Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.036,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.185,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind Medieninhaber und Verleger der Tageszeitungen "N*** K***-Z***" (klagende Partei) und "K***" (beklagte Partei). Die beklagte Partei veranstaltete im Herbst 1985 das "5-Millionen-Rubbel-Puzzle-Spiel", bei dem zahlreiche wertvolle Sach- und Geldpreise gewonnen werden konnten. In Trafiken und Zeitungsverschleißstellen lagen sogenannte "Rubbel-Kärtchen" auf, die bis 10.10.1985 gratis an das interessierte Spielerpublikum abgegeben wurden. Beim "Abrubbeln" einer grauen Stelle dieser "Rubbel-Kärtchen" wurde die Hälfte der farbigen Bilddarstellung eines zu gewinnenden Preises sichtbar. Fand der Spieler die korrespondierende zweite Hälfte einer solchen Darstellung auf einem anderen "Rubbel-Kärtchen", dann stand ihm der dargestellte Gewinn zu. Ab November 1985 plante die beklagte Partei eine zweite Runde dieses Spiels, die sie auch in einem an die Trafiken und sonstigen Zeitungsverschleißstellen am 10.10.1985 verteilten Rundschreiben und in der Ausgabe des "K***" vom 20.10.1985 ankündigte. Für die zweite Runde galten folgende abweichende Spielbedingungen:
1.) Die "Rubbel-Kärtchen" wurden nicht mehr gratis abgegeben; für eine Einheit aus drei Kärtchen waren dem Trafikanten oder Zeitungsverschleißer S 5,-- zu zahlen.
2.) Voraussetzung für den Gewinn war außer der Einsendung zweier farbgleicher und einander in den Bildern ergänzender Puzzle-Hälften auch noch die Beantwortung der Frage "Wer hat heute Namenstag?". Dabei wies die beklagte Partei darauf hin, daß alle publizierten Namenstagsverzeichnisse gelten. Die Namenspatrone werden täglich sowohl in der "N*** K***-Z***" als auch im "K***" sowie in zahlreichen anderen Tageszeitungen veröffentlicht.
Diese Spielvariante der beklagten Partei ist bisher von der Österreichischen Glücksspielmonopolverwaltung nicht bewilligt worden. Die klagende Partei beantragt mit Punkt 1 d ihres
Klagebegehrens - die übrigen Punkte wurden durch Anerkenntnisurteil erledigt - die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Ankündigung und Durchführung des "K*** 5-Millionen-Rubbel-Puzzle" oder einer ähnlichen Veranstaltung, bei der Rubbel-Puzzle-Karten oder ähnliche Teilnahmescheine entgeltlich vertrieben werden, zu unterlassen, wenn eine Bewilligung durch die Österreichische Glücksspielmonopolverwaltung nicht erteilt wurde; sie stellte auch ein entsprechendes Veröffentlichungsbegehren.
Die klagende Partei behauptet, die beklagte Partei verstoße mit dieser Spielvariante - Abgabe der Rubbel-Puzzle-Karten gegen eine "Schutzgebühr" von S 5,- - gegen das Glücksspielgesetz, weil sie ein Spiel veranstalte, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhingen. Die Durchführung solcher "Ausspielungen" (§ 3 GlücksspielG) sei dem Bund vorbehalten. Die im Spiel vorgesehene Frage nach dem Namenspatron sei nur eine Alibifrage, die am vorwiegenden Zufallscharakter des Spieles nichts ändere. Da die Vorschriften des Glücksspielgesetzes wettbewerbsregelnden Charakter hätten, verstoße die beklagte Partei mit der Verletzung des Glücksspielgesetzes auch gegen § 1 UWG. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das "5-Millionen-Rubbel-Puzzle" sei kein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielgesetzes, weil die Gewinner auch eine Frage richtig beantworten müßten; auf deren Schwierigkeitsgrad komme es nicht an. Der wettbewerbsrechtliche Zufallsbegriff sei für die Auslegung des § 1 Abs. 1 GlücksspielG nicht anzuwenden. Der Kaufpreis der Glücksspielkarten komme nicht der klagenden Partei, sondern zum Teil den Trafikanten und Zeitungsverschleißern und zum Teil wohltätigen Zwecken (SOS-Kinderdorf) zugute. Derartige Spiele seien in den letzten Jahren wiederholt von verschiedenen Institutionen veranstaltet worden. Die beklagte Partei habe sich vor der Veranstaltung des Spiels an die Glücksspielmonopolverwaltung gewendet und die Auskunft erhalten, daß gegen die bisher durchgeführten ähnlichen Spiele keine Einwendungen erhoben worden seien. Im übrigen sei das Glücksspielgesetz keine wettbewerbsregelnde Norm. Selbst wenn ein Verstoß gegen dieses Gesetz vorläge, habe die klagende Partei nicht in subjektiv vorwerfbarer Mißachtung dieses Gesetzes gehandelt, so daß ihr Verhalten nicht sittenwidrig sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen:
Rechtsanwalt Dr. Gottfried K*** sprach am 17.10.1984 bei der Glücksspielmonopolverwaltung vor und erhielt dort die Auskunft, daß nach der bisherigen Verwaltungspraxis nur solche Glücksspiele dem Glücksspielgesetz unterlägen, bei denen ausschließlich der Zufall über den Gewinn entscheide. Die vom ORF veranstalteten Glücksspiele wie "Sporthilfe-Quiz" und "Glück für das Kind" fielen nach der derzeitigen Verwaltungspraxis nicht unter das Glücksspielgesetz, auch wenn die bei diesen Spielen gestellten Fragen leicht zu beantworten seien; es genüge die bloße Möglichkeit einer falschen Beantwortung. Über diese Verwaltungspraxis informierte Dr. Gottfried K*** am 9.10.1985 die beklagte Partei und erstattete an deren Vorstandsdirektor Dr. L*** am 21.10.1985 ein Gutachten, in dem er hervorhob, daß die ständige Praxis der Glücksspielmonopolverwaltung sogar so weit gehe, daß auch Antworten auf besonders leichte Fragen, die zumindest für einen durchschnittlich gebildeten Menschen bloße Scheinleistungen seien, als Handlungen gewertet würden, bei denen Gewinn und Verlust nicht mehr ausschließlich vom Zufall abhänge. Der Angestellte der beklagten Partei Mag. Michael G*** sprach vor Beginn der zweiten Runde des gegenständlichen Spiels bei der Glücksspielmonopolverwaltung (Hofrat Dr. F***; Oberrat Dr. S***) vor, erläuterte das Spiel in der bisherigen Version und erkundigte sich über die verschiedenen damals laufenden Spiele ("Sporthilfe-Quiz", "Glück für das Kind", "Seniorenhilfe"). Man sagte ihm, daß diese Spiele trotz entgeltlicher Abgabe der Teilnahmekarten nicht dem Glücksspielmonopol unterlägen, weil es sich um Qizveranstaltungen handle, bei denen ein Gewinn von der richtigen Beantwortung einer Frage abhänge.
Das Erstgericht war der Ansicht, Glücksspiele im Sinne des Glücksspielgesetzes seien Spiele, bei denen Gewinn oder Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhänge. Das von der beklagten Partei veranstaltete Spiel sei ab Beginn der zweiten Runde als Glücksspiel im Sinne dieses Gesetzes zu betrachten, weil die richtige Beantwortung der Frage nach dem jeweiligen Namenspatron, von der die Gewinnchance abhänge, eine bloße Scheinleistung sei. Das von der beklagten Partei veranstaltete Spiel sei somit weit überwiegend vom Zufall abhängig. Das Glücksspielgesetz sei Bestandteil der Monopolgesetzgebung, die nicht nur fiskalische Zwecke verfolge, sondern auch eine Beschränkung wettbewerblich erheblicher Verhaltensmöglichkeiten der privaten Wirtschaftstreibenden beabsichtige. Diese Voraussetzungen reichten jedoch nicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nach § 1 UWG aus; nur eine den Beklagten auch subjektiv vorwerfbare Mißachtung einer solchen Vorschrift rechtfertige es, über die bloße Verantwortlichkeit nach der übertretenen Verwaltungsvorschrift hinaus auch eine unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung iS des § 1 UWG anzunehmen. Die von der Österreichischen Glücksspielmonopolverwaltung im Glücksspielgesetz gegebene Auslegung sei zwar offenbar unrichtig; die beklagte Partei habe jedoch auf Grund der erforschten Praxis dieser Verwaltung im guten Glauben sein können, durch die von ihr festgelegten Spielbedingungen das Gesetz nicht zu verletzen, so daß ihr eine subjektiv vorwerfbare Mißachtung des Gesetzes nicht zur Last falle. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Nach ständiger Rechtsprechung komme es bei der Frage, ob eine Verletzung verwaltungsrechtlicher Vorschriften gegen § 1 UWG verstoße, vor allem darauf an, ob die Auffassung des Beklagten über den Umfang seiner Befugnisse durch das Gesetz so weit gedeckt sei, daß sie mit gutem Grund vertreten werden könne. Habe die übertretene Vorschrift einen klaren, zu keinen Zweifeln Anlaß gebenden Wortlaut, so könne ein unverschuldeter Rechtsirrtum nicht angenommen werden. Die sich aus der Definition des § 1 Abs. 1 GlücksspielG ergebende Frage, ob bei einem konkreten Spiel die Gewinnmöglichkeit "ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhänge", sei eine solche der Auslegung. Auch in der Literatur werde die Auffassung vertreten, daß kein "Glücksspiel" vorliege, wenn die Beantwortung von Fragen (Quiz) über den Gewinn oder den Verlust entscheide. Die Forderung nach einem gewissen "Mindestschwierigkeitsgrad" dieser Frage werde dabei in keiner Weise erhoben. Die Auffassung der beklagten Partei, die durch die Auskünfte der Österreichischen Glücksspielmonopolverwaltung noch bestärkt worden sei, könne sich daher immerhin auf eine denkmögliche Auslegung des Glücksspielgesetzes berufen. Da zu der strittigen Rechtsfrage, soweit ersichtlich, auch noch keine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, könne es der Beklagten nicht als Verstoß gegen § 1 UWG angelastet werden, wenn ihre - nach dem Wortlaute des Gesetzes immerhin noch vertretbare - Rechtsauffassung in der Folge von den Gerichten etwa nicht geteilt würde. Das Erstgericht habe insoweit einen Wettbewerbsverstoß der beklagten Partei mit Recht verneint.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen, unter denen einem Wettbewerber ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften (hier: Finanzverwaltungsvorschriften) subjektiv nicht vorzuwerfen ist, unter Hinweis auf die Judikatur des erkennenden Senates (so schon ÖBl 1977, 159; ÖBl 1981, 19; SZ 56/2 ua; zuletzt etwa 4 Ob 305/86 und 4 Ob 307/87) richtig dargestellt und daraus den zutreffenden Schluß gezogen, daß der beklagten Partei, insbesondere im Hinblick auf die vor der Veranstaltung des beanstandeten Gewinnspiels eingeholten Auskünfte über die bisherige Verwaltungspraxis der Glücksspielmonopolverwaltung - ein sittenwidriger Verstoß gegen § 1 UWG nicht zur Last fällt. Auf diese Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.
Wenn die Revision dagegen einwendet, daß zum Begriff des "Zufalls" eine langjährige und eindeutige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, so ist dies zwar richtig (vgl etwa ÖBl 1978, 45 und ÖBl 1982, 46; ausführlich zum Begriff "Zufall" Schumacher in Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung 313 ff), aber für die Vorwerfbarkeit des der beklagten Partei angelasteten Gesetzesverstoßes ohne Bedeutung; ob die beklagte Partei mit guten Gründen die Zulässigkeit des veranstalteten Gewinnspiels annehmen durfte, hängt nicht vom wettbewerbsrechtlichen Begriff des "Zufalls" iS des § 28 UWG, sondern davon ab, wie die zuständige Glücksspielmonopolverwaltung beim Bundesministerium für Finanzen den Begriff "Glücksspiel" iS des § 1 Abs. 1 GlücksspielG auslegt. Auf Grund der dort eingeholten Auskünfte durfte die beklagte Partei davon ausgehen, daß ein Gewinnspiel, bei dem der Gewinn auch von der richtigen Beantwortung einer Frage durch die Teilnehmer abhängt, ohne Rücksicht auf den Schwierigkeitsgrad dieser Frage kein bewilligungspflichtiges Glücksspiel im Sinne des Glücksspielgesetzes ist.
Bei dieser Rechtslage kommt es auf die Frage, ob objektiv ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 GlücksspielG vorlag und ob die Normen dieses Gesetzes auch wettbewerbsrechtlich relevant sind, nicht an. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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