OGH 4Ob227/10a

OGH4Ob227/10a23.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband *****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 13. September 2010, GZ 2 R 191/10g-17, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 29. März 2010, GZ 4 Cg 27/10k-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Parteien streiten über die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit der Abgabe von Treibstoff an fünf Betriebstankstellen des beklagten Bundeslands. Der klagende Verband stützt sein Unterlassungsbegehren auf das Verrechnen betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigter Preise und auf das Fehlen von gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungen. Das beklagte Land vertritt den Standpunkt, den Treibstoff zum „Selbstkostenpreis“ verkaufen zu dürfen. Dieser Preis ergebe sich aus dem Einkaufspreis und einem Manipulationsaufschlag, der die anteiligen Kosten für das Personal und die Adaptierung der Tankstellen abdecke. Da das Land den Treibstoff ohne Gewinnerzielungsabsicht abgebe, sei die Gewerbeordnung nicht anwendbar.

Das Rekursgericht untersagte dem beklagten Land,

unter missbräuchlichem Einsatz der Mittel, die ihm aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen, öffentliche Tankstellen zu bewerben und/oder zu betreiben, insbesondere an Standorten der Straßenmeistereien bzw der Bau- und Betriebsleistungszentren des Landes ***** Treibstoffe, insbesondere Diesel, zu Selbstkosten und/oder zu betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten niedrigen Verkaufspreisen und/oder unter Einsatz von Landesbediensteten an Kraftfahrer abzugeben.

Zur Begründung verwies das Rekursgericht auf die Entscheidung 4 Ob 283/04b. Die öffentliche Hand verstoße gegen § 1 UWG, wenn sie durch den Verkauf von Treibstoff zu einem betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten Preis in den Wettbewerb eingreife. Bei einem Verkauf zum Selbstkostenpreis treffe das zu. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass die Entscheidung 4 Ob 283/04b noch zur Rechtslage vor der UWG-Novelle 2007 ergangen sei. Zudem habe der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht entschieden, ob die öffentliche Hand Treibstoff zum Selbstkostenpreis (also ohne Gewinnerzielungsabsicht) verkaufen dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des beklagten Landes ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs nicht zulässig.

1. Das Rekursgericht hat zutreffend aufgezeigt, dass der Senat zuletzt in zwei Entscheidungen zur Abgabe von Treibstoff an Betriebstankstellen der öffentlichen Hand Stellung genommen hat. In 4 Ob 283/04b (= ÖBl 2005, 260 [Gamerith] - Billigdiesel-Tankstellen I) hatte das dort beklagte Land Diesel zum Einstandspreis verkauft. Der Senat untersagte dies, weil schon die Nutzung der für öffentliche Zwecke gewidmeten Infrastruktur ohne jeden der öffentlichen Hand wieder zufließenden wirtschaftlichen Vorteil und ausschließlich für Zwecke der Preisunterbietung eine (sittenwidrige) Wettbewerbsverzerrung gegenüber Anbietern sei, denen diese Möglichkeit nicht zur Verfügung stehe. In 4 Ob 261/05v (= wbl 2006, 388 - Billigdiesel-Tankstellen II) hielt er an dieser Rechtsprechung fest, verneinte jedoch einen Lauterkeitsverstoß, wenn die von der öffentlichen Hand verrechneten Abgabepreise die Kosten des Wareneinsatzes und des durch den Betrieb verursachten Aufwands deckten und darüber hinaus ein positives betriebswirtschaftliches Ergebnis gewährleisteten. Dass der Gewinn allenfalls geringer sei als jener eines privaten Anbieters, bedeute noch keinen Machtmissbrauch der öffentlichen Hand. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist daher das Vorliegen einer Quersubventionierung der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand durch Mittel, die an sich öffentlichen Zwecken gewidmet sind.

2. Diese dem Mitbewerberschutz dienende Rechtsprechung wird durch das Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 nicht berührt. Der Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, dass der Begriff der „Unlauterkeit“ in § 1 Abs 1 Z 1 UWG grundsätzlich alle Tatbestände erfasst, die nach altem Recht als sittenwidrig angesehen wurden (4 Ob 37/08g = ÖBl 2009, 27 - Betriebsstätten; RIS-Justiz RS0123659; vgl auch 4 Ob 124/08a = RdW 2008, 715; 4 Ob 127/08t = ÖBl 2009,120 [Mildner] - unseriöse Anbieter; 4 Ob 214/09p = RdW 2010, 581 - Flüssiggas IV). Es ist nicht erkennbar, weshalb das für den hier zu beurteilenden Fall einer sittenwidrigen (unlauteren) Preisunterbietung unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht gelten soll.

3. Das beklagte Land gesteht ausdrücklich zu, mit dem Treibstoffverkauf keinen Gewinn anzustreben; damit begründet es auch seine Auffassung, für die Tankstellen keine Betriebsanlagengenehmigung zu benötigen. Anders als in 4 Ob 283/04b verkauft das Land den Treibstoff zwar nicht zum Einkaufspreis, sondern mit einem „Manipulationsaufschlag“. Dieser Aufschlag deckt aber nach seinem eigenen Vorbringen nur die Mehrkosten ab, die mit der Abgabe von Treibstoff an Privatpersonen verbunden sind (Personal, bauliche Adaptierung). Diese Vorgangsweise ist nur möglich, weil das Land auf das Netz der Landestankstellen zurückgreifen kann (vgl Äußerung ON 6 iVm Beilage ./4, Punkt 12: „unter Nutzung bereits bestehender infrastruktureller Möglichkeiten“). Beim (angeblich) „kostendeckenden“ Verkauf sind daher die Kosten für die Infrastruktur nicht berücksichtigt. Damit ist die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung von der eingangs zitierten Rechtsprechung des Senats gedeckt: Ohne Nutzung der für öffentliche Zwecke und mit öffentlichen Mitteln errichteten Infrastruktur wäre der Treibstoffverkauf zum vom Land verrechneten Preis ein (ständiges) Verlustgeschäft. Ein solcher Preis ist betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt; er lässt sich nur durch die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel (also eine Quersubventionierung) erklären. Die bloß theoretische Frage, ob bei einem auch die anteiligen Gemeinkosten berücksichtigenden Aufschlag anderes gelten würde (dh bei Deckung der Selbstkosten auf Grundlage einer Voll-, nicht einer Grenzkostenrechnung), ist hier nicht zu beantworten.

4. Jedenfalls in der Umgebung der fünf Betriebstankstellen hatte die Vorgangsweise des Landes zweifellos Einfluss auf die wirtschaftlichen Entscheidungen der Mitbewerber. Der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG ist daher erfüllt. Andere erhebliche Rechtsfragen - etwa die den Obersatz des Verbots allenfalls überschreitende Beispielsaufzählung („insbesondere ...“) - macht das Rechtsmittel nicht geltend.

5. Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 41 ZPO. Der klagende Verband hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen; er hat daher nach Maßgabe des Ausgangs des Hauptverfahrens Anspruch auf Ersatz der Rechtsmittelbeantwortungskosten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte