OGH 4Ob228/12a

OGH4Ob228/12a17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen T***** H*****, geboren am *****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Salzburg, Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 11. Mai 2012, GZ 21 R 139/12f‑143, mit welchem der Rekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 15. Februar 2012, GZ 1 PU 29/10z‑136, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird behoben, und dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs des Minderjährigen in der Sache zu entscheiden.

Text

Begründung

Der am ***** geborene T***** H***** ist das Kind von A***** H***** und Dr. M***** H*****-F*****. Er wächst im Haushalt der allein obsorgeberechtigten Mutter auf. Zuletzt war der Vater verpflichtet, einen monatlichen Unterhalt von 415 EUR zu leisten. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 29. Jänner 2010 wurden dem Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt. Er wird daher nach § 9 Abs 2 UVG in Unterhaltssachen vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten.

Aufgrund eines Antrags des Vaters setzte das Erstgericht den Unterhalt ab Oktober 2010 in bestimmter Weise herab. Dieser Beschluss wurde dem Jugendwohlfahrtsträger am 20. Februar 2012 zugestellt.

Am 5. März 2012 langte beim Erstgericht ein als Rekurs bezeichneter Schriftsatz ein, als dessen Absender in der Kopfzeile die Bezirkshauptmannschaft Salzburg‑Umgebung als Jugendwohlfahrtsträger und die Mutter angegeben waren. Nach dem Einleitungssatz erhoben „in Vertretung des mj T***** H***** […] die Bezirkshauptmannschaft Salzburg‑Umgebung/Jugend-wohlfahrt und die Mutter“ Rekurs gegen den Herabsetzungsbeschluss des Erstgerichts. Unterschrieben war der Schriftsatz nur von der Mutter.

Die Rechtspflegerin des Erstgerichts hielt mit Aktenvermerk vom 6. März 2012 fest, die Referentin der Jugendwohlfahrt habe telefonisch angekündigt, dass ein „Beitritt“ zu diesem Rekurs mit Telefax nachgereicht werde. Das geschah noch am selben Tag, das Original langte am 9. März 2012 ein. Die Bezirkshauptmannschaft erklärte, dass sie „hiermit die schriftliche Zustimmung und Vollmacht zu dem von ihr und Dr. M***** H*****-F***** eingereichten Rekurs“ erteile.

Das Rekursgericht wies den Rekurs als verspätet zurück und ließ den Revisionsrekurs zunächst nicht zu.

Die vierzehntägige Rekursfrist sei am 5. März 2012 abgelaufen. Der erst am 6. März 2012 erklärte „Beitritt“ des Jugendwohlfahrtsträgers sei daher verspätet. Denn nur wenn der Jugendwohlfahrtsträger innerhalb der ihm zustehenden Rechtsmittelfrist dem Rekurs der Mutter beitrete, sei über den Rekurs meritorisch zu entscheiden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich ein mit einer Zulassungsvorstellung verbundener Revisionsrekurs des Minderjährigen. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und den Auftrag an das Rekursgericht, über seinen Rekurs inhaltlich zu entscheiden.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das Fehlen einer Unterschrift des Jugendwohlfahrtsträgers auf dem auch in seinem Namen fristgerecht eingebrachten Rekurs ein verbesserungsfähiger Mangel sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Nach § 9 Abs 2 UVG wird der Jugendwohlfahrtsträger mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Daraus folgt, dass die obsorgeberechtigte Person in Bezug auf alle Unterhalts- und Unterhaltsvorschussangelegenheiten ihr Vertretungsrecht verliert und ihr auch kein Rekursrecht zukommt (RIS-Justiz RS0076463, zuletzt 10 Ob 32/12x; Neumayr in Schwimann/G. Kodek, ABGB4 § 9 UVG Rz 11 mwN). Der Jugendwohlfahrtsträger ist berechtigt, eine andere Person ‑ etwa die bisherige Pflegeperson oder den bisher Obsorgeberechtigten ‑ mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Kindes zu beauftragen. Hat diese Person ohne Ermächtigung des Jugendwohlfahrtsträgers als Vertreter der Kinder ein Rechtsmittel erhoben, kann der Jugendwohlfahrtsträger die meritorische Behandlung des Rechtsmittels erreichen, indem er ausdrücklich dem Rechtsmittel „beitritt“. Voraussetzung einer wirksamen Rechtsmittelerhebung ist aber, dass die Erklärung des „Beitritts“ innerhalb der dem Jugendwohlfahrtsträger offenstehenden Rechtsmittelfrist erfolgt (1 Ob 57/01s; RIS‑Justiz RS0115499: zuletzt 10 Ob 32/12x).

2. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn der Rekurs war sowohl nach den Angaben im Schriftsatz selbst als auch nach jenen in der darauf folgenden Erklärung der Bezirkshauptmannschaft (auch) vom Jugendwohlfahrtsträger eingebracht worden. Zwar war die Erklärung der Bezirkshauptmannschaft insofern missverständlich formuliert, weil sie „hiermit“ die „schriftliche Zustimmung und Vollmacht“ zum Rekurs erteilte. Daraus könnte bei isolierter Betrachtung abgeleitet werden, dass zunächst nur die Mutter den Rekurs erhoben hatte und der Jugendwohlfahrtsträger daher tatsächlich nur ‑ verspätet ‑ „beigetreten“ war. Allerdings stellte die Bezirkshauptmannschaft zugleich klar, dass der Rekurs, wie sich auch aus dessen objektivem Inhalt ergibt, auch von „ihr“ (dh mit ihrem Wissen und Willen) eingebracht worden war. An dieser Angabe zu zweifeln besteht kein Anlass. Damit fehlte im Rekurs tatsächlich nur die Unterschrift des Jugendwohlfahrtsträgers. Es lag somit ein verbesserungsfähiger Formmangel vor (G. Kodek in Fasching/Konecny 2 §§ 84, 85 ZPO Rz 76 mwN), der keine sofortige Zurückweisung rechtfertigte. Der Zurückweisungsbeschluss ist daher zu beheben.

3. Die Erklärung der Bezirkshauptmannschaft, dem Rekurs „zuzustimmen“, ist als vom Jugendwohlfahrtsträger vorgenommene Verbesserung zu werten. Damit ist kein weiteres Verbesserungsverfahren erforderlich. Vielmehr ist dem Rekursgericht aufzutragen, über den Rekurs des Minderjährigen in der Sache zu entscheiden.

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