Normen
Arbeilsgerichtsgesetz §1
Nationalbankgesetz §75
Satzungen der Öesterreichischen Nationalbank
Arbeilsgerichtsgesetz §1
Nationalbankgesetz §75
Satzungen der Öesterreichischen Nationalbank
Spruch:
Die in § 75 NationalbankG normierte ausschließliche Zuständigkeit des HG Wien für Klagen gegen die Oesterreichische Nationalbank gilt nicht für arbeitsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten
OGH 25. April 1978, 4 Ob 32/78 (LGZ Wien 44 R 48/78; ArbG Wien 4 Cr 1493/77)
Text
Der Kläger behauptet, ihm sei in untrennbarem Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis zur Beklagten Partei, der Oesterreichischen Nationalbank, von dieser ein PKW-Abstellplatz in der Unterflurgarage der beklagten Partei in Wien vermietet worden. Die beklagte Partei habe dieses Mietverhältnis unzulässigerweise zum 31. Dezember 1975 aufgekundigt. Er begehre daher, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm den bedungenen Gebrauch an einem Abstellplatz in der angeführten Garage zu verschaffen und ihm somit einen Abstellplatz zur Verwahrung seines PKWs gegen Zahlung des vereinbarten Bestandzinses zu übergeben.
Die beklagte Partei bestritt die Berechtigung des Klagebegehrens und machte unter Hinweis auf § 75 des Nationalbankgesetzes Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes geltend.
Das Erstgericht verwarf nach abgesonderter Verhandlung die Unzuständigkeitseinrede, weil sich die Bestimmung des § 75 NationalbankG nur auf Klagen gegen die Oesterreichische Nationalbank aus Bankgeschäften beziehe, der vorliegende Rechtsstreit aber eine Nachwirkung aus einem Dienstverhältnis betreffe.
Auf Rekurs der beklagten Partei erklärte das Rekursgericht das bisherige Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Es folgte der von Fasching (I, 390) vertretenen Auffassung, wonach die Bestimmung des § 75 NationalbankG gegenüber den Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes den Vorrang habe, weil sie das jüngere Gesetz sei. § 75 NationalbankG lege die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien für alle Klagen gegen die Oesterreichische Nationalbank ohne Ausnahme fest.
Infolge Revisionsrekurses des Klägers stellte der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 1 des ArbGG sind die Arbeitsgerichte unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zuständig u. a. für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmern und Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis. Der OGH hat bereits in seiner Entscheidung SZ 23/218 betont, daß solche Rechtsstreitigkeiten den ordentlichen Gerichten entzogen und dem Arbeitsgericht als Sondergericht zugewiesen sind. Das in Art. 115 der Satzungen der Oesterreichischen Nationalbank festgelegte Zuständigkeitsprivileg vor dem Handelsgericht Wien könne sich nur auf Streitigkeiten beziehen, zu deren Entscheidung die ordentlichen Gerichte zuständig wären. Der Ausdruck "Klagen jeder Art" umfasse nur die bei den ordentlichen Gerichten anhängig zu machenden Klagen. Auf Klagen, zu deren Entgegennahme die ordentlichen Gerichte nicht zuständig sind, könne das Privileg nicht ausgedehnt werden; es gelte daher auch nicht für arbeitsrechtliche Streitigkeiten. Der soziale Charakter, der den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Arbeitsgerichte innewohne, komme auch bei der Regelung der örtlichen Zuständigkeit zum Ausdruck, die dem Kläger ein Wahlrecht zwischen dem Gerichtsstand, in dessen Bezirk sich die Betriebsstätte befindet, jenem, in dem das Unternehmen seinen Sitz oder der Unternehmer seinen Wohnsitz hat, und jenem Arbeitsgericht, in dessen Bezirk die Arbeit zu leisten oder der Lohn auszuzahlen ist, einräume. Diesen Bestimmungen würde es widerstreiten, wenn die Oesterreichische Nationalbank auch in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten nur vor dem Handelsgericht Wien geklagt werden könnte. Der vom Rekursgericht unter Berufung auf Fasching (a. a. O.) vertretenen Auffassung, daß die Grundsätze dieser Entscheidung wegen des später in Kraft getretenen Nationalbankgesetzes überholt seien, kann nicht beigepflichtet werden.
Art. 115 der Satzungen der Oesterreichischen Nationalbank, die ein Bestandteil des Bundesgesetzes vom 14. November 1922, BGBl. 823, waren, bestimmte in dem mit "Besondere Rechte der Bank" überschriebenen Art. XIII, da "Klagen jeder Art" gegen die Bank nur beim Handelsgericht Wien erhoben werden können, insoweit in diesen Satzungen keine anderen Bestimmungen getroffen sind. Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Nationalbankgesetzes (Bundesgesetz vom 8. September 1955, BGBl. 148), 602 BlgNR, Vfl. GP, 19, sollten die Bestimmungen des Art. XIII dieses Gesetzes, der ebenfalls von den "Besonderen Rechte der Bank" handelte, "im wesentlichen" den Art. 111-120 der alten Satzungen entsprechen. Es sollte also auch die Bestimmung über die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien für Klagen gegen die Bank keine wesentliche inhaltliche Änderung erfahren. Der Wortlaut der diese Zuständigkeit regelnden Bestimmung wurde dahin abgeändert, daß nicht mehr für Klagen "jeder Art" gegen die Bank, sondern für "Klagen gegen die Bank" die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien festgelegt wurde. Mit Recht leitet der Kläger daraus ab, daß dadurch offensichtlich dem Umstand Rechnung getragen wurde, daß für Klagen gegen die Oesterreichische Nationalbank eine allgemeine Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien bestimmt, diese Zuständigkeit aber nicht auch für Klagen festgelegt werden sollte, für die aus sachlichen Gründen ein anderer ausschließlicher Gerichtsstand besteht (ebenso Schwarzer - Cskolich, Das österr. Devisenrecht, Anm. 12 zu § 75 NationalbankG).
Die Zuweisung bestimmter Rechtssachen an ein besonderes Gericht erfolgt allgemein aus der Erwägung, daß dieses Gericht auf Grund seiner besonderen - nach fachlichen Gesichtspunkten erfolgten - Besetzung, seiner Lage u. dgl. zur Entscheidung solcher Rechtssachen besser geeignet erscheint als das nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Gericht (Petschek - Stagel, Der österr. Zivilprozeß, 93). Dieser Grundsatz führte auch dazu, daß für Streitigkeiten, die auf das UWG gestützt werden, auch dann, wenn sie zwischen Unternehmer und Beschäftigten geführt werden, die Zuständigkeit der mit der Handelsgerichtsbarkeit betrauten Gerichte angenommen wurde (SZ 41/145), oder daß zu Entscheidung über Konkursforderungen die Zuständigkeit des Konkursgerichtes gemaß § 111 KO auch unter Ausschluß der Sondergerichte, somit auch des Arbeitsgerichtes, bejaht wurde (Arb. 6733). Derartige sachliche Zweckmäßigkeitsgrunde können für die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien bei Rechtsstreitigkeiten, welche die von der Nationalbank betriebenen Geschäfte betreffen, nicht aber für Streitigkeiten zwischen ihr und ihren Bediensteten, die gemäß § 38 NationalbankG zu ihr in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen, ins Treffen geführt werden. Bei Streitigkeiten zwischen der Nationalbank und ihren Bediensteten führt vielmehr gerade die Rücksichtnahme auf die besondere Besetzung der Gerichte und den schon in der Entscheidung SZ 23/218 hervorgehobenen sozialen Charakter der Zuständigkeitsbestimmungen des Bundesgesetzes über die Arbeitsgerichte zu einer Bejahung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes. Der Hinweis der beklagten Partei darauf, daß der Oesterreichischen Nationalbank auch behördliche Aufgaben übertragen seien und dieser Umstand es rechtfertige, die Bestimmung des § 75 NationalbankG über die besondere Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien auf alle Rechtsstreitigkeiten, insbesondere auch auf solche mit ihren Bediensteten, anzuwenden, versagt schon aus der Überlegung, daß auch Streitigkeiten zwischen anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften (wie Bund,Länder oder Gemeinden) mit ihren Bediensteten, deren Dienstverhältnis privat rechtlicher Natur ist, trotz der diesen Körperschaften übertragenen behördlichen Aufgaben vor die Arbeitsgerichte gehören. Eine wörtliche Auslegung der Bestimmung des § 75 NationalbankG in dem von der beklagten Partei behaupteten Sinn müßte zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß Klagen von Dienstnehmern gegen die Oesterreichische Nationalbank vor das Handelsgericht Wien, aber Klagen, die von der Oesterreichischen Nationalbank gegen ihre Bediensteten erhoben werden, vor die Arbeitsgerichte gehörten; der soziale Charakter des § 3 ArbGG über das Wahlrecht bei der örtlichen Zuständigkeit käme daher nur dem Dienstgeber, nicht aber dem Dienstnehmer zustatten. Das entspricht aber offensichtlich nicht der Absicht des Gesetzgebers. Es ist daher die Auffassung zu teilen, daß § 75 NationalbankG auf Rechtsstreitigkeiten, die in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallen, nicht anwendbar ist.
Da es sich im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus dem Dienstverhältnis (dessen Nachwirkungen) handelt, war die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes daher nicht berechtigt, so daß sie vom Erstgericht mit Recht verworfen wurde. Es war somit die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)