OGH 4Ob281/98x

OGH4Ob281/98x10.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Vera B*****, vertreten durch Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Gesamtstreitwert S 498.000,--; Revisionsinteresse S 70.000,--), infolge Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 1998, GZ 15 R 59/98a-32, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. Februar 1998, GZ 38 Cg 172/95w-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 811,84 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin ist seit 1972 für den B***** tätig; seit 1974 als Drehbuchautorin und Regisseurin. Mit Vereinbarung vom 28. 2. 1992 übernahm es die Klägerin, für eine Produktion des B***** mit dem Titel "Historische Reportage: Alfred Döblins Reise in Polen" folgende Leistungen zu erbringen: Erstellen eines Drehbuches, Übernahme der Regie inklusive Fertigstellung, Lieferung einer detaillierten Musikaufstellung für die GEMA-Meldung. Der Film sollte 45 bis 60 Minuten dauern. Die Klägerin räumte dem B***** das zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte Recht ein, die von ihr zu erbringenden Leistungen beliebig oft für Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und Vorführungszwecke sowie für Vervielfältigungs- und Verbreitungszwecke im audiovisuellen Bereich zu nutzen bzw. nutzen zu lassen. Der B***** sollte berechtigt sein, diese Rechte auf Dritte zu übertragen und Nutzungsrechte daran einzuräumen. Das Honorar der Klägerin wurde mit DM 24.000,-- vereinbart. Für Wiederholungen sollte die Klägerin ein Wiederholungshonorar gemäß den Honorarbedingungen des B***** erhalten. Soweit nichts Abweichendes vereinbart wurde, sollten die Honorarbedingungen des B***** gelten.

Nach Punkt 1 der Allgemeinen Honorarbedingungen ist der B***** (ua) berechtigt, das Werk in "unveränderter, bearbeiteter oder umgestalteter Form" zu nutzen. Punkt 2.14 räumt dem Bayrischen Rundfunk das Recht ein, das Werk unter Wahrung des Urheberpersönlichkeitsrechts "zu verfilmen, in andere Sprachen zu übersetzen oder in sonstiger Weise zu ändern, zu bearbeiten oder umzugestalten und in dieser Form zu nutzen".

Der Beklagte vereinbarte mit dem B*****, sich an der Produktion mit DM 25.000,-- zu beteiligen. Bei den Besprechungen gingen die Verhandlungspartner davon aus, daß der Film 45 Minuten dauern werde.

Am 22. 10. 1992 teilte Dr. Krista F*****, die zuständige Redakteurin des Beklagten, dem B***** mit, daß der Beklagte beabsichtige, die Produktion "Alfred Döblin in Polen" am 8. 12. 1992 zu senden. Sie ersuchte um Übermittlung der für die Programmanmeldung notwendigen Daten. Aus dem Antwortschreiben vom 2. 11. 1992 ergab sich eine Sendelänge von 60 Minuten. Daß der Film 60 Minuten dauert, ging auch aus dem Schreiben vom 5. 11. 1992 hervor, mit dem der B***** den Beklagten um ein Leerband für die Überspielung ersuchte.

Der Beklagte erhielt das Band mit dem Film einige Zeit vor dem 8. 12. 1992. Dr. Krista F***** stellte jedoch erst einen Tag vor der Sendung fest, daß es nur eine 60-Minuten-Version des Filmes gab. Da die Sendezeit nur 45 Minuten betrug, wurde der Film um 15 Minuten gekürzt und in dieser Fassung am 8. 12. 1992 in der Zeit von 10.15 bis 11.00 Uhr gesendet. Der Film wurde mit dem Titel "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder Mensch für sich - Alfred Döblins Reise nach Polen" angekündigt und auch angesagt. Der Titel lautet richtig "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder für sich - Alfred Döblins Reise in Polen".

Die Vereinbarung zwischen dem B***** und dem Beklagten wurde am 8./19. 12. 1992 unterzeichnet. Darin wird als Filmtitel "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder für sich, Alfred Döblins Polenreise" genannt und die Länge mit ca. 60 Minuten angegeben. In dieser Vereinbarung räumt der Bayrische Rundfunk dem Beklagten (ua) das Recht auf Bearbeitung unter Wahrung des Urheberpersönlichkeitsrechts ein.

Der Film befaßt sich mit einer Polenreise, die der Arzt und Schriftsteller Alfred Döblin im Jahre 1924 unternommen und in seinem 1925 erschienenen Buch "Reise in Polen" beschrieben hat. Die Klägerin ist der Route Döblins gefolgt. Sie wollte einerseits die Reise Döblins schildern, andererseits aber auch aufzeigen, daß dessen Aussagen noch heute gültig sind. Dazu verwendete sie Zitate aus dem Buch und eigene Texte. Der Film ist, ebenso wie das Buch, nach den Themen "der Staat, das Volk, der Einzelne, die Religion, die Kunst" gegliedert; in drei Kapiteln wird das Nebeneinander von jüdischer und katholischer Religion gezeigt. Der Film stellt die historischen Gegebenheiten des jüdischen Lebens der von den Auswirkungen des Holocaust geprägten heutigen Situation gegenüber. Wesentliche Aussage des Filmes ist nach Auffassung der Klägerin, daß jeder Verantwortung trägt und die Schuld nicht auf die anderen abwälzen kann. Das soll durch das Döblin-Zitat "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder für sich" als Schlußsatz ausgedrückt werden.

Der Film kann nach Auffassung der Klägerin nicht gekürzt werden; keinesfalls aber durch einen Mitarbeiter des Beklagten, der das Konzept nicht selbst erstellt hat.

Der Film wurde aber durch Mitarbeiter des Beklagten gekürzt. Dabei wurde das Zitat, das dem Film seinen Titel gegeben hat, herausgeschnitten und die Darstellung des Endes der Reise extrem verkürzt. In der gekürzten Fassung ist der Rhythmus des Films vollkommen gestört, weil wesentliche, den Film prägende Teile fehlen. Die Aussage kommt nicht mehr zur Geltung.

Nachdem die Klägerin am 8. 12. 1992 erfahren hatte, daß der Film nur eine Dreiviertelstunde lang gelaufen war, ist sie "schier zusammengebrochen". Sie rief den zuständigen Redakteur beim B***** an und ersuchte ihn, beim Beklagten rückzufragen. In der Folge informierte sie der zuständige Redakteur über ein Telefonat mit Dr. Krista F*****. Diese habe sich entschuldigt, daß sie die Klägerin nicht rechtzeitig verständigt habe. Zwei oder drei Tage später rief Dr. Krista F***** die Klägerin an und sagte ihr zu, den Film noch einmal in voller Länge und mit richtiger Ansage auszustrahlen.

Ende Jänner/Anfang Februar 1993 konnte die Klägerin die gekürzte Fassung des Filmes sehen. Dabei stellte sie fest, daß der Film durch das Ausmaß der Kürzungen vollkommen sinnentstellt worden war. Die Klägerin war entsetzt und wartete auf einen Brief von Dr. Krista F*****.

Die Klägerin hat durch die Kürzung keinen finanziellen Schaden erlitten. Am 1. 3. 1993 forderte sie den Beklagten auf, immateriellen Schadenersatz in Höhe von DM 24.000,-- zu leisten und den Film innerhalb von drei Monaten in voller Länge und mit richtiger Ansage zu wiederholen. Mit Schreiben vom 7. 4. 1993 lehnte der Beklagte die Ansprüche der Klägerin mit der Begründung ab, daß ihm der B***** Bearbeitungsrechte eingeräumt habe und die Änderung des Titels unerheblich sei. Am 8. 6. 1993 forderten die deutschen Rechtsvertreter der Klägerin den Beklagten auf, seine Auffassung noch einmal zu überdenken und setzten ihm eine Frist bis 29. 6. 1993. Mit Schreiben vom 25. 6. 1993 teilte der Beklagte den Rechtsvertretern der Klägerin mit, noch etwas Zeit zu benötigen, um die Sache intern zu klären. Am 30. 6. 1993 wiederholte der Beklagte gegenüber den Rechtsvertretern der Klägerin seine Sicht der Dinge und wies neuerlich sämtliche Ansprüche der Klägerin zurück.

In der Folge kam es zu einer Korrespondenz zwischen der T***** GmbH, die den B***** bei der Kooperationsvereinbarung mit dem Beklagten vertreten hatte, und den Rechtsvertretern der Klägerin. Der Versuch, die Sache dadurch zu bereinigen, daß der Beklagte den Film in voller Länge ausstrahlte, scheiterte daran, daß weder der B***** noch der Beklagte bereit waren, der Klägerin das begehrte Wiederholungshonorar von DM 4.200,-- zu zahlen.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, den Fernsehfilm mit dem Titel "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder für sich - Alfred Döblins Reise in Polen" (Drehbuchautorin: Vera B*****; Regie: Vera B*****) für Fernsehzwecke zu nutzen und/oder nutzen zu lassen, insbesondere zu vervielfältigen, zu verbreiten und zu senden, all dies wenn dies in veränderter (gekürzter) Fassung und/oder in Ankündigungen mit dem veränderten Titel "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder Mensch für sich - Alfred Döblins Reise nach Polen" erfolgt. Die Klägerin begehrt weiters, sie zu ermächtigen, Punkt 1 des Urteilsspruches samt "Kopf" und Datum innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft auf Kosten des Beklagten im Kulturteil einer gesamtösterreichischen Samstagausgabe der Tageszeitung "Die Presse" sowie durch Verlesen im Fernsehprogramm ORF 1 nach den Abendnachrichten "Zeit im Bild 1" (derzeit beginnend um 19 Uhr 30) durch Abdruck bzw. Verlesen veröffentlichen zu lassen, und zwar im Fall der Veröffentlichung in dem genannten Printmedium in Normallettern und in Spalten gesetzt, mit der fettgedruckten Überschrift "Im Namen der Republik", mit Fettumrahmung und mit fettgedruckter Bezeichnung der Parteien und im Fall der Verlesung im Fernsehprogramm ORF 1 mit der vorangehenden Ansage "Im Namen der Republik" (in eventu: in den vom Gericht zu bestimmenden Publikationsmedien und/oder auf die vom Gericht zu bestimmende Weise). Schließlich begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr S 168.000,-- zu zahlen. Änderungen (Kürzungen) seien nicht Bearbeitungen gleichzusetzen. Dem Beklagten sei die Sendedauer des Filmes bekannt gewesen. Der Klägerin stehe selbst im Fall fehlenden Verschuldens jedenfalls ein Unterlassungsanspruch zu. Die Urteilsveröffentlichung sei notwendig, weil der Gesetzesverstoß wegen seiner Gefährlichkeit und Publizität auch in Hinkunft nachteilige Folgen für die Klägerin befürchten lasse. Die Kürzung und die dadurch bewirkte Veränderung des Sinngehalts beeinträchtigten die geistigen Interessen der Klägerin schwer. Der mit der Rechtsverletzung verbundene Ärger bzw. die damit verbundene Kränkung gehe entscheidend über den Ärger und die Kränkung hinaus, die mit jeder Urheberrechtsverletzung verbunden seien. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach § 87 Abs 2 UrhG zu; vorsichtshalber gründe sie ihren Anspruch auf § 87 Abs 1 UrhG. Die Persönlichkeitsrechtsverletzungen hätten auch ihren guten Ruf als Autorin und Regisseurin geschädigt. Dadurch entgingen ihr künftige Aufträge; ihr "Marktwert" habe sich vermindert.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Zwischen dem B***** und dem Beklagten sei ausdrücklich eine Sendelänge von 45 Minuten vereinbart worden. Die 60-Minuten-Fassung sei erst kurz vor dem 8. 12. 1992 eingelangt. Es sei notwendig gewesen, den Film auf die vereinbarte Länge von 45 Minuten zu kürzen. Die Kürzungen seien durch die dem Beklagten eingeräumten Bearbeitungsrechte gedeckt. Die Veränderung des Titels ändere dessen Aussage nicht. Derartige Titeländerungen seien im Bereich der elektronischen Medien allgemein üblich. Den Beklagten treffe kein Verschulden. Das Zahlungsbegehren sei auch verjährt und im übrigen weit überhöht. Das Veröffentlichungsbegehren gehe zu weit.

Das Erstgericht verbot dem Beklagten, den Fernsehfilm mit dem Titel "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder für sich - Alfred Döblins Reise in Polen" (Drehbuchautorin: Vera B*****; Regie: Vera B*****) für Fernsehzwecke zu nutzen und/oder nutzen zu lassen, insbesondere zu vervielfältigen, zu verbreiten und zu senden, all dies wenn es in veränderter (gekürzter Fassung) erfolgt. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab. Es komme nicht darauf an, ob dem Beklagten gestattet war, den Film zu bearbeiten. Die Kürzungen hätten jedenfalls die Urheberpersönlichkeitsrechte der Klägerin verletzt und wären daher auch durch allfällige Bearbeitungsrechte nicht gedeckt. Mit der Änderung des Titels habe der Beklagte hingegen nicht in Rechte der Klägerin eingegriffen, weil es der Redaktion freistehe, den Titel auszuwählen. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin sei verjährt. Sie habe bereits am 8. 12. 1992 erfahren, daß der Film um eine Viertelstunde gekürzt worden war. Als Urheberin sei ihr klar gewesen, daß der Film dadurch entstellt wurde. Die Streitteile hätten keine Vergleichsgespräche geführt, die die Verjährung unterbrochen hätten. Das Veröffentlichungsbegehren sei wegen der seit der Ausstrahlung verstrichenen Zeit nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung über das Unterlassungsbegehren; die Entscheidung über das Schadenersatzbegehren und das Veröffentlichungsbegehren änderte es dahin ab, daß es der Klägerin S 70.000,-- zusprach und sie ermächtigte, Punkt 1 des Urteilsspruches samt "Kopf" und Datum im Fernsehprogramm ORF 1 an einem Sonn- oder Feiertag zwischen 10.00 Uhr und 11.00 Uhr auf Kosten des Beklagten veröffentlichen zu lassen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,--, aber nicht S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision gegen die Entscheidung über das Zahlungsbegehren zulässig sei. Gemäß § 34 Abs 1 IPRG sei österreichisches Recht anzuwenden. Das Bearbeitungsrecht des Beklagten decke geringfügige Titeländerungen. Die vom Beklagten vorgenommene Änderung des Titels sei vertragsgemäß unter Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte der Klägerin erfolgt. Die Klägerin habe trotz der seit der Ausstrahlung des Films verstrichenen Zeit ein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung. Ob die Verjährung des Zahlungsbegehrens durch allfällige Vergleichsgespräche gehemmt wurde, könne offenbleiben, weil die Klägerin die Klage ohnehin innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erhoben habe. Bei der Klägerin seien am Tag der Ausstrahlung noch keine immateriellen Nachteile in einem rechtlich bedeutsamen Ausmaß eingetreten. Zu einer hinreichenden seelischen Beeinträchtigung sei es erst gekommen, als sie die gekürzte Fassung zwei Monate später angesehen hat. Der Beklagte habe gar nicht behauptet, daß es der Klägerin möglich gewesen wäre, den Film schon zu einem früheren Zeitpunkt zu sehen. Die Kränkung der Klägerin rechtfertige einen Anspruch nach § 87 Abs 2 UrhG. Der in dieser Bestimmung angeordnete Entschädigungsbetrag solle ganz allgemein den fachlichen Ruf des Urhebers erfassen, auch wenn sich dessen Beeinträchtigung in erster Linie in materiellen Nachteilen niederschlägt. Der Schutz des Urhebers wäre unvollständig, wenn gerade die typischerweise mit der Verstümmelung urheberrechtlich geschützter Werke verbundene Rufschädigung nur im Rahmen des Ersatzes eines konkret nachzuweisenden Vermögensschadens ausgeglichen werden könnte. Insoweit sei eine Schädigung des Urhebers regelmäßig nicht beweisbar. Auch nach § 16 Abs 2 UrhG seien "nicht bezifferbare Vermögensschäden" abzugelten. Eine analoge Anwendung sei vor allem vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des OGH geboten, wonach § 87 Abs 1 UrhG den strengen Beweis eines konkreten Vermögensschadens fordere. Ein Betrag von S 70.000,-- erscheine angemessen.

Die gegen die Entscheidung über das Zahlungsbegehren gerichtete ordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; die Revision ist aber nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, daß der "Erstschaden" bereits am 8. 12. 1992 eingetreten sei. Bereits an diesem Tag habe die Klägerin von der Kürzung erfahren und sich geärgert. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Eintritt des Schadens und nicht erst mit dessen Befundaufnahme. Die Vergleichsverhandlungen hätten die Verjährungsfrist nicht gehemmt, weil der Beklagte daran nicht beteiligt gewesen sei. Der der Klägerin zugesprochene Betrag sei zu hoch. Nicht bezifferbare Vermögensschäden seien nach § 87 Abs 2 UrhG nicht zu berücksichtigen. Die diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichtes träfen seit der Entscheidung 4 Ob 63/98p nicht mehr zu. Die Klägerin habe greifbare Auswirkungen der beanstandeten Urheberrechtsverletzung nicht einmal behauptet. Immaterieller Schaden müsse aber aus seinen Auswirkungen, wie Schmerzen und Reaktionen, abgeleitet werden.

Zu diesen Ausführungen hat der erkennende Senat erwogen:

Gemäß § 87 Abs 2 UrhG kann der in seinen Urheberrechten schuldhaft Verletzte eine angemessene Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile verlangen, die er durch die Handlung erlitten hat. Der Urheber wird damit in seinen ideellen Beziehungen zum Werk geschützt (SZ 45/102 = ÖBl 1973, 112 - C'est la vie mwN). Diese Beziehungen sind vielfältig; sie betreffen nicht nur die Gefühlssphäre und die geistigen Interessen, sondern auch den äußeren Bereich der Persönlichkeit, wie Ansehen und Ruf. Der durch einen Urheberrechtseingriff verursachte immaterielle Schaden kann demnach sowohl in reinen Gefühlsschäden und in der Verletzung geistiger Interessen als auch in der Beeinträchtigung des äußeren Bereiches der Persönlichkeit (Minderung des Ansehens, Rufschädigung) bestehen. Immaterieller Schaden ist ganz allgemein Persönlichkeitsminderung im weitesten Sinn des Wortes (s Stoll, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, 127).

Während bei der Beeinträchtigung des äußeren Bereichs der Persönlichkeit, ebenso wie bei der Verletzung geistiger Interessen, Anhaltspunkte für eine gewisse Objektivierung bestehen, sind reine Gefühlsschäden regelmäßig nicht bestimmbar. Ihre Aufklärung ist schon aus tatsächlichen Gründen kaum möglich; aus rechtlichen Gründen steht ihr entgegen, daß sie vorausetzt, die Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten zu erforschen (E. Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 51ff). Daraus folgt eine restriktive Haltung gegenüber dem Ersatz reiner Gefühlsschäden (E. Lorenz aaO 55; F. Bydlinski, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem JBl 1965, 173, 237 [244]; s auch Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht3 I Rz 11/7 mwN), die auch im Anwendungsbereich des § 87 Abs 2 UrhG dazu führen muß, daß reine Gefühlsschäden nur ersetzt werden, wenn sie nachvollziehbar sind, sei es, daß auch ein Durchschnittsmensch ähnliche Unlustgefühle verspürte, sei es, daß äußere Integritätsverletzungen auf ihr Vorhandensein schließen lassen.

Die Rechtsprechung macht den Ersatz immaterieller Schäden davon

abhängig, daß besondere, eine Entschädigung rechtfertigende Umstände

vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn die Beeinträchtigung den mit

jeder Urheberrechtsverletzung verbundenen Ärger übersteigt und es

sich um eine ganz empfindliche Kränkung handelt (stRsp SZ 60/122 = MR

1994, 239 = ÖBl 1993, 279 = RdW 1994, 105 = Schulze/122 [Dittrich] -

WIN; zuletzt 4 Ob 63/98p = MR 1998, 194 [Walter] = RdW 1998, 610 -

Rauchfänge, jeweils mwN uva). Der Kläger muß behaupten, worin die

durch die Rechtsverletzung verursachte empfindliche Kränkung besteht,

wenn sich dies nicht schon aus der Behauptung der im Einzelfall

beeinträchtigten Interessen ergibt (SZ 67/71 = ÖBl 1995, 186 =

Schulze/123 [Dittrich] - Lebensberater; MR 1996, 298 [Korn, MR 1996,

240] = ÖBl 1996, 298 - Gerhard Berger II). "Kränkung" ist in diesem

Zusammenhang, ebenso wie "Ärger", nicht allein das subjektive

Empfinden des Verletzten, sondern maßgebend ist, ob und in welchem

Ausmaß seine Persönlichkeit im weitesten Sinn - Gefühlssphäre,

geistige Interessen und äußerer Bereich der Persönlichkeit - in

objektivierbarer Weise beeinträchtigt wird. In diesem Sinn hat der

OGH ausgesprochen, daß nicht jede Beeinträchtigung der Persönlichkeit

im weitesten Sinn objektiv mit einer ganz erheblichen Kränkung

verbunden sein muß (SZ 60/122 = MR 1994, 239 = ÖBl 1993, 279 = RdW

1994, 105 = Schulze/122 [Dittrich] - WIN mwN).

Einen ideellen Nachteil in diesem Sinn hat die Klägerin am 8. 12. 1992 noch nicht erlitten:

Die Klägerin hat an diesem Tag nur erfahren, daß der Beklagte eine gekürzte Version ihres Filmes ausgestrahlt hat. Auch wenn sie darüber "schier zusammengebrochen" ist, weil sie meinte, daß, wenn überhaupt jemand, dann nur sie selbst den Film kürzen könnte, so war ihr doch noch nicht bekannt, daß der Sinn des Films durch die Kürzung vollkommen entstellt worden war. Erst mit der Kenntnisnahme der gekürzten Version ihres Films hat sie eine auch objektivierbare Kränkung erlitten, wie sie der Ersatzanspruch nach § 87 Abs 2 UrhG voraussetzt. Bevor sie den Film gesehen hatte, konnte sie auch nicht wissen, ob es für ihren allein durch das Wissen um die Kürzung ausgelösten "Zusammenbruch" auch objektive Anhaltspunkte geben würde. Ebensowenig war ihr bekannt, ob die Ausstrahlung der gekürzten Fassung geeignet war, ihr Ansehen zu mindern.

Der "Zusammenbruch" der Klägerin am 8. 12. 1992 ist demnach in zweifacher Hinsicht kein "Erstschaden" in dem Sinn, wie dies der Beklagte meint. Weder hatte die Klägerin eine objektivierbare Kränkung erlitten, noch kannte sie alle Umstände der Rechtsverletzung. Die Verjährungsfrist beginnt aber weder vor dem Eintritt des Schadens zu laufen, noch wird sie in Gang gesetzt, bevor der Geschädigte den Sachverhalt so weit kennt, daß er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann (Mader in Schwimann, ABGB**2 § 1489 Rz 10 mwN). Da der Anspruch der Klägerin schon aus diesem Grund nicht verjährt ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob und wie sich allfällige Vergleichsverhandlungen auf den Ablauf der Verjährungsfrist ausgewirkt haben.

Zur Höhe des der Klägerin zuerkannten Betrages weist der Beklagte zu

Recht darauf hin, daß jedenfalls seit der Entscheidung MR 1998, 194

[Walter] = RdW 1998, 610 - Rauchfänge kein Grund besteht, nicht

bezifferbare Vermögensschäden bei Bemessung des Ersatzanspruches nach

§ 87 Abs 2 UrhG zu berücksichtigen. In dieser Entscheidung ist der

erkennende Senat von seiner bisherigen Auslegung des § 87 Abs 3 UrhG

abgegangen, wonach der Gesetzgeber nur eine Schadenspauschalierung

der Höhe nach beabsichtigte und ein "Grundschaden" nachgewiesen

werden müßte. Auch nicht oder nur schwer beweisbare Vermögensschäden

können daher nach § 87 Abs 1 UrhG geltend gemacht werden; für ihre

Berücksichtigung auch bei Bemessung des Ersatzanspruches nach § 87

Abs 2 UrhG besteht kein Anlaß. Der vom Berufungsgericht für notwendig

erachteten Gleichbehandlung des Ersatzanspruches nach § 87 Abs 2 UrhG

mit dem nach § 16 Abs 2 UWG (s SZ 68/177 = ecolex 1996, 282 = EvBl

1996/72 = MR 1996, 74 = ÖBl 1996, 134 = RdW 1996, 208 = WBl 1996, 128

- Leserverblödung) ist durch die Änderung der Rechtsprechung die

Grundlage entzogen.

Die Einwendungen des Beklagten gegen die Höhe des vom Berufungsgericht zuerkannten Betrages sind aber dennoch nicht begründet:

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist der Rhythmus des Films vollkommen gestört, weil er um wesentliche, ihn prägende Teile gekürzt wurde. Die Aussage des Films kommt nicht mehr zur Geltung. Die Kürzung greift demnach massiv in die geistigen Interessen der Klägerin ein. Ihre objektivierbare Kränkung rechtfertigt den zugesprochenen Betrag auch dann, wenn mit der Beeinträchtigung ihres Rufs verbundene allfällige Vermögensnachteile außer Betracht bleiben.

Der Eingriff in die Urheberpersönlichkeitsrechte der Klägerin kann entgegen der Auffassung des Beklagten durchaus mit jener Rechtsverletzung verglichen werden, die Gegenstand der Entscheidung OLG Wien MR 1985 H 2 Archiv 13 (Korn) - Ephraim Kishon war. In dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Fall war eine Satire in einer gekürzten Fassung mit verändertem Titel abgedruckt worden, so daß sie nicht mehr als Satire erkennbar war. Im vorliegenden Fall haben die Kürzungen den Film so verändert, daß seine Aussage nicht mehr zur Geltung kommt. Beiden Fällen ist gemeinsam, daß das Werk nicht mehr "als Ausdruck der Persönlichkeit" seines Urhebers in Erscheinung tritt.

Das unterscheidet den vorliegenden Fall auch von dem der - vom Beklagten ebenfalls im Zusammenhang mit seinen Einwendungen gegen die Höhe des der Klägerin zuerkannten Betrages zitierten - Entscheidung MR 1998, 194 [Walter] = RdW 1998, 610 - Rauchfänge zugrundeliegenden Sachverhalt. Gegenstand dieser Entscheidung ist ein Fernsehbeitrag, in dem 11 in einer Ausstellung gefilmte Bilder ausschnittsweise (ohne Rahmen und Text) gezeigt wurden, ohne daß die Herkunft der Bilder und der Fotograf genannt worden wären. Damit lagen nicht, wie der Beklagte meint, elf Urheberrechtsverletzungen vor, sondern die Rechtsverletzung bestand in der nicht gehörigen Herstellerbezeichnung, der nicht genehmigten Sendung und der unerlaubten Bearbeitung und damit in einer Beeinträchtigung der geistigen Interessen des Fotografen, die dem massiven Eingriff in die Urheberpersönlichkeitsrechte der Klägerin nicht vergleichbar ist. Dieser Eingriff wiegt nicht deshalb weniger schwer, weil die Klägerin dem Bayrischen Rundfunk und dieser dem Beklagten Bearbeitungsrechte eingeräumt hatte. Im Gegenteil; die Klägerin durfte darauf vertrauen, daß sich der Beklagte an die vertraglichen Vereinbarungen halten würde. Für den Zuspruch immateriellen Schadenersatzes sind im übrigen immer die im konkreten Fall vorliegenden besonderen Umstände maßgebend (MR 1998, 194 [Walter] = RdW 1998, 610 - Rauchfänge).

Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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