Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.846,22 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 307,77 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und die Erstbeklagte sind im Textilhandel tätig; der Zweitbeklagte ist persönlich haftender Gesellschafter der Erstbeklagten.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat mit der Betreibergesellschaft des Einkaufszentrums „D*****" (= *****) einen Mietvertrag abgeschlossen, in dessen § 8 Abs 2a) „ein Konkurrenzschutz für den Geschäftszweck des Mieters ausgeschlossen" wird. In einer Nebenvereinbarung vom 16. 10. 1985 wird in Ergänzung zu dieser Bestimmung festgehalten,
"dass der Vermieter mit dem Mieter zeitgerecht das Einvernehmen herstellen wird, wenn im D***** Betriebsflächen im Einzelausmaß von mehr als 500 m² für Herrenoberbekleidung und/oder Damenoberbekleidung und/oder Kinderoberbekleidung zur Vergabe gelangen sollten".
Im Jahre 2000 kam es zu Verhandlungen zwischen den Streitteilen, da die Erstbeklagte an einer Übernahme des Unternehmens der Klägerin interessiert war. In diesen Gesprächen wurde die Nebenvereinbarung nicht erwähnt. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen übermittelte der Klagevertreter dem Beklagtenvertreter die Deckblätter zu den Mietverträgen der Klägerin, auf denen (ua) angemerkt war: „Konkurrenzschutz für über 500 m² (Zusatzvereinbarungen lt Schreiben vom 16. 10. 1985)". In der Folge wurden auch die Mietvertragsunterlagen und die Zusatzvereinbarung übermittelt.
Die Erstbeklagte war bereits seit Ende der 80-iger Jahre daran interessiert, Geschäftsräume im Einkaufszentrum zu mieten. Sie fragte auch immer wieder bei der Betreibergesellschaft an, ob größere Flächen zu mieten seien.
Anfang 2002 erfuhr der Geschäftsführer der Klägerin von Verhandlungen der Vermieterin mit einer Mitbewerberin. Die Klägerin sandte der Vermieterin am 27. 2. 2000 die Zusatzvereinbarung vom 16. 10. 1985 und wies auf die ihrer Auffassung nach bestehende Konkurrenzschutzvereinbarung hin. Sie erklärte, dem Abschluss eines Mietvertrags mit der Mitbewerberin nicht zuzustimmen. Der Rechtsvertreter der Betreibergesellschaft wies die Behauptung der Klägerin, aus der Vereinbarung vom 16. 10. 1985 ergebe sich ein Konkurrenzschutz, zurück.
2002 kam es zu Mietvertragsverhandlungen zwischen der Betreibergesellschaft und der Erstbeklagten. Die Vertreterin der Betreibergesellschaft wies in einer Besprechung am 15. 3. 2002 darauf hin, dass die Klägerin eine Konkurrenzschutzvereinbarung behaupte. Die Erstbeklagte ließ von ihrer Rechtsabteilung und vom Beklagtenvertreter prüfen, ob die behauptete Vereinbarung bestehe. Am 21. 3. 2002 schlug der Beklagtenvertreter dem Geschäftsführer der Klägerin vor, dass die Klägerin dem Mietvertragsabschluss mit der Erstbeklagten zustimmen solle. Der Geschäftsführer der Klägerin erwiderte, dass sich die Klägerin erhebliches finanzielles Entgegenkommen erwarte, wenn sie einen Konkurrenten akzeptiere.
Mit Schreiben vom 22. 3. 2002 teilte der Klagevertreter der Erstbeklagten und dem Beklagtenvertreter seine Rechtsauffassung mit, dass es sich um eine Konkurrenzschutzklausel handle. Die Klägerin habe der Vermieterin gegenüber bereits ausdrücklich erklärt, dem Mietvertragsabschluss nicht zuzustimmen. Weder der Vertreter der Erstbeklagten noch der Zweitbeklagte hielten es im Hinblick darauf, dass Juristen eingeschaltet waren, für erforderlich, mit der Klägerin Rücksprache zu halten oder in den Mietvertrag und in die Nebenvereinbarung Einsicht zu nehmen.
In den Mietvertragsverhandlungen zwischen der Vermieterin und der Erstbeklagten wurde erwähnt, dass die Klägerin gegen die Vermieterin eine Unterlassungsklage eingebracht habe. Die Vermieterin beauftragte den Beklagtenvertreter, sie in diesem Verfahren zu vertreten, weil ihr ständiger Rechtsvertreter überlastet und der Beklagtenvertreter mit der Angelegenheit bereits vertraut war.
Die Direktion der Erstbeklagten hielt es für unrealistisch, dass zu Gunsten der Klägerin eine Konkurrenzschutzklausel bestehe. Sie ging davon aus, dass nicht ein Mieter die Mieterstruktur eines Einkaufszentrums bestimmen könne. Auch hatte sie in den letzten Jahren wahrgenommen, dass sich auch andere Konkurrenten im Einkaufszentrum angesiedelt hatten. Sowohl die Anwälte und Juristen der Erstbeklagten als auch die der Vermieterin kamen zum Ergebnis, dass keine Konkurrenzschutzklausel bestehe. In den Verhandlungen wurde jedoch auch die Möglichkeit erörtert, dass die Vermieterin im Verfahren über die Unterlassungsklage unterliegen könnte. Die Vermieterin ließ sich im Mietvertrag mit der Erstbeklagten für diesen Fall das Recht einräumen, den Mietvertrag vorzeitig aufzulösen.
Der Mietvertrag wurde am 26. 4. 2002 abgeschlossen. Die gemietete Geschäftsfläche beträgt 4.000 m². Die Erstbeklagte hat ihr Geschäft am 24. 10. 2002 eröffnet.
Zwischen den Beklagten und der Vermieterin besteht keine Vereinbarung, wonach die Vermieterin die Kosten des Beklagtenvertreters zahlen oder die Beklagten für die Kosten des Beklagtenvertreters in Verfahren der Vermieterin aufkommen sollen. Es gibt auch keine Schad- und Klaglosvereinbarung.
Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, im D*****, den Vertrieb von Herren-Oberbekleidung und/oder Damen-Oberbekleidung und/oder Kinder-Oberbekleidung in einem Geschäftslokal, welches das Einzelausmaß von 500 m² übersteigt, zu unterlassen, insbesondere im Geschäftslokal top 52. Zwischen der Vermieterin und der Klägerin sei ein Konkurrenzschutz vereinbart. Durch den Abschluss des Mietvertrags hätten sich die Beklagten am Vertragsbruch der Vermieterin aktiv beteiligt und diesen damit gefördert. Zwischen den Beklagten und der Vermieterin bestehe eine Schad- und Klaglosvereinbarung. Die Klägerin habe maßgeblich zum Erfolg des Einkaufszentrums beigetragen habe; die Beklagten beuteten den guten Ruf der Klägerin schmarotzerisch aus.
Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Der behauptete Konkurrenzschutz bestehe nicht. Vereinbart seien lediglich Gespräche, um nach Möglichkeit eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden. Die Beklagten hätten die Vermieterin weder zum Vertragsbruch verleitet noch sonst etwas getan, was als sittenwidrige Wettbewerbshandlung gewertet werden könnte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es könne offen bleiben, ob ein Konkurrenzschutz vereinbart sei oder nicht. Das bloße Ausnutzen fremden Vertragsbruchs sei nicht sittenwidrig. Die Erstbeklagte sei nicht verpflichtet gewesen, sich aus den Vertragsverhandlungen bloß deshalb zurückzuziehen, weil sie von den widerprüchlichen Standpunkten der Vermieterin und der Klägerin zur Auslegung der Zusatzvereinbarung Kenntnis erlangt hatte. Sie habe den Ruf der Klägerin nicht schmarotzerisch ausgebeutet.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Klägerin habe keinerlei Handlungen der Beklagten nachgewiesen, die als aktiver Beitrag zu einem Vertragsbruch oder als dessen bewusste Förderung gewertet werden könnten. Ihr sei insbesondere nicht der Nachweis der behaupteten Schad- und Klaglosvereinbarung gelungen. Die bloße Erörterung, dass die Vermieterin das Verfahren über die Unterlassungsklage verlieren könne, und die deshalb vereinbarte Möglichkeit vorzeitiger Auflösung des Mietvertrags seien noch kein aktiver Beitrag zu einem allfälligen Vertragsbruch. In einem solchen Fall seien die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Ungültigkeit der betreffenden Vertragsklausel geringer. Im vorliegenden Fall stehe jedenfalls fest, dass die Klausel unterschiedlich ausgelegt werden könne. Die behaupteten Feststellungsmängel lägen nicht vor. Die Umsatzentwicklung der Klägerin sei kein „besonderer Umstand" zur Beurteilung des Sittenwidrigkeitsvorwurfs. Feststellungen zur Gültigkeit der Klausel hätten sich erübrigt, weil die Beklagten keinen aktiven Beitrag zum angeblichen Vertragsbruch der Klägerin geleistet hätten. Feststellungen zum Verlauf der Mietvertragsverhandlungen und zum Wissensstand der Erstbeklagten habe das Erstgericht ohnehin getroffen.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob die Vereinbarung einer "Ausstiegsklausel" zwischen dem Vertragsbrüchigen und dem den Vertragsbruch Ausnützenden die Sittenwidrigkeit des Ausnützens fremden Vertragsbruchs begründet; die Revision ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das bloße Ausnützen eines fremden Vertragsbruchs ist nach neuerer Rechtsprechung nicht sittenwidrig. Nur wer einen anderen in Wettbewerbsabsicht zum Vertragsbruch verleitet oder den Vertragsbruch eines anderen unter besonderen, die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen ausnützt, handelt nach nunmehr ständiger Rechtsprechung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG (4 Ob 71/94 = ÖBl 1995, 24 - Alpin-Ski-Weltcup-Werbung; s auch 4 Ob 90/95 = ÖBl 1996, 127 - Feuerlöschgeräte; 4 Ob 2345/96y = ÖBl 1997, 158 - S-Powerfrauen, jeweils mwN; 4 Ob 290/02d = RdW 2003, 494). Der Sittenwidrigkeitsvorwurf entfällt, wenn sich der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ungültig darstellt (4 Ob 147/93 = ÖBl 1994, 62 - Fassbier-Pult ua).
Die Klägerin macht geltend, dass der gegenständliche Sachverhalt als „sittenwidriges Verleiten zum Vertragsbruch", zumindest aber als „Ausnützen fremden Vertragsbruchs bei Hinzutreten besonderer, die Sittenwidrigkeit begründender Umstände" zu werten sei. Das ergebe sich bei einer Gesamtbeurteilung aller Umstände, die die Vorinstanzen unterlassen hätten. Sie hätten insbesondere die vereinbarte Ausstiegsklausel gänzlich unberücksichtigt gelassen.
Mit der „Ausstiegsklausel" behält sich die Vermieterin das Recht vor, den Mietvertrag mit der Erstbeklagten vorzeitig zu beenden, sollte sie im Verfahren über die von der Klägerin gegen sie eingebrachte Unterlassungsklage unterliegen. Die Vermieterin sichert sich damit gegen allfällige Ersatzansprüche der Erstbeklagten ab. Hat die Vermieterin für diesen Fall ein außerordentliches Kündigungsrecht, so ist sie nicht verpflichtet, der Erstbeklagten Schäden aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung zu ersetzen. Für die Vermieterin bliebe der von der Klägerin behauptete Vertragsbruch dennoch nicht folgenlos. Sie müsste sich, wie die festgestellte Reaktion der Klägerin auf die Anfrage des Beklagtenvertreters zeigt, aller Wahrscheinlichkeit nach durch finanzielle Zuwendungen um das Einverständnis der Klägerin bemühen oder mit einem branchenfremden Unternehmen einen möglicherweise weniger lukrativen Mietvertrag abschließen.
Das unterscheidet den vorliegenden Fall von den Entscheidungen, auf die sich die Klägerin in diesem Zusammenhang beruft. In dem der Entscheidung 4 Ob 306/84 (= ÖBl 1984, 120 - Fertighäuser) zugrunde liegenden Fall hatte der den Vertragsbruch der Fertighauskundin ausnützende Beklagte die Stornokosten übernommen und damit die Kundin von allen Nachteilen freigestellt, die ihr durch den Vertragsbruch drohten. Das Gleiche gilt, wenn, wie im Fall der Entscheidung 4 Ob 133/03t, dem vertragsbrüchigen Dienstnehmer zugesichert wird, die ihn treffende Konventionalstrafe zu übernehmen (ebenso 4 Ob 290/02d = RdW 2003, 484). Der hier zu entscheidende Sachverhalt kann auch nicht jenem der Entscheidung 4 Ob 381/85 (= ÖBl 1987, 45 - Bezirksjournale) gleichgehalten werden. Im vorliegenden Fall wurde der Verstoß gegen die behauptete Konkurrenzschutzvereinbarung nicht erst dadurch möglich, dass gerade die Erstbeklagte zum Abschluss eines Mietvertrags bereit war; in dem der Entscheidung 4 Ob 381/85 war es hingegen die Bereitschaft des dort beklagten Unternehmens, den Druckauftrag anzunehmen, der die „Bezirksjournale" in die Lage versetzte, den Vertrag mit der klagenden Mitbewerberin vorzeitig aufzulösen.
Die Vereinbarung einer „Ausstiegsklausel" kann daher weder als Verleitung zum Vertragsbruch noch als besonderer Umstand gewertet werden, der das Ausnützen fremden Vertragsbruchs sittenwidrig erscheinen lässt. Das gilt auch für die anderen Umstände, auf die sich die Klägerin beruft. Das Ersuchen des Beklagtenvertreters, die Klägerin solle dem Mietvertragsabschluss zustimmen, könnte nur als Argument dafür gebracht werden, dass die Beklagten die Auslegung der Zusatzvereinbarung durch die Klägerin doch nicht als gänzlich haltlos erachtet hätten; es ist jedoch kein eine Vertragsverletzung fördernder Umstand, sondern - im Gegenteil - darauf gerichtet, das Einvernehmen mit der Klägerin herzustellen und eine Vertragsverletzung auszuschließen. Das Wissen der Beklagten und ihres Rechtsvertreters um die Zusatzvereinbarung würde, sofern damit tatsächlich ein Konkurrenzschutz vereinbart sein sollte, erst eine Ausnützung fremden Vertragsbruchs begründen, die - wie oben dargelegt - allein noch nicht gegen § 1 UWG verstößt; es kann daher von vornherein kein Umstand sein, wie er zusätzlich gegeben sein muss, um die Sittenwidrigkeit zu begründen. Das Gleiche gilt für die von der Klägerin behauptete Vorhersehbarkeit ihrer angeblichen Umsatzeinbußen und das Verhalten des Beklagtenvertreters. Die Sittenwidrigkeit kann nur durch Umstände begründet werden, die das Verhalten der Beklagten betreffen. Ob es vorhersehbar war, dass die Klägerin durch die Ansiedlung eines Konkurrenzunternehmens Umsatzeinbußen erleiden werde, und ob der Beklagtenvertreter die Vermieterin in einem Parallelverfahren vertritt und was er dort vorbringt, ist daher für die Beurteilung des für die Sittenwidrigkeit allein maßgeblichen Verhaltens der Beklagten ohne Bedeutung.
Die Vorinstanzen haben den behaupteten Wettbewerbsverstoß der Beklagten daher zu Recht schon deshalb verneint, weil die Beklagte die Vermieterin weder verleitet hat, den Mietvertrag abzuschließen, noch den Abschluss in einer Weise gefördert hat, der als sittenwidrig zu beurteilen wäre. Damit bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob es aus Sicht der Beklagten überwiegend wahrscheinlich war, dass die Zusatzvereinbarung gar nicht als Konkurrenzschutzklausel zu verstehen sei. Es braucht somit auch auf den von der Klägerin vernachlässigten Umstand nicht weiter eingegangen zu werden, dass die von ihr gewünschte Auslegung der Zusatzvereinbarung in einem unauflösbaren Widerspruch zum Inhalt der Bestimmung steht, die sie ergänzen soll. Wäre die Klausel nämlich tatsächlich so auszulegen, wie dies die Klägerin behauptet, so würde durch sie der Konkurrenzschutz gewährt, den der Mietvertrag ausdrücklich ausschließt.
Die Revision musste erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Revisionsverfahren steht nur der einfache Einheitssatz für Nebenleistungen zu (s § 23 RATG).
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