OGH 4Ob343/99s

OGH4Ob343/99s21.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Werner H*****, vertreten durch Dr. Egon Jaufer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Erwin O*****, vertreten durch Dr. Dieter Gorscheg, Rechtsanwalt in Gleisdorf, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. September 1999, GZ 4 R 121/99t-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. März 1999, GZ 21 Cg 110/98p-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 8.112 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 1.352 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 47 Grundbuch S*****, Gerichtsbezirk G*****, bestehend aus dem Gartengrundstück 967/9 und der Baufläche 372 mit dem Haus G*****, R*****straße *****. Im Nordwesten grenzt an die Liegenschaft des Klägers das Grundstück 967/2 an. Dieses Grundstück wird über einen drei Meter breiten Weg erschlossen, der entlang der Nordostgrenze der Liegenschaft des Klägers führt. Nordöstlich des Grundstücks 967/2 liegt das Grundstück 965/2, auf dem die O***** Baugesellschaft mbH (idF: Baugesellschaft) Bauarbeiten zur Errichtung einer Wohnhausanlage durchführte.

Bei diesen Bauarbeiten fuhren sämtliche Schwerfahrzeuge über den im Nordosten der Liegenschaft des Klägers führenden Weg. Dadurch wurde der Weg verschoben und der Zaun des Klägers insofern beschädigt, als sich die Krone bis zu 25 cm zum klägerischen Grundstück hin neigte. Die Baugesellschaft brachte auf dem Weg Schotter auf, wodurch sich dessen Niveau um ca 20 cm gegenüber dem Grundstück des Klägers erhöhte, so dass Schotter hineinrutschte und -rieselte.

Am 4. 4. 1997 erwirkte der Kläger gegen die Baugesellschaft ein Versäumungsurteil, mit der dieser aufgetragen wurde: a) die Wiederherstellung des an der Nordostgrenze der Liegenschaft des Klägers befindlichen Zaunes bestehend aus 10 Stück Betonsäulen in Höhe von je 1,50 m und 9 Stück Holzlattenzaunfeldern, je 140 cm hoch und je 3,25 cm lang durch Neumontage der Holzlattenzaunfelder nach Neuversetzen der Betonsäulen, b) die Angleichung des durch Schotteraufbringungen erhöhten Niveaus des Weges an die Liegenschaft des Klägers und c) die Befreiung seiner Liegenschaft von den Schotterimmissionen. Am 23. 9. 1997 wurde dem Kläger die Exekution durch Ersatzvornahme bewilligt. Der Baugesellschaft wurde der Erlag eines Kostenvorschusses von 36.000 S aufgetragen.

Der Beklagte war im Juli und August 1997 für die Baugesellschaft auf der Baustelle tätig. Im August 1997 riss er den Zaun im Auftrag der Baugesellschaft gänzlich nieder.

In der Folge einigte sich die Baugesellschaft mit dem Kläger außergerichtlich. Sie erklärte, dass das Niederreißen des Zauns im Zuge der Fortführung ihrer Bautätigkeit als Bauführer geschehen und auch der Weg noch weiter in Mitleidenschaft gezogen worden sei; sie sei zur Schadenswiedergutmachung bereit, indem sie ehestmöglich noch vor Wintereinbruch den Weg nach Grundierung asphaltieren, nach ausreichender Fundamentierung einen den auf dem Weg aufzubringenden Asphaltbelag um 15 cm überragenden Betonsockel für den Zaun sowie die betonierten Zaunsäulen neu errichten, die Holzfelder einsetzen und Kosten in Höhe von 19.652 S zahlen werde. Noch bevor die Baugesellschaft diese Vereinbarung erfüllen konnte, wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger meldete am 17. 12. 1997 im Konkurs den Wiederherstellungsanspruch im Sinne der außergerichtlichen Vereinbarung im behaupteten Wert von 100.000 S an und machte ein Absonderungsrecht am Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer der Baugesellschaft geltend. In einer weiteren Forderungsanmeldung vom 12. 3. 1998 begehrte der Kläger 10.084 S an Kosten; dabei verwies er auf die schon "angemeldeten" 100.000 S. Der Masseverwalter anerkannte beide Forderungsanmeldungen. In der Folge erhielt der Kläger 20.000 S an Zwangsausgleichsquote.

Der Kläger begehrt, den Beklagten zur ungeteilten Hand neben der O***** Baugesellschaft mbH schuldig zu erkennen, den entlang der Nordostgrenze des Grundstücks des Klägers 967/9 Katastralgemeine S***** errichteten und vom Beklagten niedergerissenen Einfriedungszaun, bestehend aus zehn Stück Betonzaunsäulen in Höhe von je 1,50 m und neun Stück Holzlattenzaunfeldern in einer Höhe von je 1,40 m und einer Feldlänge von je 3,25 m wieder so herzustellen, wie dieser Zaun seinerzeit unbeeinträchtigt vor Beginn der Bauführungen der O***** Baugesellschaft mbH aufgestellt war; ferner das Niveau des Wegs (Teilstück des Grundstücks 967/2 Katastralgemeinde S*****, derselbe im Südosten an der R*****straße beginnend in Richtung Nordwest zwischen der Nordostgrenze des Grundstücks 967/9 einerseits und der Südwestgrenze des Grundstücks 965/2 der Katastralgemeinde S***** andererseits verlaufend) wiederum an das Niveau des Grundstücks des Klägers 967/2 Katastralgemeinde S***** anzugleichen und das letztgenannte Grundstück des Klägers von allen durch das Niederreißen des Zauns und die verursachte Niveauunterscheidung betroffenen Stein-, Sand- und sonstigen Immissionen zu befreien. Der Beklagte habe den Zaun absichtlich niedergerissen, um den für seine Arbeiten am Nachbargrundstück erforderlichen Platz zu schaffen. Dabei habe er auch sieben Ribiselsträucher beschädigt. Der Beklagte hafte für die totale Vernichtung des Zauns mit der Baugesellschaft zur ungeteilten Hand.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Er sei nur als Subunternehmer der Baugesellschaft und auf deren Weisung tätig geworden. Der Kläger habe dieselben Forderungen gegen die Baugesellschaft geltend gemacht und darüber ein Versäumungsurteil erwirkt. Er werde daher der Einwand der entschiedenen Streitsache erhoben. Mit der Annahme der Ausgleichsquote von 20.000 S sei das Wiederherstellungsbegehren hinfällig geworden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Baugesellschaft sei durch die Zwangsausgleichsquote von ihrer Verbindlichkeit befreit worden. Damit sei die Forderung des Klägers zur Gänze erfüllt worden und er könne nicht neuerlich Schadenersatz fordern.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Der Einwand der entschiedenen Streitsache sei schon deshalb unberechtigt, weil der Beklagte am Verfahren gegen die Baugesellschaft nicht beteiligt gewesen sei. Der Kläger habe nicht behauptet, dass der Beklagte für die Veränderungen am Wegniveau und die daraus folgenden Schotterimmissionen verantwortlich sei. Festgestellt sei aber, dass der Beklagte den Zaun niedergerissen habe. Weder die Baugesellschaft noch der Beklagte seien im Auftrag des Klägers tätig geworden. Der Beklagte sei keinesfalls berechtigt gewesen, in das Eigentum des Klägers einzugreifen. Er hafte für den von ihm verursachten Schaden mit der Baugesellschaft zur ungeteilten Hand. Die Schadenersatzforderung des Klägers sei zwar durch die Zwangsausgleichsquote nicht erfüllt worden; der Kläger habe aber durch die Annahme der Quote sein Wahlrecht zwischen Naturalrestitution und Geldersatz ausgeübt und könne nun nicht mehr die Wiederherstellung des Zauns fordern.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Nach § 1323 ABGB muss, um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, alles in den vorigen Stand zurückversetzt, oder, wenn dies nicht tunlich ist, der Schätzungswert vergütet werden. Das Gesetz gibt damit der Naturalrestitution den Vorrang vor dem Geldersatz. Da aber die Wiederherstellung des vorigen Stands allein im Interesse des Geschädigten liegt, weil ihm dadurch alle mit der Schadensbehebung verbundenen Mühen abgenommen werden sollen, hat der Geschädigte grundsätzlich das Recht, zwischen Naturalherstellung und Geldersatz zu wählen (Reischauer in Rummel, ABGB2 § 1323 Rz 7 mwN). Aus seiner Sicht ist die Naturalherstellung nämlich bereits dann untunlich, wenn er sie nicht wünscht (Koziol, Haftpflichtrecht3, 299).

Das Wahlrecht des Geschädigten ist dadurch begrenzt, dass die Naturalherstellung möglich und - auch aus der Sicht des Schädigers - tunlich sein muss. In diesem Sinn untunlich ist der Naturalersatz, wenn das Interesse des Schädigers am Geldersatz unverhältnismäßig

größer ist als das des Beschädigten am Naturalersatz (SZ 49/139 = JBl

1978, 162 mwN; SZ 63/53 = JBl 990, 563 [Reischauer]; Koziol aaO 296;

Reischauer aaO § 132 Rz 9, jeweils mwN). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Wiederherstellung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Kriterien wegen der hohen Kosten nicht sinnvoll erscheint (SZ 68/101 = ecolex 1995, 715 = JBl 1995, 785 = NZ 1996, 236).

Ist die Naturalherstellung sowohl möglich als auch tunlich, so steht es dem Geschädigten frei, entweder Wiederherstellung des vorigen Zustands oder Geldersatz zu verlangen. Seine Position gleicht damit der eines Gläubigers einer Wahlschuld im Sinne des § 906 ABGB, so dass es gerechtfertigt erscheint, auch den Geschädigten - wie den Gläubiger einer Wahlschuld (Reischauer aaO § 906 Rz 4 mwN) - an die einmal getroffene Wahl zu binden, soweit nicht der Geschädigte - so bei Verzug des Schädigers mit der Naturalherstellung - die Wiederherstellung des vorigen Zustands nachträglich als untunlich erachten und Geldersatz begehren kann (s Koziol aaO 287).

Dem Berufungsgericht ist daher insoweit zuzustimmen, als es den Geschädigten nicht für berechtigt erachtet, von der einmal getroffenen Wahl einseitig und unbegründet abzugehen. Es hat jedoch, wie der Kläger zu Recht rügt, eine Ausübung des Wahlrechts angenommen, obwohl der Kläger keine darauf gerichtete Willenserklärung - sei es schlüssig oder ausdrücklich - abgegeben hat. Der Kläger hat auch im Konkursverfahren über das Vermögen der Baugesellschaft Wiederherstellung des Zauns begehrt; gemäß § 14 KO hatte er aber seine nicht auf eine Geldleistung gerichtete Forderung nach ihrem Schätzwert geltend zu machen. Die Zwangsausgleichsquote wurde nach dem Schätzwert der Forderung berechnet; durch ihre Annahme hat der Kläger weder zu erkennen gegeben, dass damit seine Forderung erfüllt wäre, noch kann daraus auf ein Abgehen von der Forderung auf Wiederherstellung des Zauns geschlossen werden. Der Kläger hat damit nur jene Ersatzleistung angenommen, die er wegen der Insolvenz der Baugesellschaft (derzeit) erlangen konnte; durch die Erfüllung des Zwangsausgleichs ist der nicht bezahlte Rest der Forderung des Klägers nicht erloschen, sondern als Naturalobligation im Sinne des § 1432 ABGB bestehen geblieben (stRsp ua SZ 70/253 = ecolex 1998, 200 = ÖBA 1998/716 = RdW 1998, 344 = ZIK 1998, 207).

Seine Ansprüche gegen den Beklagten werden dadurch nicht berührt. Der Beklagte hat mit dem Niederreißen des Zauns auf Weisung der Baugesellschaft absichtlich Eigentum des Klägers beschädigt. Die Weisung der Baugesellschaft entlastet ihn nicht, weil deren Vorgehen nicht durch eine Vereinbarung mit dem Kläger gedeckt war. Sie führt aber dazu, dass beide dem Kläger für den dadurch verursachten Schaden haften. Mit ihrer Weisung hat die Baugesellschaft den Beklagten angestiftet, das Eigentum des Klägers zu beschädigen. Der Anstifter ist dem unmittelbaren Täter gleichgestellt (§ 1301 ABGB). Mehrere Täter haften für den dem Geschädigten zugefügten Schaden solidarisch, wenn sie vorsätzlich handeln oder wenn sich ihre Anteile nicht bestimmen lassen (§ 1302 ABGB; Koziol aaO 458; Schwimann/Harrer, ABGB2 § 1302 Rz 10).

Die Solidarhaftung besteht im vorliegenden Fall für jenen Schaden, der dem Kläger dadurch entstanden ist, dass der Beklagte den durch die Arbeiten der Baugesellschaft bereits vorbeschädigten Zaun gänzlich niedergerissen hat. Danach bestimmt sich auch das Ausmaß der Verpflichtung zur Wiederherstellung. Der Beklagte ist zur ungeteilten Hand mit der Baugesellschaft verpflichtet, den Kläger so zu stellen, wie dieser stünde, wäre der vorbeschädigte Zaun stehen geblieben und nicht niedergerissen worden. Dass die Baugesellschaft darüber hinaus auch die Vorbeschädigung zu verantworten hat und - auf Grund des Zwangsausgleichs nur mehr in Form einer Naturalobligation - dazu verpflichtet ist, den unbeschädigten Zaun wiederherzustellen und auch die übrigen Schäden am Weg und im Garten des Klägers zu beseitigen, ist für die Verpflichtung des Beklagten ohne Bedeutung.

Das Begehren des Klägers, der Beklagte habe den Zustand wiederherzustellen, wie er vor Beginn der Bauarbeiten der Baugesellschaft bestanden hatte, geht daher jedenfalls zu weit. Der Kläger hat nämlich nicht einmal behauptet, dass der Beklagte den Weg aufgeschüttet oder daran mitgewirkt hätte; von ihm kann er daher auch nicht die Angleichung des Wegs an das Niveau seines Grundstücks verlangen. Was aber den Zaun und das Eindringen von Sand, Schotter und Schutt auf das Grundstück des Klägers betrifft, hat der Beklagte zwar schadenstiftende Handlungen vorgenommen. Er hat jedoch - da Zaun und Garten bereits vorbeschädigt waren - nicht den gesamten Schaden verursacht. Der Beklagte ist daher nicht verpflichtet, den gesamten Schaden zu beheben; dass der von ihm verursachte Schaden sinnvollerweise nur dadurch behoben werden kann, dass der Zustand vor Beginn der Bauarbeiten durch die Baugesellschaft und damit vor Eintreten der - nicht vom Beklagten, sondern nur von der Baugesellschaft zu verantwortenden - Vorschäden wiederhergestellt wird, vermag daran nichts zu ändern.

Das auf Wiederherstellung des Zustands vor Beginn der Bauarbeiten gerichtete Klagebegehren ist demnach unbegründet. Eine - allenfalls als minus zu betrachtende - Wiederherstellung des beschädigten Zauns wäre untunlich, weil das Interesse des Beklagten am Geldersatz wegen des durch die Vorbeschädigung verringerten Werts des Zauns erheblich höher zu bewerten ist als das Interesse des Klägers am Naturalersatz. Den (hohen) Aufwendungen des Beklagten stünde auch kein gleichwertiger Vorteil des Klägers gegenüber, weil dieser nur einen beschädigten Zaun erhielte.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Revision musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Revisionsbeantwortung stehen nur 60 % Einheitssatz zu, weil kein Fall des § 23 Abs 5 RATG vorliegt.

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