OGH 4Ob28/98s

OGH4Ob28/98s24.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Juliana L*****, infolge Revisionsrekurses der Mutter Eva L*****, vertreten durch Dr.Hans Kafka und Dr.Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St.Pölten, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 10.November 1997, GZ 2 R 181/97y-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 19.Juni 1997, GZ 1 P 2173/95k-12, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in seinem bestätigenden Teil aufgehoben.

Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die mj.Juliana L***** wächst bei der Mutter auf. Der außereheliche Vater war zuletzt seit 1.3.1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 5.000 verpflichtet.

Am 3.3.1997 beantragte der Unterhaltssachwalter eine Erhöhung auf S

7.200 monatlich ab 1.2.1997. Danach beantragte die Mutter am 8.4.1997 eine Erhöhung auf S 8.400 ab 1.4.1994. Der Unterhaltssachwalter trat ihrem Antrag nicht bei und stellte sich in der vom Gericht abgeforderten Stellungnahme auf den Standpunkt, der Antrag der Mutter sei mit Rücksicht auf seinen davor eingebrachten Erhöhungsantrag ohne Bedeutung.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Unterhaltssachwalters statt und erhöhte den monatlichen Unterhalt ab 1.2.1997 auf S 7.200. Es wies den Antrag der Mutter unter Hinweis auf § 212 Abs 2 iVm § 154 a ABGB mit der Begründung zurück, Vertreter der Minderjährigen sei bei konkurrierender Vertretungsbefugnis derjenige, der die erste Verfahrenshandlung vorgenommen habe; im vorliegenden Fall sei dies der Unterhaltssachwalter.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter, soweit diese den Zuspruch einer 8.400 S übersteigenden Unterhaltsleistung begehrte (die Mutter hatte im Rekurs ihr Begehren erstmals auf 8.600 S erhöht) zurück. Im übrigen gab es dem Rekurs der Mutter teilweise Folge; es bestätigte den angefochtenen Beschluß insoweit, als das Erstgericht den Antrag der Mutter auf Zuspruch einer S 7.200 monatlich übersteigenden Unterhaltsleistung ab 1.2.1997 zurückgewiesen hatte. Soweit das Erstgericht den Antrag der Mutter auf Zuspruch einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 8.400 vom 1.4.1994 bis 31.1.1997 zurückgewiesen hatte, wurde sein Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs insoweit zulässig sei, als die Zurückweisung des S 7.200 übersteigenden Erhöhungsantrages ab 1.2.1997 bestätigt wurde. Zur Frage, ob ein Antrag des obsorgeberechtigten Elternteiles zulässig sei, wenn dieser Antrag zwar denselben Zeitraum umfasse wie der davor eingebrachte Antrag des Unterhaltssachwalters, betraglich jedoch über diesen hinausgehe, fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, der gemäß § 212 Abs 4 ABGB sinngemäß anzuwendende § 154 a ABGB diene der Vermeidung von Doppelvertretungshandlungen. Soweit sich daher die Unterhaltserhöhungsanträge von Unterhaltssachwalter und Mutter zeitlich decken (dies sei ab 1.2.1997 der Fall), scheide eine Vertretungsbefugnis der Mutter wegen Zuvorkommens des Unterhaltssachwalters aus. Der Antrag der Mutter sei insoweit zurückzuweisen. Soweit ihre Anträge andere Bemessungszeiträume betreffen (dies sei für den Zeitraum vom 1.4.1994 bis 31.1.1997 der Fall), liege eine Doppelvertretung nicht vor. Der Antrag der Mutter müsse insoweit meritorisch erledigt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den bestätigenden Ausspruch erhobene Revisionsrekurs der Mutter ist berechtigt.

Die obsorgeberechtigte Mutter macht geltend, § 405 ZPO sei auch im Außerstreitverfahren sinngemäß anzuwenden. Das Rekursgericht habe zu Lasten der Minderjährigen einen zu weiten Verfahrensgegenstandsbegriff angewendet. Gegenstand des vom Unterhaltssachwalter eingeleiteten Verfahrens sei nicht die Unterhaltsleistung als solche, sondern die Erhöhung des monatlichen Unterhalts auf S 7.200 ab 1.2.1997. Davon sei ihr weitergehender Antrag nicht erfaßt.

Gemäß § 212 Abs 4 Satz 1 ABGB wird durch die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt; es besteht konkurrierende Vertretungsbefugnis (EvBl 1991/51; ÖA 1992, 88; RZ 1991/55; 3 Ob 2040/96p; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 6 zu § 212; Schwimann, Das Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz - Eine Melodie mit verpatzter Orchestrierung, NZ 1990, 218 ff [222]). Das bedeutet, daß in allen zivilgerichtlichen Verfahren, somit auch in Außerstreitverfahren nur entweder der gesetzliche Vertreter oder der Sachwalter auftreten können und im Zweifel derjenige von beiden vertretungsbefugt ist, der die erste Verfahrenshandlung vorgenommen hat (ÖA 1992, 88; RZ 1991/55; 3 Ob 2040/96p; Pichler aaO Rz 7 zu § 212; derselbe, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 679 ff [682]; Schwimann in Schwimann ABGB2 Rz 5 zu § 212). Diese der Vermeidung von Doppelvertretungshandlungen über denselben Verfahrensgegenstand dienende Alleinvertretungsbefugnis (ÖA 1992, 88; RZ 1991/55) gilt für alle Unterhaltsansprüche des Berechtigten (ÖA 1992, 165) bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den jeweils gestellten Antrag (SZ 66/63; EFSlg 78.287, stRsp RIS-Justiz RS0048110; 5 Ob 530/95). Die Absicht des Gesetzgebers, im Unterhaltsbemessungsverfahren Doppelvertretungshandlungen zu vermeiden, wird auch dadurch deutlich, daß er zur Erreichung dieses Zieles ausdrücklich (887 BlgNR 17.GP 9) eine gegenseitige Informationspflicht von obsorgeberechtigtem Elternteil und Jugendwohlfahrtsträger normiert.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits die Auffassung vertreten, Doppelvertretungshandlungen lägen dann nicht vor, wenn der (spätere) Antrag des obsorgeberechtigten Elternteiles einen anderen Bemessungszeitraum betreffe als der (frühere) Antrag des Unterhaltssachwalters (ÖA 1992, 22 = RZ 1991/55). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Von einer Doppelvertretung kann hier schon deshalb nicht die Rede sein, weil die einen anderen Zeitraum betreffende Unterhaltsfestsetzung in aller Regel neues Vorbringen über Bedarf und Leistungsfähigkeit voraussetzt, sind doch die Grundlagen der Bemessung (Bedarf des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten) einer ständigen Änderung unterworfen. Gegenstand der zu führenden Verfahren ist in einem solchen Fall die Unterhaltsbemessung für jeweils unterschiedliche Zeiträume, für die anhand des Vorbringens der jeweiligen Antragsteller die Bemessungsgrundlagen zu erforschen sind. Die Gefahr unnötiger oder widersprechender Vertretungshandlungen stellt sich in diesem Fall nicht.

Im vorliegenden Fall umfaßt der Erhöhungsantrag der Mutter denselben Zeitraum wie der bereits davor eingebrachte Antrag des Sachwalters, geht aber betraglich über diesen hinaus. Gegenstand des vom Sachwalter eingeleiteten Verfahrens ist die Unterhaltserhöhung auf S 7.200,- ab 1.2.1997, Gegenstand des Antrages der Mutter der S 7.200,-

übersteigende Erhöhungsbetrag. Diese Verfahrensgegenstände sind nicht deckungsgleich. Die auf Antrag des Sachwalters erfolgte Unterhaltsfestsetzung entfaltet damit auch keine, eine weitere Erhöhung für denselben Zeitraum ausschließende Wirkung, sodaß es der Mutter nicht verwehrt wäre, nach Rücknahme ihrer nach § 212 Abs 2 ABGB erteilten Zustimmung ein weiteres, über den Antrag des Sachwalters hinausgehendes Erhöhungsbegehren zu stellen.

Der sinngemäß auch im Außerstreitverfahren anzuwendende § 405 ZPO (vgl Rechberger in Rechberger ZPO Rz 7 zu § 405) schränkt das Ausmaß der Erhöhung auf das jeweilige Begehren ein. Daraus wird deutlich, daß der Unterhaltssachwalter die eine Erhöhung auf S 7.200,- und die Mutter die das darüberhinausgehende Begehren rechtferigenden Umstände zu behaupten und zu beweisen haben. Doppelvertretungshandlungen über denselben Verfahrensgegenstand liegen hier genausowenig vor wie im Fall unterschiedlicher Bemessungszeiträume.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß in seinem, die Zurückweisung des Erhöhungsantrages der Mutter für die Zeit ab 1.2.1997 bestätigenden Ausspruch insoweit aufzuheben, als er das vom Sachwalter gestellte Begehren betrifft; dem Erstgericht war in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

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