OGH 4Ob524/93

OGH4Ob524/9321.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Rosa J*****, 2. Siegfried J*****, ***** beide vertreten Dr.Siegfried Rack und Dr.Franz Grauf, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wider die beklagten Parteien 1. Anton K*****, 2. Johann F*****, 3. Walter F*****, sämtliche vertreten durch Dr.Heinz Napetschnig und Dr.Renate Studentschnig, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert S 150.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 6.April 1993, GZ 5 R 64/93-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. Jänner 1993, GZ 23 Cg 335/92-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die von den Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wird verworfen."

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 15.746,48 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 2.624,41 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Die Kläger sind - und zwar die Erstklägerin zu 4/6 und der Zweitkläger zu 2/6 - Eigentümer der Liegenschaft EZ 73 KG S***** mit den Grundstücken 423/4 LN im Ausmaß von 482 m2 und 424/1 LN mit

16.889 m2. Die Beklagten sind jeweils Alleineigentümer der Liegenschaften EZ 19 (Erstbeklagter), EZ 231 (Zweitbeklagter) und EZ 164 (Drittbeklagter), je KG S*****.

Am 26.6.1967 räumte Anna Rutter als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 73 KG S***** für sich und ihre Rechtsnachfolger dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 19 KG S***** die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes und des Viehtriebes über ihre Grundstücke 424 und 423/1 ein. Die Fahrbahnbreite wurde mit 3 m festgelegt; die Weganlage sollte auch mit einer Tragschicht versehen werden können. Dieses Übereinkommen wurde von der Agrarbezirksbehörde K***** am 27.6.1967 zu Zl 1225/1/67 beurkundet.

Am 15.10.1968 räumte Anna R***** für sich, ihre Miteigentümer und deren Rechtsnachfolger in Ergänzung des Übereinkommens vom 27.6.1967 ein gleiches Wegerecht zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 231 KG S***** ein. Dieses Übereinkommen wurde von der Agrarbezirksbehörde K***** zu Zl 1005/4/68 am 27.11.1968 beurkundet.

Am 8.7.1969 räumte Anna R***** für sich, ihre Miteigentümer und deren Rechtsnachfolger in Ergänzung der beiden Übereinkommen ein gleiches Wegerecht auch zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften EZ 154 und 215 KG S***** ein. Dieses Übereinkommen wurde gleichfalls von der Agrarbezirksbehörde K*****, und zwar am 23.7.1969 zu Zl 1109/2/69, beurkundet.

Sämtliche Übereinkommen waren in Verhandlungen vor der Agrarbezirksbehörde K***** geschlossen und von dieser Behörde protokolliert worden.

Die Kläger begehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen,

1. jedwede Nutzung des Grundstücks 424/1 und 423/4 (offenbar identisch mit den in den Übereinkommen anders bezeichneten Grundstücken) der KG S***** zu unterlassen;

2. den ursprünglichen Zustand durch Abtragen des aufgebrachten Schotter- und Humusmaterials auf den Grundstücken 424/1 und 423/4 KG S*****, soweit diese Aufschüttung die im Übereinkommen vor der Agrarbezirksbehörde am 27.6.1967, Zl 1225/1/67, festgelegte Fahrbahnbreite von 3 m überschreitet, wiederherzustellen.

Die Besitzvorgänger des Erstbeklagten hätten die Wegeanlage gemäß dem von der Agrarbezirksbehörde Klagenfurt genehmigten Übereinkommen errichtet. Auf Ersuchen der Beklagten hätten die Kläger im November 1991 einer Asphaltierung des Weges zugestimmt, dabei aber ausdrücklich betont, daß der Weg weder verbreitert noch durch Aufschüttung einer Trasse erhöht werden dürfe. Diese Zusage sei von den Beklagten ausdrücklich gemacht worden. Tatsächlich hätten jedoch die Beklagten im Juni 1992 ohne Zustimmung der Kläger eine weitere Aufschüttung vorgenommen und im August 1992 auf der Trasse eine Asphaltdecke angebracht, welche letzten Endes der von der Agrarbezirksbehörde eingeräumten Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes sowie der Vereinbarung vom November 1991 widerspreche. Die Aufschüttung habe eine Breite von 6 m, stellenweise sogar von 7 m, die Asphaltdecke sei zum Teil breiter als 3,10 m, die Böschung weise auf dem Grundstück 424/1 eine Höhe von 30 bis 60 cm auf; im südöstlichen Bereich des Grundstücks 424/1 sei Anfang Oktober 1992 Humus in der Länge von ca. 30 m, einer Breite von 3 m und einer Tiefe von 20 bis 30 cm entnommen und auf der gegenüberliegenden Böschung eingearbeitet worden. Durch die Aufschüttung sei auch im östlichen und im nördlichen Bereich des Grundstücks 424/1 und auf dem Grundstück 423/4 eine zumindest 60 cm hohe Böschung entstanden, die ein Zu- und Abfahren zum Grundstück 424/1 nicht mehr ermögliche. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes sei mit namhaften Kosten verbunden. Die Beklagten hätten auf die außergerichtliche Aufforderung, jedwede Nutzung des Grundstücks zu unterlassen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, nicht reagiert.

Die Beklagten erhoben mit der Behauptung, daß Grundlage des Klageanspruches ein landwirtschaftliches Bringungsrecht sei, die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges; die Sache gehöre vor die Agrarbezirksbehörde. Ferner beantragten sie die Abweisung des Klagebegehrens. Sie seien zu den beanstandeten Maßnahmen schon auf Grund der mehrfach erwähnten Übereinkommen berechtigt gewesen; dennoch hätten sie noch das ausdrückliche Einverständnis der Kläger eingeholt.

Der Erstrichter wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und erklärte das Verfahren einschließlich der Klagezustellung für nichtig. Nach § 19 Abs 1 des Kärntner Güter- und Seilwegelandesgesetzes (GSLG) gehörten Steitigkeiten wie der vorliegende unter Ausschluß des Rechtsweges vor die Agrarbehörde.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes je S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Schon nach dem Wortlaut des Klagebegehrens, aber auch nach dem von den Klägern vorgetragenen Sachverhalt seien Inhalt und Umfang des den Beklagten zustehenden Bringungsrechtes strittig. Die Rekursbehauptung der Kläger, daß sie das Bringungsrecht der Beklagten nicht bezweifelten, widerspreche ihrem Unterlassungsbegehren. Im Wiederherstellungsbegehren werde ausdrücklich auf das agrarbehördliche Übereinkommen Bezug genommen. Die Kläger selbst legten in ihrem Rekurs dar, daß Bestand, Inhalt und Ausübung des Bringungsrechtes der Beklagten bis zu den Aufschüttungen Ende 1991 nie strittig gewesen seien. Da sie durch die von den Klägern als "eigenmächtige Eingriffe und Aufschüttungen" der Beklagten bezeichneten Handlungen zum Streitfall wurden, verwiesen auch diese Rechtsmittelausführungen der Kläger darauf, daß die agrarbehördliche Zuständigkeit unter Ausschluß des Rechtsweges in Anspruch zu nehmen sei. Daß die Kläger nur auf Grund ihres Eigentumsrechtes Eingriffe der Beklagten, soweit diese die nicht vom Übereinkommen vor der Agrarbezirksbehörde umfaßten Teile der Grundstücke betreffen, im Klagewege abstellen wollten, sei eine unbeachtliche Neuerung.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens sowie die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten, welche die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 528 Abs 1 und Abs 2 Z 1 ZPO in Abrede stellen, beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig: Im Hinblick auf den Bewertungsausspruch des Rekursgerichtes (§ 500 Abs 2 Z 1, § 526 Abs 3 ZPO), welcher gegen keine gesetzliche Bewertungsvorschrift verstößt - § 60 Abs 2 JN ist hier nicht anzuwenden - und daher bindend ist (EvBl 1990/146; RZ 1992/16 ua), liegt entgegen der Meinung der Beklagten der Tatbestand des § 528 Abs 2 Z 1 ZPO nicht vor.

Die Entscheidung hängt aber auch von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ab, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit überblickbar - zu einem vergleichbaren Klagesachverhalt fehlt. Die vom Rekursgericht zitierte (unveröffentlichte) Entscheidung 8 Ob 655/87 befaßte sich zwar mit der Vorschrift des § 19 Abs 1 Z 1 des Kärntner GSLG 1969 LGBl 46, hatte aber ein mit dem vorliegenden nicht vergleichbares Begehren zum Gegenstand. Auch die Entscheidung 7 Ob 691/87 betraf einen andersartigen Sachverhalt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, sind bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus die Klagebehauptungen maßgebend (SZ 46/82 mwN; RZ 1985/78; WBl 1989, 195 uva); ohne Einfluß ist hingegen, was der Beklagte einwendet (SZ 46/82 mwN). Es kommt also darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein Anspruch erhoben wird, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben (SZ 44/165; SZ 45/117; WBl 1990, 239 uva). Wird mit der Klage ein dem Privatrecht angehörender Anspruch geltend gemacht, dann ist gemäß § 1 JN, sofern nicht die Sache durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen wird, der ordentliche Rechtsweg zulässig. Soll eine bürgerliche Rechtssache ausnahmsweise der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen werden, dann muß dies in einem besonderen Gesetz klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden; eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (SZ 59/107; JBl 1991, 53 mwN). Daß der hier geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Benützung der Liegenschaft der Kläger und auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes dem Zivilrecht zugehört, bedarf keiner näheren Begründung.

Nach § 19 Abs 1 Z 1 Kärtner GSLG 1969 LGBl 46 entscheidet die Agrarbehörde auf Antrag mit Ausschluß des Rechtsweges über Streitigkeiten, die Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung eines Bringungsrechtes betreffen. Eine Rechtssache gehört demnach dann vor die Agrarbehörde, wenn der Kläger selbst seinen Anspruch - wie in den den Entscheidungen 7 Ob 691/87 und 8 Ob 655/87 zugrunde liegenden Fällen - aus einem ihm zustehenden Bringungsrecht ableitet und sich gegen eine Behinderung zur Wehr setzt oder sonst - wie etwa durch ein Begehren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Bringungsrechtes udgl.- das Bringungsrecht zum Gegenstand der beantragten Entscheidung (und nicht nur einer Vorfrage) macht. Das trifft aber hier nicht zu:

Die Kläger haben zwar in ihrer Klage vorgebracht, daß den Beklagten ein bestimmtes landwirtschaftliches Bringungsrecht zustehe; sie leiten aber ihre Ansprüche daraus ab, daß die Beklagten, ohne durch dieses Bringungsrecht dazu berechtigt zu sein, Maßnahmen - insbesondere auf einem Gebiet außerhalb der mit 3 m Breite festgelegten Wegstrecke - auf der Liegenschaft der Kläger getroffen hätten. Die Kläger haben daher entgegen der Meinung des Rekursgerichtes schon in erster Instanz ihren Anspruch auf ihr Eigentumsrecht gegründet. Soweit sie die Unterlassung der Benützung ihrer Grundstücke begehren (Punkt 1 des Urteilsbegehrens), liegt eine Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ZPO) vor; das Begehren auf Wiederherstellung des früheren Zustandes ist auf Schadenersatz durch Naturalrestitution gerichtet (§ 1323 ABGB). Hätten sie in ihrer Klage das den Beklagten zustehende Bringungsrecht nicht erwähnt, dann hätte

die das Bringungsrecht auch nicht erweitern könnte, weil durch Parteienübereinkommen eingeräumte Bringungsrechte zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung der Agrarbehörde bedürfen (§ 2 Abs 5 Kärntner GSLG) - gemacht hätten. Daß sich die Beklagten im Verfahren auf eine andere Auslegung des ihnen zustehenden Bringungsrechtes berufen, ist nach dem oben Gesagten für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ohne Bedeutung.

Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes kommt auch der (weiten) Fassung des Unterlassungsbegehrens hier keine Bedeutung zu. Soweit dieses Begehren dahin verstanden werden könnte, daß auch die Nutzung der Grundstücke der Kläger in Ausübung des Bringungsrechtes der Beklagten untersagt werden sollte, wäre es in diesem Umfang unschlüssig, weil sich die Kläger nicht darauf berufen haben, daß den Beklagten überhaupt kein Bringungsrecht zustehe. Eine Streitigkeit im Sinne des § 19 Abs 1 Z 1 Kärntner GSLG liegt demnach auch in Ansehung jener Teile des Grundstücks nicht vor, die vom Bringungsrecht der Beklagten erfaßt werden.

Aus diesen Erwägungen waren in Stattgebung des Revisionsrekurses die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO. In erster Instanz sind den Klägern aus dem Streit über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges keine besonderen Kosten erwachsen. Sowohl in ihrem Schriftsatz ON 3 als auch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 25.1.1993 ging es nicht nur um die Prozeßeinrede der Beklagten, sondern auch um die Sache selbst. Erst gegen Ende dieser Tagsatzung hat der Erstrichter - wenn auch nicht durch förmliche Beschlußfassung - die Verhandlung auf diese Einrede eingeschränkt (S. 24).

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