OGH 4Ob512/93

OGH4Ob512/939.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** AG, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Christine Brandl, Rechtsanwältin in Innsbruck sowie der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei Ingrid P*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Dr.Regina H*****; 2) Ing.Hans Otto H*****, beide vertreten durch Dr.Gottfried Lindner, Rechtsanwalt in Linz, wegen 141.160 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7.Juli 1992, GZ 4 R 308/91-33, womit infolge von Berufungen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin auf der Seite der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11.Mai 1991, GZ 6 Cg 35/90-25, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Beklagten betrieben in den von ihnen gemieteten Geschäftsräumlichkeiten des Hauses L*****, unter der Bezeichnung "Karibik" eine Gaststätte. Sie schlossen am 30.3.1987 mit der klagenden Brauerei und deren "L*****"-Vertretung (B***** Getränkehandelsgesellschaft mbH & Co KG in A*****) ein als "Liefer- und Leistungsvertrag" bezeichnetes schriftliches Übereinkommen. Danach gewährten die Klägerin und deren inländische Vertreterin den Beklagten ein Darlehen von 150.000 S zuzüglich Umsatzsteuer und "zusätzlich 30 hl 'Hell Export' gratis". Als Gegenleistung verpflichteten sich die Beklagten auf Vertragsdauer, ihre Gaststätte ununterbrochen zu betreiben bzw betreiben zu lassen und dort ausschließlich Biere der Klägerin zu führen und auszuschenken bzw führen und ausschenken zu lassen; die Beklagten übernahmen weiters die Verpflichtung, "jährlich mindestens 150 hl Bier zu beziehen und diese Bezugsverpflichtung sowie sämtliche übrigen in diesem Vertrag eingegangenen Verpflichtungen dem jeweiligen Rechts-, Geschäfts- und Besitznachfolgern aufzuerlegen". Der Bierbezugsvertrag konnte von ihnen nur nach Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten eingestellt werden, wobei eine derartige schriftliche und eingeschriebene Erklärung vor dem 30.4.1997 und vor einer Gesamtabnahmemenge von 1.500 hl Bier ausgeschlossen war. Punkt 7 des "Liefer- und Leistungsvertrages" lautete auszugsweise:

"Andere als schriftliche Abmachungen haben keine Gültigkeit und bedürfen in jedem Falle zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform......."

Im Frühjahr 1989 schlossen die Beklagten mit der Nebenintervenientin einen von Dr.Adam J***** verfaßten "Kaufvertrag". Danach verkauften sie der Nebenintervenientin das gesamte Inventar der von ihnen gemieteten Geschäftsräumlichkeiten und verpflichteten sich zu bestimmten Instandsetzungen gegen Zahlung eines Kaufpreises von 100.000 S sowie weiterer 200.000 S für die Renovierungsarbeiten. Die Beklagten verpflichteten sich, ihre Bestandrechte an den Geschäftsräumlichkeiten aufzulassen und dafür Sorge zu tragen, daß die Bestandrechte an die Nebenintervenientin übergehen. Punkt IV des "Kaufvertrages" lautete:

"Die Käuferin wird in den zu Punkt I beschriebenen Geschäftsräumen voraussichtlich das Gast- und Schankgewerbe betreiben, sie behält sich aber jede anderweitige Nutzung vor. Für den Fall, daß sie das Gast- und Schankgewerbe betreiben oder im Rahmen einer anderweitigen Nutzung in den gegenständlichen Geschäftsräumen Getränke in irgendeiner Form verabreichen sollte, verpflichtet sie sich, Bier ausschließlich von der 'L*****' und Cola-Getränke ausschließlich von der 'Brauerei G*****' zu beziehen."

In der Folge schloß die Nebenintervenientin mit dem Hauseigentümer über die Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten einen Mietvertrag ab und nahm darin den Betrieb einer Gaststätte auf. Sie nahm auch tatsächlich die erste Bierbestellung bei der B***** Getränkehandelsgesellschaft mbH & Co KG vor; danach erachtete sich die Nebenintervenientin aber an den "Liefer- und Leistungsvertrag" nicht mehr gebunden. Sie wollte von der Klägerin weitere günstige Konditionen erreichen, welche diese jedoch ablehnte.

Mit der Behauptung, die Beklagten seien ihrer Verpflichtung zur Überbindung ihrer Vertragsposition aus dem "Liefer- und Leistungsvertrag" an die Nebenintervenientin nicht nachgekommen, begehrt die Klägerin deren Verurteilung zur Zahlung von 141.160 S sA. Mit Punkt IV des mit der Nebenintervenientin geschlossenen "Kaufvertrages" hätten die Beklagten ihre Überbindungsverpflichtung nicht erfüllt, weshalb der durch ihren Bierbezug noch nicht amortisierte Darlehensbetrag fällig gestellt worden sei. Andere als schriftliche Erklärungen hätten gemäß Punkt VII des "Liefer- und Leistungsvertrages" gegenüber der Klägerin keine Wirksamkeit.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des - der Höhe nach unbestrittenen - Klagebegehrens. Sie seien ihrer Überbindungsverpflichtung nachgekommen. Möge auch die Textierung des Punktes IV des mit der Nebenintervenientin geschlossenen "Kaufvertrages" undeutlich sein, so sei doch zumindest mündlich die Überbindung sämtlicher Verpflichtungen aus dem "Liefer- und Leistungsvertrag" vereinbart worden. Im übrigen hafte die Nebenintervenientin für den Klageanspruch auch gemäß § 1409 ABGB.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs geschilderten Sachverhalt hinaus noch fest, daß die Beklagten und die Nebenintervenientin entgegen der vagen Formulierung des Punktes IV des "Kaufvertrages" - welche nur gewählt worden sei, um nach außen hin den Anschein einer Unternehmensveräußerung zu vermeiden - dahin übereingekommen seien, daß die Nebenintervenientin - falls sie in den Geschäftsräumlichkeiten eine Gaststätte oder ein mit Bierausschank verbundenes Unternehmen betreibt - zur Gänze die Verpflichtungen des ihr inhaltlich bekannten "Liefer- und Leistungsvertrages" übernehme und die Beklagten damit der Klägerin gegenüber frei würden. Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß die Beklagten ihrer Überbindungsverpflichtung aus dem "Liefer- und Leistungsvertrag" nachgekommen seien. Da die Klägerin vorweg ihre Zustimmung zum privativen Schuldeintritt der Geschäftsnachfolgerin erteilt habe, hätte sie die Nebenintervenientin auf Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen klagen müssen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Da im Hinblick auf den Sitz der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliege, spreche § 36 IPRG für die Anwendung des deutschen Rechtes, stammten doch die charakteristischen Leistungen des "Liefer- und Leistungsvertrages" von der Klägerin. Ob demgegenüber der Umstand, daß neben der Klägerin auch deren inländische "Niederlassung" Vertragspartnerin der Beklagten sei, zur Anwendung des österreichischen Rechtes führen könne, brauche nicht geklärt zu werden, weil beide Rechtsordnungen zum gleichen Ergebnis führten. Nachfolgeklauseln in Bierlieferungsverträgen seien sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht eine im voraus abgegebene Zustimmung der Brauerei zu einer befreienden Vertragsübernahme. Der erste Vertragspartner müsse aber seiner Überbindungsverpflichtung vollständig nachkommen. Mit Punkt IV des "Kaufvertrages" sei der Nebenintervenientin die Vertragsstellung der Beklagten aus dem "Liefer- und Leistungsvertrag" weder unbedingt noch vollständig überbunden worden; auch die festgestellte mündliche Vertragsüberbindung sei von einer Bedingung abhängig gewesen und daher "höchstens ein Vorvertrag, also nicht der auf Vertragsübernahme gerichtete Hauptvertrag". Nach deutschem Recht reiche die mündliche Vereinbarung schon deshalb nicht aus, weil die Vertragsübernahme der Form des übernommenen Vertrages bedürfe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision der beiden Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise auf Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Klägerin stellt in der ihr gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Schon zur Frage des anzuwendenden Rechtes kommt entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes eine Anknüpfung im Wege des § 36 IPRG nicht in Betracht, handelt es sich doch bei einem Bierbezugsvertrag in der Regel - so auch hier - nicht um einen Bierkaufvertrag, sondern um einen Darlehensvertrag mit der Nebenabrede einer Bierbezugsverpflichtung; das gewährte Darlehen ist durch den Bierbezug abzustatten (Aicher in Rummel, ABGB2, Rz 50 zu § 1053 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein in diesem Sinne entgeltliches (verzinsliches) Darlehen fällt aber weder unter § 36 noch unter § 37 IPRG; es bleibt vielmehr ohne ausdrückliche Anknüpfungsvorschrift und ist daher einheitlich an jene Rechtsordnung anzuknüpfen, zu der nach allen relevanten Umständen im Einzelfall die stärkste Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG) besteht (Schwimann in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 1 und Rz 2 zu § 36 IPRG). Da das Darlehen den Beklagten im Inland zugezählt wurde und ihr Bierbezug über die inländische Auslieferungsgesellschaft der Klägerin zu erfolgen hatte, welche gemeinsam mit der Klägerin sogar Vertragspartnerin der Beklagten war, ist österreichisches Recht anzuwenden, weil zu ihm die stärkste Beziehung besteht (vgl IPRax 1991, 194, wo dies sogar für ein unverzinsliches Darlehen ausgesprochen wurde).

Danach hat aber das Erstgericht zutreffend erkannt, daß in Punkt 3 des "Liefer- und Leistungsvertrages", worin die Beklagten zur Überbindung sämtlicher Verpflichtungen dieses Vertrages auf den "jeweiligen Rechts-, Geschäfts- und Besitznachfolger" verpflichtet wurden, die Klägerin im voraus und ohne Bestimmung der Person des Geschäftsnachfolgers beim Betrieb der Gaststätte im Standort des Bezugsvertrages einer ihre Rechte nicht schmälernden Vertragsübernahme, jedenfalls aber einer privativen Schuldübernahme, zugestimmt hat (JBl 1988, 720; 8 Ob 596/88). In diesem Zusammenhang stellen auch die Beklagten nicht mehr in Abrede, daß sie allein mit Punkt IV des mit der Nebenintervenientin geschlossenen schriftlichen "Kaufvertrages" ihrer Überbindungsverpflichtung noch nicht nachgekommen wären; nach den - insoweit aber im Berufungsverfahren sowohl von der Klägerin als auch von der Nebenintervenientin bekämpften - Feststellungen des Erstgerichtes ging jedoch der übereinstimmende Parteiwille der Beklagten und der Nebenintervenientin beim Abschluß des "Kaufvertrages" dahin, daß die Nebenintervenientin die Verpflichtungen der Beklagten gemäß dem ihr inhaltlich bekannten "Liefer- und Leistungsvertrag" zur Gänze übernimmt und die Beklagten damit der Klägerin gegenüber frei werden. Diese Vereinbarung stand allerdings unter der - aufschiebenden - Bedingung, daß die Nebenintervenientin am Standort des "Liefer- und Leistungsvertrages" eine Gaststätte oder ein Unternehmen mit Bierausschank betreibt, wozu sie nicht verpflichtet war; diese Bedingung ist aber nach den Feststellungen eingetreten. Inwiefern in dieser vom Eintritt einer Bedingung abhängigen Vereinbarung eines privativen Schuldeintrittes ein Vorvertrag liegen soll, ist nicht zu sehen. Die Auffassung des Berufungsgerichtes findet auch in der von ihm zitierten Literaturstelle (Ertl in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 1406) keine Stütze. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf den im "Liefer- und Leistungsvertrag" vereinbarten Formvorbehalt der Schriftlichkeit, weil dieser auf Vereinbarungen ("Abmachungen") zwischen den Parteien dieses Vertrages abzielte und daher für die Überbindung der Rechtstellung der Beklagten aus dem Bezugsvertrag an einen Dritten nicht zum Tragen kommt.

Da die Bedingung der vom Erstgericht festgestellten Überbindungsvereinbarung eingetreten ist, sind die Beklagten entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ihrer Überbindungsverpflichtung nachgekommen. Daraus folgt, daß die Beweisrügen der Berufungen, mit denen gerade diese Feststellungen des Erstgerichtes bekämpft worden sind, behandelt werden müssen, so daß sich eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als unumgänglich erweist. Das Berufungsgericht wird klarzustellen haben, ob es den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt über den im Sinne einer privativen Schuldübernahme der Nebenintervenientin wahren Willen der Parteien des "Kaufvertrages" übernimmt oder nicht bzw welchen sonstigen Sachverhalt es - abweichend oder ergänzend zum Erstgericht - feststellt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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