OGH 7Ob691/87

OGH7Ob691/8729.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gilberta G***, Hausfrau, Eisentratten, Sonnberg 10, vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwälte in Spittal/Drau, wider die beklagten Parteien 1.) Stefanie U***, Hausfrau, Eisentratten, Sonnberg 8, und 2.) Josef U***, Pensionist, Eisentratten, Sonnberg 8, beide vertreten durch Dr. Hans Rogen, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000,--) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 24. Juni 1987, GZ. 3 R 160/87-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 28. Jänner 1987, GZ. 4 C 61/86-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 2.593,64 (darin S 235,79 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.612,73 (darin S 282,98 an Umsatzsteuer und S 1.500,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellt das Begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, sämtliche Handlungen zu unterlassen, welche die Klägerin in der Ausübung ihrer Dienstbarkeitsberechtigung, nämlich im Befahren des Grundstückes 1072/2 der KG Eisentratten, hindern oder die Ausübung dieser Dienstbarkeit unmöglich machen. Sie bringt vor, sie sei Eigentümerin der Liegenschaft EZ 79 KG Eisentratten. Zugunsten dieser Liegenschaft sei auf der EZ 77, deren Eigentümerin die Erstbeklagte sei, die Dienstbarkeit, bestehend aus dem Recht des Gehens und Fahrens in zwei Meter Breite auf den Grundstücken 1072/2 und 1072/1, einverleibt. Am 23. Jänner 1986 und auch an den folgenden Tagen hätten die Beklagten die Klägerin an der Ausübung ihres Rechtes im Befahren über das Grundstück 1072/2 dadurch gehindert, daß sie quer über den befahrbaren Weg mit Hilfe eines Traktors ein Stahlseil gespannt hätten. Die Beklagten hätten angekündigt, auch in Zukunft derartige Störungshandlungen vorzunehmen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Villach vom 17. Oktober 1964, Zahl 1973/64, sei auf dem Grundstück 1072/2 für drei Liegenschaften die Einräumung des landwirtschaftlichen Bringungsrechtes erfolgt. Dieses Bringungsrecht sei keine Dienstbarkeit, es sei als Rechtsinstitut sui generis zu behandeln. Da keine Dienstbarkeit vorliege, sei auch die Zuständigkeit des Gerichtes nicht gegeben. Nach § 19 GSLG, Landesgesetzblatt für Kärnten Nr. 46/1969, entscheide die Agrarbehörde mit Ausschluß des Rechtsweges über Streitigkeiten, die Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung eines Bringungsrechtes beträfen. Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende Feststellungen:

Mit den Bescheiden der Agrarbezirksbehörde Villach vom 4. Oktober 1967 und 10. Juli 1964 wurde unter anderem zugunsten der Liegenschaft EZ 79 KG Eisentratten auf den beiden Grundstücken der Erstbeklagten 1972/2 und 1072/1 das landwirtschaftliche Bringungsrecht eingeräumt, wobei über Art und Umfang der Ausübung dieses Bringungsrechtes mit Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 14. Dezember 1964 abgesprochen wurde. Das Bringungsrecht wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Gmünd vom 7. November 1967 in der der Erstbeklagten gehörigen EZ 77 KG Eisentratten einverleibt und in der der Klägerin gehörigen EZ 79 KG Eisentratten ersichtlich gemacht.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, es handle sich bei dem bescheidmäßig eingeräumten Bringungsrecht um eine Belastung öffentlich rechtlicher Natur, der absolute Wirkung zukomme. Die Verbücherung ändere an der Rechtsnatur des Bringungsrechtes nichts. Da das vorliegende Unterlassungsbegehren ausschließlich den Umfang und die Ausübung des Bringungsrechtes betreffe, sei gemäß § 19 Abs 1 Z 1 GSLG die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges zur Entscheidung zuständig. Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt, und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Im Zeitpunkt der Einräumung und der Verbücherung des gegenständlichen Bringungsrechtes hätten das Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1932, BGBl. 259 (wiederverlautbart in BGBl. 1951/103) und das Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetz, LGBl. für Kärnten 1934/13, gegolten, wonach landwirtschaftliche Bringungsrechte, soweit sie als Grunddienstbarkeiten und nicht bloß als persönliche Rechte eingeräumt worden seien, als Servituten anzusehen gewesen seien. Zugunsten der Liegenschaft der Klägerin sei eine Grunddienstbarkeit im Sinne des § 473 ABGB eingeräumt und verbüchert worden. Sie könne sich daher gegen Störungen ihres Servitutsrechtes mit Klage nach § 523 ABGB zur Wehr setzen. Zwar gälten nach der Übergangsbestimmung des § 23 Abs 2 GSLG 1969 Bringungsrechte im Sinne des GSLG 1934 als Bringungsrechte im Sinne des GSLG 1969. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, daß einem nach der alten Rechtslage als Grunddienstbarkeit eingeräumten und als solchem verbücherten landwirtschaftlichen Bringungsrecht nicht mehr die Rechtsnatur einer Servitut zukomme. Das Begehren der Servitutenklage könne auch auf Unterlassung zukünftiger Störungen gerichtet sein. Als beklagte Partei komme nicht nur der Eigentümer der dienstbaren Sache in Betracht. Sie könne gegen jeden gerichtet werden, der den Dienstbarkeitsinhaber an der Ausübung seines Rechtes hindere oder ihn darin störe. Der Umstand, daß sich die Klägerin und deren Mann nicht an die bescheidmäßig eingeräumte Bringungstrasse gehalten hätten, rechtfertige nicht den Eingriff der Beklagten in die Rechte der Klägerin. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsprechung zur Frage, welchen Einfluß § 23 Abs 2 des Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetzes 1969 auf Bringungsrechte habe, die nach der zuvor bestandenen Rechtslage eingeräumt und verbüchert worden seien, fehle, dieser Frage aber zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme.

Die Beklagten bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den in der Entscheidung der zweiten Instanz angeführten Gründen zulässig. Sie ist auch berechtigt. Nach § 16 Abs 1 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1932 (wiederverlautbart in BGBl. 1951/103) waren zur Entscheidung über Anträge auf Einräumung, Abänderung und Aufhebung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes die Agrarbehörden berufen. In 311 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR IV. GP, S 9, wurde ausdrücklich klargestellt, daß "alle anderen Streitigkeiten" zwischen den Berechtigten und Verpflichteten vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind. Der gegenständliche Rechtsstreit betrifft weder die Einräumung eines Bringungsrechtes, noch auch dessen Aufhebung oder eine Abänderung. Es ist daher keine Frage, daß nach der Rechtslage zur Zeit der Einräumung und Verbücherung (§ 5 des Grundsatzgesetzes 1932, § 6 Abs 1 des Kärntner Landesgesetzes 1934) des Bringungsrechtes im Jahre 1967 - eine Änderung der Rechtslage erfolgte erst durch das Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetz 1969 (§ 20 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1967, § 23 des Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetzes 1969) - zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben gewesen wäre.

§ 13 Z 1 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1967 und § 19 Abs 1 Z 1 des Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetzes 1969 allerdings bestimmen, daß die Agrarbehörde auf Antrag mit Ausschluß des Rechtsweges über Streitigkeiten entscheidet, die Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung eines Bringungsrechtes betreffen. Die Agrarbehörden sind daher nunmehr, wie in 461 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR, XI. GP, S 10, hervorgehoben wird, nicht nur zur Entscheidung über Anträge auf Einräumung, Abänderung oder Aufhebung eines Bringungsrechtes zuständig, sondern haben mit Ausschluß des Rechtsweges auch bestimmte Streitigkeiten zu entscheiden, die in den durch das Bringungsrecht begründeten Rechtsverhältnissen ihren Ursprung haben. Ein Streit wie der vorliegende fällt nach dieser Regelung in die Zuständigkeit der Agrarbehörden.

Der Ansicht der zweiten Instanz, die Zuständigkeit der Gerichte sei für einen Rechtsstreit, der ein zur Zeit der Wirksamkeit des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1932 (1951) eingeräumtes und als Grunddienstbarkeit verbüchertes Bringungsrecht betreffe, gleichwohl auch jetzt noch gegeben, vermag das Revisionsgericht nicht beizupflichten. Nach § 17 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1967 gelten mit dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen in dem betreffenden Bundesland Bringungsrechte, die auf Grund des zur Ausführung des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1951 erlassenen Landesgesetzes eingeräumt wurden, als Bringungsrechte im Sinne der im § 20 Abs 1 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes genannten Ausführungsbestimmungen. Dieser Grundsatz wird auch in § 23 Abs 2 des Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetzes 1969 hervorgehoben. Im Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 (und ebenso im Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetz 1969) ist keine Rede mehr davon, daß ein Bringungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen als Grunddienstbarkeit zu verbüchern ist. Eine Verbücherung auf Grund des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1932 sollte im übrigen nicht den öffentlich-rechtlichen Charakter des Bringungsrechtes - dessen Wirkung von der Verbücherung nicht abhängig war (vgl. Koziol-Welser, Grundriß II7 142) - verändern, sondern lediglich hervorheben, daß ein dauerndes oder regelmäßig wiederkehrendes Bedürfnis des Eigentümers des notleidenden Gutes nach Schaffung einer Bringungsmöglichkeit besteht (311 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR, IV. GP, S 7). Gelten daher nach § 17 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1967 (§ 23 Abs 2 des Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetzes 1969) Bringungsrechte, die bereits auf Grund der zuvor bestehenden Rechtslage eingeräumt wurden (Grundsatzgesetz 1932/1951, Kärntner Landesgesetz 1934), als Bringungsrechte im Sinne der neuen Bestimmungen, kann kein Grund gefunden werden, weshalb über Streitigkeiten, die Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung eines nach dem Grundsatzgesetz 1932/1951 bzw. nach dem Landesgesetz 1934 eingeräumten Bringungsrechtes betreffen, anders als nach der geltenden Rechtslage die ordentlichen Gerichte und nicht die Agrarbehörden zu entscheiden hätten. Das Berufungsgericht führt einen Grund für seine gegenteilige Meinung auch nicht an. Mit Recht hat deshalb auch das Erstgericht die Klage abgewiesen, weil die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über das Begehren der Klägerin nicht zuständig seien, so daß seine Entscheidung in Abänderung des angefochtenen Urteils wiederherzustellen war. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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