Spruch:
Ob eine "eigentümliche geistige Schöpfung" iS des § 1 Abs. 1 UrhG vorliegt, ist unabhängig von ihrem ästhetischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Wert zu beurteilen; bei Vorhandensein der erforderlichen Individualität genießen auch primitive, geschmacklose oder abstoßende Werke - hier ein ordinäres, ekelerregendes Gedicht - urheberrechtlichen Schutz
OGH 2. März 1982, 4 Ob 427, 428/81 (LGZ Wien 45 R 271/81; BG Döbling 4 C 1670/80).
Begründung:
Am 8. 2. 1979 erschien in einer Kolumne einer von der beklagten Partei herausgegebenen Tageszeitung folgender Kommentar:
"Kommende Woche werden wir am Mittwoch den Sankt-Valentins-Tag feiern. Der Sankt-Valentins-Tag ist der Tag der Blume. Am Sankt-Valentins-Tag soll man einander mit Blumen beschenken. Das fördert, so höre ich, die zwischenmenschlichen Beziehungen. Und den Blumenhändlern hilft's auch.
Der Österreichische Rundfunk hat einen bemerkenswerten Beitrag zum Sankt-Valentins-Tag schon in der vergangenen Woche geliefert. Genau:
am Donnerstag, dem 1. Februar, um 10.35 Uhr, Sender Ö 1 des Hörfunks. Und wer es im Licht des folgenden nicht glauben kann, dem sei es in aller Form gesagt. Es hat sich um eine Schulfunksendung gehandelt!
Der genaue Titel der Sendung lautete: "Österreichs Literatur nach 1945 in Beispielen."
Eines dieser Beispiele spielte in der Welt der Blumen. Es wurden, übrigens der lebhafteren Wirkung wegen vor einem Auditorium von Schülern, als hehre Schöpfung der "Österreichischen Literatur nach 1945", vorgelesen und lautete wie folgt:
"Das Blumenstück"
Von Gerhard R.
"Die Tulpe scheißt auf den Rasen, das Veilchen furzt in die Hand des Gärtners, das Vergißmeinnicht kotzt ins Seidenpapier, die Nelke schlatzt auf den Stengel, die Orchidee onaniert zwischen den Fingern des Fräuleins und bekleckert sich in den Ärmel hinein, die Rose stinkt nach Schweiß und Menstruationsblut, das Maiglöckchen rotzt auf das frische Tischtuch, die Lilie brunzt in die Vase, die Hyazinthe rülpst aus."
Die entscheidende Instanz für den Schulfunk ist das Unterrichtsministerium. Das Unterrichtsministerium muß jede Sendung, die im Schulfunk gebracht wird, ausdrücklich genehmigen oder, wie es im Jargon der Bürokraten heißt: approbieren. Es liegt also in letzter Konsequenz die Verantwortung für alles, was im Schulfunk gebracht wird, beim Unterrichtsminister.
Bei Herrn Sinowatz also, dem unermüdlichen Reformator und Neuerer des österreichischen Schulwesens.
Somit könne jetzt ein Kritiker, indem er sich in perfekter Weise dem Ton der im Schulfunk gebrachten Beispiele aus der österreichischen Literatur nach 1945 anpaßt, dem Herrn Ressortchef Sinowatz etwa zurufen:
"Gehn'S scheißen, Herr Minister!"
So einfach liegen aber im vorliegenden Fall die Dinge nicht. Soviel ich über den schier unglaublichen Vorfall erfahren konnte, ist hier das Ministerium unter noch aufklärungsbedürftigen Umständen ausgetrickst worden.
Die Sendung ist - weiter unter aufklärungsbedürftigen Umständen - niemals approbiert worden. Sie sei, so reden sich die bahnbrechenden Popularisierer der österreichischen Literatur nach 1945 aus, leider zu spät fertig geworden. Dadurch konnte die Genehmigung des Unterrichtsministeriums leider nicht mehr eingeholt werden.
Daher unsere nachträgliche Frage: Wie gefällt Ihnen das Gedichterl, Herr Minister Sinowatz ...?"
Der Kläger Gerhard R begehrt von der beklagten Partei die Zahlung eines Betrages von 4.000 S samt Anhang aus dem Rechtsgrund des § 86 UrhG (angemessenes Entgelt für die Veröffentlichung des vom Kläger verfaßten Gedichtes in der von der beklagten Partei herausgegebenen Zeitung sowie eines weiteren Betrages von 16.000 S als Entschädigung iS des § 87 Abs. 2 UrhG. Die beklagte Partei habe in der von ihr herausgegebenen Zeitung das Gedicht "Das Blumenstück" im Rahmen eines hämischen Kommentars und in einer dem Kläger abträglichen Weise ohne urheberrechtliche Genehmigung veröffentlicht. Das Gedicht sei in dem im R-Verlag erschienenen Werk "Gesammelte Gedichte und visuelle Werke" enthalten.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Das Gedicht des Klägers sei keine eigentümliche geistige Schöpfung iS des § 1 UrhG und genieße daher nicht den Schutz dieses Gesetzes. Der aus § 87 Abs. 2 UrhG abgeleitete Anspruch bestehe auch deshalb nicht zu Recht, weil eine empfindliche Kränkung, die über den mit einer Urheberrechtsverletzung an sich verbundenen Arger hinausreichte, dem Kläger nicht zugefügt worden sei.
Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab.
In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, das "Blumenstück" sei kein Werk iS des § 1 UrhG. Für ein solches Werk sei nicht ein künstlerischer oder ästhetischer Wert maßgebend, doch müsse es auf einer schöpferischen Geistestätigkeit beruhen, die es von anderen Werken unterscheidbar mache. Ein solches Werk setze eine besondere individuelle Schaffenshöhe, ein besonderes Maß an schöpferischer Eigenart voraus. Diese Voraussetzungen träfen jedoch auf das "Blumenstück" nicht zu; dieses scheine vielmehr ein nicht schutzfähiges Zufallsprodukt zu sein.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich des aus § 87 Abs. 2 UrhG abgeleiteten Teilanspruches von 16.000 S und hob das erstgerichtliche Urteil im übrigen, also hinsichtlich des auf § 86 UrhG gestützten Teilanspruches und im Kostenpunkt, unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Meinung, das "Blumenstück" sei trotz der darin vorkommenden Fäkalausdrücke und Wörter des unteren Bereiches der Umgangssprache ein Werk iS des § 1 UrhG. Als ein den Schutz des § 1 UrhG nicht genießendes Zufallsprodukt könne es nicht betrachtet werden, weil darunter ein ohne wesentliche Einflußnahme des Menschen durch eine Maschine oder durch sonstige mechanische Vorgänge hergestelltes Produkt zu verstehen sei. Diese Voraussetzungen träfen auf das "Blumenstück" aber nicht zu. Da das Erstgericht, ausgehend von seiner vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsauffassung, hinsichtlich des Ausmaßes des dem Kläger gebührenden Entgelts im Sinne des § 86 UrhG keine Feststellungen getroffen habe, müsse das erstgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Als angemessenes Entgelt sei jener Betrag anzusehen, den der Berechtigte, wenn er in die Verwertung eingewilligt hätte, hiefür hätte erzielen können. Hingegen bestehe der aus § 87 Abs. 2 UrhG abgeleitete Entschädigungsanspruch nicht zu Recht, weil der Kläger weder einen anspruchsbegrundenden Sachverhalt behauptet habe noch derartige Tatumstände im Verfahren hervorgekommen seien. Der mit dem Abdruck des "Blumenstückes" verbundene Kommentar richte sich gegen die Schulfunksendung und enthalte lediglich den Vorwurf, daß das "Blumenstück" für eine solche Sendung nicht geeignet sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers ebensowenig Folge wie dem Rekurs der beklagten Partei.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zum Rekurs der beklagten Partei:
Die beklagte Partei vertritt in ihren Rechtsmittelausführungen die Auffassung, bei der Beurteilung des Werkcharakters komme es weder auf den ästhetischen Eindruck der verwendeten Wörter noch auf die Qualität des Erzeugnisses an; auch abstoßend wirkende Wortzusammenstellungen könnten Werke iS des § 1 UrhG sein. Wesentliche Kriterien für ein solches Werk seien aber die Originalität und Individualität, ferner die Geistigkeit des Erzeugnisses iS einer "zielvollen" geistigen Tätigkeit sowie der Schöpfungscharakter; es müsse etwas Neues, Unverwechselbares entstanden ein. Diese Voraussetzungen träfen aber auf das "Blumenstück" nicht zu, weil die Kriterien, nach denen der Kläger die Blumen ausgesucht habe und warum er sie gerade mit einer ganz bestimmten Funktion und nicht mit einer der anderen erwähnten Funktionen verbunden habe, nicht erkennbar seien. Es liege eine Wortspielerei vor, die jedermann zustande bringen könne. Schließlich fehle dem Blumenstück jegliche ästhetische Wirkung; ein Werk setze jedoch voraus, daß es irgendeine ästhetische Wirkung hervorrufe.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 1 Abs. 1 UrhG sind Werke iS dieses Gesetzes eigentümliche geistige Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst. Werke der Literatur sind gemäß § 2 UrhG Sprachwerke aller Art, Bühnenwerke sowie Werke wissenschaftlicher oder bildender Art. Sprachwerke sind alle Werke, deren Ausdrucksmittel die Sprache ist. Dazu gehören sowohl die "Schriftwerke", deren Festlegung die Schrift ist, wie auch Reden, Vorlesungen, Vorträge ohne Rücksicht darauf, ob sie überhaupt festgehalten oder bloß in ihrer Gliederung schriftlich niedergelegt oder durch Schallaufnahmen wörtlich wiederholbar gemacht worden sind (Peter, Urheberrecht 40; Dittrich, Verlagsrecht 49). Das vom Kläger verfaßte "Blumenstück" ist somit, vorbehaltlich seiner Beurteilung als "Werk" iS einer eigentümlichen geistigen Schöpfung, ein Sprachwerk iS des § 2 Z 1 UrhG.
Unter einer "geistigen Schöpfung" iS des § 1 UrhG ist das der Außenwelt wahrnehmbare Ergebnis der Gestaltung eines bestimmten Vorstellungsinhaltes zu verstehen (Peter, Urheberrecht 39; Dittrich, Verlagsrecht 45). Zufallsprodukte, also Produkte, die nicht auf einer auf ein "Gestalten" gerichteten Tätigkeit eines Menschen beruhen, sind daher nicht geschützt (Dittrich, Der urheberrechtliche Werkbegriff und die moderne Kunst, ÖJZ 1970, 371; Fromm-Nordemann, Urheberrecht4, 78 f). Das Eigenschaftswort "geistig" drückt in diesem Zusammenhang aus, daß Schutzgegenstand des Urheberrechtsgesetzes nicht die körperliche Festlegung des Stoffes, sondern die zugrunde liegende geistige Gestaltung ist (Peter 39; Dittrich, ÖJZ 1970, 368; ÖBl. 1981, 54; ÖBl. 1976, 141; ÖBl. 1970, 104, jeweils mit weiteren Hinweisen, ua.). Ob das Ergebnis einer solchen Gestaltung der Erbauung, Belehrung, Unterhaltung oder Werbezwecken dient oder ob es von seinem Schöpfer nur aus Freude am Schaffen ohne jede Zweckbestimmung hergestellt worden ist, ist gleichgültig. Der Werkbegriff ist zweckneutral (Dittrich 369; Fromm-Nordemann 76). Der Grad des ästhetischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Wertes ist für die gegenständliche Beurteilung ohne Bedeutung. Auch der schlechte Roman, eine unvertretbare Auffassungen enthaltende wissenschaftliche Abhandlung, ferner primitive, geschmacklose, abstoßende, ekelerregende oder Perversionen enthaltende Sprachwerke sind urheberrechtlich geschützt (Peter 38; Dittrich 368; Fromm-Nordemann 81; Ulmer, Urheberrecht und Verlagsrecht3 133). Es ist daher nicht erforderlich, daß das Sprachwerk irgendeine ästhetische Wirkung iS einer am Schönen, Stilvollen orientierten Begriffsbestimmung hervorruft (vgl. Dittrich 368). Entscheidend ist, daß die Voraussetzung der Eigentümlichkeit und der Individualität gegeben ist (ÖBl. 1970, 104). Eigentümlich (individuell) ist eine Schöpfung dann, wenn sie den Stempel der persönlichen Eigenart des Schöpfers trägt oder sich zumindest durch eine persönliche Note, die ihr geistige Arbeit des Schöpfers verliehen hat, von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt (Peter 38). Je nach der Art des Werkes kann der Schwerpunkt der geistigen Leistung auf Eingebungen der Phantasie, auf der Entwicklung und Logik der Gedankenführung oder auf der Darstellung, der Auswahl oder der Anordnung liegen. Der Begriff der "Eigentümlichkeit" umfaßt alles, was der Schöpfer eines Werkes zum bereits Vorgefundenen aus seinen individuellen Anlagen und Fähigkeiten dazugegeben hat. Zu den geschützten Elementen eines Sprachwerkes gehören die auf der Phantasie des Dichters beruhende Fabel, die Konzeption (Gedankenreihen und Vorstellungsabläufe) und der Wortlaut (Dittrich 367).
Diese Voraussetzungen der Individualität fehlen dem "Allerweltserzeugnis", also einer Leistung, die jedermann ebenso zusammenbrächte. Die individuelle, eigentümliche Leistung muß sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben (Fromm-Nordemann 80; Möhring-Nicolini, Urheberrechtsgesetz 72). Die Individualität setzt voraus, daß beim Werkschaffen persönliche Züge zur Geltung kommen. Durch die sprachliche Gestaltung oder durch die gedankliche Bearbeitung unterscheiden sich Vorträge und Reden von Äußerungen im Rahmen einer Unterhaltung bzw. literarische Abhandlungen von alltäglichen Briefen. Auf einen besonderen literarischen oder künstlerischen Rang sowie auf die Qualität des Erzeugnisses kommt es nicht an (Ulmer 133), sodaß das Gericht insoweit keine Wertungen vorzunehmen hat.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, kann die allein rechtlich zu beurteilende (Fromm-Nordemann 76; Dittrich 366; ÖBl. 1964, 78 ua.) Frage, ob das "Blumenstück" als Werk iS des § 1 UrhG den Schutz dieses Gesetzes genießt, nicht verneint werden. Da dieses Sprachwerk vom Kläger verfaßt wurde, scheidet die Annahme des Erstgerichtes, es sei lediglich ein Zufallsprodukt, auf der Grundlage der dazu oben angestellten Erwägungen von vornherein aus. Eine geistige Schöpfung iS des § 1 UrhG liegt deshalb vor, weil die Verfassung eines solchen Sprachwerkes jedenfalls auf einer zielgerichteten geistigen - und nicht etwa auf einer mechanischen - sprachlichen Gestaltung beruht. Auf das Maß oder die besondere Beschaffenheit dieser geistigen Gestaltung kommt es in diesem Zusammenhang ebensowenig an wie auf den mit diesem Sprachwerk verfolgten Zweck oder auf die Hervorbringung einer ästhetischen Wirkung. Für diese Beurteilung ist daher auch der ekelerregende und ordinäre Charakter des gegenständlichen Sprachwerkes bedeutungslos.
Zu Prüfen bleibt aber noch das Vorliegen der Voraussetzung der Individualität. Daß sich das "Blumenstück", wenn auch auf eine abstoßende Art, von anderen derartigen Sprachwerken und vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten, abhebt, kann wohl ebensowenig bestritten werden wie der Umstand, daß dieses Sprachwerk auf den - eher ungewöhnlichen und daher keineswegs jedermann zugänglichen - Eingebungen der Phantasie seines Verfassers beruht. Auf einen besonderen künstlerischen Rang oder auf eine besondere Qualität kommt es auch bei der Beurteilung dieser Frage, wie bereits dargelegt, nicht an. Ebenso bedeutungslos ist es, nach welchen Kriterien der Kläger die Blumen ausgesucht und sie mit bestimmten menschlichen Funktionen in Zusammenhang gebracht hat. Diese von der beklagten Partei aufgeworfenen Fragen betreffen vielmehr eine Kritik des Inhaltes des Sprachwerkes, die jedoch mit dem Werkcharakter iS des § 1 UrhG in keinem relevanten Zusammenhang stehen.
Abschließend ist somit festzuhalten, daß das "Blumenstück", wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ein Werk iS des § 1 UrhG ist. Da das Erstgericht, ausgehend von seiner entgegengesetzten Rechtsauffassung, über das Ausmaß des dem Kläger nach § 86 UrhG gebührenden Entgelt keine Feststellungen getroffen hat und eine freie Werknutzung mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 43 bis 50 UrhG nicht in Betracht kommt - sie wurde von der beklagten Partei auch nicht behauptet -, erweist sich die vom Berufungsgericht beschlossene Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht als notwendig.
Angemessen ist das Entgelt, das üblicherweise für eine gleichartige, im voraus eingeholte Einwilligung gezahlt wird. Für ein solches noch näher zu konkretisierendes Vorbringen des Klägers trägt dieser die Beweislast; gegebenenfalls wird die Bestimmung des § 273 ZPO anzuwenden sein.
Die Revision des Klägers vertritt die Auffassung, er habe durch den hämischen Tonfall, in dem sein Gedicht als "hehre Schöpfung der österreichischen Literatur nach 1945" bezeichnet werde, ferner durch die an den Leser ergangene Aufforderung, sich dem Ton des Gedichtes anzupassen und dem Unterrichtsminister zuzurufen, "gehn'S scheißen" (diese Wiedergabe des Kommentars stimmt mit dessen Inhalt nur zum Teil überein), und durch die Bezeichnung "Gedichterl" einen Nachteil iS des § 87 Abs. 2 UrhG erlitten. Im übrigen sei die Veröffentlichung als Bloßstellung beabsichtigt gewesen.
Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Gemäß § 87 Abs. 2 UrhG kann der durch eine Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz Verletzte eine angemessene Entschädigung für den in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteil verlangen, den er durch die Handlung erlitten hat. Dieser Nachteil muß in einer über die mit der Urheberrechtsverletzung an sich verbundene Kränkung hinausreichenden ernsten Beeinträchtigung des Verletzten bestehen. Der Kläger muß konkrete Behauptungen in der Richtung der immateriellen Schädigung aufstellen (ÖBl. 1973, 138; ÖBl. 1973, 112).
Der Kläger hat vor dem Erstgericht zur Begründung seines Entschädigungsanspruches nur auf den hämischen Charakter des Kommentars und auf die dem Kläger abträgliche Art der Veröffentlichung verwiesen. Entgegen der Meinung des Klägers rechtfertigt der Inhalt dieses Kommentars nicht die Annahme einer über die mit der Urheberrechtsverletzung an sich verbundene Kränkung hinausreichende Beeinträchtigung des Klägers. Der Kommentar richtet sich primär nicht gegen das "Blumenstück", sondern gegen dessen Eignung, in einer Schulfunksendung vorgetragen zu werden. Die im Rahmen eines solchen Kommentars erfolgte Veröffentlichung kann daher nicht als Bloßstellung des Klägers aufgefaßt werden. Im Mittelpunkt der Kritik steht nicht der Kläger, sondern der ORF, weil er diese Sendung produziert und ausgestrahlt hatte. Soweit in diesem Kommentar auch Kritik am "Blumenstück" geübt wird, kann eine über die begangene Urheberrechtsverletzung hinausreichende Kränkung des Klägers nicht angenommen werden. Diese kritischen Ausführungen stehen nämlich ebenfalls nur mit der mangelnden Eignung der Aufnahme dieses Sprachwerkes in eine Schulfunksendung im Zusammenhang und können schon angesichts des für sich sprechenden Inhalts dieses Sprachwerkes nicht als sachlich ungerechtfertigt angesehen werden. Dem Entschädigungsanspruch fehlt daher die Berechtigung.
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