Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin stellt Druck- bzw Schnellkochtöpfe her, welche sie unter der Marke "Kelomat" vertreibt. Diese Dampfdruckkochtöpfe sind der entsprechenden Ö-Norm gemäß angefertigt. Laut einer IMAS-Befragung vom Oktober 1991 in Österreich assoziieren 38 % der Befragten angesichts der Abbildung eines Schnellkochtopfes den abgebildeten Gegenstand mit dem Markennamen "Kelomat"; 46 % der Befragten fiel bei der Produktbezeichnung Drucktopf oder Schnelltopf die Marke "Kelomat" ein.
Ein von der W*****-Film hergestellter Werbespot zeigt zunächst in einer über den gesamten Bildschirm reichenden Vergrößerung ein Auge. Im nächsten Bild sieht man ein Gebilde, das einem Kochtopf ähnlich ist; es hat jedoch zwei Ventile, weder Henkel, Stiel noch Griffe, ist höher als die von der Klägerin vertriebenen Druckkochtöpfe und weist auch eine andere, mattere Farbgebung auf. Während dieser "Druckkochtopf" auf höchster Stufe dampft, sagt der Sprecher: "Keine Angst, das Sicherheitsventil ist absolut zuverlässig, es gibt überhaupt keinen Grund zur Besorgnis; und außerdem, wo er schon dasteht, müssen wir ihn auch verwenden, vertrauen Sie uns!". In weiterer Folge explodiert das Gebilde und zerbirst in viele Teile. Im Anschluß daran sind Bilder von atomar zerstörtem Gebiet, Opfern, einer Friedhofsanlage mit weißen Kreuzen und letztlich wieder das Auge, in welchem das Symbol für Atomkraft leuchtet, zu sehen. Dann schließt sich das Augenlid, und es wird neuerlich das Zeichen für Atomkraft - mit dem Insert "Atomkraft ist todsicher", "Stoppen wir sie - jetzt" - gezeigt. Schließlich erscheint auf dunklem Hindergrund der Text: "Nehmen Sie Kontakt auf mit Greenpeace".
Die Beklagte leitete diesen Werbespot zur Aufführung an zahlreiche Kinos in Österreich weiter; ihre Geschäftsführer stellten unentgeltlich Kinowerbezeit hiefür zur Verfügung. Der Geschäftsführer Peter R***** sah den Spot schon vor dessen Sendung; ihm kam aber nicht in den Sinn, daß der gezeigte Werbespot beim Zuseher die Assoziation eines explodierenden Kelomat-Druckkochtopfes in Verbindung mit Todesgefahr oder atomarer Bedrohung erwecken könnte.
In den Medien wurde der Werbespot ua wie folgt präsentiert:
"Im Mittelpunkt des Spots steht ein Druckkochtopf, der als Gegenstand des täglichen Lebens Sinnbild der nicht zu sehenden und nicht zu greifenden Gefahr Atomkraft wird ... In der Folge wird er in der Schweiz, Luxemburg, Finnland sowie Belgien, Spanien, USA und in allen anderen Ländern, in denen Greenpeace aktiv ist, für Betroffenheit sorgen. Denn das tut der Spot, er will ein Aufruf sein, die atomare Bedrohung nicht länger hinzunehmen, sondern etwas zu tun" (Best-Seller 5/91).
"Der Anti-Atomkraftspot zeigt zunächst einen Druckkochtopf, der auf höchster Stufe dampft; dazu hört man beruhigende Sätze über Atomkraft. Plötzlich gibt es eine fürchterliche Explosion, die den Topf in 1000 Teile zerreißt. Dann folgen Dokumentaraufnahmen von Tschernobyl. Für den Spezialeffekt bei der Explosion mußte eine Kamera aus München beschafft werden, der Druckkochtopf wurde aus Spezialglas nachgebaut und mit Dynamit gesprengt, wobei niemand voraussagen konnte, in welche Richtigung die Teile fliegen würden" ("Wiener" August 1991, S. 17).
Der Spot wurde auch im "Extradienst 13-14/91" bildhaft dargestellt.
In dieser Zeitschrift wurde folgender Vermerk angeführt:
"Auftraggeber - Greenpeace International, Filmproduktion: W*****-Film ***** ... Producer: Gerhard B*****".
Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen,
1. die Einschaltung bzw die Verbreitung von Werbespots zu unterlassen, in denen ein explodierender Druckkochtopf bzw Schnellkochtopf im Zusammenhang mit dem Hinweis bzw als Beispiel für die Gefahren der Atomkraft dargestellt wird;
2. ihr S 200.000 sA zu zahlen.
Der von der Beklagten produzierte Kinowerbespot suggeriere den Betrachter eindringlich, daß ein Druckkochtopf bei normalem Gebrauch bzw bei Mißachtung des Warnsignals eines pfeifenden Ventils explodieren könne; damit entstehe die geradezu horrende Assoziationskette Druckkochtopf - Explosionsgefahr - Atomkraft - Todesgefahr. Die dargestellte Situation und die darin enthaltene Aussage über Druckkochtöpfe seien unrichtig und entbehrten jeder realen Grundlage, weil alle in Österreich erzeugten und vertriebenen Produkte der Ö-Norm S 3025 entsprechen müßten, hiedurch mehrfache Sicherheitseinrichtungen gegeben seien und es daher zu einer Explosion eines solchen Topfes nicht kommen könne. Die Produkte der Klägerin hätten darüber hinaus noch weitere Sicherheitseinrichtungen. Im Hinblick auf den großen Bekanntheitsgrad der Produkte der Klägerin sei die Darstellung eines explodierenden Druckkochtopfes auf krasseste Art und Weise geeignet, den Kredit und die Erwerbsmöglichkeit der Klägerin zu beeinträchtigen. Tatsächlich sei es in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verbreitung des Werbespots zu einem erheblichen Umsatzrückgang mit Schnellkochtöpfen gekommen. Das habe zu einen Gewinnentgang von jedenfalls S 2,000.000 geführt, wobei ein Werbeaufwand von mindestens weiteren S 2,000.000 notwendig sein werde, um die Verbraucher über den wahren Sachverhalt aufzuklären. Da die Beklagte gewußt habe oder doch hätte wissen müssen, daß die kreditschädigenden Aussagen über Druckkochtöpfe unrichtig sind, hafte sie für sämtliche Ansprüche nach § 1330 ABGB. Vorerst werde aber nur ein Teilbetrag von S 200.000 geltend gemacht.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei nicht passiv legitimiert, weil nicht sie den Werbespot produziert habe. Dieser sei nach seinem Inhalt und seiner Zielsetzung ein politischer Werbefilm der Anti-Atom-Lobby und enthalte keine Aussagen gegen die Verwendung von Druckkochtöpfen. Der dargestellte dampfende Druckkochtopf nehme vielmehr durch eine optische Verfremdung die Form des Kühlturms eines Atomkraftwerkes an, wonach Bilder des zerstörten Atomkraftwerkes Tschernobyl gezeigt werden. Die von der Klägerin behauptete Assoziationskette sei geradezu absurd. Der Werbespot enthalte keine Aussage gegen Druckkochtöpfe im allgemeinen und solche der Klägerin im besonderen; er sei vielmehr eine künstlerisch gestaltete Aussage gegen Atomkraft und als solche nach dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und gemäß der Freiheit der Kunst zulässig. Der Werbespot sei auch, ohne daß die Beklagte damit etwas zu tun habe, im ORF vor einem Millionenpublikum gezeigt worden. Ein Umsatzrückgang der Klägerin sei möglicherweise auf allgemeine Marktschwankungen und sonstige Wettbewerbsverhältnisse zurückzuführen. Sollte tatsächlich ein Zusammenhang mit dem Werbespot bestehen, dann könnte er sich nur aus der Vorführung dieses Spots im ORF, nicht aber auf Grund der Vorführung in den von der Beklagten betreuten Kinos ergeben.
Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Die Beklagte sei passiv legitimiert, weil sie den Werbespot verbreitet habe; dazu komme, daß einer ihrer Geschäftsführer den Werbespot in Kenntnis seines Inhaltes weitergegeben habe und die Sendezeit sogar unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sei. Im Werbespot werde erkennbar eine Attrappe eines Druckkochtopfes zur Darstellung einer Explosion mit atomaren Folgen verwendet; damit werde die Behauptung aufgestellt, daß Atomkraft bedrohlich und lebensgefährlich sei. Auch wenn der Betrachter mit dem dargestellten Objekt einen Druckkochtopf assoziiere, sei dennoch auf Grund der Gesamtheit des Werbespots erkennbar, daß die symbolisch dargestellte Explosion ausschließlich auf eine atomare Katastrophe, nicht aber auf die Gefahr eines explodierenden Druckkochtopfes Bezug nehme. Aus dem Werbespot ergebe sich auch, daß dieser "Topf" nicht normal verwendet werde, sondern eine Extremsituation mit überdurchschnittlicher Belastung vorliege; es werde daher keinesfalls suggeriert, daß derartige Töpfe grundsätzlich explosiongefährdet seien. Eine negative Tatsachenbehauptung über Druckkochtöpfe werde in dem Werbespot nicht aufgestellt; sein Ziel sei es vielmehr, vor den tödlichen Gefahren der Atomkraft zu warnen und ein entsprechendes Problembewußtsein hervorzurufen. Das sei für den durchschnittlichen Betrachter durchaus erfaßbar, für ihn sei auch erkennbar, daß nicht behauptet werde, Schnellkochtöpfe explodierten oder seien eine atomare Bedrohung.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Sinn, Zweck und Ziel des beanstandeten Werbespots seien allein die Aussage über die Gefahren der Atomkraft sowie die Aufforderung, diese zu stoppen. Wohl sei ein einem Druckkochtopf ähnliches Gebilde gezeigt worden, das auf höchster Stufe dampft und letztlich explodiert; dieses sei aber gegenüber einem üblichen Druckkochtopf in vielfacher Weise verfremdet gewesen. Berücksichtige man weiters, daß kein normaler Kochvorgang gezeigt, sondern das Gebilde nur als Symbol für die Gefahren der Atomkraft verwendet wurde und sich die Aussagen des Werbespots ganz eindeutig auf diese Gefahren bezogen hätten, dann sei dem Werbefilm für einen durchschnittlichen Betrachter und Kinobesucher keine Behauptung zu entnehmen, Druckkochtöpfe seien gefährlich, könnten explodieren oder seien gar mit Atomgefahren verbunden. Niemand denke im Zusammenhang mit der Umweltschutzorganisation Greenpeace an eine Explosionsgefahr oder die Gefährlichkeit eines Druckkochtopfes im allgemeinen oder eines solchen der Klägerin im besonderen. Da schon aus diesem Grund kein Verstoß gegen § 1330 ABGB vorliege, seien weitere Feststellungen entbehrlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung - ganz abgesehen davon, daß ein gleichartiger Sachverhalt noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war - mit Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht im Einklang steht; sie ist auch berechtigt.
Nach § 1330 Abs 2 ABGB kann Schadenersatz von demjenigen begehrt werden, der Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Betroffene in einem solchen Fall, sofern Wiederholungsgefahr besteht, auch einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch, weil das Recht auf Wahrung des wirtschaftlichen Rufes zu den absolut geschützten Rechtsgütern gehört (SZ 56/124; SZ 60/138; SZ 61/193; MR 1993, 14; MR 1993, 17 ua). Als Tatsache im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB wird nach ständiger Rechtsprechung und einheitlicher Lehre jede Aussage verstanden, deren Inhalt auf ihre Wahrheit hin objektiv nachgeprüft werden kann (SZ 61/193; ÖBl 1990, 253; ÖBl 1992, 51; MR 1993, 14; MR 1993, 17 uva; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 174 ff; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 8 zu § 1330; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 6 zu § 1330; Korn-Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 26 ff). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist nach Lehre und ständiger Rechtsprechung weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmittelung ("konkludente Tatsachenbehauptung": Reischauer aaO Rz 12; Koziol aaO 175; Korn-Neumayer aaO 27; SZ 62/208; SZ 63/2; ÖBl 1991, 58; MR 1993, 17 uva). Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck an, welchen die beanstandeten Äußerungen hinterlassen (SZ 62/208; SZ 63/2; ÖBl 1992, 51; MR 1993, 14; MR 1993, 17 uva); dabei kommt es auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber auf den subjektiven Willen des Erklärenden an (Korn-Neumayer aaO 27 und 39; EvBl 1992/65 mwN; MR 1993, 17). Das gleiche gilt für den Bedeutungsinhalt der Äußerung (Korn-Neumayer aaO 39). Auch im Bereich des § 1330 Abs 2 ABGB ist der im Wettbewerbsrecht entwickelte Grundsatz anzuwenden, daß es bei der Beurteilung einer Äußerung nicht darauf ankommt, wie sie gemeint war, sondern nur darauf, wie sie das Publikum - zumindest aber ein nicht unbeträchtlicher Teil davon - auffaßt (MR 1993, 16). Auch hier gilt der Grundsatz, daß Zweifel über die Bedeutung einer Werbebehauptung zu Lasten des Erklärenden gehen (ÖBl 1978, 151; SZ 61/193; Korn-Neumayer aaO 38).
Unter dem "Verbreiten" von Tatsachen wird sowohl das Mitteilen eigener Überzeugung (= Behaupten) als auch das Weitergeben fremder Behauptungen verstanden (Reischauer aaO Rz 14). In der überwiegenden Zahl der Fälle werden Behauptungen mit den Mitteln der Sprache zum Ausdruck gebracht und weitergegeben. Auch Bilder können aber grundsätzlich das gleiche wie Worte ausdrücken (ÖBl 1992, 177); auch eine Abbildung kann demnach eine beleidigende oder kreditschädigende Äußerung iS des § 1330 ABGB sein (vgl SZ 61/193). Einer besonderen gesetzlichen Regelung - wie sie § 39 Abs 1 UWG für dieses Gesetz enthält - bedarf es dazu nicht.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann kann die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht gebilligt werden: Gewiß trifft es zu, daß der Werbespot allein dem Zweck dienen sollte, Angst vor und damit Stimmung gegen Atomkraftwerke zu erzeugen; die von den Befürwortern der friedlichen Nutzung der Kernenergie durch viele Jahre hindurch vertretene Auffassung, Atomkraftwerke seien absolut sicher, im Hinblick auf die aufwendigen, bestens durchdachten und umfassenden Sicherheitseinrichtungen sei ein schwerwiegender Unfall (GAU) so gut wie ausgeschlossen, sollte damit drastisch widerlegt werden. Zu diesem Zweck zeigte der Werbespot zunächst ein Gebilde, das trotz verschiedener "verfremdender" Abweichungen doch - wie nicht zuletzt auch die festgestellten Presseberichte zeigen - vom Publikum (zumindest von einem nicht unbeträchtlichen Teil) ohne weiteres als Druckkochtopf erkannt werden konnte. Zu diesem Topf unter Dampfdruck erklärt nun der Sprecher - in deutlicher Anspielung auf die Argumentation der Atombefürworter -, man solle keine Angst haben, das Sicherheitsventil sei absolut zuverlässig. Dann aber kann es - wie bekanntlich auch beim Atomkraftwerk Tschernobyl - dennoch zu einer Katastrophe, und zwar hier in Form einer Explosion, welche den Schnellkochtopf in viele Stücke zerrieß. Die darin enthaltene Aussage konnte - jedenfalls im Sinne der erwähnten Unklarheitenregel - dahin verstanden werden, daß entgegen den Beteuerungen von Technikern kein technisches Gerät wirklich absolut sicher sei; auch Schnellkochtöpfe - deren Sicherheit in der Werbung immer hervorgehoben wurde - könnten einmal explodieren. Das gleiche gelte - mit ungleich gefährlicheren Auswirkungen - auch für Kernkraftwerke. In Umkehrung der von dem beanstandeten Werbespot nahegelegten Gedankenkette konnte man aber auch zu dem Ergebnis kommen: Wie es entgegen den für viele glaubwürdig klingenden Beteuerungen der Kernkraftbefürworter doch schon zumindest zu einer Atomkatastrophe (in Tschernobyl) gekommen ist, so kann auch ein Schnellkochtopf im Einzelfall einmal explodieren.
Daß diese Tatsachenbehauptung geeignet ist, den Erwerb jedes Unternehmens, das Schnellkochtöpfe erzeugt und/oder vertreibt, zu gefährden, kann nicht ernstlich bezweifelt werden. Wird das Publikum ganz allgemein in seinem Vertrauen zu moderner Technik, insbesondere auch zu Schnellkochtöpfen, erschüttert, dann kann das auf sein Kaufverhalten Einfluß nehmen und zu einem Absatzrückgang bei Schnellkochtöpfen - deren Verwendung ja nicht unentbehrlich ist - führen. Davon ist aber die Klägerin als in Österreich bekanntester und auf dem Markt am stärksten vertretener Erzeuger und Vertreiber von Schnellkochtöpfen am schwersten betroffen.
Die in dem Werbespot enthaltene Aussage über die Gefahrenträchtigkeit (auch) von Schnellkochtöpfen ist somit kreditschädigend im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB, keineswegs aber auch ehrenrührig; nur dann, wenn darin gleichzeitig auch ein Verstoß gegen § 1330 Abs 1 ABGB gelegen wäre, träfe die Beklagte die Beweislast für die Richtigkeit der von ihr verbreiteten Tatsachenbehauptung (EvBl 1991/24; ÖBl 1992, 136; ÖBl 1992, 140; MR 1992, 250; MR 1992, 215; Kletecka in ecolex 1991, 311 und ecolex 1992, 696; Korn-Neumayer aaO 64 f). Es ist daher im vorliegenden Fall Sache der Klägerin, die Unwahrheit der (impliziten) Tatsachenbehauptung zu beweisen (Korn-Neumayer aaO 66), welche die Beklagte durch Weitergabe des Fernsehspots an mehrere Kinos verbreitet hat.
Die Klägerin hat nun - unter Berufung ua auf einen Sachverständigen für Dampfgefäße (S. 6) - ausdrücklich vorgebracht, daß eine Explosion eines Druckkochtopfes der im Werbespot dargestellten Art unmöglich sei, und in diesem Zusammenhang behauptet, daß alle in Österreich erzeugten und vertriebenen, jedenfalls aber ihre eigenen Druckkochtöpfe, niemals explodieren könnten.
Da die Vorinstanzen auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung keine Feststellungen darüber getroffen haben, wie weit die in dem Werbespot (auch) steckende Behauptung, entgegen allen Sicherheitsbeteuerungen könnten auch Schnellkochtöpfe - und zwar mangels Unterscheidung auch solche der Klägerin - explodieren, keine Feststellungen getroffen haben, mußte der Revision Folge gegeben und mit einer Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen vorgegangen werden. Im Hinblick auf den Umfang des offenbar erforderlichen Beweisverfahrens - daß Schnellkochtöpfe, zumindest jene der Klägerin, in Wahrheit nie explodieren könnten, hat die Beklagte nicht außer Streit gestellt - war die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Dieses wird im fortgesetzten Verfahren Feststellungen über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der beanstandeten Behauptung zu treffen haben. Sollte die Unrichtigkeit der Werbeaussage erwiesen werden, dann wäre dem Unterlassungsbegehren stattzugeben. Voraussetzung für einen Erfolg des Zahlungsbegehrens wäre hingegegen nicht nur der Nachweis eines Schadens, sondern auch eines Verschuldens der Beklagten, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt (MR 1989, 12; Korn-Neumayer aaO 74).
Auf die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Freiheit der Kunst kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen: Nach Art 10 Z 1 MRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht kann jedoch nach Art 10 Z 2 MRK, da die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortungen mit sich bringt, bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse ua des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind. Einen Eingriff in das Recht der freien Meinungsäußerung nach Art 10 MRK enthält ua § 1330 Abs 2 ABGB, welcher dem Schutz des wirtschaftlichen Rufes (Reischauer aaO Rz 7 mwN) dient. Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat, ist die in § 1330 Abs 2 ABGB vorgesehene Beschränkung der freien Meinungsäußerung zu diesem Zweck in jeder, nicht nur in einer demokratischen, Gesellschaft im Interesse des Schutzes jedes einzelnen Bürgers vor ihm abträglichen unwahren Vorwürfen unentbehrlich (ÖBl 1991, 27; MR 1993, 14). In den Schutzbereich der Ausnahme vom Recht der freien Meinungsäußerung fallen auch juristische Personen (MR 1989, 219; ÖBl 1991, 27; MR 1993, 14; Frowein-Peukert, MRK-Kommentar 238 Rz 32 zu Art 10).
Selbst wenn man aber den beanstandeten Werbespot als Kunstwerk ansehen wollte, wäre für die Beklagte nichts zu gewinnen: Die Freiheit der Kunst nach Art 17 a StGG gibt einem Künstler nicht das Recht, eine Person zu beleidigen oder über sie kreditschädigende Tatsachen zu verbreiten; dabei ist allerdings eine Interessenabwägung zwischen den kollidierenden privaten Ansprüchen und den Freiheitsansprüchen des Künstlers vorzunehmen (MR 1989, 15). Diese Interessenabwägung muß hier - im Fall der Unrichtigkeit der kreditschädigenden Aussage - zugunsten der Klägerin ausfallen: Bei dem beanstandeten Werbespot standen eindeutig nicht ästhetische, sondern (unwelt)politische Ziele im Vordergrund; die darin enthaltenen Aussagen konnten (und sollten) vom Publikum durchaus für wahr gehalten werden. Das gilt nicht nur für die aufgezeigten Gefahren der friedlichen Nutzung der Kernenergie, sondern auch für die Möglichkeit, daß ein Schnellkochtopf explodiert. Das Bild des zerberstenden Kochtopfes war keinesfalls aus ästhetischen Gründen notwendig; das Interesse an der Gestaltung des Werbespots gerade in dieser Form ist demnach weit geringer einzuschätzen als das Interesse der Beklagten am Schutz vor unrichtigen, ihren Kredit schädigenden Behauptungen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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