OGH 4Ob231/99w

OGH4Ob231/99w28.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Felix M*****, geboren am *****, des mj. Maximilian M*****, geboren am *****, des mj. Lukas M*****, geboren am *****, und des mj. Oliver M*****, geboren am *****, alle vertreten durch die Eltern Ing. Karl M***** und Susanne M*****, beide in M*****, diese vertreten durch Gabler & Gibel, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Genehmigung der Errichtung einer Privatstiftung, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichts St. Pölten vom 23. Juni 1999, GZ 10 R 79/99s-5, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 15. Februar 1999, GZ 1 P 165/98w-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Bestellung eines Kollisionskurators für die Minderjährigen an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Minderjährigen Felix, Maximilian, Lukas und Oliver M***** sind die ehelichen Kinder des Ing. Karl M***** und der Susanne M*****. Die Eltern beabsichtigen, gemeinsam mit ihren Kindern als Mitstifter eine Privatstiftung zu errichten. Sie wollen dadurch den Begünstigten eine standesgemäße Versorgung aus den Erträgnissen des der Stiftung gewidmeten Vermögens gewährleisten und die Erhaltung der von den Stiftern in die Stiftung eingebrachten Vermögenswerte sicherstellen. Durch die Teilnahme der Kinder an der Privatstiftung soll diesen die Ausübung der gesetzlich ausschließlich den Stiftern (Mitstiftern) vorbehaltenen Rechte ermöglicht werden. Rechtliche Nachteile oder Pflichten aus der Teilnahme an der Stiftung werden ausdrücklich ausgeschlossen.

Erstbegünstigte der Stiftung sollen die Stifter sein, wobei die Stiftung bei Lebzeiten des Stifters Ing. Karl M***** ausschließlich thesaurierende Funktion haben soll; Zuwendungen an Begünstigte sollen erst nach seinem Ableben zulässig sein. Ing. Karl M***** ist auch als Mitglied des aus drei Mitgliedern bestehenden Stiftungsvorstands vorgesehen; dieser vertritt die Stiftung jeweils mit einem weiteren Stiftungsvorstandsmitglied und muß somit an allen Vertretungshandlungen mitbeteiligt sein. Die Stifter, ein allfälliger Beirat oder der Stiftungsvorstand selbst sind berechtigt, ein (oder mehrere) Mitglied(er) des Stiftungsvorstands vor Ablauf der Funktionsperiode aus wichtigem Grund abzuberufen. Bei der Bestellung neuer Vorstandsmitglieder und bei der Bestellung des Stiftungsprüfers haben die Stifter ein Nominierungsrecht. Die Stifter sind berechtigt, die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde zu ändern. Zu Lebzeiten des Stifters Ing. Karl M***** sollen die den Stiftern vorbehaltenen Rechte ausschließlich von Ing. Karl M***** allein ausgeübt werden; den anderen Stiftern sollen keinerlei Mitsprache- und Mitwirkungsrechte zustehen. Nach dem Ableben von Ing. Karl M***** soll Susanne M***** berechtigt sein, alle Stifterrechte allein auszuüben; nach ihrem Ableben sollen die Kinder die Stifterrechte gemeinschaftlich ausüben.

Die Stifterrechte sollen als höchstpersönliche Rechte nicht durch gewillkürte oder gesetzliche Vertreter (Sachwalter, Masseverwalter etc.) ausgeübt werden können. Sofern für einen Stifter ein Sachwalter bestellt wird oder über das Vermögen eines Stifters ein Konkursverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt wird oder sofern es trotz des Pfändungsverbots zu einer wirksamen Pfändung oder Verpfändung der Rechte des Stifters kommt, sollen diese erlöschen.

Die Stifter widmen der Stiftung ein Vermögen von insgesamt 1,000.000 S, wovon 950.000 S von Ing. Karl M***** und je 10.000 S von Susanne M***** und von jedem Kind gewidmet werden. Die von den Kindern gewidmeten Beträge stammen von den Eltern; sie wurden den Kindern ausschließlich zum Zweck der Teilnahme an der Stiftung als Mitstifter schenkungsweise zur Verfügung gestellt. In der Stiftungszusatzurkunde widmet Ing. Karl M***** der Stiftung seinen Geschäftsanteil an der Karl M***** GmbH, wodurch die Stiftung Alleingesellschafterin der Karl M***** GmbH wird.

Die Kinder beantragen, die Errichtung der Stiftung pflegschaftsbehördlich zu genehmigen. In der Stiftungsurkunde sei ausdrücklich festgehalten, daß mit ihrer Teilnahme an der Stiftung als Mitstifter keinerlei Verpflichtungen verbunden sind. Sie kämen nur in den Genuß der rechtlichen Vorteile, die vor allem in der Ausübung von Gestaltungsrechten bestünden, wie zB dem Recht, die Stiftung zu ändern oder zu widerrufen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Durch die Errichtung der Stiftung könnten Unterhalts- sowie Erb- und Pflichtteilsansprüche der Kinder beeinträchtigt werden. Für die Kinder sei es rechtlich und wirtschaftlich vorteilhafter, an der Stiftung nicht teilzunehmen. In diesem Fall müßten sie einen allfälligen "Entzug" von Vermögen und Einkommen ihrer Eltern nicht akzeptieren. Bei ihrer Teilnahme an der Stiftung sei dies anders, ohne daß die Kinder entscheidenden Einfluß auf die Stiftung gewännen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Gründeten die Eltern die Stiftung ohne Mitwirkung ihrer Kinder, so könnten deren Unterhaltsansprüche nicht beeinträchtigt werden. Seien sie aber Mitstifter, so könnte ihrer Berufung auf den Anspannungsgrundsatz ein in der Teilnahme an der Stiftung liegender Verzicht ebenso entgegengehalten werden wie das Verbot des venire contra factum proprium. Es sei jedenfalls zu prüfen, ob die Unterhaltsansprüche der Kinder durch Einkünfte des Vaters aus anderen Quellen gesichert sind. Dazu werde die Beiziehung eines Kollisionskurators notwendig sein. Einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung stünden jedoch auch einzelne Bestimmungen der Stiftungsurkunde entgegen. So sei bei der Ausübung der Stifterrechte jede Vertretung der Kinder, ausgenommen vielleicht die durch die Eltern, ausgeschlossen. Das könnte zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Kinder führen. Auch die erbrechtlichen Konsequenzen weckten Zweifel an der Vorteilhaftigkeit der Stiftung in der vorgesehenen Form. Zuwendung von Vermögen des Vaters an die Stiftung könnte die Pflichtteilsansprüche der Kinder verkürzen. Den aufgezeigten Nachteilen der Stiftung stünden zwar erhebliche Vorteile für die Kinder gegenüber; das Gericht könne ein Rechtsgeschäft aber nur genehmigen oder nicht genehmigen. Allfällige Aufträge, Änderungen vorzunehmen, wären nichtig. Vor allem der Ausschluß jeder gewillkürten oder gesetzlichen Vertretung der Kinder (mit Ausnahme jener durch die Eltern) verhindere eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung selbst für den Fall, daß die unterhaltsrechtlichen Bedenken durch die Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters durch einen allenfalls zu bestellenden Kollisionskurator ausgeräumt werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete ordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber weisen zu Recht darauf hin, daß weder die unterhaltsrechtlichen noch die erbrechtlichen Bedenken der Vorinstanzen gerechtfertigt sind. Bei der Beurteilung, ob die Genehmigung der mit den Kindern als Mitstifter zu errichtenden Stiftung dem Kindeswohl entspricht, ist nicht darauf abzustellen, ob die Kinder besser gestellt wären, wenn die Eltern keine Stiftung errichteten, sondern maßgebend ist, ob es für die Kinder von Nachteil ist, daß sie als Mitstifter vorgesehen sind.

Das Rekursgericht meint, daß sich die Kinder dem Vater gegenüber nicht auf den Anspannungsgrundsatz berufen könnten, sollte dieser über kein ausreichendes Vermögen und Einkommen mehr verfügen. Die Teilnahme an der Stiftung als Mitstifter könnte als schlüssiger Verzicht gewertet werden, die Berufung auf den Anspannungsgrundsatz als venire contra factum proprium. Diese Ausführungen sind aus mehreren Gründen nicht überzeugend:

Der Unterhaltsanspruch des Kindes ist aufgrund des Größenschlusses aus § 94 Abs 3 ABGB dem Grunde nach unverzichtbar; verzichtet kann nur auf Teile von Unterhaltsleistungen oder auf einzelne Unterhaltsleistungen werden (EFSlg 53.262; s auch SZ 49/28). Der vom gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen abgegebene Unterhaltsverzicht ist nur mit gerichtlicher Genehmigung bindend (EFSlg 65.130 ua). Jede Unterhaltsregelung, auch die pflegschaftsbehördlich genehmigte, unterliegt der Umstandsklausel (Schwimann, Unterhaltsrecht**2, 99; Purtscheller, Unterhaltsbemessung Rz 294ff mwN; s auch SZ 68/146; 4 Ob 344/98m).

Stiftungsurkunde und Stiftungszusatzurkunde enthalten keinen ausdrücklichen Verzicht der Kinder, auf die Geltendmachung des Anspannungsgrundsatzes zu verzichten. Gegen die Annahme eines schlüssigen Verzichts spricht die ausdrückliche Bestimmung, daß mit der Teilnahme der Kinder an der Privatstiftung keine rechtlichen Nachteile oder Pflichten verbunden sein sollen. Selbst wenn aber die Stiftungsurkunden in dem vom Rekursgericht befürchteten Sinn ausgelegt würden, wäre ein allfälliger Verzicht wegen geänderter Verhältnisse unwirksam, sollten frei verfügbares Einkommen und Vermögen des Vaters nicht mehr ausreichen, seinen Kindern den ihnen zustehenden Unterhalt zu gewähren.

Damit entfällt aber auch die vom Rekursgericht befürchtete Berufung auf das Verbot des venire contra factum proprium. Haben die Kinder mit der Teilnahme an der Stiftung nicht wirksam auf Unterhaltsansprüche verzichtet, so kann ihnen auch nicht entgegengehalten werden, sich mit dem Begehren auf Anspannung des Unterhaltsverpflichteten widersprüchlich zu verhalten.

Die Unterhaltsansprüche der Kinder werden demnach nicht beeinträchtigt, wenn sie als Mitstifter an der Stiftung teilnehmen. Das gleiche gilt für ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche. Auch insoweit könnten die ihnen nach dem Gesetz zustehenden Ansprüche nur dann verkürzt werden, wenn aus ihrer Teilnahme als Mitstifter ein Verzicht auf allfällige Ansprüche abgeleitet werden könnte, wofür aber jede Grundlage fehlt. Nachteile, die sie dadurch erleiden, daß der Vater sein Vermögen (oder einen erheblichen Teil davon) in eine Stiftung einbringt, können nicht berücksichtigt werden, weil sie unabhängig davon eintreten, ob die Kinder Mitstifter sind.

Zu prüfen ist demnach nur, welche Belastungen die Kinder als Mitstifter treffen können:

Die Stifter haften dafür, daß zum Zeitpunkt der Eintragung der Stiftung in das Firmenbuch das gewidmete Mindestvermögen (§ 4 PSG) noch vorhanden ist (Csoklich in Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz 55; Martin C. Huber in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz § 7 Rz 20). Ob darüber hinaus eine Haftung der Gründer für Verbindlichkeiten der Vorstiftung besteht, ist strittig; es ist aber jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß die Stifter für die Gründungskosten haften (RdW 1999, 409 mwN; 6 Ob 331/98i; 1 Ob 56/99p).

Diese möglichen Belastungen der Stifter machen nicht nur eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung der nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb der Kinder gehörenden Stiftung notwendig (§ 154 Abs 3 ABGB; RdW 1999, 409; 6 Ob 331/98i); sie schließen es auch aus, daß die ebenfalls als Stifter an der Stiftung teilnehmenden Eltern die Kinder bei der Errichtung der Stiftung vertreten. Nach § 271 ABGB muß bei einem Geschäft zwischen Minderjährigem und gesetzlichem Vertreter ein Kollisionskurator bestellt werden, wenn die Interessen eines pflichtbewußten gesetzlichen Vertreters den Interessen des von ihm Vertretenen zuwiderlaufen können und aufgrund eines objektiv gegebenen Interessenwiderspruchs eine Gefährdung der Interessen des Minderjährigen möglich ist (stRsp ua SZ 53/136; SZ 64/145; zuletzt 1 Ob 56/99p). Geschäft im Sinne des § 271 ABGB ist in einem weiten Sinn zu versehen; dazu zählen alle Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen, Rechtsverhältnisse und auch Rechtsstreitigkeiten (Schwimann/Schlemmer, ABGB**2 § 271 Rz 4 mwN).

Die Errichtung einer Privatstiftung ist ein Geschäft im Sinne des § 271 ABGB (1 Ob 56/99p); eine Interessenkollision ist nicht ausgeschlossen, solange nicht feststeht, daß aufgrund der Vermögensverhältnisse der Mitstifter keine Haftung der Minderjährigen zu befürchten ist und sie als Mitstifter keine Nachteile treffen. Derzeit kann nicht gesagt werden, daß mit der Mitstiftungserklärung keinerlei Gefahr für die Minderjährigen verbunden wäre (s 1 Ob 56/99p). Ein Kollisionskurator wäre nur dann überflüssig, wenn die Kinder durch ihre Stiftungserklärung ausschließlich Vorteile erlangten. Davon kann aber allein aufgrund der vorgelegten Stiftungsurkunden nicht ausgegangen werden.

Hat der Kollisionskurator die Stiftungsurkunden für die Kinder unterfertigt, so ist gemäß § 154 Abs 3 ABGB die pflegschaftsbehördliche Genehmigung zu beantragen. Sie ist zu erteilen, wenn die Teilnahme der Minderjährigen an der Stiftung in ihrem Interesse liegt und damit dem Kindeswohl dient. Dabei sind die damit verbundenen Vorteile den Nachteilen gegenüberzustellen, die die Kinder als Mitstifter treffen. Als Nachteile kommen nur Belastungen in Betracht, die die Kinder zu tragen haben, weil sie Mitstifter sind; nicht aber auch diejenigen, die unabhängig davon eintreten. Nicht zu berücksichtigen sind auch Einschränkungen der ihnen als Mitstifter zukommenden Rechte, soweit daraus nicht Belastungen folgen.

Das trifft für das in der Stiftungsurkunde unter bestimmten Voraussetzungen (Eröffnung des Konkursverfahrens, Bestellung eines Sachwalters) vorgesehene Erlöschen der Stifterrechte zu. Die Einräumung dieser Rechte ist für die Kinder auch dann nur von Vorteil, wenn sie bei Eintritt bestimmter Umstände erlöschen. Für die Kinder sind damit keine Belastungen verbunden, die sie nicht hätten, wären sie nicht Mitstifter.

Derzeit kann die Errichtung der Stiftung aber schon deshalb nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt werden, weil die Kinder nicht wirksam vertreten waren. Das Erstgericht wird einen Kollisionskurator zu bestellen haben, dessen Aufgabe es sein wird, die Interessen der Kinder bei der Errichtung der Stiftung zu wahren.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und dem Erstgericht aufzutragen, einen Kollisionskurator für die Minderjährigen zu bestellen.

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