Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Miteigentümerin des Hauses W*****, E*****gasse 23. Das Haus besteht aus Parterre, ersten Stock und Dachgeschoß. Ursprünglich befanden sich im Parterre zwei Wohnungen; diese wurden jedoch 1987/1988 zusammengelegt. 1988/1989 baute die Klägerin das Dachgeschoß zu einer selbständigen Wohnung aus. Der Ausbau wurde ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel finanziert.
Am 1.1.1990 mietete der mittlerweile verstorbene Ehegatte der Beklagten die Wohnung im ersten Stock. Der Mietvertrag wurde für fünf Jahre abgeschlossen und sollte somit bis Ende 1994 laufen. Irrtümlicherweise, gegen den Parteiwillen, vermerkte das Vermittlungsbüro im Mietvertrag den 30.11.1994 als Endtermin.
Die Klägerin bot der Beklagten eine Ersatzwohnung an; die Beklagte lehnte es jedoch ab, die Wohnung zu räumen.
Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr den gesamten ersten Stock des Hauses W*****, E*****gasse 23, geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben.
Die Streitteile hätten am 12.12.1994 vereinbart, das Mietverhältnis per 31.3.1995 zu beenden. Die Beklagte habe die Klägerin ersucht, ihr eine Ersatzwohnung zu suchen. Die Klägerin habe Anfang März 1995 in W*****, B*****gasse 30, eine große generalrenovierte Wohnung gefunden, deren Mietzins vergleichbar gewesen sei. Die Beklagte zahle derzeit S 23.000,-- monatlich. Die Beklagte habe es abgelehnt, die Ersatzwohnung zu besichtigen, und erklärt, nicht ausziehen zu wollen.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.
Im Haus seien mindestens vier Wohnungen. Die Befristung sei daher unzulässig gewesen. Auch bei zulässiger Befristung sei das Räumungsbegehren unbegründet, weil die Klägerin nicht rechtzeitig gerichtliche Schritte gesetzt habe. Am 26.2.1995 habe die Klägerin die Beklagte erstmals ersucht, den Mietvertrag einvernehmlich aufzulösen. Die Beklagte habe abgelehnt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Die Räumungsklage sei verfristet. Der Vertrag habe sich um das Ausmaß der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer erneuert.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die schriftliche Vereinbarung, das Mietverhältnis beginne am 1.1.1990 und werde auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen, es ende daher am 30.11.1994, ohne daß es einer weiteren Aufkündigung bedürfe, sei in sich widersprüchlich. Aus der Urkunde selbst ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, welchen Endtermin die Parteien gewünscht haben. Es sei daher schon ursprünglich ein Vertrag auf unbestimmte Zeit zustande gekommen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.
Die Klägerin verweist darauf, daß die Vereinbarung einer Bestanddauer von fünf Jahren dem Vertrag zu entnehmen sei. Der Vertrag habe am 31.12.1994 geendet. Die Klägerin habe der Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31.3.1995 eingeräumt, um ihr auch noch eine Ersatzwohnung suchen zu können.
Nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG wird ein Mietvertrag durch Zeitablauf aufgelöst, wenn (ua) in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen (§ 1 Abs 4 Z 2 MRG) vereinbart worden ist, daß er durch Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt. § 1 Abs 4 Z 2 MRG läßt Wohnräume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, unberücksichtigt.
Bei Abschluß des Mietvertrages hatte das Haus nur zwei selbständige Wohnungen, weil der erst nachträglich ausgebaute Dachboden nicht zu berücksichtigen ist. Daß im Erdgeschoß ursprünglich zwei Wohnungen vorhanden waren, ändert daran nichts, weil der im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bestehende Zustand maßgebend ist.
Die Befristung ist durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist; der unbedingte Endtermin muß aus der Urkunde selbst hervorgehen (WoBl 1992, 55 [Hanel] = MietSlg 42.299, 42.533; Würth in Rummel, ABGB**2 § 29 MRG Rz 5 mwN).
Ob ein Endtermin bestimmt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Auch eine formbedürftige Willenserklärung ist ungeachtet des Wortlautes der Erklärung entsprechend dem tatsächlich übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig (EvBl 1980/99; JBl 1985, 681 mwN). Die Berücksichtigung von Begleitumständen und formlosen Nebenabreden hat darin ihre Grenze, daß sich für den wahren Willen der Parteien in der Urkunde irgendein wenn auch noch so geringer Anhaltspunkt finden muß ("Andeutungstheorie"; s Rummel in Rummel, ABGB**2 § 886 Rz 13; SZ 61/111 mwN; 4 Ob 601/95).
Der Mietvertrag wurde am 1.1.1990 für 5 Jahre abgeschlossen und sollte "daher" am "30.November 1994" enden. Der 30.11.1994 wurde irrtümlich, gegen den Parteiwillen, im Mietvertrag erwähnt; der Vertrag sollte 5 Jahre laufen. Trotz des Widerspruches zwischen der Vertragsdauer von 5 Jahren und dem schon nach Ablauf von 4 Jahren und 11 Monaten festgesetzten Endtermin 30.11.1994 geht aus dem Mietvertrag eindeutig hervor, daß er auf bestimmte Zeit geschlossen wurde. Maßgebend ist der Wille der Parteien, den Vertrag nach 5 Jahren enden zu lassen; der Vertrag ist daher mit 31.12.1994 ausgelaufen.
Verträge mit unbedingtem Endtermin werden stillschweigend verlängert, wenn der Bestandnehmer die Bestandsache weiter benützt und der Bestandgeber es dabei "bewenden läßt" (§ 1114 ABGB). § 569 ZPO stellt die widerlegliche Rechtsvermutung auf, daß eine solche Verlängerung dann anzunehmen ist, wenn nicht binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit eine Klage auf Zurückstellung oder Zurücknahme durch den Bestandgeber oder Bestandnehmer eingebracht wird. Der Vertrag wird auch dann nicht verlängert, wenn ein Vertragsteil auf andere Weise seinen Willen, den Vertrag nicht fortzusetzen, unzweifelhaft zum Ausdruck bringt (Würth aaO § 1114 Rz 4; EvBl 1974/42 = MietSlg 25.575; JBl 1988, 450 = MietSlg 39.408/40). Eine derartige Handlung oder Erklärung kann auch schon vor Ablauf der Bestandzeit erfolgen; sie muß nur in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende der Bestandzeit stehen (WoBl 1992, 104 = EvBl 1992/171 = ecolex 1992, 408; WoBl 1992, 117 [Hanel]; 4 Ob 601/95; Rechberger in Rechberger, ZPO § 569 Rz 1).
Nach den - von der Beklagten in der Berufungsbeantwortung bekämpften - Feststellungen des Erstgerichtes hat die Klägerin die Beklagte um den 10. oder 15.12.1994 auf den Ablauf des Mietvertrages aufmerksam gemacht und sie ersucht, die Wohnung bis 30.3.1995 zu räumen. Sie hat es nicht übers Herz gebracht, noch vor Weihnachten die Räumungsklage einzubringen, sondern sich bemüht, für die Beklagte eine Ersatzwohnung zu finden. Eingebracht wurde die Räumungsklage am 6.4.1995, nachdem mehrere Versuche erfolglos geblieben waren, die Beklagte zur Besichtigung der im Auftrag der Klägerin vermittelten Ersatzwohnung zu bewegen.
Wenn die Feststellung des Erstgerichtes richtig ist, dann hat die Klägerin vor Ablauf der Bestandzeit von 5 Jahren unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen will. Auch während der Zeit bis zur Einbringung der Räumungsklage hat sie durch die in ihrem Auftrag gesetzten Bemühungen, der Beklagten eine Ersatzwohnung zu verschaffen, keinen Zweifel daran gelassen, daß sie den Vertrag nicht verlängern will.
Das Berufungsgericht hat die Beweis- und Mängelrüge der Beklagten nicht erledigt, weil es der Berufung der Klägerin schon aus rechtlichen Gründen nicht Folge gab. Die von der Beklagten bekämpfte Feststellung ist für die Entscheidung wesentlich; diese Feststellung wurde getroffen, ohne die von der Beklagten zum Beweis ihres Vorbringens, daß die Klägerin erstmals am 26.2.1995 ersucht habe, das Mietverhältnis einvernehmlich aufzulösen, beantragte Zeugin Dr.Elisabeth K***** vernommen zu haben. Da die Vernehmung der Zeugin gerade zu jenem Thema beantragt wurde, das Gegenstand der bekämpften Feststellung ist, kann die Mängelrüge nicht ohne Vernehmung der Zeugin erledigt werden. Wenn dies auch durch das Berufungsgericht zu geschehen hätte, so sprechen doch prozeßökonomische Gründe dafür, die Entscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Zum Thema der bekämpften Feststellung liegen auch Aussagen der übrigen Zeugen und der Parteien vor, die bei der Verfahrensergänzung zu würdigen sind.
Der Revision war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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