OGH 4Ob524/62

OGH4Ob524/6227.11.1962

SZ 35/121

Normen

WechselG Art1 Z2
WechselG Art2 (1)
WechselG Art1 Z2
WechselG Art2 (1)

 

Spruch:

Ein gezogener Wechsel, der irrtümlich ein Zahlungsversprechen statt einer Zahlungsanweisung enthält, ist ungültig.

Entscheidung vom 27. November 1962, 4 Ob 524/62.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Wechsel hat folgenden rechtserheblichen Inhalt:

Wien, den 30. Oktober 1961 Zahlungsort Wien Gegen diesen Wechsel zahle ich am 15. Februar 1962 5000 S Bezogener: Martin M. Traun bei Linz, OÖ. Olga R.-D. e. h.

Der Wechsel ist vom Beklagten Martin M. angenommen.

Das Erstgericht erließ - wie beantragt - Wechselzahlungsauftrag über 5000 S samt Nebengebühren.

Der Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen, in denen er 1. Ungültigkeit des Wechsels und 2. geltend machte, die Wechselschuld sei bezahlt bzw. verglichen.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Es räumte zwar ein, daß die Einwendung der Ungültigkeit des Wechsels formell an sich zutreffe, der Wechsel enthalte tatsächlich die Wendung "zahle ich" statt "zahlen Sie", der beklagte bezogene Akzeptant habe aber den Wechsel unterschrieben. Dem Wortlaut nach habe der Beklagte mit seiner Einwendung sonach wohl recht, man müsse aber bedenken, daß den Wechsel mit diesem offenkundigen Textierungsfehler der Vertreter des Beklagten selbst so ausgefüllt und den Wechsel so an die Klägerin übergeben habe. Diese habe diesen Textierungsfehler übersehen. Es könne nun dahingestellt bleiben, ob für den Fall, als die Klägerin den Wechsel indossiert hätte, der Beklagte, der den Wechsel, wie ja festgestellt, als Bezogener richtig akzeptiert habe, dem Indossatar diese von seinem eigenen Anwalt widerspruchsvoll vorgenommene Ausfüllung des Wechsels mit Erfolg einwenden könnte. Der Partnerin selbst gegenüber aber, nämlich der Klägerin, könne der Beklagte mit dieser Einwendung jedenfalls nicht durchdringen, denn es sei auch eine Wechselurkunde der Auslegung zugänglich, und zwar müsse die Auslegung aus dem Zusammenhang der ganzen Wechselurkunde und dem erkennbaren Zweck der einzelnen Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfolgen. Nach diesen Grundsätzen könne kein Zweifel darüber bestehen, daß im Verhältnis zwischen den unmittelbaren Partnern des Wechselbegebungsvertrages die Verpflichtung des Beklagten zur Einlösung des Wechsels gegenüber der Remittentin (= Ausstellerin) zu Recht bestehe. In tatsächlicher Beziehung stellte das Erstgericht fest, daß die Wechselschuld weder bezahlt noch verglichen worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es den Wechselzahlungsauftrag aufhob und das Zahlungsbegehren abwies. Es führte in rechtlicher Beziehung aus: Dadurch, daß es im Wechseltext "zahle ich" statt "zahlen Sie" heiße, fehle das wesentliche Merkmal der unbedingten Zahlungsanweisung. Dieser Mangel könne durch Auslegung des Wechsels nicht behoben werden, insbesondere sei es auch nicht möglich, einen solcherart fehlerhaften Wechsel als eigenen Wechsel zu verstehen (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, S. 24 f.; Kapfer, Wechselgesetz und Scheckgesetz[5], S. 38, E.-Nr. 1 (1); EvBl. 1951, Nr. 17; EvBl. 1953, Nr. 273). Auch bedeute es für sich allein noch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben, daß der Beklagte die von seinem eigenen Vertreter verursachte Formwidrigkeit des Wechsels einwendungsweise geltend mache. Daß diese mit Absicht herbeigeführt worden wäre, um dann als Einwendung gegen einen Wechselzahlungsauftrag verwertet zu werden, sei nicht behauptet worden. Sohin bedinge die Ungültigkeit des gegenständlichen Wechsels die Aufhebung des erlassenen Wechselzahlungsauftrages.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nicht begrundet.

Der Oberste Gerichtshof folgt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß der hier vorliegenden Urkunde der gemäß Art. 1 Z. 2 WG. erforderliche Bestandteil, nämlich "die unbedingte Anweisung, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen", fehlt und daß diese Urkunde daher nicht als gezogener Wechsel gilt (Art. 2 (1) WG.). Eine Zahlungsanweisung kann der Urkunde nicht entnommen werden; die Formel "zahle ich" enthält im Gegenteil eindeutig ein Zahlungsversprechen.

Auf die von Kapfer, Wechselgesetz und Scheckgesetz[5], S. 38, unter Nr. 1 (2) mitgeteilte ältere Rechtsprechung kann in der hier zu entscheidenden Frage nicht zurückgegriffen werden, weil die ADWO. die Zahlungsaufforderung - anders als nunmehr Art. 1 Z. 2 WG. - nicht als wesentlichen Bestandteil des Wechsels vorgeschrieben hatte. Aus diesem Grund ist auch das einschlägige ältere Schrifttum nicht mehr verwertbar.

Zu Art. 1 Z. 2 WG. wird an den bereits vom Berufungsgericht angeführten Belegstellen die Meinung vertreten, daß das Fehlen der Zahlungsanweisung infolge Vergreifens im Ausdruck ("zahle ich" statt "zahlen Sie") den Wechsel ungültig macht. Diese Meinung wird - entgegen den Ausführungen in der Revision - unter Abgehen von der früheren Auffassung nunmehr auch ausdrücklich von Stranz, Wechselgesetz[14], Einleitung, Anm. 15, letzter Absatz, geteilt. Desgleichen erachten Arminjon - Carry, La lettre de change, no. 197, und Lescot - Roblot, Les effets de commerce, no. 168, eine Urkunde, die die Formel enthält, "ich werde zahlen", nicht für einen gezogenen Wechsel.

Richtig ist, daß Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, S. 220, Anm. 1, meint, der Wechsel sei gültig, wenn "die Tratte (die also einen Bezogenen angibt) lautet: Ich zahle". Zur Begründung beruft er sich aber auf die ältere - jetzt nicht mehr verwertbare (auch österreichische) - Rechtsprechung, fügt aber auch noch bei, daß Staub - Stranz diese Meinung (zum Wechselgesetz) aufgegeben haben. Der oben wiedergegebene Urkundentext enthält - wie bereits ausgeführt - keine Zahlungsanweisung. Ein solcher Mißgriff läßt sich, mag er auch offenbar sein, nicht durch Auslegung beheben. Selbst wenn man aber annehmen wollte, daß der Wechsel infolge der Angabe eines Bezogenen ausreichend deutlich auch eine Zahlungsanweisung enthält, so wäre damit doch nichts gewonnen, weil diese Zahlungsanweisung mit dem in der Urkunde enthaltenen Zahlungsversprechen ("zahle ich") in Widerspruch gerät. Die Zahlungsanweisung ist für den gezogenen, das Zahlungsversprechen für den eigenen Wechsel (Art. 75 Z. 2 WG.) typisch. Bei solcher Auslegung würden sich wesentliche Teile der Urkunde widersprechen, was gerade auch nach der Auffassung von Jac obi (S. 219) zur Ungültigkeit führen müßte, weil dann der Wille des Ausstellers über einen Punkt nicht ermittelt werden kann, über den der Wechsel nach dem Gesetz hätte Auskunft geben müssen.

Im übrigen ist der Oberste Gerichtshof im allgemeinen der Auffassung, daß Urkunden nicht durch zu weit gehende - um nicht zu sagen gekünstelte - Auslegungen um jeden Preis als Wechsel gedeutet werden dürfen. Es ist vielmehr Sache der Parteien, wenn sie einen Wechsel ausstellen wollen, dies mit solcher Sorgfalt zu tun, daß sie nicht die Formvorschriften - wie hier geschehen - eindeutig verletzen. Ist dies aber geschehen, so darf nicht mit einer Auslegung geholfen werden, die sich über den Papierinhalt hinwegsetzt. Wollte man dies tun, so würde man Unklarheit, Verwirrung und Rechtsunsicherheit schaffen und die im Wechselrecht unentbehrliche Formstrenge im praktischen Ergebnis weitgehend aufheben.

Auch im Verhältnis zwischen den Parteien kann die nicht in der Form eines gezogenen Wechsels ausgestellte Urkunde nicht als solcher angesehen werden. Mag auch der Beklagte durch seinen Vertreter den Wechsel ungültig ausgestellt haben, so ändert dies nichts daran, daß eben ein gültiger Wechsel nicht ausgestellt wurde. Unabdingbare Voraussetzung jedes Wechselanspruches ist die Ausstellung eines gültigen Wechsels. Wechselansprüche können nur auf Grund eines formgültigen Wechsels bestehen, so daß sie hier fehlen. Überdies käme man, wenn man im Verhältnis zwischen den Parteien den Wechsel als gültig, einem dritten Nehmer gegenüber aber als ungültig ansehen wollte, zu dem unmöglichen Ergebnis, daß ein und dieselbe Urkunde einmal als Wechsel, ein anderes Mal nicht als Wechsel anzusehen wäre, was dem Sinne des Wechselrechts widerstreiten würde und abermals zu unabsehbarer Verwirrung führen könnte.

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