OGH 4Ob520/89

OGH4Ob520/894.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith K***, Angestellte, Wien 17., Thelemangasse 8/10, vertreten durch Dr.Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Horst N***, Kaufmann, Wien 19., Rodlergasse 8, vertreten durch Dr.Hans Nemetz und Dr.Hans Christian Nemetz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Übergabe einer Wohnung (Streitwert S 6.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Juni 1988, GZ 41 R 576/87-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 19.August 1987, GZ 4 C 504/86-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.977,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 329,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Viktoria S*** war zu 6645/21175 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft Wien 16., Yppengasse 1, auf der sich ein Wohnhaus mit Eigentumswohnungen und ein weiteres Wohnhaus mit Hauptmietwohnungen befinden. Das zuletzt genannte Haus war ihr auf Grund einer Vereinbarung mit den übrigen Miteigentümern zur alleinigen selbständigen Verwaltung überlassen; diese führte in ihrem Auftrag Dkfm.Josefine E***. Viktoria S*** war auch befugt, ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer die einzelnen Wohnungen dieses Hauses zu vermieten.

Am 27.März 1985 unterfertigte die Klägerin in der Kanzlei der Hausverwalterin Dkfm.Josefine E*** einen mit 5.März 1985 datierten Mietvertrag über die im zweiten Stock des Hauses Yppengasse 1 gelegene Wohnung top.Nr.15. Am 5.Mai 1985 wurden der Klägerin in dieser Wohnung der Mietvertrag und die Wohnungsschlüssel ausgehändigt. Da sie beabsichtigte, in der Wohnung Adaptierungsarbeiten durchzuführen, brachte sie noch am selben Tag verschiedene Materialien dorthin. Am 6.Mai 1985 ließ sie Strom und Gas auf ihren Namen anmelden.

Mit Kaufvertrag vom 12.April 1985 hatte Viktoria S*** die ihr gehörenden Anteile an der Liegenschaft Wien 16., Yppengasse 1, dem Beklagten veräußert. Diesem war am 29.April 1985 mit den Hausverwaltungsunterlagen auch der mit der Klägerin abgeschlossene Mietvertrag übergeben worden. Der zwischen der Voreigentümerin Viktoria S*** und der Klägerin geschlossene Mietvertrag war ihm daher bekannt; dennoch weigerte er sich, die Klägerin als Mieterin zu aktzeptieren. Die von ihm beauftragte Hausverwaltungskanzlei verweigerte die Annahme der von der Klägerin entrichteten Mietzinszahlungen. Wegen der ihr vom Beklagten bereiteten Schwierigkeiten entschloß sich die Klägerin, mit den geplanten Adaptierungsarbeiten zuzuwarten. Bis zum September 1985 suchte sie die Wohnung ungefähr einmal in der Woche auf, um nach dem Rechten zu sehen.

Mit Kaufvertrag vom 13.August 1985 und Nachtragsvertrag vom 17. März 1987 veräußerte der Beklagte der G*** Immobiliengesellschaft mbH (im folgenden kurz Firma G***) 3255/21175 Anteile der Liegenschaft Wien 16., Yppengasse 1. Die Firma G*** vermietete am 11.September 1985 die Wohnung top.Nr.15 an Manfred W***. Im Auftrag der Firma G*** brachte ein Schlüsseldienst im September 1985 ein neues Schloß an der Tür dieser Wohnung an; der Klägerin wurde kein passender Schlüssel ausgehändigt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 10.Dezember 1985, TZ 4741/85, wurde auf Grund des Kaufvertrages vom 12.April 1985 und weiterer Urkunden die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten an 5015/21175 Anteilen und jenes Walter A*** an 1630/21175 Anteilen der erwähnten Liegenschaft bewilligt; mit Beschluß desselben Gerichtes vom 26.März 1987, TZ 1437/87, wurde die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Firma G*** an 3255/21175 Anteilen dieser Liegenschaft bewilligt; der Beklagte blieb zu 1760/21175 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft. Mit der Behauptung, daß ihr der Besitz an der Wohnung durch Erfüllungsgehilfen des Beklagten entzogen worden sei und dieser, durch die Einverleibung seines Miteigentumsrechtes zu ihrem Vertragspartner geworden, ihr gegenüber zur Verschaffung des Mietobjektes verpflichtet sei, begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr die näher beschriebene Wohnung geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei nicht passiv legitimiert, es bestehe kein Bestandverhältnis. Er habe gegen die Klägerin keine Rechts- und Besitzentziehungshandlungen begangen; diese rührten auch nicht von seinen Erfüllungsgehilfen her. Dem Klagebegehren stehe auch Unmöglichkeit der Leistung entgegen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Rechtlich folgerte es aus dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, daß der Klägerin die Stellung einer Hauptmieterin zukomme. Viktoria S*** sei, obgleich nur Minderheitseigentümerin der Liegenschaft, auf Grund der mit den Miteigentümern getroffenen Vereinbarung zum Abschluß eines Hauptmietvertrages berechtigt gewesen. Da kein gemeinsam von den Miteigentümern begründetes Bestandverhältnis vorliege, habe die Klage gegen den Rechtsnachfolger der ehemaligen Vertragspartnerin erhoben werden können. Dieser sei passiv legitimiert, weil mit der Klage ein schuldrechtlicher Anspruch aus dem Bestandvertrag geltend gemacht werde, während die dinglichen Elemente des Rechtsverhältnisses in den Streit nicht einbezogen seien. Der Beklagte habe somit der Klägerin gegenüber die Rechtsstellung des alleinigen Vermieters erlangt. Nach § 1096 ABGB sei er verpflichtet, der Klägerin den Bestandgegenstand wieder zu verschaffen. Daß die Firma G*** später mit Manfred W*** einen Mietvertrag über dieselbe Wohnung geschlossen habe, stehe dem Klagebegehren nicht im Wege; bei der gegebenen Doppelvermietung könne Unmöglichkeit der Leistung nicht eingewendet werden.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Der eingeklagte Anspruch könne gegen den Beklagten als Minderheitseigentümer nicht geltend gemacht werden; ihm fehle die passive Klagelegitimation. Zunächst sei von der zwischen der ehemaligen schlichten Minderheitseigentümerin Viktoria S*** und den übrigen Miteigentümern (Wohnungseigentümern) über die strittige Wohnung getroffenen Benützungsvereinbarung auszugehen, auf Grund deren das Erstgericht den zwischen der Klägerin und der Hausverwalterin Dkfm.Josefine E*** geschlossenen Mietvertrag zutreffend als Hauptmietvertrag im Sinne des § 2 Abs 1 MRG gewertete habe. Danach erwerbe Hauptmietrechte nur, wer sie von dem über die gesamte Liegenschaft Verfügungsberechtigten ableite, also auch derjenige, der mit dem Minderheitseigentümer auf Grund einer Benützungsregelung den Mietvertrag geschlossen habe. Mangels einer gegenteiligen Vereinbarung sei der zum Gebrauch berechtigte Miteigentümer zum Abschluß eines Bestandvertrages im Namen aller Miteigentümer, wenn auch auf eigene Rechnung, berechtigt; in diesem Fall komme das Mietverhältnis mit allen Miteigentümern zustande. Eine Einschränkung des Bestandrechtes auf die Dauer der aufrechten Benützungsregelung sei nicht statthaft. Ob die zwischen Viktoria S*** und den übrigen Miteigentümern seinerzeit getroffene Benützungsvereinbarung nach dem Willen aller Miteigentümer auf den Beklagten übergehen sollte, sei daher unerheblich. An einen wirksam abgeschlossenen Hauptmietvertrag seien ab der Übergabe des Mietgegenstandes an den Hauptmieter die Rechtsnachfolger auch dann gebunden, wenn der Vertrag nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen sei. Der Beklagte sei demnach gleich den übrigen Miteigentümern an den mit der Klägerin geschlossenen Hauptmietvertrag gebunden. Die Verwalterin Dkfm.Josefine E*** habe den Mietvertrag mit der Klägerin zwar namens der früheren Minderheitseigentümerin Viktoria S***, jedoch mit Wirkung für alle Miteigentümer geschlossen. Durch die Veräußerung der Minderheitsanteile an den Beklagten sei in der Rechtsposition der übrigen Miteigentümer keine Veränderung eingetreten. Die Klage wäre daher nicht bloß gegen den Beklagten, sondern gegen sämtliche Miteigentümer als einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO zu richten gewesen. § 20 Abs 2 WEG weise nur die Erträgnisse aus Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten, die nicht im Wohnungseigentum stehen, den Eigentümern der Anteile, mit denen Wohnungseigentum nicht verbunden ist, zu; damit werde jedoch darüber nichts ausgesagt, wer bei gemischtem Eigentum (Wohnungseigentum neben schlichtem Miteigentum) Partner eines Mietvertrages über eine nicht im Wohnungseigentum stehende Wohnung ist.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin meint, Viktoria S*** habe den Mietvertrag mit der Klägerin ausdrücklich im eigenen Namen und nicht - trotz ihrer Berechtigung - im Namen aller Miteigentümer geschlossen; die übrigen Miteigentümer seien daher nicht Partner des Mietvertrages. Im Hinblick darauf, daß auf der Liegenschaft Yppengasse 1 eines der beiden Häuser an Wohnungseigentümer vergeben und der weitere schlichte Miteigentumsanteil mit dem Nutzungsrecht am anderen Haus verbunden war, sei eine derartige Trennung der Interessensphäre der Miteigentümer gegeben, daß es eine Vergewaltigung des Vertragswillens der Miteigentümer bedeutete, wollte man davon ausgehen, daß eine Verpflichtung der Wohnungseigentümer aus dem umstrittenen Mietverhältnis gewollt war. Das Vertragsverhältnis sei allerdings auch für die übrigen Miteigentümer insofern von Bedeutung, als sie bei Beendigung der Nutzungsvereinbarung an den abgeschlossenen Mietvertrag gebunden seien. Dem kann nicht gefolgt werden:

Nach § 2 Abs 1 Satz 1 MRG liegt Hauptmiete vor, wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer oder Fruchtnießer der Liegenschaft oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossen wird. Hauptmietrechte erwirbt demnach - vom Fall der Vermietung durch den Wohnungseigentümer abgesehen - nur derjenige, der sie von dem über die gesamte Liegenschaft Verfügungsberechtigten ableitet, somit auch derjenige, der mit der Mehrheit der Miteigentümerin als der Trägerin der ordentlichen Verwaltung oder dem Minderheitseigentümer, der auf Grund einer Benützungsregelung zur Vermietung berechtigt ist, den Mitvertrag abgeschlossen hat; in diesen Fällen kommt das Mietverhältnis mit allen Miteigentümern zustande (Würth in Rummel, ABGB, Rz 9 zu §§ 1092 bis 1094 und Rz 4 zu § 2 MRG; EvBl 1988/58; EvBl 1989/40 ua). Viktoria S*** war festgestelltermaßen von den übrigen Miteigentümern dazu ermächtigt worden, die ihr zur Benützung überlassenen Wohnungen zu vermieten. Schließt ein Miteigentümer (oder ein Hausverwalter) einen Hauptmietvertrag ab, so handelt er dabei, selbst wenn er dies - wie hier - nicht zum Ausdruck bringt, im Zweifel als Vertreter derjenigen, mit denen allein ein Hauptmietvertrag wirksam zustande kommen kann, also sämtlicher Eigentümer. Mangels einer gegenteiligen Erklärung muß also das Auftreten des vermietenden Miteigentümers dahin verstanden werden, daß er damit auch die anderen Eigentümer verpflichten wolle. Wer einen Vertrag als Vertreter eines anderen abschließt, muß dies zwar dem Partner gegenüber eindeutig zum Ausdruck bringen (SZ 51/102 uva;

Koziol-Welser8 I 155; Strasser in Rummel, ABGB, Rz 50 zu § 1002); es genügt aber, daß der Vertreterwille des Handelnden schon aus den Umständen klar erkennbar ist (SZ 51/102; SZ 53/14 ua; Strasser aaO;

vgl § 19 GmbHG). Wollte ein Miteigentümer trotz seiner Berechtigung, im Namen der Eigentümergemeinschaft zu handeln, einen Mietvertrag nur im eigenen Namen schließen, dann müßte er das dem Mieter deutlich erklären, damit diesem bewußt werden kann, daß er zwar einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Partner erwirbt, die übrigen Miteigentümer aber an den Vertrag nicht gebunden sind und gegen ihn mit Räumungsklage vorgehen können (SZ 45/49 ua). Da eine Äußerung Viktoria S*** in diesem Sinn weder behauptet noch festgestellt wurde, ist der Mietvertrag zwischen der Klägerin und allen Eigentümern des Hauses Yppengasse 1 zustande gekommen. Gerade diese Konsequenz bejaht die Klägerin selbst, wenn sie - in offenkundigem Widerspruch zu ihren übrigen Revisionsausführungen - eine Bindung der übrigen Miteigentümer an den Mietvertrag auch bei Beendigung der Nutzungsvereinbarung mit Viktoria S*** behauptet (S 109).

Daß die Liegenschaft Yppengasse 1 in gemischtem Eigentum, also im Eigentum von schlichten Miteigentümern und Wohnungseigentümern, steht, ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung. Nach § 14 Abs 1 WEG gilt für die Verwaltung der Liegenschaft das

16. Hauptstück des 2.Teils des ABGB mit gewissen, hier unerheblichen Besonderheiten; nach § 14 Abs 1 Z 7 WEG gehört zu den Angelegenheiten, in denen die Mehrheit entscheidet, auch die Vermietung bestimmter Teile der Liegenschaft, an denen Wohnungseigentum nicht besteht oder bestehen kann, aber eine abgesonderte Benützung möglich ist, an einen Dritten, der nicht Miteigentümer der Liegenschaft ist. Die §§ 13 bis 22 WEG gelten auch für gemischtes Miteigentum (Meinhart, Das Wohnungseigentumsgesetz 1975, 118). § 20 WEG regelt nur - wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die Erträgnisse, nicht aber die Verwaltung (Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum WEG 1975,540 f). Sind aber sämtliche Miteigentümer der Liegenschaft Yppengasse 1 Bestandgeber, dann bilden sie im Prozeß auf Zuhaltung des Bestandvertrages nach Lehre und ständiger Rechtsprechung eine einheitliche Streitpartei, kann doch ihnen gegenüber das Bestandverhältnis nur einheitlich festgestellt werden (Fasching II 194; EvBl 1989/40 mwN); da das materielle Recht die Geltendmachung des Anspruches gegen alle Miteigentümer fordert, liegt eine notwendige Streitgenossenschaft vor (EvBl 1989/40). Wird eine Klage nicht gegen sämtliche notwendigen Streitgenossen erhoben, dann ist sie abzuweisen (Fasching, LB, Rz 364; SZ 37/22; SZ 51/4 uva). Die Revision mußte demnach erfolglos bleiben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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