Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Nach Trennung der Eltern hielten sich David und Elias ab August 2004 beim Vater auf, der im Sprengel des Bezirksgerichts Döbling wohnte. Floris und Vivian blieben bei der Mutter, die nach Deutschland übersiedelte.
Das Bezirksgericht Döbling, das die Führung der Pflegschaftssache am 20. Juli 2006 gemäß § 111 JN übertragen erhielt, verpflichtete die Mutter über Antrag des Vaters mit einstweiliger Verfügung vom 25. Jänner 2007 zur Zahlung einstweiligen Unterhalts für David und Elias in Höhe von jeweils 105,40 EUR monatlich ab 18. Juli 2006 bis auf weiteres, längstens bis zur Beendigung des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens. Dieses Verfahren ist nach wie vor offen. Das Bezirksgericht Döbling erließ mehrere Aufträge zur Stellungnahme an die Mutter und bestellte am 18. Juni 2007 einen medizinischen Sachverständigen mit dem Auftrag, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob es der Mutter aus medizinischer Sicht möglich wäre, einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung in ihrem Beruf oder in einem Verweisungsberuf nachzugehen. Beide Eltern äußerten sich mehrfach schriftlich im Unterhaltsfestsetzungsverfahren und legten umfangreich Urkunden vor.
Am 7. Juli 2008 beantragte die Mutter, die Zuständigkeit im Pflegschaftsverfahren an das Bezirksgericht Klosterneuburg zu übertragen, weil David und Elias nunmehr im Sprengel dieses Gerichts wohnten. Das Bezirksgericht Döbling teilte der Mutter daraufhin mit, dass eine Übertragung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN erst nach rechtskräftiger Entscheidung im laufenden Unterhaltsverfahren durchgeführt werden könne. Am 6. August 2008 wiederholte die Mutter ihren Übertragungsantrag; der Vater erhob dagegen im Namen der Kinder ausdrücklich keinen Einwand.
Mit Beschluss vom 29. September 2008 übertrug das Bezirksgericht Döbling die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache in Ansehung sämtlicher Kinder an das Bezirksgericht Klosterneuburg. Die Kinder David und Elias hielten sich nunmehr ständig im Sprengel des Bezirksgerichts Klosterneuburg auf. Ihr einstweiliger Unterhalt sei gesichert. Trotz großen Umfangs des laufenden Unterhaltsverfahrens könne das offene Verfahren relativ einfach fortgeführt werden. Zur Ermittlung der medizinischen Leistungsfähigkeit der Mutter sei bereits ein Sachverständiger bestellt. Im Hinblick auf die Einfachheit des offenen Verfahrens sowie das einvernehmliche Vorbringen der Parteien zur Übertragung sei es daher trotz des offenen Unterhaltsantrags zweckmäßiger, die Zuständigkeit zu übertragen.
Das Bezirksgericht Klosterneuburg lehnte die Übernahme des Aktes im Hinblick auf das bereits über zwei Jahre anhängige Unterhaltsverfahren ab. Das Bezirksgericht Döbling habe sich bereits intensiv mit dem Akt auseinandergesetzt. Bei Weiterführung des Aktes durch das Bezirksgericht Döbling sei kein Nachteil für die Kinder zu befürchten.
Das Oberlandesgericht Wien genehmigte die Übertragung nicht. § 111 JN sei als Ausnahmebestimmung vom Grundsatz der perpetuatio fori nach § 29 JN restriktiv auszulegen. Die Zuständigkeitsübertragung diene der Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes und nehme darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung sei. Ausschlaggebendes Kriterium sei stets das Kindeswohl, das nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu beurteilen sei. Eine Übertragung sei unzweckmäßig, wenn keine Anordnungen nötig seien, die einen speziellen Bezug zum neuen Aufenthaltsort des Kindes hätten, wenn sich bei benachbarten Gerichten die Verkehrsgünstigkeit nicht sehr erheblich verbessere, wenn offene Anträge vorlägen und sich das übertragende Gericht damit bereits eingehend befasst habe oder wenn aufgrund des Umfangs des Akts und der Schwierigkeiten des Falls durch die notwendige Einarbeitung des neuen Gerichts Verzögerungen zu befürchten seien. Es sei nicht ersichtlich, warum eine Übertragung der Zuständigkeit zur Führung des Pflegschaftsverfahrens vor Beendigung des anhängigen Unterhaltsfestsetzungsverfahrens im Sinn der Kinder sein sollte. Deren Interesse richte sich auf eine zügige Fortsetzung und rasche Beendigung des bereits lange anhängigen Unterhaltsfestsetzungsverfahrens. Das übertragende Gericht (ebenso wie dessen Rechtsmittelinstanz, die den Akt bereits viermal behandelt habe) habe sich mit dem zu einem beachtlichen Umfang angewachsenen Akt bereits eingehend befasst, zahlreiche Aufträge erteilt, einen Sachverständigen bestellt und die Mutter einvernommen. Schon allein durch die notwendige Einarbeitung des neuen Gerichts seien Verzögerungen zu befürchten, was dem Interesse der Minderjährigen entgegenstehe. Der Wohnsitzwechsel in den benachbarten, nicht erheblich verkehrsgünstiger gelegenen Gerichtssprengel rechtfertige ohne Hinzutreten sonstiger besonderer Umstände keine Zuständigkeitsübertragung. Für die Entscheidung im offenen Unterhaltsfestsetzungsverfahren seien darüber hinaus weder Kenntnisse der örtlichen Umstände oder des sozialen Umfelds, noch Erhebungen erforderlich, die die räumliche Nähe der Minderjährigen zum Gericht erfordern könnten.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Mutter, mit dem sie die Genehmigung der Zuständigkeitsübertragung anstrebt, ist zulässig (RIS-Justiz RS0047005; Mayr in Rechberger³ § 111 Rz 6 mwN), aber nicht berechtigt.
Zunächst ist auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts zu verweisen, denen sich der erkennende Senat anschließt. Die Rekurswerberin vermag dem nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Maßgeblich für die Entscheidung über die Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN ist die bestmögliche Wahrung des den Pflegebefohlenen zukommenden Schutzes (Kindeswohl; vgl RIS-Justiz RS0047074, RS0046929, RS0049144). Zutreffend hat das Oberlandesgericht das Interesse der Kinder an einer zügigen Fortsetzung des Unterhaltfestsetzungsverfahrens hervorgehoben, welchem durch eine Zuständigkeitsübertragung nicht entsprochen wurde. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Mutter, deren Unterhaltsverpflichtung gegenüber den vom Vater betreuten Kindern zu konkretisieren ist, hat mit der Nähe des Wohnsitzes der Kinder zu dem das Verfahren führenden Gericht nichts zu tun. Hinzu kommt, dass lediglich die Zuständigkeitsübertragung zum Gericht des Nachbarsprengels angestrebt wird, weshalb auch die Anreise des gesetzlichen Vertreters zu Gericht, der indirekt Bedeutung für das Kindeswohl zukommen könnte (vgl RIS-Justiz RS0047074), nicht wesentlich erschwert wird. Da die Rekurswerberin somit keine unrichtige Anwendung der für die Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN entwickelten Grundsätze in diesem Fall aufzuzeigen vermag, musste ihrem Rechtsmittel ein Erfolg versagt bleiben.
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