Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Grundstückseigentümer und Bauherr eines Bauvorhabens in W*****, setzte den Kläger als Baustellenkoordinator ein und beauftragte den Beklagten mit den Baumeisterarbeiten. Zwischen den Streitteilen besteht kein Vertragsverhältnis.
Der Kläger begehrt 77.761,10 EUR sA und die Feststellung, dass der Beklagte für sämtliche zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden, die dem Kläger durch den vom Beklagten verschuldeten Baustellenunfall in W*****, am 29. 10. 2001 entstanden sind, hafte. Als Baustellenkoordinator habe der Kläger eine Baustellenordnung erstellt, deren Inhalt es ua gewesen sei, dass alle Räume ohne direkte Beleuchtung durch Tageslicht mit einer Verkehrswegebeleuchtung in ausreichendem Maß versehen und nicht gekennzeichnete Verkehrswege gesichert sein müssen. Die Baustellenordnung sei integrierender Bestandteil des zwischen dem Bauherrn und der Beklagten geschlossenen Vertrags. Ungefähr zwei Wochen vor dem Unfall habe der Kläger die fehlende Beleuchtung der Kellerstiege bemängelt. Zum Unfallszeitpunkt sei nach wie vor keine ausreichende Beleuchtung vorhanden gewesen. Der Kläger sei gestürzt und habe an seinem rechten Fuß einen Trümmerbruch erlitten. Der Beklagte (seine Erfüllungsgehilfen) hätten schuldhaft und rechtswidrig gehandelt. Sie hätten nicht für eine ausreichende Beleuchtung der Kellerstiege gesorgt und Verkehrswege nicht freigehalten. Beim Bezirksgericht Hietzing sei zu 14 U 58/02g ein Strafverfahren gegen den Polier des Beklagten geführt worden. Der Polier sei mit der Diversion einverstanden gewesen und habe damit seine Schuld anerkannt. Dem Kläger seien 36.263 EUR an Verdienst entgangen, er fordere ein Schmerzengeld von 40.200 EUR und den Ersatz sonstiger Kosten von 1.298,10 EUR. Da Spät- und Dauerfolgen nicht ausgeschlossen seien, habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.
Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Die Baustellenordnung sei nicht Bestandteil des Vertrags mit dem Bauherrn geworden. Die Kellerstiege sei ausreichend beleuchtet gewesen. Der Kläger habe keine Sicherheitsschuhe, sondern Halbschuhe mit glatter Sohle getragen. Der Kläger hätte auch nicht weitergehen dürfen, wäre er der Meinung gewesen, dass die Kellerstiege nicht ausreichend beleuchtet sei. Er habe den Unfall daher allein verschuldet. Die Baustellenordnung sei kein Schutzgesetz. Jedenfalls fehle aber der Rechtswidrigkeitszusammenhang. Schutzzweck der Baustellenordnung sei der Schutz der Arbeiter und nicht der Schutz des Baustellenkoordinators.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis bestehe, könne der Kläger seinen Schadenersatzanspruch nicht auf Vertrag stützen. Er könne sich auch nicht auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter berufen. Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrags sei ein schutzwürdiges Gläubigerinteresse. Daran fehle es jedenfalls dann, wenn der Dritte kraft eigener Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der den späteren Schädiger als Erfüllungsgehilfen beigezogen habe, einen Anspruch auf Schadenersatz habe. Der Kläger habe ein Vertragsverhältnis mit dem Hauseigentümer und Bauherrn. Bei jeder denkbaren Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses sei davon auszugehen, dass der Bauherr dem Kläger aufgrund rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Beklagten als seines Erfüllungsgehilfen hafte. Auch ein auf ein deliktisches Verhalten des Beklagten gestützter Schadenersatzanspruch scheide aus. Da der Beklagte nicht durch positives Tun in ein absolut geschütztes Rechtsgut des Klägers eingegriffen habe, könnte ein deliktischer Schadenersatzanspruch nur auf eine Schutznormverletzung gestützt werden. Die Baustellenordnung sei keine Schutznorm, da sie nur auf Grundlage eines Vertrags Geltung erlangen könne. Der Kläger könne sich auch weder auf das Bauarbeitenkoordinationsgesetz noch auf Arbeitnehmerschutzbestimmungen berufen. Dass sich der Beklagte einer untüchtigen oder gefährlichen Person als Besorgungsgehilfe bedient habe, habe der Kläger nicht behauptet.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Ziel des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes sei eine Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der auf Baustellen beschäftigten Arbeitnehmer durch die Schaffung von Koordinationspflichten für Bauherrn und Projektleiter im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz. Den Baustellenkoordinator träfen im Interesse des Arbeitnehmerschutzes umfangreiche Koordinations-, Organisations-, Überwachungs- und Informationspflichten, die er eigenverantwortlich zu erfüllen habe. Der Bauherr hafte nur für Auswahlverschulden. Der Werkvertrag, den der Bauherr mit dem Bauunternehmer schließe, sei als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anzusehen, da der Baustellenkoordinator in den Vertrag mit dem Bauunternehmer einbezogen werde. Es sei sachgerecht, den Baustellenkoordinator nicht anders zu behandeln als Familienangehörige und Mieter des Auftraggebers. Dem Kläger stünden auch keine vertraglichen Schadenersatzansprüche gegen den Bauherrn zu. Es sei nicht Aufgabe des Bauherrn, den Baustellenkoordinator beim Überwachen der Einhaltung der Bau- und Sicherheitsvorschriften zu schützen. Für den Beklagten wäre aber auch nichts gewonnen, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verneint würde. Da die im Bauarbeitenkoordinationsgesetz enthaltenen Verhaltensgebote Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB seien, müsse dies auch für die Baustellenordnung gelten. Der Baustellenkoordinator gehöre zu den durch die Baustellenordnung geschützten Personen. Eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten habe der Kläger in erster Instanz nicht behauptet. § 89 Abs 1 StVO sei nicht anzuwenden, weil eine Kellerstiege keine Straße sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.
Der Beklagte macht geltend, dass ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausscheide, weil der Kläger allfällige vertragliche Ansprüche gegen den Bauherrn habe. Nach der Rechtsprechung bestehe kein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers, wenn dieser aufgrund eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der den späteren Schädiger als Erfüllungsgehilfen beigezogen habe, einen Anspruch auf Schadenersatz habe.
Der Beklagte verkennt damit das Rechtsverhältnis zwischen Bauherrn und Baustellenkoordinator. Gemäß § 3 Abs 1 BauKG ist der Bauherr zur Bestellung eines Baustellenkoordinators verpflichtet, wenn auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer beschäftigt sind (Mazal, Arbeitnehmerschutz durch Koordination bei Bauarbeiten, ecolex 1999, 481). Den Baustellenkoordinator treffen im Interesse des Arbeitnehmerschutzes umfangreiche Koordinations-, Organisations-, Überwachungs- und Informationspflichten (Egglmeier-Schmolke, Das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, bbl 2000, 47 [53 ff]). Er hat die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG bei der technischen und organisatorischen Planung, bei der Einteilung der Arbeiten, bei der Abschätzung der voraussichtlichen Dauer für die Durchführung dieser Arbeiten sowie bei der Durchführung der Arbeiten, die Umsetzung der für die betreffende Baustelle geltenden Bestimmungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sowie die Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung der Arbeitsverfahren zu koordinieren (§ 5 Abs 1 BauKG; Mazal aaO ecolex 1999, 482; zu den Pflichten des Baustellenkoordinators s auch Weselik, Bauarbeitenkoordinationsrecht 31 ff). Weist der Baustellenkoordinator auf fehlende Sicherungsmaßnahmen hin, so muss er sich bei besonders gefährlichen Umständen davon vergewissern, dass seine Anweisungen auch umgesetzt werden (Skowronek, Koordinationsprobleme, ecolex 1999, 711 [714]; Weselik aaO 33). Der Baustellenkoordinator nimmt seine Pflichten eigenverantwortlich wahr; der Bauherr haftet nur für Auswahlverschulden (Egglmeier-Schmolke aaO bbl 2000, 55; Weselik, aaO 38 ff).
Der Baustellenkoordinator wird demnach eingesetzt, um Koordinationsaufgaben wahrzunehmen, die sonst dem Bauherrn obliegen. Dem Bauherrn selbst trifft danach keine Haftung für die Verletzung der der Sicherheit dienenden Vorschriften. Das schließt es aus, den beklagten Bauunternehmer - bezogen auf das Verhältnis zum Kläger als Baustellenkoordinator - als Erfüllungsgehilfen des Bauherrn zu werten. Das unterscheidet den vorliegenden Fall von dem der vom Beklagten zitierten Entscheidung 1 Ob 601/92 (= JBl 1994, 331 Karollus: Verfasser eines Gutachtens als Erfüllungsgehilfe des Beratungsunternehmens) zugrunde liegenden Fall. Im hier zu entscheidenden Fall steht dem Kläger gegen seinen Vertragspartner (= Bauherrn) wegen der von ihm erlittenen Verletzung kein vertraglicher Schadenersatzanspruch zu, so dass der Argumentation des Beklagten die Grundlage entzogen ist.
Vertragliche Schutzpflichten und damit auch vertragliche Schadenersatzansprüche bestehen nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur gegenüber dem Vertragspartner, sondern auch gegenüber Personen, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsschluss voraussehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (Bydlinski, Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359;
Koziol, Haftpflichtrecht² II 86; stRsp ua 5 Ob 521/91 = SZ 64/76; 1
Ob 330/98f = SZ 72/89). Einem Dritten steht ein vertraglicher
Schadenersatzanspruch demnach zu, wenn dem Schädiger bei Vertragsabschluss erkennbar war, dass Dritte in den Gefahrenbereich gelangen können, und wenn zwischen seinem Vertragspartner und dem Dritten eine rechtliche Sonderbeziehung besteht. In den Schutzbereich des Vertrags zwischen dem Werkunternehmer und dem Bauherrn werden in diesem Sinn insbesondere dessen Familienangehörige (Koziol aaO 86) und - bei Fehlen eigener vertraglicher Ansprüche gegen einen der Vertragspartner - dessen Mieter (6 Ob 250/01k = ecolex 2002/160; 6 Ob 246/02y = RdW 2004/54) einbezogen.
Zwischen Baustellenkoordinator und Bauherrn besteht - wie oben dargelegt - eine rechtliche Sonderbeziehung, die durch das Interesse des Bauherrn am Einsatz des Baustellenkoordinators auf der Baustelle und damit auch an der gefahrlosen Ausübung der diesem übertragenen Tätigkeit geprägt wird. Dass ein Baustellenkoordinator die Baustelle betreten wird, ist für den Bauunternehmer bei Abschluss des Werkvertrags absehbar, nachdem das Gesetz den Bauherrn (unter den oben erwähnten Voraussetzungen) zur Bestellung eines Baustellenkoordinators verpflichtet. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, um den Baustellenkoordinator in den Schutzbereich des (Werk-)Vertrags zwischen Bauherrn und Bauunternehmer einzubeziehen. Dem Kläger stehen daher - wenn seine Behauptungen zutreffen - vertragliche Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten zu, ohne dass es noch darauf ankäme, ob das Bauarbeitenkoordinationsgesetz nicht nur Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen gewährleisten soll (§ 1 Abs 1 BauKG; s Mazal aaO ecolex 1999, 481; zum Normzweck als objektive Haftungsbegrenzung s Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung 354 ff), sondern - wie der Kläger behauptet - auch Sicherheit und Gesundheitsschutz anderer Personen, wie des Baustellenkoordinators. Auf die Ausführungen der Parteien zur Frage, ob der Beklagte dem Kläger auch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes haftet, ist daher nicht weiter einzugehen. Gleiches gilt für die Frage, ob dem Beklagten ein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten vorzuwerfen ist.
Der Rekurs musste erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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