OGH 4Ob408/81

OGH4Ob408/8112.10.1982

SZ 55/145

Normen

MschG §56
PatG §151
ZPO ArtXLII
MschG §56
PatG §151
ZPO ArtXLII

 

Spruch:

Eine "Kennzeichenverletzung" iS des § 56 MSchG kann auch durch unbefugten Gebrauch eines fremden Namens zur Bezeichnung von Waren begangen werden

Wer zur Rechnungslegung verpflichtet ist, muß die Richtigkeit seiner Rechnung nur dann beeiden, wenn der Berechtigte nachweist, daß diese Rechnung vermutlich unrichtig oder unvollständig ist

OGH 12. Oktober 1982, 4 Ob 408/81 (OLG Graz 5 R 26/81; KG Leoben 7 Cg 164/80)

Text

Die klagende Filmschauspielerin Barbara Rütting ist Autorin des Buches "Mein Kochbuch - naturgesunde Köstlichkeiten aus aller Welt", welches auf Seite 136 unter der Überschrift "Mein Brot" ein Rezept für Roggenschrotbrot enthält. Mit Vertrag vom 7./21. Dezember 1978 hat sie der Grazer Firma Backhaus Martin A die Lizenz zur Herstellung und zum allgemeinen Vertrieb des "Echten Barbara-Rütting-Brotes" im Bundesland Steiermark und in der Stadt Graz gegen Zahlung einer - nach der Anzahl der im Monat verkauften Einheiten gestaffelten - Lizenzgebühr von 4 bis 7% des effektiven Erlöses erteilt. Ähnliche Verträge hat die Klägerin mit anderen Backwarenerzeugern in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen.

Die Beklagte ist Inhaberin einer Großbäckerei in S (Steiermark). Sie vertreibt das von ihr erzeugte Schwarzbrot im gesamten Mürztal, im Palten- und Liesingtal bis Liezen sowie im Murtal bis Pernegg. Bis zum Frühjahr 1980 hatte die Beklagte auch ein Schrotbrot nach dem Rezept der Klägerin hergestellt und vertrieben; sie hat dieses Brot - ohne hiefür die Zustimmung der Klägerin eingeholt zu haben - im Aufkleber als "Schrotbrot nach Originalrezept von Barbara Rütting" bezeichnet. Nach der Einbringung der vorliegenden Klage hat die Beklagte diese Bezeichnung in "Barbara-Brot - nach einem alten Salzburger Bauernrezept" geändert.

Unter Berufung auf §§ 1, 2, 9, 14, 16 und 25 UWG sowie § 43 ABGB beantragt die Klägerin (ua.) die Verurteilung der Beklagten 1. im geschäftlichen Verkehr die Verwendung des Namens "Barbara Rütting" zur Warenkennzeichnung zu unterlassen; 2. unter Vorlage eines Verzeichnisses den Gesamtwert sowie die Stückzahlen der von ihr unter der Warenbezeichnung "Barbara Rütting" in Verkehr gebrachten Waren anzugeben und einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig sind; 3. von den unter der Warenbezeichnung "Barbara Rütting" in Verkehr gebrachten Backwaren folgende Lizenzgebühr zu zahlen: Bis 10 000 Einheiten 7% des Gesamtwertes, bis 15 000 Einheiten 6.5% des Gesamtwertes, bis 20 000 Einheiten 6% des Gesamtwertes, bis 25 000 Einheiten 5.5% des Gesamtwertes und ab 25 000 Einheiten 5% des Gesamtwertes. Durch das beanstandete Verhalten habe die Beklagte den weithin bekannten Namen der Klägerin in sittenwidriger Weise für den Vertrieb ihrer Produkte ausgenützt und zugleich den irrigen Eindruck besonderer Beziehungen zur Klägerin hervorgerufen. Das Begehren auf Rechnungslegung grunde sich auf §§ 52, 56 MSchG; die genaue Schadenshöhe könne erst nach Bekanntgabe der Umsätze durch die Beklagte angegeben werden. Die begehrte Lizenzgebühr sei angemessen, weil handelsüblich.

Die Beklagte hat das Unterlassungsbegehren (Punkt 1 der Klage) anerkannt, im übrigen aber die Abweisung der Klage beantragt. Die Verwendung des Namens der Klägerin für das - nach einem uralten Bauernrezept hergestellte - Schrotbrot habe weder zu Verwechslungen führen noch der Klägerin schaden können; sie habe vielmehr die Bekanntheit der Klägerin noch gesteigert und dieser somit einen nicht unerheblichen Vorteil gebracht. Da die Klägerin kein Unternehmen betreibe, sei das Markenschutzgesetz ebensowenig anwendbar wie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte mit rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil vom 3. 7. 1980 schuldig, im geschäftlichen Verkehr die Verwendung des Namens "Barbara Rütting" zur Warenkennzeichnung zu unterlassen. Mit Endurteil vom 27. 12. 1980 gab es ohne Aufnahme weiterer Beweise auch dem restlichen Klagebegehren statt. Die Beklagte habe beim Vertrieb ihres Schrotbrotes, somit im geschäftlichen Verkehr, den Namen der Klägerin unbefugt gebraucht und sich dadurch gegenüber der Klägerin schadenersatzpflichtig gemacht (§ 16 UWG).

Infolge Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Erstgerichtes wies das Berufungsgericht das Rechnungslegungs- und das Zahlungsbegehren der Klägerin (Punkt 2 und 3 der Klage) ab. Aus § 43 ABGB sei ein Anspruch auf Rechnungslegung ebensowenig abzuleiten wie aus Art. XLII EGZPO oder aus den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb; auch § 56 MSchG komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil er nur für Ansprüche aus Kennzeichnungsverletzungen gelte, die Klägerin aber derartige "Marken- bzw. Kennzeichenrechte" nicht einmal behauptet habe. Fehle es aber an einem Rechnungslegungsanspruch der Klägerin, dann müsse auch ihr - weder ziffernmäßig bestimmtes noch ausreichend präzisiertes - Schadenersatzbegehren erfolglos bleiben.

Der Oberste Gerichtshof erkannte die Beklagte mit Teilurteil schuldig, der Klägerin über den Verkauf der unter der Bezeichnung "Barbara Rütting" vertriebenen Backwaren unter Angabe der Stückzahlen und des Verkaufspreises binnen einem Monat Rechnung zu legen; das Mehrbegehren auf Beeidung dieser Rechnung blieb abgewiesen. In ihrem Ausspruch über das Zahlungsbegehren der Klägerin wurden die Urteile der Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Daß die Klägerin mit ihrem Begehren auf "Angabe des Gesamtwertes sowie der Stückzahlen" der von der Beklagten unter der Warenbezeichnung "Barbara Rütting" in Verkehr gebrachten Waren (Punkt 2 des Urteilsantrages) der Sache nach einen Rechnungslegungsanspruch geltend macht, haben die Vorinstanzen richtig erkannt. Soweit sie aber das daran anschließende, ziffernmäßig vorerst noch nicht bestimmte Begehren auf Zahlung einer - nach der Umsatzhöhe gestaffelten - Lizenzgebühr (Punkt 3 des Urteilsantrages) als Schadenersatzbegehren nach § 16 UWG (Erstgericht) bzw. § 43 ABGB (Berufungsgericht) qualifizieren, kann ihnen nicht gefolgt werden; tatsächlich verlangt die Klägerin hier - in Form einer fiktiven Lizenzgebühr - ein angemessenes Entgelt für den unbefugten Gebrauch ihres Namens. Beide Ansprüche sind im Gesetz begrundet. Gemäß § 56 MSchG (idF der Nov. 1977, BGBl. Nr. 350) gelten "für die Ansprüche eines in seinen Kennzeichenrechten Verletzten" auf (ua.) "angemessenes Entgelt" neben anderen Bestimmungen des Patentgesetzes insbesondere auch dessen §§ 150 ("Ansprüche auf Geld") und § 151 ("Rechnungslegung") sinngemäß. Eine "Kennzeichenverletzung" iS dieser Gesetzesstelle kann aber auch durch unbefugten Gebrauch eines fremden Namens (§ 43 ABGB; § 9 Abs. 1 UWG) begangen werden. Das ergibt sich schon aus § 52 MSchG, welcher den in § 51 MSchG normierten strafrechtlichen Schutz der registrierten Marke auf den unbefugten Gebrauch "eines Namens, einer Firma oder der besonderen Bezeichnung eines Unternehmens" zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen ausdehnt, um durch dieses "notwendige Korrelat zu § 51 .. alle Fälle unbefugter Warenbezeichnungen zu treffen und Umgehungen des Gesetzes hintanzuhalten" (EB zur RV des MSchG 1980, 541 BlgAH 10. Sess., abgedruckt bei Friedl - Schönherr - Thaler, Patent- und Markenrecht 393, § 52 MSchG Anm. 1; s. dazu auch ÖBl. 1981, 80; ÖBl. 1982, 24). Die - vom Berufungsgericht verneinte - Frage, ob die Klägerin durch die "Vermarktung" ihres Namens eine "Ware" in den geschäftlichen Verkehr bringt und damit "Unternehmerin" iS des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist, kann deshalb auf sich beruhen; entscheidend ist, daß die Beklagte entgegen dem ausdrücklichen Verbot des § 12 MSchG den Namen der Klägerin ohne deren Zustimmung zur Kennzeichnung von Waren verwendet und damit die Klägerin in ihren "Kennzeichenrechten" (iS der §§ 51, 52 MSchG) verletzt hat. Daraus folgt gemäß § 56 MSchG (idF der Nov. 1977) die sinngemäße Anwendbarkeit der dort angeführten Bestimmungen des Patentgesetzes und damit die grundsätzliche Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten, an kein Verschulden des Beklagten gebundenen (auch dazu ÖBl. 1981, 80 und ÖBl. 1982, 24, beide mit weiteren Hinweisen) Ansprüche auf Rechnungslegung (§ 151 PatG) und angemessenes Entgelt (§ 150 Abs. 1 PatG).

Auf der Grundlage dieser Rechtsansicht ist deshalb der Revision der Klägerin gegen die Abweisung ihres Rechnungslegungsbegehrens teilweise Folge zu geben und die Beklagte insoweit - unter gleichzeitiger Anpassung des Spruches an den Wortlaut des Gesetzes (§ 151 PatG) - schuldig zu erkennen, der Klägerin innerhalb der - nach den Umständen des Falles angemessen erscheinenden (§ 409 Abs. 2 ZPO) - Frist von einem Monat über den Verkauf der von ihr unter der Warenbezeichnung "Barbara Rütting" vertriebenen Backwaren unter Angabe der Stückzahlen und des Verkaufspreises Rechnung zu legen. Das Mehrbegehren der Klägerin auf eidliche Bekräftigung dieser Angaben muß hingegen abgewiesen bleiben. Wie der OGH schon mehrfach erkannt hat, folgt aus der bloßen Rechnungslegungspflicht des Beklagten noch nicht seine Verpflichtung, die Richtigkeit dieser Rechnung zu beeiden; eine solche Eidesleistungspflicht wird - ausnahmsweise - nur dann anerkannt, wenn dem Berechtigten der Beweis gelingt, daß die schon gelegte Rechnung vermutlich unrichtig oder unvollständig ist (SZ 11/52; SZ 42/1; SZ 42/122; SZ 48/70; JBl. 1955, 308; EvBl. 1967/32; JBl. 1968, 422 ua., zuletzt etwa 1 Ob 510, 511/81; ebenso Stanzl in Klang[2] IV/1, 843; Ehrenzweig[2] II/1, 27; Fasching II 94 Art. XLII EGZPO Anm. 2). Da diese Voraussetzungen hier unstreitig nicht vorliegen, hat es bei der Abweisung dieses Teilbegehrens zu verbleiben.

Über das Zahlungsbegehren der Klägerin kann hingegen derzeit noch nicht abgesprochen werden. Wie schon ausgeführt, hat die Klägerin gemäß § 56 MSchG in Verbindung mit § 150 Abs. 1 PatG Anspruch auf ein "angemessenes Entgelt". Ob die von ihr verlangten, nach dem Umsatz der Beklagten gestaffelten Sätze von 5% bis 7% "angemessen" sind, haben die Vorinstanzen bisher überhaupt nicht erörtert. Sie werden das Verfahren in dieser Richtung zu ergänzen und die notwendigen Feststellungen über die "Angemessenheit" der im Urteilsantrag genannten Lizenzsätze zu treffen haben; erst dann wird das Zahlungsbegehren der Klägerin auch der Höhe nach verläßlich beurteilt werden können. Dabei wird auch Gelegenheit sein, die vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigten Mängel des Urteilsantrages - Unklarheit des Begriffes "Gesamtwert", fehlende Angabe der Zeiteinheiten für die Berechnung der gestaffelten Lizenzsätze - aufzugreifen und die Klägerin zu einer entsprechenden Präzisierung ihres Begehrens anzuleiten. Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die fehlende Bestimmtheit des Klagebegehrens nur zur Abweisung der Klage und nicht auch zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen könne, steht im Widerspruch zur herrschenden Rechtsprechung (ÖBl. 1981, 122 mit weiteren Hinweisen). Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang noch darauf zu verweisen, daß eine "Stufenklage" iS des Art. XLII Abs. 3 EGZPO, wie sie die Klägerin hier erhoben hat, nach Lehre und Rechtsprechung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch in Verbindung mit einem Begehren auf Rechnungslegung zugelassen wird (ÖBl. 1982, 24 mit weiteren Hinweisen; ebenso 1 Ob 510, 511/81).

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