Normen
LMG §9 Abs1 lita
LMG §26 Abs2
LMG §9 Abs1 lita
LMG §26 Abs2
Spruch:
Nach § 26 Abs. 2 LMG darf zwar auf eine einzelne physiologische oder pharmakologische Wirkung eines kosmetischen Mittels auf den Organismus hingewiesen werden; eine darüber hinausgehende Bezugnahme auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten bleibt hingegen gemäß § 9 Abs. 1 lit. a LMG auch hier verboten. Mundwasser darf daher nicht mit den Worten: "Hilft bei der Vorbeugung gegen Karies" angepriesen werden
OGH 20. 9. 1983, 4 Ob 385/83 (OLG Linz 1 R 129/83; LG Salzburg 10 Cg 173/83)
Text
Die Beklagte erzeugt und vertreibt Zahnpflegemittel, darunter ein als "ACT-Mundspülung" bezeichnetes, rotgefärbtes Mundwasser. Sie bringt dieses Produkt in einer Plastikflasche auf den Markt, welche ebenso wie der von ihr angebrachte Zettelanhänger (ua.) den Aufdruck "ACT MUNDSPÜLUNG hilft bei der Vorbeugung GEGEN KARIES" trägt. Die weißen Buchstaben dieser Aufschrift heben sich auf dem Untergrund des roten Flascheninhalts und dem gedeckt roten Untergrund des Anhängers deutlich ab; auch der Kleindruck der Worte "hilft bei der Vorbeugung" ist sehr deutlich zu lesen, obgleich dieser Satzteil - anders als die übrigen, aus 20 mm ("ACT") bzw. 4 mm ("MUNDSPÜLUNG" und "GEGEN KARIES") großen Blockbuchstaben bestehenden Wörter - in gewöhnlicher Druckschrift von 3 mm (Großbuchstaben) bzw. 2 mm (Kleinbuchstaben) Höhe geschrieben ist. Auf der Rückseite der Flasche heißt es - in Kleindruck - ua.: "ACT ist die optimale Ergänzung zur täglichen Mundpflege von Kindern ab sechs Jahren sowie der ganzen Familie." In einer der Flasche beigefügten Beschreibung wird ua. folgendes ausgeführt: "So hilft ACT gegen Karies. ACT ist eine neu entwickelte gebrauchsfertige Mundspülung. Die ACT-Formel bewirkt, daß der Zahnschmelz gehärtet wird. Durch tägliches Mundspülen mit ACT nach dem Zähneputzen am Abend wird die Kariesvorbeugung entscheidend verbessert. - Die übrige Mundhygiene. ACT soll Zähneputzen nicht ersetzen. Eine medizinisch richtige Zahnbürste, am besten Reach, und eine gute Zahncreme sind also weiterhin wichtig. Zweimal täglich grundlich Zähneputzen, einmal täglich Mundspülen mit ACT und zweimal im Jahr zum Zahnarzt - und der Karies wird wirksam vorgebeugt."
Die klagende Mitbewerberin sieht in dieser Werbung der Beklagten eine Verletzung des Verbotes gesundheitsbezogener Angaben nach § 9 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 26 Abs. 2 LMG und damit einen Verstoß gegen § 1 UWG. Sie beantragt daher, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Mundpflegemitteln, insbesondere der "ACT-Mundspülung", (ua.) die Aussagen "gegen Karies" und "ACT-Mundspülung hilft bei der Vorbeugung gegen Karies" zu gebrauchen.
Die Beklagte stellt jeden Gesetzesverstoß in Abrede. Sie beantragt, das Sicherungsbegehren abzuweisen, hilfsweise die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von Erlag einer Sicherheit von mindestens 3 Mio. S durch die Klägerin abhängig zu machen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, weil die Behauptung, das Produkt der Beklagten "helfe bei der Vorbeugung gegen Karies", keine Bezugnahme auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen, sondern nur einen wahrheitsgemäßen Hinweis auf die physiologische oder pharmakologische Wirkung dieses Zahnpflegemittels enthalte.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung, machte aber ihre Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheit von 100 000 S durch die Klägerin abhängig. Nach der "Kario-med." -Entscheidung des OGH vom 16. 2. 1982 dürfe bei Zahnpasten, die Fluorverbindungen enthalten, wohl die pharmakologische Wirkung einer solchen Verbindung - nämlich die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Zahnschmelzes - angepriesen, nicht aber behauptet werden, daß die betreffende Zahnpaste Karies verhüte oder heile. Die hier beanstandete Aufschrift "ACT-Mundspülung hilft bei der Vorbeugung gegen Karies" werde vom flüchtigen Durchschnittskonsumenten vor allem dahin verstanden werden, daß dieses Mundwasser ein "Mittel gegen Karies" sei, also der Verhütung dieser Krankheit diene; der Begriff der "Vorbeugung" sei insoweit nichts anderes als ein Synonym für "Verhütung". Werde aber, wie hier, ein - nicht irreführender und daher nach § 26 Abs. 2 LMG an sich zulässiger - Hinweis auf eine bestimmte physiologische oder pharmakologische Wirkung eines kosmetischen Mittels mit einer konkreten Bezugnahme auf die Verhütung, Heilung oder Linderung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen verbunden, dann verstoße eine solche "einseitige und irreführende Werbung" gegen das Verbot der Falschbezeichnung nach § 7 Abs. 2 lit. c, § 8 Abs. 1 lit. f LMG und damit - da das Lebensmittelgesetz eine wettbewerbsordnende Vorschrift sei - zugleich gegen § 1 UWG. Auch die allfällige Verwendung ähnlicher Werbeaussagen durch Mitbewerber der Beklagten und insbesondere auch durch die Klägerin selbst könne das beanstandete Verhalten nicht rechtfertigen. Die beantragte einstweilige Verfügung sei daher zu erlassen; die der Beklagten aus dem vorläufigen Unterlassungsgebot drohenden wirtschaftlichen Nachteile ließen es jedoch geboten erscheinen, der Klägerin gemäß § 390 Abs. 2 EO den Erlag einer Sicherheit von 100 000 S aufzutragen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 26 Abs. 2 LMG gilt § 9 dieses Gesetzes - nach dessen Abs. 1 lit. a es beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen (ua.) verboten ist, "sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere ... gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken" - für das Inverkehrbringen kosmetischer Mittel (§ 5 LMG) nur "mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen ... zulässig sind". Wie der OGH dazu schon in seinem Beschluß vom 16. 2. 1982, 4 Ob 304/82 - Kario-med. - ÖBl. 1982, 39 unter Hinweis auf Brustbauer - Jesionek - Petuely - Wrabetz, LMG 1975, 123, ausgeführt hat, wollte der Gesetzgeber mit dieser Ausnahmebestimmung der Notwendigkeit Rechnung tragen, daß gerade kosmetische Mittel vielfach nur durch einen Hinweis auf die physiologischen oder pharmakologischen Wirkungen der in ihnen enthaltenen Stoffe charakterisiert werden können. Die ausdrückliche Freigabe solcher Hinweise ändert aber nichts daran, daß im übrigen das Verbot gesundheitsbezogener Angaben iS des § 9 Abs. 1 LMG auch für kosmetische Mittel gilt (Barfuß - Pindur - Smolka, Lebensmittelrecht, Abschnitt I b 120), was angesichts der Verwandtschaft der hier verwendeten Begriffe - "Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten" einerseits "physiologische oder pharmakologische Wirkungen" andererseits - zu schwer zu ziehenden Abgrenzungen führt (Barfuß - Pindur - Smolka aaO 56 ff.). Geht man aber vom Regelungszweck sowohl der Grundsatzbestimmung des § 9 Abs. 1 LMG als auch der Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 2 LMG aus, dann kann die letztgenannte Gesetzesstelle nur dahin verstanden werden, daß der Hinweis auf die einzelne physiologische oder pharmakologische Wirkung eines kosmetischen Mittels auf den Organismus - losgelöst von den Folgen, die sich daraus für den Gesundheitszustand eines Menschen ergeben - erlaubt ist, eine darüber hinausgehende Bezugnahme auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten aber auch bei kosmetischen Produkten verboten bleibt. Daraus folgt, daß es nicht gestattet ist, Zahnpasten zur Verhütung von Krankheiten wie Karies oder Paradontose anzupreisen; enthält eine Zahnpaste Fluorverbindungen, die durch Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Zahnschmelzes prophylaktisch wirken, dann darf zwar die pharmakologische Wirkung dieser Fluorverbindung - also die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Zahnschmelzes - hervorgehoben, nicht aber behauptet werden, daß die betreffende Zahnpaste Karies verhüte oder heile (so wörtlich ÖBl. 1982, 39 unter Bezugnahme auf Brustbauer - Jesionek - Petuely - Wrabetz aaO 123 ff.).
Hält man aber an dieser Rechtsansicht fest, dann geht auch die hier beanstandete Ankündigung der Beklagten "... hilft bei der Vorbeugung gegen Karies" über einen zulässigen Hinweis auf einzelne physiologische oder pharmakologische Wirkungen der "ACT-Mundspülung" hinaus. Sie vermittelt vielmehr dem angesprochenen Durchschnittskonsumenten den Eindruck, daß dieses Erzeugnis zumindest dazu beitragen werde, das Auftreten von Karies zu verhindern, also - als "Mittel gegen Karies" - diese Zahnkrankheit zu "verhüten". Der Versuch der Beklagten, den Begriffen der "Vorbeugung" einerseits und der "Verhütung" andererseits hier insofern eine unterschiedliche Bedeutung beizulegen, als die (einzelne) "vorbeugende" Maßnahme nur "eines der Elemente des Spektrums der Prophylaxe" bilde und deshalb zwar gemeinsam mit anderen Maßnahmen "zur Verhütung beitrage", nicht aber "die Verhütung schlechthin bewirke", muß erfolglos bleiben. Die hier allein maßgebende Verkehrsauffassung wird diese beiden Begriffe als Synonyme ansehen und zwischen Maßnahmen, die einer bestimmten Krankheit "vorbeugen" wollen, und solchen, die der "Verhütung" dieser Krankheit dienen, keinen Unterschied machen (siehe dazu auch den "Großen Duden", Band 8: Sinn- und sachverwandte Wörter und Wendungen, wo auf Seite 717, rechte Spalte, die Begriffe "Verhütung
- Verhinderung - Vorbeugung - Prävention - Schutz - Prophylaxe" ebenso wie auf Seite 741, mittlere Spalte, die Begriffe "vorbeugend
- prophylaktisch - krankheitsverhütend - präventiv" als sinn- und sachverwandt angesehen werden; auch in der 2. Auflage des "Duden-Fremdwörterbuches" Band 5 der "Großen Duden"-Reihe werden auf Seite 577, mittlere Spalte, das Eigenschaftswort "prophylaktisch" mit "vorbeugend" oder "verhütend" und das Hauptwort "Prophylaxe" mit "Vorbeugung, vorbeugende Maßnahme; Verhütung von Krankheiten" übersetzt; im gleichen Sinne auch die "Duden-Rechtschreibung", 18. Auflage, S. 550, rechte Spalte). Ob ein als "(krankheits-)verhütend" oder "-vorbeugend" angepriesenes Mittel diesen Effekt allein oder nur in Verbindung mit anderen Mitteln oder Maßnahmen erreichen soll, ist dabei entgegen der Meinung der Beklagten ohne Bedeutung, weil § 9 Abs. 1 lit. a LMG schon die bloße "Bezugnahme" auf eine solche Wirkung untersagt und daher jedenfalls auch die Behauptung einschließt, ein bestimmtes Mittel "helfe" bei einer derartigen "Vorbeugung" oder "Verhütung".
Für die gegenteilige Rechtsauffassung der Beklagten ist auch damit nichts zu gewinnen, daß der OGH in der mehrfach erwähnten "Kariomed."-Entscheidung, ÖBl. 1982, 39, aus dem Wortlauf des § 9 Abs. 1 lit. a LMG abgeleitet hat, nach § 126 Abs. 2 LMG müßten zwar Hinweise auf die Verhütung von Krankheiten verboten, inhaltsgleiche Hinweise auf gesunderhaltende Wirkungen kosmetischer Mittel aber gestattet sein. Wie schon das Rekursgericht in diesem Zusammenhang zutreffend hervorgehoben hat, ist es durchaus möglich, die gesunderhaltende Wirkung einer Zahnpaste auch anders als durch eine Bezugnahme auf die Verhütung von Karies zum Ausdruck zu bringen, im konkreten Fall also etwa durch den - wohl inhaltsgleichen, aber in der Form dem Gesetz entsprechenden - Hinweis auf die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Zahnschmelzes und damit auf die Erhaltung gesunder Zähne. Gegen die einstweilige Verfügung der zweiten Instanz bestehen deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt keine rechtlichen Bedenken.
Dem Revisionsrekurs der Beklagten kommt schließlich auch insoweit keine Berechtigung zu, als er sich gegen die Bemessung der der Klägerin auferlegten Sicherheitsleistung wendet und eine Erhöhung dieser Kaution auf 3 Mio. S anstrebt. Die Beklagte hat dieses Verlangen in erster Instanz lediglich mit einem Hinweis darauf begrundet, daß auch im "Kario-med."-Prozeß eine Sicherheitsleistung in der angeführten Höhe bestimmt worden sei. Anders als die damals beklagte Partei hat es jedoch die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit unterlassen, konkrete Umstände zur Bescheinigung dafür anzuführen, daß die beantragte einstweilige Verfügung einen tiefgehenden Eingriff in ihre Interessenssphäre bedeuten und daher eine so hohe Sicherheitsleistung rechtfertigen würde. Gegen die Höhe der vom Rekursgericht vorerst mit 100 000 S festgesetzten Kaution bestehen daher umso weniger Bedenken, als ja bei einer nachträglichen Änderung der maßgebenden Umstände eine Erhöhung der Sicherheitsleistung begehrt werden kann (SZ 28/244; SZ 39/32 uva.).
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