OGH 4Ob32/97b

OGH4Ob32/97b11.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Volkmar Schicker und Dr.Alfred Roschek, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Kaan, Cronenberg und Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 10,000.000,-- sA und Feststellung, infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 20.November 1996, GZ 6 R 248/96d-111, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15.Oktober 1996, GZ 16 Cg 240/96s-108, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit ihrer am 30.11.1988 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin S 10,000.000,-- sA an Schadenersatz; gleichzeitig stellt sie ein Feststellungsbegehren. Die Beklagten - die Klage richtete sich ursprünglich gegen zwei Beklagte - wandten ein, daß das angerufene Gericht unzuständig sei und daß die inländische Gerichtsbarkeit fehle. Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Zuständigkeitsfrage ein. Im Schriftsatz vom 15.3.1990 (ON 23) "beantragt die Klägerin unter Hinweis auf § 28 Abs 1 Z 2 JN (SZ 58/109) die Anwendung dieser Bestimmung in eventu und subsidiär, da die Beklagten Vermögenswerte nicht nur in Österreich, sondern auch im westlichen Ausland besitzen, die zwar mit einem österreichischen Titel, aber nicht mit einem jugoslawischen exequierbar sind". Mit Beschluß vom 28.10.1991 (ON 26) wies das Erstgericht die Klage im ersten Rechtsgang zurück; das Rekursgericht bestätigte mit Beschluß vom 1.6.1992 (ON 31) die Zurückweisung der gegen die Zweitbeklagte gerichteten Klage und trug dem Erstgericht auf, das gesetzliche Verfahren über die gegen die Erstbeklagte gerichtete Klage einzuleiten. Der Oberste Gerichtshof hob mit Beschluß vom 24.11.1992 (ON 35) die in Ansehung der Erstbeklagten (= Beklagten) ergangenen Entscheidungen auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit an das Erstgericht zurück. Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage mit Beschluß vom 3.11.1995 (ON 92) neuerlich zurück; der Rekurs blieb erfolglos (ON 97); der außerordentliche Revisionsrekurs wurde als unzulässig zurückgewiesen (ON 101).

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs wiederholte die Klägerin den Ordinationsantrag. Mit Beschluß vom 25.6.1996, 4 Nd 507/96-102, bestimmte der Oberste Gerichtshof das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als örtlich zuständiges Gericht.

Das Erstgericht stellte die Ordinationsentscheidung mit dem Beisatz zu, daß eine weitere Veranlassung wegen rechtskräftiger Zurückweisung der Klage nicht geboten sei.

Die Klägerin beantragt, das Verfahren fortzusetzen und eine mündliche Streitverhandlung anzuberaumen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es bestehe keine Möglichkeit, die rechtskräftig zurückgewiesene Klage im Sinne der Bestimmungen der Zivilprozeßordnung fortzusetzen.

Das Rekursgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens auf. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Rechtssache sei durch die Bestimmung des Erstgerichtes als örtlich zuständig als neu angefallen zu betrachten. Das Erstgericht könne seine Entscheidung daher nicht auf die seinerzeitige Klagszurückweisung stützen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt besteht; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte verweist darauf, daß die Klage rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Das Verfahren könne weder fortgesetzt noch könne die Klage als neu eingebracht betrachtet werden. Die Klägerin müsse eine neue Klage einbringen, die der ursprünglich eingebrachten zu entsprechen hätte.

Gemäß § 28 JN kann ein Gericht für eine Rechtssache nur dann als örtlich zuständig bestimmt werden, wenn für diese Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinn der ZPO oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind. Ist bereits ein inländisches Gericht angerufen, so sind die Voraussetzungen für die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes so lange nicht gegeben, als dieses seine Zuständigkeit nicht rechtskräftig verneint hat (stRsp ua 6 Nd 39/66; 4 Nd 509/83; 1 Nd 11/90; 3 Nd 502/92 mwN; 3 Nd 514/94; s auch Fasching I 223).

Steht fest, daß eine inländische örtliche Zuständigkeit fehlt, so kann ein Ordinationsantrag gestellt werden (1 Nd 11/90 mwN; 3 Nd 514/94). Der Antrag kann aber als Eventualantrag auch schon vor der Entscheidung des Zuständigkeitsstreites gestellt werden, weil er damit zulässigerweise an eine innerprozessuale Bedingung geknüpft wird (s Fasching, Lehrbuch**2 Rz 758 f). Der Ordinationsantrag und die ihm folgende Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes müssen in einem solchen Fall dahin verstanden werden, daß das Gericht mit Wirkung für die anhängige Klage als örtlich zuständig bestimmt werden soll (bestimmt wird), sodaß die Gerichtsanhängigkeit erhalten bleibt. Dies folgt aus den Wertungen, die § 230a und § 261 Abs 6 ZPO zugrunde liegen:

Gemäß § 230a und gemäß § 261 Abs 6 ZPO hat der Kläger die Möglichkeit, im Fall oder für den Fall, daß das angerufene Gericht seine Unzuständigkeit ausspricht, die Überweisung der Klage an ein anderes Gericht zu beantragen. Zweck dieser Bestimmungen ist es, aus Gründen der Prozeßökonomie prozeßbeendende Zuständigkeitsentscheidungen möglichst zu vermeiden (Fasching III 212). Eine Überweisung ist nicht nur dann möglich, wenn ein anderes Gericht bereits örtlich zuständig ist; sie wird auch dann als zulässig erachtet, wenn ein örtlich zuständiges Gericht erst bestimmt werden muß. Ist demnach zwar die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, aber kein anderes Gericht örtlich zuständig, so kann der Kläger gemeinsam mit dem Antrag auf Überweisung den Antrag auf Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes durch den Obersten Gerichtshof stellen; das für die Entscheidung über den Überweisungsantrag zuständige Gericht müßte hiemit bis zum Vorliegen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zuwarten (3 Nd 502/92). Ein Gericht kann demnach auch mit Wirkung für ein bereits anhängiges Verfahren als örtlich zuständig bestimmt werden (8 Ob 116/74; 3 Nd 502/92; aM, ohne nähere Begründung, 3 Nd 514/94). Nur dadurch wird verhindert, daß Zuständigkeitsstreite prozeßbeendend wirken, wenn zwar kein anderes Gericht örtlich zuständig, die inländische Gerichtsbarkeit aber gegeben ist.

Will der Kläger nicht, daß die Rechtssache an ein anderes Gericht überwiesen wird, sondern will er erreichen, daß die Rechtssache bei jenem Gericht bleibt, dessen örtliche Zuständigkeit er (letztlich erfolglos) behauptet, so genügt es, wenn er einen Ordinationsantrag stellt; ein Überweisungsantrag kommt hier von vornherein nicht in Frage. Auch in einem solchen Fall muß der Ordinationsantrag dahin verstanden werden, daß das Gericht mit Wirkung für die anhängige Klage als örtlich zuständig bestimmt werden soll. Die Bestimmung des als örtlich unzuständig erkannten Gerichtes als örtlich zuständig schafft die Voraussetzung dafür, daß die Rechtssache bei diesem Gericht weitergeführt werden kann.

Wie bei einer Überweisung nach § 230a ZPO und nach § 261 Abs 6 ZPO wird auch in diesem Fall die Gerichtsanhängigkeit nicht aufgehoben. Dem rechtskräftigen Zurückweisungsbeschluß wird durch die Bestimmung des angerufenen Gerichtes als örtlich zuständig derogiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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