Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat der Beklagten die mit S 19.825,20 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (davon S 3.304,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Nach den Angaben in der Klage hat der Kläger seinen Wohnsitz und die beklagte Institution (Verein, Stiftung ?) ihren Sitz in Israel. Der Kläger behauptet, er sei zur Hälfte Erbe der am 3. März 1988 verstorbenen schwedischen Staatsbürgerin M***** W*****, welche zuletzt in S*****, Schweden, gewohnt habe. Im Testament der Erblasserin vom 4. Dezember 1975 sei zwar nicht er, sondern der Bruder der Erblasserin und die nunmehr Beklagte je zur Hälfte als Erben eingesetzt worden; die Hälfte des Nachlasses sei aber ihm eingeantwortet worden, weil die Erblasserin nach schwedischem Recht im Zeitpunkt des Ablebens ihres 1975 vorverstorbenen Ehegatten mangels eines "zwischen ihnen vorliegenden Testaments" nicht über den ganzen Nachlaß (letztwillig) habe verfügen können.
Die Erblasserin habe aber auch in Österreich Vermögen (Fremdwährungs- und Wertpapierkonto in der Höhe von S 1,545.000) besessen, über das sie mit letztwilliger Verfügung vom 19. August 1977 ebenfalls zugunsten der Beklagten zur Gänze verfügt habe. Wie aus dem Verlassenschaftsakt 10 A 49/89 des Bezirksgerichtes Wien Innere Stadt hervorgeht, hat dieses Gericht in einem Ausfolgungsverfahren (§§ 137 bis 139 AußStrG) dieses Guthaben der Erblasserin an Rechtsanwalt Dr. Johannes P***** überwiesen, welcher in der letztwilligen Verfügung vom 19. August 1977 als deren Vollstrecker eingesetzt worden war.
Der Kläger behauptet nun, daß er auch am österreichischen Vermögen der Erblasserin zur Hälfte beteiligt sei; er begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 772.500 sA.
Das vom Kläger zunächst angerufene Landesgericht für ZRS Wien wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit a limine zurück, weil ein Erbteilungsstreit (§ 77 Abs 2 JN) vorliege. Auf Grund des Antrages des Klägers nach § 230 a ZPO überwies es die Klage an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.
Nach Zustellung der Klage (an Rechtsanwalt Dr. Johannes P*****) erhob die Beklagte die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der sachlichen Unzuständigkeit.
Der Kläger erwiderte, daß die Klage als Erbteilungsklage anzusehen sei, und verwies darauf, daß die Beklagte in Wien 1. ein Büro habe und das ausgefolgte Vermögen noch im Inland sei; zwischen den Streitteilen sei eine Gerichtsstandvereinbarung zustande gekommen.
Auf Grund der Ergebnisse der Verhandlung über die Prozeßeinreden wies das Erstgericht die Klage (neuerlich) wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Der Gerichtsstand nach § 77 Abs 2 JN liege nicht vor, weil das Erstgericht nicht als Abhandlungsgericht, sondern nur im Rahmen des Ausfolgungsverfahrens tätig geworden sei; weitere Zuständigkeitstatbestände lägen nicht vor. Der vom Kläger herangezogene Vermögensgerichtsstand betreffe nur die örtliche Zuständigkeit.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Mit der Durchführung eines Ausfolgungsverfahrens werde die sachliche (funktionelle) Zuständigkeit nach § 77 Abs 2 JN nicht begründet; ob die Klage eine Erbteilungsklage ist, könne daher auf sich beruhen. Die inländische Gerichtsbarkeit sei aber gegeben, weil die vorliegende vermögensrechtliche Streitigkeit eine Nahebeziehung zum Inland habe.
Der Kläger bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichtes mit außerordentlichem Revisionsrekurs; er beantragt, den Beschluß der zweiten Instanz dahin abzuändern, daß die Zurückweisungsbeschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben werden und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen werde.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig.
Da es sich um einen Fall der Zurückweisung der Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen handelt, steht der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen, daß der erstrichterliche Beschluß vom Rekursgericht zur Gänze bestätigt worden ist (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO). Auch die durch die ZVN 1983 neu gefaßte Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN bei Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit hindert die meritorische Behandlung des Rechtsmittels nicht: Danach sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann anfechtbar, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Dieser Fall führt nach Fasching (LB2, 128, Rz 232) nur dann zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung, wenn das Gericht, das sich für unzuständig erklärt, in seinem Unzuständigkeitsbeschluß ausdrücklich jenes Gericht bezeichnet, das nach seiner Auffassung sachlich zuständig ist. Dieser Ausspruch sei für die Parteien notwendig, um beurteilen zu können, ob ein Rechtsmittel zulässig ist. Fehle er, dann fehle ein gesetzlich gefordertes Kriterium für die Unzulässigkeit des Rekurses; im Zweifel sei daher dann der Rekurs zulässig. Dieser Ansicht ist der Oberste Gerichtshof allerdings nicht gefolgt, wenn kein Zweifel darüber besteht, welches das in derselben Gemeinde gelegene zuständige Gericht ist (EvBl. 1985/128; 9 Ob A 69/87; 3 Ob 96/88). Im vorliegenden Fall steht jedoch nicht fest, ob das sonst sachlich zuständige Gericht seinen Sitz in derselben Gemeinde hat.
Der Revisionsrekurs des Klägers ist daher nicht "jedenfalls unzulässig" (§ 500 Abs 2 Z 2; § 526 Abs 3 ZPO). Die Entscheidung über das Rechtsmittel hängt von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechts im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ab, nämlich von der Frage, ob der (funktionelle) Gerichtsstand des § 77 Abs 2 JN auch schon durch bloße Sicherungsmaßnahmen des Verlassenschaftsgerichtes nach § 23 Abs 2, §§ 137 bis 139 AußStrG begründet wird. Zu dieser Frage ist, soweit ersichtlich, nur eine weit zurückliegende, nicht veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ergangen, welche aber eine Manifestationsklage betroffen hatte (8 Ob 54, 55, 60/65).
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Der von der allgemeinen Regel des § 77 Abs 1 JN abweichende Gerichtsstand für Erbteilungsklagen nach § 77 Abs 2 JN wurde nach den Materialien zu den Zivilprozeßgesetzen (I 74) mit der Begründung eingerichtet, daß "über die Art der Teilung zu entscheiden .... kein anderes Gericht so sehr berufen ist, als das der Nachlaßabhandlung.. Hier sind in der Kenntnis der Nachlaßverhältnisse seitens des Richters und in den Gerichtsakten alle Vorbedingungen für diese Entscheidung gegeben. Nirgends anderswo findet sich das Prozeßmaterial gleich gut vorbereitet. Daß die Einantwortung erfolgt, also die Abhandlung formell abgeschlossen ist, ändert nichts daran ...." (s. auch SZ 25/206). Berücksichtigt man diesen Zweck des besonderen Gerichtsstandes für Erbteilungsklagen, so kann jenes Gericht, das sich in Ansehung des im Inland befindlichen beweglichen Nachlasses gemäß § 23 Abs 2 AußStrG auf die Sicherung des Nachlasses und die in §§ 137 bis 139 AußStrG vorgesehenen Vorkehrungen beschränkt, die Abhandlung aber der zuständigen ausländischen Behörde zu überlassen hat, nicht als das Gericht iS des § 77 Abs 2 JN angesehen werden, "bei welchem die Nachlaßabhandlung anhängig ist". Ähnlich hat der Oberste Gerichtshof auch in der bereits erwähnten, unveröffentlichten Entscheidung 8 Ob 54, 55, 60/65 argumentiert. Die Sicherungsmaßnahmen des österreichischen Gerichtes nach § 23 Abs 2 AußStrG begründen daher den Gerichtsstand nach § 77 Abs 2 JN nicht.
Die Frage, ob die Klage auf Ausfolgung des halben Gegenwertes des früheren Fremdwährungs- und Wertpapierkontos der Erblasserin eine Erbteilung im Sinne des § 77 Abs 2 JN ist, kann daher auf sich beruhen.
Aus dem Ersuchen des Beklagtenvertreters, die Klage zu seinen Handen zustellen zu lassen, ist eine Gerichtsstandsvereinbarung - welche überdies nur in den Grenzen des § 104 JN zulässig wäre - nicht abzuleiten.
Ob für die wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesene Klage auch die inländische Gerichtsbarkeit fehlt, kann hier noch nicht entschieden werden. Der Kläger hat sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 99 Abs 1 und 3 JN berufen; die Vorinstanzen haben jedoch dazu keine Feststellungen getroffen, so daß diese Frage offen bleiben muß.
Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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