels an den Antragsgegner zwecks Wahrung des rechtlichen Gehörs entschieden werden kann, ist zulässig und berechtigt.

Der Antragsteller macht geltend, er leite seinen Anspruch auf Ersatz der Hälfte der von ihm für die Gesamtliegenschaft getragenen Auslagen aus dem bestehenden Miteigentum der Parteien ab. Es liege eine Streitigkeit zwischen Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten vor, die § 838a ABGB in das Außerstreitverfahren verweise. Zu berücksichtigen sei dabei, dass § 117 JN für Streitigkeiten aus dem Miteigentumsverhältnis einen Gerichtsstand vorsehe, der sich nach der Lage des Miteigentumsobjekts richte; eine gleichartige Bestimmung für bereicherungsrechtliche Ansprüche aus dem Miteigentumsverhältnis fehle hingegen. Um „Sprengelfremdheit“ zu vermeiden, seien die Wertungen dieser Zuständigkeitsnorm auch bei Auslegung des § 838a ABGB zu berücksichtigen.

1.1. Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten sind im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 838a ABGB).

1.2. Die Materialien (RV BlgNR 22.GP 471,33) führen dazu aus: „Bei Miteigentumsangelegenheiten wird in der Frage, ob ein Anspruch im streitigen oder außerstreitigen Verfahren durchzusetzen ist, bisher relativ unklar und wenig einsichtig differenziert. [...] Es empfiehlt sich daher, solche Unwägbarkeiten durch eine eindeutige, Zuständigkeits- und Rechtswegstreitigkeiten nicht provozierende Regel möglichst auszuräumen. Einige der Miteigentümerstreitigkeiten passen nicht recht in den Zivilprozess mit seinem strikten Zwei-Parteien-System. Zudem können in diesen Angelegenheiten rechtsvorsorgende und rechtsgestaltende Mehrparteienverfahren vorkommen. Darüber hinaus ermöglicht das neue Außerstreitverfahren auch kontradiktorische Entscheidungen. Aus diesen Gründen ist es für die hier in Frage stehenden Auseinandersetzungen besser geeignet als der Zivilprozess. Mit § 838a ABGB werden daher Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren verwiesen. Das gilt für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber für Streitigkeiten mit Dritten. Auseinandersetzungen zwischen den Miteigentümern über die Bestellung, den Wechsel und die Enthebung eines Verwalters gehören künftig allein in das Außerstreitverfahren. [...] Über den Anspruch auf Durchsetzung einer Mehrheitsentscheidung oder den Anspruch auf Rechnungslegung gegen einen nicht der Gemeinschaft angehörigen dritten Verwalter ist dagegen weiterhin im Prozess zu entscheiden. In das Außerstreitverfahren fallen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Das betrifft jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und auf die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern (§ 830 Satz 1 ABGB) sowie die Verteilung des Nutzens und des Aufwands unter ihnen (§ 839 ABGB). Damit macht es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zugrunde liegt oder nicht. In beiden Fällen ist der Außerstreitrichter zur Verhandlung und Entscheidung berufen. Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstreckt sich aber nur auf die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten. Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt werden (etwa ein Besitzstörungsanspruch, ein Schadenersatzanspruch, ein Bereicherungsanspruch oder ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch zwischen Miteigentümern), sind weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen.

1.3. Nach Sailer (in KBB² § 838a Rz 2) gehören auch Ansprüche der Teilhaber untereinander aus von ihnen beschlossenen Handlungen des Verwalters in das außerstreitige Verfahren.

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, dass Ansprüche der Miteigentümer gegen einen der ihren, der auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache übernommen hat, als Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern zu beurteilen und als unmittelbar mit der Verwaltung und Benützung zusammenhängend im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen sind (7 Ob 204/07m = RIS-Justiz RS0122986). Gegenstand des dortigen Verfahrens war der Anspruch eines Miteigentümers gegen einen anderen Miteigentümer, der zugleich auch Verwalter der Liegenschaft ist, auf Herausgabe von Verwaltungsunterlagen. In der Begründung dieser Entscheidung heißt es:

„Nach § 837 ABGB ist der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes als ein Machthaber anzusehen. Demzufolge hat der Verwalter alle Rechte und Pflichten eines Machthabers nach §§ 1002 ff ABGB. Die Erläuternden Bemerkungen verweisen ausdrücklich auf § 837 ABGB. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten der Teilhaber und damit auch die Ansprüche aus der Rechnungslegungspflicht des Verwalters werden damit nach den mit dem Gesetzeswortlaut durchaus im Einklang stehenden und zu dessen Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängend in das Außerstreitverfahren verwiesen. Lediglich die Ansprüche gegen einen nicht der Gemeinschaft angehörenden Verwalter werden von den Erläuterungen vom außerstreitigen Rechtsweg ausgenommen. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte nun eine eindeutige Zuständigkeitsregelung geschaffen werden. Nimmt er - wie sich aus den Erläuterungen ergibt - bei Streitigkeiten mit einem Verwalter nur jene gegen einen Dritten vom außerstreitigen Rechtsweg aus, so kann nur e contrario geschlossen werden, dass Ansprüche der Miteigentümer gegen einen der ihren, der auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache übernommen hat, als Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern zu beurteilen sind, die als unmittelbar mit der Verwaltung und Benützung zusammenhängend im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen sind. Der Grund für die Ungleichbehandlung kann darin gesehen werden, dass ein Miteigentümer, der gleichzeitig Verwalter ist, bei Streitigkeiten über seine Verwaltertätigkeit in aller Regel auch über die bloße Verwalterstellung hinausgehende, im Miteigentumsverhältnis wurzelnde Eigeninteressen vertritt, die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache im Zusammenhang stehen.“

2.2. Diese Überlegungen sind auch dem Anlassfall (der „spiegelbildlich“ zum zuvor genannten Verfahren Ansprüche eines verwaltenden Miteigentümers gegen einen anderen Miteigentümer auf anteilsmäßige Tragung der Lasten der Liegenschaft zum Gegenstand hat) zu Grunde zu legen. Sie führen aus folgenden Überlegungen zur Verweisung der Rechtssache in das außerstreitige Verfahren:

3. Ob über einen konkreten Rechtsschutzantrag im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, ist nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens, aber auch den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu beurteilen. (RIS-Justiz RS0013639 [T19, T23]).

4.1. Der Antragsteller stützt sein Zahlungsbegehren auf das Vorbringen, er habe seit vielen Jahren sämtliche Kosten der Liegenschaft allein getragen; infolge seines Hälfteeigentums sei der Antragsgegner aber verpflichtet, die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Liegenschaft unmittelbar zusammenhängenden Lasten je zur Hälfte mitzutragen.

4.2. Gegenstand des Verfahrens ist demnach die Verteilung des Aufwands für die gemeinschaftliche Liegenschaft (§ 839 ABGB) auf die Teilhaber der gemeinschaftlichen Sache. Auch für eine solche Streitigkeit, die die Abrechnung im Rahmen einer von einem Miteigentümer über Jahre hinweg stillschweigend geduldete Verwaltertätigkeit eines anderen Miteigentümers betrifft, gilt, dass ein Miteigentümer, der gleichzeitig als Verwalter tätig ist, bei Streitigkeiten über seine Verwaltertätigkeit in aller Regel auch über die bloße Verwalterstellung hinausgehende, im Miteigentumsverhältnis wurzelnde Eigeninteressen vertritt, die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache im Zusammenhang stehen (7 Ob 204/07m). Unerheblich ist hingegen nach den Materialien, ob der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer (hier: über die Befugnis des Antragstellers zur Verwaltung der Liegenschaft) zu Grunde liegt. Es handelt sich auch um keine Streitigkeiten mit einem dritten Verwalter, die vom außerstreitigen Rechtsweg ausgeschlossen wäre.

4.3. Zusammenfassend gilt daher: Der aus der Abrechnung des verwaltenden Miteigentümers resultierende Ersatzanspruch betreffend den anteiligen Aufwand der mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Liegenschaft unmittelbar zusammenhängenden Lasten gegenüber einem anderen Miteigentümer ist eine im Verfahren außer Streitsachen zu entscheidende Streitigkeit iSd § 838a ABGB.

5. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und auszusprechen, dass die Rechtssache im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und erledigen ist.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG iVm § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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