OGH 4Ob544/95

OGH4Ob544/9527.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr.Albert F*****, wider die Antragsgegnerin T***** AG, ***** vertreten durch Dr.Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung eines Entschädigungsbetrages, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 17.März 1995, GZ 54 R 23/95-45, womit infolge Rekurses beider Parteien der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 15.November 1994, GZ 5 Nc 8/94v-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Entschädigungsbetrag für die mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung *****, zwangsweise eingeräumte Dienstbarkeit der Führung, Benutzung und Erhaltung einer Hochspannungs-Doppelleitung von 110.000 Volt Spannung auf dem Grundstück ***** KG O*****, mit S 10.080 festgesetzt und das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Antragstellers abgewiesen wird.

Der Antragsteller hat die Kosten des Entschädigungsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG O***** mit dem Grundstück *****. Dieses Grundstück hat ein Ausmaß von 3.000 m2, weist eine nahezu quadratische Form auf und liegt nördlich des H*****baches erhöht über dem Talboden in schöner und unverbauter Aussichtslage. Es liegt im Freiland in der sogenannten "gelben Gefahrenzone" des H*****baches. Dieser Bach selbst ist verbaut. Die Liegenschaft ist über öffentliche und asphaltierte Straßen mit Fahrzeugen aller Art erreichbar und an alle öffentlichen Versorgungs- und Entsorgungsleitungen angeschlossen.

In den Jahren 1980 bis 1982 errichtete der Antragsteller auf dieser Liegenschaft ein freistehendes Einfamilienhaus, bestehend aus Keller, Erdgeschoß, erstem Obergeschoß und nicht ausgebautem Dachgeschoß. An das Haus baute er eine Garage samt Geräteraum an. Das - gänzlich unterkellerte - Haus selbst wurde in massiver und landschaftsverbundener Bauweise errichtet. Die Baufläche beträgt etwa 241 m2, die Wohnnutzfläche 268,50 m2, der umbaute Raum umfaßt etwa

1.703 m3. Das Haus ist im Inneren gediegen mit Holzdecken, teilweisen Holzvertäfelungen und zum Teil wertvollen und luxuriösen Einbauten - Sauna mit Dampfbad, Fitneßraum, Kellerbar usw - sowie einer Ölzentralheizung ausgestattet und ist sehr gut instandgehalten. Es wird von einer 2.759 m2 großen Gartenfläche umgeben, die zur Gänze gärtnerisch gestaltet ist und Rasen, Hecken, Bäume und Sträucher aufweist. Im Garten befindet sich ein kreisrundes Freischwimmbecken mit einem Durchmesser von 8 m, das mit Natursteinplatten eingefaßt ist. An den Grenzen sind Fichtenhecken gepflanzt; die Garagenzufahrt ist asphaltiert und gepflastert.

Der Sachwert der Liegenschaft betrug am 17.August 1990 rund S 10,900.000; der Verkehrswert der Liegenschaft belief sich damals auf etwa S 12,000.000.

Seit 1969 war das Grundstück des Antragstellers mit der Dienstbarkeit der Führung, Benützung und Erhaltung einer 110.000-Volt Hochspannungseinfachleitung belastet. Der Schutzbereich hatte sich entlang der Westgrenze des Grundstückes erstreckt und hatte im Süden rund 9,5 m und im Norden rund 7 m auf das Grundstück hereingeragt; der Schutzbereich selbst hatte dabei eine Fläche von etwa 400 m2 umfaßt. Der Mast Nr. 25 der alten Leitung war etwa 2 m vom südwestlichen Grundstückseck entfernt auf der benachbarten Grundparzelle errichtet. Dieser Mast war 20 m hoch; an seinen Spitzen war das Blitzseil angebracht. Die drei Leitungen waren auf einer Höhe von 16 m angebracht. Diese Leitungen und das Blitzseil erstreckten sich über eine Länge von 203 m gegen Norden zum dort aufgestellten 20 m hohen Mast Nr.24. Sie hingen dabei maximal 6,49 m durch. Die Leitungstrasse verlief etwa 44 m vom Südwesteck des Wohnhauses entfernt.

Der Antragsteller hatte durch die Pflanzung einer Baumgruppe im Südwesteck erreicht, daß der Mast Nr.25 von seinem Haus aus kaum zu sehen war. Die Leitungsseile der alten Leitung verliefen - vom Haus des Antragstellers aus gesehen - von Süden am Horizont entlang und dann nach Norden absinkend unter dem Horizont und schließlich unter dem im Norden gelegenen Felsmassiv des W*****.

Mit Bescheid vom 17.August 1990, ***** räumte die Tiroler Landesregierung zugunsten der Antragsgegnerin die Dienstbarkeit der Führung, Benützung und Erhaltung einer Hochspannungsdoppelleitung von rund 110.000 Volt Spannung gemäß dem einen Bestandteil des Bescheides bildenden Plan ein, wodurch die Antragsgegnerin berechtigt wurde, "auf dem Grundstück ***** in EZl. ***** KG. ***** O*****, die gegenständliche Hochspannungsleitung in der im Plan mit blauem Farbstrich gegebenen Richtung zu führen; die Anlage in Betrieb zu nehmen, zu beaufsichtigen, instandzuhalten, zu erneuern, umzubauen oder zu beseitigen und zu diesem Zwecke Boden- und Pflanzenhindernisse, soweit sie für den Bau und Betrieb der Leitung hinderlich sind, im erforderlichen Umfang zu entfernen (siehe § 12 Tiroler Starkstromwegegesetz 1969), leitungsgefährdende Anpflanzungen zu untersagen sowie die belasteten Grundstücke durch die hiezu bestellten Personen zu betreten"; gleichzeitig wurde der Antragsteller verpflichtet, "innerhalb des im Lageplan hellblau angelegten Schutzstreifens alles zu unterlassen, was den ordnungsgemäßen und sicheren Bestand und Betrieb der Hochspannungsanlage der T***** (= AG) unter Beachtung der jeweils geltenden Sicherheitsvorschriften für Hochspannungsanlagen stören, gefährden oder beeinträchtigen könnte". Die von der Antragsgegnerin für die Einräumung dieser Dienstbarkeit dem Antragsteller zu leistende einmalige Geldentschädigung wurde mit S 10.080 festgesetzt.

Die Trasse der Hochspannungsdoppelleitung wurde gegenüber der Trasse der früheren Leitung etwas nach Westen abgerückt, so daß die Liegenschaft des Antragstellers nunmehr nur noch mit einem Schutzbereich am westlichen Rand im Ausmaß von etwa 180 m2 betroffen ist. Der neue Mast Nr. 25 wurde etwa 5 m südwestlich des alten Maststandpunktes Nr. 25 - also etwa 7 m vom südwestlichen Grundstückseck entfernt - errichtet. Dieser Mast ist 31,6 m hoch, an seiner Spitze befindet sich das Blitzseil. Darunter weist dieser Mast nun zwei Querträger auf, an denen sechs Leitungsseile in einer Höhe von 24,3 bzw 20 m befestigt sind. Die Leitung verläuft von Süden quer vor der Liegenschaft des Antragstellers gegen Norden zum ebenfalls neu errichteten Mast Nr. 24, der 211 m entfernt vom Mast Nr. 25 steht. Der neue Mast Nr. 24 ist 27,6 m hoch, an seiner Spitze wird wiederum das Blitzseil geführt. Der erste Querträger mit zwei Leitungen befindet sich auf einer Höhe von 20,85 m, der zweite Querträger darunter mit vier Leitungen auf einer Höhe von 16,55 m. Die Leitungen selbst hängen höchstens 5,29 m durch.

Beide Masten sind nun von der Liegenschaft des Antragstellers aus gut sichtbar. Die Leitungen verlaufen - vom Haus des Antragstellers aus betrachtet - von Süden kommend zunächst über dem Horizont und nach Norden sodann nahezu quer über das Felsmassiv des W*****. Die untersten vier Leitungen der neuen Leitung verlaufen etwa auf der Höhe, auf der die Blitzseile der alten Leitung verlaufen waren. Die darüber liegenden Stromleitungen befinden sich etwa 5 m höher als das Blitzseil der alten Leitung. Das oberste Seil der neuen Leitung und damit auch die Spitze der neuen Masten liegt rund 10 m höher als die der alten Leitung.

Im Zuge des Verwaltungsverfahrens erklärte die Antragsgegnerin, daß die alte Leitung bei der Festsetzung der Entschädigung unberücksichtigt bleiben sollte.

Die Nachfrage nach derart luxuriösen und schön gelegenen Liegenschaften war 1990 in K***** und Umgebung ungebrochen groß, wenn auch der potentielle Käuferkreis einer solchen Liegenschaft im Hinblick auf deren hohen Wert naturgemäß verhältnismäßig klein ist. Potentielle Käufer einer solchen Liegenschaft reagieren jedoch äußerst sensibel auf Beeinträchtigungen einer Liegenschaft, wie sie durch die neu errichtete Hochspannungsdoppelleitung entstehen. Diese Käuferschicht legt größten Wert auf eine ungestörte Aussicht und möglichst unversehrte Umgebung der Liegenschaft. Sie stellt auch allenfalls vorhandene, wenn auch keinesfalls nachgewiesene physische Beeinträchtigungen einer in der Nähe vorbeiführenden Hochspannungsleitung in Rechnung.

Der Verkehrswert der Liegenschaft hat sich durch die Errichtung der neuen Hochspannungsdoppelleitung um 12 bis 15 % vermindert.

Der Antragsteller begehrt (letztlich), die Entschädigung für das zugunsten der Antragsgegnerin eingeräumte Zwangsrecht mit S 1,620.000 sA festzusetzen. Die neue Hochspannungsleitung störe den Ausblick von seiner Liegenschaft auf das Felsmassiv des W*****. Auch die von Hochspannungsleitungen ausgehenden elektrischen und Magnetfelder beeinträchtigten den Wert der Liegenschaft. Deren Verkehrswert sei damit wesentlich gesunken.

Die Antragsgegnerin begehrt die Abweisung des Antrages. Die im Verwaltungsverfahren festgesetzte Enteignungsentschädigung sei angemessen. Nur der tatsächlich verursachte vermögensrechtliche Nachteil, nicht jedoch ein möglicher Gewinnentgang, seien zu ersetzen.

Das Erstgericht setzte den Entschädigungsbetrag - unter Abweisung des Zinsenbegehrens - mit S 1,620.000 fest. Die Minderung des Verkehrswertes sei eine mit der Leitungsanlage unmittelbar verbundene Beschränkung der Vermögensrechte des Grundstückseigentümers im Sinn des § 15 Tir StarkstromwegeG. Die Höhe der Entschädigung sei mit 13,5 % des Verkehrswertes von S 12,000.000 festzusetzen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß mit der Maßgabe, daß es die Antragsgegnerin schuldig erkannte, den Entschädigungsbetrag von S 1,620.000 binnen 14 Tagen zu zahlen, widrigenfalls die Entschädigungssumme ab dem Tag der Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung mit 4 % Verzugszinsen zu verzinsen sei. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die §§ 4 ff EisbEntG über Gegenstand und Umfang der Entschädigung seien nicht anwendbar, weil § 15 Tir StarkstromwegeG hierüber eine eigene Regelung enthalte. Nur für das Enteignungsverfahren verweise § 18 dieses Gesetzes auf das EisbEntG. Nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz sei eine angemessene Schadlosmachung für alle vermögensrechtlichen Nachteile vorgesehen, wovon sowohl der unmittelbare Schade als auch der mittelbare Schade - etwa ein Verlegungsaufwand - umfaßt seien. Der unmittelbare Schade erfasse den Verkehrswert, ermittelt nach dem im konkreten Einzelfall und bezogen auf den Gegenstand zutreffenden Verfahren nach Vergleichswert-, Ertragswert- oder Sachwertberechnung. Bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang nach § 15 Tir StarkstromwegeG eine Entschädigung zu leisten ist, sei auf die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes Bedacht zu nehmen. Wie sich aus den EB zur gleichlautenden Bestimmung des § 17 StarkstromwegeGesetz 1968 BGBl 70 ergebe, sei nach § 15 Tir StarkstromwegeG der "unmittelbare Schade" zu ersetzen, also jener vermögensrechtliche Nachteil, der sich in der Minderung des Verkehrswertes durch die Belastung mit dem Leitungsrecht ergibt. Die Antragsgegnerin habe daher dem Antragsteller die Verkehrswertminderung zu ersetzen, wie das auch in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes EvBl 1965/423 und SZ 43/143 zum Ausdruck komme. Unter Berücksichtigung der mittlerweile weithin verbreiteten Bedenken gegen (tatsächliche oder vermeintliche) Einflüsse elektromagnetischer Felder und die Eigenschaft der Liegenschaft des Antragstellers als Luxusobjekt, für das nur ein sehr eingeschränkter Käuferkreis überhaupt in Frage kommt, erscheine eine höhere Wertminderung als 10 % durchaus plausibel. Der vom Erstgericht festgelegte Entschädigungsbetrag sei daher - selbst wenn man nur von einem Wert der Liegenschaft in der Höhe von S 10,900.00 ausgehen wollte - gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig, weil - soweit überblickbar - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des § 15 des Tir StarkstromwegeG (oder einer inhaltsgleichen anderen Bestimmung), insbesondere zur Frage fehlt, welche vermögensrechtlichen Nachteile des durch eine Zwangsservitut Belasteten darnach Gegenstand einer Enteignungsentschädigung sind; er ist auch berechtigt.

Die österreichische Rechtsordnung verwendet den Begriff der Enteignung nicht nur für den vollständigen Entzug des Eigentums, sondern auch für dessen teilweisen Entzug durch Einräumung entsprechender Befugnisse an Dritte (Begünstigte) oder die Allgemeinheit (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 365). So umfaßt das Enteignungsrecht nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz nicht nur das Recht auf Abtretung von Grundstücken (§ 2 Abs 2 Z 1 EisbEntG), sondern ua auch das Recht auf Einräumung von Servituten und anderen dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen (§ 2 Abs 2 Z 3 EisbEntG). Auch das Tir Starkstromwegegesetz LGBl 1970/11 kennt die Enteignung in der Form der Einräumung von Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen (§ 17 Abs 1 lit a des Gesetzes) und - ua - der Abtretung des Eigentums an Grundstücken (§ 17 Abs 1 lit b des Gesetzes).

Gegenstand der - in den verschiedenen, eine Enteignung vorsehenden Gesetzen geregelten - Enteignungsentschädigung ist - wie sich zB aus § 4 Abs 1 EisbEntG und § 18 BStG 1971 ergibt - immer nur der durch die Enteignung verursachte vermögensrechtliche Nachteil, nicht aber etwa die durch den Bau oder den späteren Betrieb der vorgesehenen Anlage entstehende Einbuße (Spielbüchler aaO Rz 10; Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 148 mwN FN 84). Schäden des Eigentümers durch das Enteignungsprojekt, die auch dann eingetreten wären, wenn diesem nichts enteignet worden wäre, sind demnach nicht zu ersetzen (Rummel/Schlager, Enteignungsentschädigung 129 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des deutschen BGH bei vergleichbarer Rechtslage [Art 14 Abs 3 GG]). Es entspricht Lehre und herrschender Rechtsprechung, daß bei Entziehung des Eigentums alle Nachteile, welche unmittelbare Folgen der Enteignung sind - insbesondere also der Wert der entzogenen Liegenschaft, aber auch die durch die Verkleinerung eingetretene Minderung des Wertes der verbliebenen Liegenschaft - zu ersetzen sind (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 147 f mwN aus der Rechtsprechung; SZ 65/22 uva), die mittelbaren Enteignungsfolgen - wie etwa Immissionen durch Arbeiten auf dem enteigneten Grundstück zur Realisierung des Enteignungszweckes, Nachteile durch den Straßenverkehr, durch Wartungsarbeiten udgl. -, die nicht dem bloßen Eigentumswechsel entspringen, hingegen nicht ersatzfähig sind (Brunner aaO 149; SZ 50/158; SZ 51/175 ua). Die Rechtsprechung hat auch anerkannt, daß die durch eine Enteignung hervorgerufenen Nachteile über den Substanzverlust und die Verkehrswertminderung hinaus auch in weiteren Vermögensfolgeschäden bestehen können. Das trifft etwa zu, wenn der Enteignete infolge der Enteignung genötigt ist, ein auf dem von der Enteignung betroffenen Grundstück betriebenes Unternehmen zu verlegen (SZ 48/54; SZ 55/133). Die Feststellung der enteignungsbedingten Nachteile hat dabei nach neuerer Rechtsprechung mit Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Enteigneten unter Heranziehung eines objektiven Maßstabes bei der Wertermittlung (objektiv-konkret) zu erfolgen (SZ 55/133; JBl 1991, 119; so schon Rummel/Schlager aaO 83 ff, insbes 89 f).

Die gleichen Grundsätze müssen auch dann gelten, wenn die Enteignung nicht durch Entziehung des Eigentumsrechtes, sondern bloß durch Einräumung einer Zwangsservitut verwirklicht wird. Besteht die Dienstbarkeit in der Verpflichtung zur Duldung der Überspannung des Grundstückes durch eine Stromleitung, dann wird zwar in der Regel die Nutzung des Grundstückes nicht gehindert, wohl aber mindert sich im Grundstücksverkehr der Wert des Geländes (Gelzer/Busse, Der Umfang des Entschädigungsanspruchs Rz 370 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGH). Der OGH hat daher in solchen Fällen dem Belasteten den Ersatz der Wertminderung zuerkannt (EvBl 1965/423; SZ 43/143; JBl 1972, 327; in der letztgenannten Entscheidung wurde freilich diese Auffassung nur als nicht offenbar gesetzwidrig im Sinn des § 16 AußStrG aF bezeichnet).

All diese Entscheidungen ergingen auf der Grundlage des § 4 EisbEntG. Zu untersuchen ist daher zunächst, ob die Enteignungsentschädigung im Tir Starkstromwegegesetz - welches nur für das Enteignungsverfahren und die behördliche Ermittlung der Entschädigunge unter Festlegung bestimmter Ausnahmen auf das Eisenbahnenteignungsgesetz verweist (§ 18 Tir StarkstromwegeG) - inhaltlich anders geregelt ist. Das ist jedoch zu verneinen:

Nach § 15 Tir StarkstromwegeG hat der Leitungsberechtigte (ua) den Grundstückseigentümer für alle mit dem Bau, der Erhaltung, dem Betrieb, der Änderung und der Beseitigung der elektrischen Leitungsanlagen unmittelbar verbundenen Beschränkungen seines zum Zeitpunkt der Bewilligung ausgeübten (Eigentums-)Rechtes angemessen zu entschädigen. Diese Bestimmung entspricht wörtlich § 17 des Bundesgesetzes vom 6.Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (Starkstromwegegesetz 1968) BGBl 70 und § 14 Abs 2 des Bundesgesetzes vom 6.Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken BGBl 71. Wie schon das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, beruht § 17 StarkstromwegeG 1968 auf der Erwägung, daß "entsprechend dem Grundsatz einer möglichst geringen Beeinträchtigung des durch ein Leitungsrecht Belasteten ... ihm auch eine Entschädigung für alle hiedurch unmittelbar verursachten vermögensrechtlichen Nachteile (siehe diesbezüglich § 48 Abs 1 Elektrizitätsgesetz 1929, BGBl Nr. 250, sowie § 5 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1967)" gebührt (625 BlgNR 11. GP 12). § 48 Abs 1 Elektrizitätsgesetz BGBl 1929/250 legt fest, daß die Unternehmer von Starkstromanlagen dem mit einem Leitungsrecht Belasteten eine Entschädigung zu leisten haben, wenn diesem durch die Einräumung ein vermögensrechtlicher Nachteil erwächst. § 5 Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 BGBl Nr. 198 ordnet an, daß für die durch die Einräumung eines Bringungsrechtes verursachten vermögensrechtlichen Nachteile ein Anspruch auf Entschädigung (in den Landesgesetzen) vorzusehen ist.

Die Ausführungen in den ziterten EB und der Wortlaut der dort als Vorbild bezeichneten Vorschriften machen deutlich, daß auch der Gesetzgeber des Tiroler Starkstromweggesetzes, der sich die angeführte bundesgesetzliche Regelung zum Vorbild genommen hat, einen Ersatz nur für die durch die Einräumung der Servitut unmittelbar verursachten Vermögensnachteile gewähren wollte. Das findet im Gesetzeswortlaut insofern Ausdruck, als die in § 15 des genannten Gesetzes gebrauchten Ausdrücke dem Inhalt der Leitungsrechte (§ 11 des Gesetzes) entsprechen.

Der durch die Dienstbarkeit Belastete hat somit Anspruch auf Ersatz all jener Vermögensnachteile, die er infolge der ihm auferlegten Beeinträchtigungen und Pflichten erleidet. Hingegen steht ihm nicht der Ersatz für all jene Nachteile zu, die keine unmittelbare Folge der ihn belastenden Dienstbarkeit, sondern allein der Existenz der Leitungsanlage sind und jeden Anrainer trifft, ob er nun durch eine Servitut belastet ist oder nicht.

Im vorliegenden Fall befindet sich die Maste der Hochspannungsleitung außerhalb des Grundstückes des Antragstellers; der von der Leitung betroffene Schutzstreifen - innerhalb dessen der Antragsteller alles zu unterlassen hat, was den ordnungsgemäßen und sicheren Bestand und Betrieb der Hochspannungsanlage stören, gefährden oder beeinträchtigen könnte - beträgt 180 m2. Die Hochspannungsleitung selbst führt - wie die Vorinstanzen entgegen den Ausführungen des Antragstellers in seiner Revisionsrekursbeantwortung festgestellt haben - nicht über die belastete Liegenschaft, sondern quer vor ihr vorbei (S. 351 und 416). Wären die Masten und damit die Hochspannungsleitung um einige Meter weiter von der Grundstücksgrenze des Antragstellers weg verschoben worden, dann wäre seine Liegenschaft zur Gänze aus dem Schutzbereich der Leitung herausgefallen, so daß es der Einräumung einer Servitut nicht bedurft hätte. Auch in diesem Falle wäre aber der Ausblick von der Liegenschaft des Antragstellers zum W***** beeinträchtigt, der benachbarte Grundeigentümer könnte auch dann von der Starkstromleitung ausgehende elektrische und magnetische Felder befürchten, weshalb die in Frage kommenden Käuferschichten nur noch zur Zahlung eines geringeren Kaufpreises für die Liegenschaft bereit wären. In einem solchen Fall stünde dem Antragsteller wie jedem sonstigen Anrainer kein Anspruch auf Enteignungsentschädigung zu. Er hätte auch mangels Rechtswidrigkeit der errichteten Anlage keinen Schadenersatzanspruch zu. Ob ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB wegen der Immissionen in der Form elektrischer und magnetischer Felder zustehen könnte (vgl JBl 1990, 786) bedarf hier keiner Untersuchung.

Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung zeigt auch ein Größenschluß:

Hätte es der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage der Antragsgegnerin aus zwingenden technischen oder ökonomischen Gründen erfordert, einen Streifen der Liegenschaft des Antragstellers (im Sinne des Eigentumsentzugs) zu enteignen (§§ 16, 17 Abs 1 lit b und Abs 2 Tir StarkstromwegeG), dann hätte der Antragsteller nur Anspruch auf Ersatz des Wertes des enteigneten Grundstücksteils sowie einer allfälligen Entwertung des Restgrundes (die freilich in aller Regel nur bei Verformung, Durchschneidung oder Reduzierung des Restgrunds auf eine unwirtschaftliche Größe vorläge: SZ 65/22), nicht aber auf Ersatz der Nachteile, die durch die Bauführung auf dem enteigneten Grundstück und den Bestand der Leitung eintreten (Brunner aaO 149; ders, Zum Begriff des Enteignungsschadens, ÖJZ 1972, 477 ff [481]).

Wird zur gelinderen Form der Enteignung, nämlich bloß zur Einräumung einer Dienstbarkeit des Leitungsrechtes gegriffen, dann können dem dadurch Belasteten nicht mehr Ersatzansprüche erwachsen, als im Falle des völligen Eigentumsentzuges.

Da der Antragsteller sein Entschädigungsbegehren im gerichtlichen Verfahren ausschließlich auf Umstände gegründet hat, die nach dem Gesagten eine höhere Entschädigung nicht rechtfertigen, waren die Beschlüsse der Vorinstanzen in Stattgebung des Revisionsrekurses dahin abzuändern, daß der den Zuspruch im Verwaltungsverfahren übersteigende Entschädigungsantrag abgewiesen wird.

Im Hinblick auf diesen Verfahrensausgang steht dem Antragsteller kein Kostenersatzanspruch zu (§ 18 StarkstromwegeG, § 44 EisbEntG).

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