OGH 4Ob534/95

OGH4Ob534/9510.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth K*****, vertreten durch Dr.Hubert Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm.Dr.Franz Josef K*****, vertreten durch Rechtsanwalts-Partnerschaft Gabler & Gibel in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert im Verfahren über den Antrag auf Einschränkung der den einstweilen zu leistenden Unterhalt bestimmenden einstweiligen Verfügung gemäß § 58 Abs 1 JN: 586.296 S; Revisionsrekursinteresse:

222.226 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 8. Februar 1995, GZ 47 R 2226/94-97, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 3.Oktober 1994, GZ 2 C 64/91f-89, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Einschränkungsantrag der beklagten Partei zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Streitteile leben in Scheidung. Im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Leistung des gesetzlichen Unterhalts bestimmte das Erstgericht mit einstweiliger Verfügung vom 4.3.1993 (ON 49) in der Fassung der Entscheidung des Rekursgerichtes vom 23.6.1993 (ON 55) ab 12.1.1993 für die Dauer dieses Verfahrens einen einstweilen vom Beklagten zu leistenden Unterhalt von monatlich 20.000 S.

Mit dem am 1.7.1994 eingelangten Antrag begehrte der Beklagte die "Herabsetzung" des einstweilen bestimmten Unterhalts für den Monat Mai 1994 auf 9.492 S und ab 1.6.1994 auf monatlich 3.714 S, weil sich infolge seiner Entlassung am 11.5.1995 und der daran anschließenden Arbeitslosigkeit seine Leistungsfähigkeit wesentlich vermindert habe.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag nach vorausgegangener mündlicher Verhandlung zurück. Es liege inhaltlich ein Antrag auf Einschränkung der einstweiligen Verfügung gemäß § 399 Abs 1 Z 2 EO vor. Diese Bestimmung habe den Wegfall der Gefährdung zufolge Änderung der Verhältnisse zur Voraussetzung, worunter jedoch die geltend gemachte nachträgliche Änderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht falle. Eine derartige nachträgliche Änderung der Umstände sei mit Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es den Herabsetzungsantrag nicht zurück-, sondern abwies; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Bestimmungen der §§ 35 ff und 399 EO seien auch für einstweilige Verfügungen nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO dahin zu "koordinieren", daß erstere die generelle und letztere die spezielle Norm sei. In allen vier Fällen des § 399 Abs 1 EO sei das mangelnde Sicherungsbedürfnis der gefährdeten Partei Voraussetzung für die Aufhebung oder Einschränkung einer einstweiligen Verfügung. Daraus folge, daß Umstände, die für die Sicherungsfunktion der einstweiligen Verfügung ohne Belang sind - wie hier die vom Beklagten geltend gemachte verminderte Leistungsfähigkeit - nur mit Oppositionsklage geltend gemacht werden könnten. Das habe auch der Oberste Gerichtshof in SZ 13/176 für den Fall der als Aufhebungsgrund geltend gemachten Arbeitslosigkeit des unterhaltspflichtigen Mannes ausgesprochen. Der Oberste Gerichtshof habe zwar diese Meinung in der Entscheidung SZ 60/60 = EFSlg 55.329/2 abgelehnt, was aber nicht nachvollziehbar sei, stehe doch die jüngere Entscheidung gar nicht im Widerspruch zur älteren, weil sie den Fall betroffen habe, daß die Ehefrau nachträglich über hinreichendes eigenes Einkommen verfügte, wodurch ihr Sicherungsbedürfnis weggefallen war.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Die Frage, deretwegen das Rekursgericht den ordentliche Revisionsrekurs zugelassen hat, ist in ganz anderer Weise strittig als es in seinen Ausführungen zum Ausdruck kommt: Während schon in der älteren Lehre überwiegend und in der jüngeren und jüngsten Lehre nahezu einhellig der Standpunkt vertreten wird (vgl König, Einstweilige Verfügung im Zivilverfahren Rz 330), daß gegen eine aufgrund einer einstweiligen Verfügung geführte Exekution eine Oppositionsklage überhaupt unzulässig ist, weil die Formulierungen der Tatbestände des § 399 EO (mit allenfalls analoger Erweiterung) alle denkbaren Anlaßfälle für diese Klagen aufzunehmen vermögen, hat der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit der Oppositionsklage bisher stets bejaht (zuletzt etwa JBl 1994, 419 = RdW 1994, 107 = AnwBl 1994, 384 mwH auf die kontroversielle Lehre und Rechtsprechung).

Demgegenüber hat die Rechtsprechung zu einstweiligen Verfügungen gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO die Auffassung vertreten, daß sie zwar nach § 399 Abs 1 Z 4 EO nicht aufgehoben werden können, wohl aber in den übrigen Fällen (Z 1 bis 3) auch mit einem Aufhebungs- oder Einschränkungsantrag vorgegangen werden kann (EvBl 1962/459; EvBl 1970/11; EFSlg 46.931; SZ 60/60). Nur in der - vereinzelt gebliebenen -, in SZ 60/60 ausdrücklich abgelehnten Entscheidung SZ 13/176 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß die einstweilige Verfügung nicht nach § 399 Abs 1 Z 2 EO aufgehoben werden könne, wenn der Unterhaltspflichtige seine Einkommensquelle nachträglich verloren hat, weil für diesen Fall nur § 35 EO zur Anwendung komme. Dieser Meinung ist die Entscheidung SZ 60/60 entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes zutreffend mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, daß in Wahrheit das Problem der Statthaftigkeit konkurrierender Rechtsbehelfe zu lösen ist, welches sich im übrigen überhaupt erst dann stellt, wenn aufgrund der einstweiligen Verfügung schon eine Exekution bewilligt worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt steht nämlich dem Unterhaltspflichtigen, wenn sich die für die Bestimmung des einstweilen zu leistenden Unterhalts maßgeblichen Umstände nach Erlassung der einstweiligen Verfügung wesentlich geändert haben, sodaß der gesetzliche Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise erloschen ist, nur der Aufhebungsantrag gemäß § 399 Abs 1 Z 2 EO zur Verfügung. Wird aber bereits Exekution geführt, so steht dem Unterhaltspflichtigen, weil das Gesetz nichts Gegenteiliges vorsieht, das Recht zu, zwischen einem Aufhebungs-(Einschränkungs-)antrag nach § 399 Abs 1 Z 2 EO und der Oppositionsklage gemäß § 35 EO zu wählen (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1688). Die Rechtslage ist daher insoweit nicht anders, als wenn der Unterhalt durch ein Urteil oder durch einen Beschluß des Außerstreitrichters festgesetzt worden ist (SZ 60/60). Auch hier kann der Unterhaltsschuldner nach Einleitung einer Exekution entweder mit Oppositionsklage oder mit einer negativen Feststellungsklage bzw einer Klage oder einem Antrag auf Herabsetzung vorgehen; seit der Entscheidung des verstärkten Senates vom 9.6.1988, 6 Ob 544/87 (SZ 61/143 = JBl 1988, 586 = ÖA 1988, 79 = AnwBl 1989, 294), kann nunmehr die Unterhaltsverpflichtung auch rückwirkend aufgehoben oder eingeschränkt werden kann (EvBl 1990/151 = ÖA 1991, 139).

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß die - insoweit nicht taxativen (SZ 25/43; EFSlg 46.931; SZ 60/60) - Aufhebungs- bzw Einschränkungsgründe des § 399 Abs 1 Z 1 bis 3 EO allesamt einen entsprechenden Wegfall des Sicherungsbedürfnisses der gefährdeten Partei zur Voraussetzung haben, bedarf doch jedenfalls auch ein ganz oder teilweise erloschener Anspruch (insoweit) keiner Sicherung mehr. Im übrigen hat der Gesetzgeber mit dem Bundesgesetz BGBl 1987/645 über den vorläufigen Unterhalt für Minderjährige mit dem neu eingefügten § 399 a EO genau für diesen Fall die Aufhebung oder Einschränkung der nach § 382 a EO erlassenen einstweiligen Verfügung vorgesehen und in dessen Abs 4 ausdrücklich angeordnet, daß der § 399 EO hier nicht anzuwenden ist. Auch daraus folgt, daß der Gesetzgeber offenbar vorausgesetzt hat, daß sonst § 399 EO - wie im Fall einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO - auch hier anzuwenden gewesen wäre.

Die Vorinstanzen haben daher in Verkennung der Sach- und Rechtslage zu den vom Beklagten geltend gemachten Einschränkungsgründen keine Bescheinigungsannahmen getroffen. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und die Sache an die erste Instanz zur Fällung einer Sachentscheidung zurückzuverweisen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens über den Antrag auf Einschränkung der einstweiligen Verfügung (§§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte