OGH 4Ob2376/96g

OGH4Ob2376/96g17.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** geborenen, am 15.Juli 1995 verstorbenen Herta Anna F*****, zuletzt wohnhaft in ***** infolge Revisionsrekurses des Sohnes des Erblassers Ing.Jürgen F*****, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30.September 1996, GZ 16 R 148/96w-23, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 24.Mai 1996, GZ 15 A 198/95x-19, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 15.7.1995 verstorbene Herta F***** hinterließ zwei Kinder, den Revisionsrekurswerber und eine Tochter, Herta P*****. Eine letztwillige Verfügung war nicht vorhanden; beide Kinder gaben die Erbserklärung auf Grund des Gesetzes jeweils zur Hälfte des Nachlasses unter Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars ab. Die Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Herta P***** beantragte, ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen.

In der Todfallsaufnahme vom 21.8.1995 und 8.11.1995 gab Herta P***** an, daß zugunsten der Erblasserin bei der Bank Austria in Baden ein Konto Nr. 734034226 und ein Sparbuch Nr. 134186659 bestünden. Vom Sparbuch seien seit dem Todestag rund S 84.000,-- abgehoben wurden, um insbesondere die Beerdigungskosten zu decken. Ing.Jürgen F***** behauptete, daß 14 weitere Bankkonten bestünden; die Guthaben fielen in den Nachlaß. Die Behauptung seiner Schwester, die Guthaben als Gegenleistung für die Pflege der Mutter erhalten zu haben, sei unrichtig. Es befinde sich auch Schmuck im Besitz von Herta P*****, der zum Nachlaß gehöre.

Eine Anfrage des Gerichtskommissärs ergab, daß das Girokonto Nr. 734034226 (Guthaben von S 36.318,56) und das Sparbuch Nr. 134186659 (Guthaben S 88.240,28) auf Herta F***** lauteten; drei weitere Sparbücher (Guthaben S 30.604,56, S 14.874,31 und S 29.062,92) lauteten auf Überbringer. Alle übrigen Sparbücher seien vor dem Todestag realisiert, worden.

Herta P***** behauptete, daß nur die Guthaben auf dem Girokonto Nr. 734034226 und auf dem Sparbuch Nr. 134186659 in den Nachlaß fielen; alle übrigen Sparbücher habe die Erblasserin bereits 1989 ihrem Schwiegersohn Werner P***** als Gegenleistung dafür gegeben, daß sie im Haus ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes betreut und gepflegt worden sei. 1992 habe Herta F***** ihrem Sohn rund S 130.000,-- als Darlehen gegeben, die bisher nicht zurückgezahlt worden seien. Insoweit bestehe eine Forderung des Nachlasses. Die Erblasserin habe sich am Unternehmen von Werner P***** nicht beteiligt.

Ing.Jürgen F***** beantragt, einen Verlassenschaftskurator zu bestellen, damit dieser eine Manifestationsklage gegen Werner P***** als denjenigen einbringe, der die Sparbücher realisiert habe.

Sämtliche von ihm genannten Sparbücher fielen in den Nachlaß; seien sie bereits realisiert, so stehe dem Nachlaß eine entsprechende Forderung gegen den Verwahrer zu. Die Erblasserin habe sich am Unternehmen ihres Schwiegersohnes beteiligt; auch diese Beteiligungen fielen in den Nachlaß. Auch sie seien zu schätzen und in das Inventar aufzunehmen. Das gleiche gelte für verschiedene Schmuckstücke.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Da die streitgegenständlichen Sparbücher noch zu Lebzeiten der Erblasserin realisiert worden seien, sei diese weder Besitzerin noch Eigentümerin der Sparbücher gewesen. Die Sparbücher seien daher bei der Verlassenschaftsabhandlung nicht zu berücksichtigen. Ansprüche, die die Kinder gegeneinander hätten, seien nicht Gegenstand des Verlassenschaftsverfahrens. Es bestehe daher auch kein Grund, einen Verlassenschaftskurator zu bestellen.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Antragsteller sei als erbserklärter Erbe legitimiert, einen Dritten auf Angabe des Vermögens der Erblasserin zu klagen, das dieser verwahrt habe. Daß andere Verwaltungshandlungen notwendig wären, die einem Kurator aufgetragen werden müßten, stehe nach dem Akteninhalt nicht fest. Träfe der Rechtsstandpunkt des Antragstellers zu, so könnte ein Verlassenschaftskurator noch nicht bestellt werden. Vorher müßte die dem Nachlaß aus der Realisierung der Sparbücher zustehende Forderung in das Inventar aufgenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Antragstellers ist nicht berechtigt.

Der Antragsteller ist der Auffassung, daß der Nachlaß ein Interesse habe, feststellen zu lassen, ob die Realisate der Sparbücher in den Nachlaß fallen. Der Verlassenschaftskurator müsse geeignete Erhebungen anstellen. Der Antragsteller sei nicht legitimiert, jeden Dritten zu belangen, der Nachlaßvermögen verwahrte oder zumindest anzugeben hätte, wo sich Nachlaßvermögen befinde.

Zur Verwaltung des Nachlasses ist der erbserklärte Erbe berufen; mehreren Miterben ist die Verwaltung gemeinsam zu übertragen (Welser in Rummel, ABGB**2 § 810 Rz 1ff, 20 mwN). Ein Verlassenschaftskurator ist zu bestellen, wenn keine Erben bekannt sind oder wenn sie, obwohl sie bekannt sind, von ihrem Erbrecht keinen Gebrauch machen, wenn dringend Verfügungen zu treffen sind, die bekannten Erben aber noch keine Erbserklärung abgegeben haben, wenn widersprechende Erbserklärungen vorliegen oder wenn den Miterben wegen der Gefahr ständiger Streitigkeiten die Verwaltung nicht gemeinsam überlassen werden kann (Welser aaO § 810 Rz 27ff mwN).

Im vorliegenden Fall sind die Erben bekannt; sie haben Erbserklärungen abgegeben, die einander nicht widersprechen. Der Kurator soll bestellt werden, um eine Manifestationsklage gegen einen Dritten einzubringen, der Vermögen des Erblassers verwahrt haben soll.

Gemäß Art XLII Abs 1 EGZPO kann, wer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen oder Schulden anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, mittels Urteiles dazu verhalten werden, allenfalls unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens oder der Schulden anzugeben, was ihm von diesem Vermögen, von den Schulden oder von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, daß seine Angaben richtig und vollständig sind. Zur Klage ist befugt, wer ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens oder des Schuldenstandes hat (Art XLII Abs 2 EGZPO).

Im ersten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO richtet sich die Klagelegitimation nach der materiellen Berechtigung; im zweiten Fall setzt die Klagelegitimation voraus, daß durch die Verheimlichung oder Verschweigung des Vermögens der Kläger selbst unmittelbar in seinen aus dem Gesetz oder einer Vereinbarung abgeleiteten Privatrechten beeinträchtigt wird (Fasching I 97; s auch Fucik/Rechberger in Rechberger, ZPO Art XLII EGZPO Rz 1ff). Materiell berechtigt aus dem vom Antragsteller behaupteten Verwahrauftrag ist der Nachlaß. Der Nachlaß ist daher auch legitimiert, den Manifestationsanspruch geltend zu machen. Durch die Verheimlichung oder Verschweigung von Nachlaßvermögen sind auch die Erben unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt; jeder erbserklärte Erbe, der sein Recht auch - für sich allein (vgl EvBl 1963/463) - durchsetzen kann, ist daher berechtigt, die Vermögensangabe zu verlangen (s Fasching aaO mwN, wonach ein Erbunwürdiger keine Ansprüche bezüglich des Nachlaßvermögens geltend machen kann; s auch SZ 26/137; SZ 48/19).

Der Antragsteller behauptet, daß der Ehegatte seiner Schwester und Miterbin Vermögen der Erblasserin verwahrt habe; seine Schwester bestreitet dies. Es steht daher nicht fest, daß der Schwager des Antragstellers tatsächlich Verwahrer war. Demnach ist ungewiß, ob dem Nachlaß eine Forderung gegen den Schwager des Antragstellers zusteht. Befindet sich jemand, der ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung eines Vermögens hat, in Ungewißheit über dieses Vermögen, so kann er Klage nach Art XLII Abs 1 zweiter Fall erheben (SZ 23/45; ÖBl 1965, 128).

Als erbserklärter Erbe hat der Antragsteller ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Nachlaßvermögens; er ist daher legitimiert, die Manifestationsklage einzubringen (SZ 26/137). Die Vorinstanzen haben es zu Recht abgelehnt, einen Nachlaßkurator zu bestellen.

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

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