OGH 4Ob20/84

OGH4Ob20/8426.2.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer Prof.Dr.Halpern und Hon.Prof.Dr.Waas, als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Gerhard A, Chemiker in Braunau am Inn, Sparkassenstrasse 22, vertreten durch Dr.Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei B C Gesellschaft mbH, in Braunau am Inn, Josef-Reiter-Strasse 78, vertreten durch Dr. Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen S 57.643,86 s.A. (Revisionsstreitwert S 53.293,86), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10. November 1983, GZ 5 Cg 17/83-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Braunau am Inn vom 7. April 1983, GZ Cr 3/83-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinem abändernden Teil - Zuspruch einer Urlaubsentschädigung von S 53.293,86 samt 4 % Zinsen seit 1. September 1981 - sowie im Kostenpunkt aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen, nach allfälliger Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war seit 9. Oktober 1978 bei der beklagten Partei als Leiter des chemischen Labors angestellt. Am 10. November 1980 sprach die beklagte Partei mündlich die Kündigung zum 31. Dezember 1980 aus und verzichtete gleichzeitig auf seine weitere Dienstleistung. Als der Kläger die Geschäftsleitung darauf aufmerksam machte, daß er schon seit mehr als 2 Jahren im Unternehmen tätig sei und die Kündigungsfrist deshalb nicht 6 Wochen, sondern 2 Monate betrage, bestätigte die beklagte Partei mit Schreiben vom 4. Dezember 1980 ihre mündliche Mitteilung vom 10. November 1980, wonach sie sich veranlaßt sehe, das Arbeitsverhältnis des Klägers 'unter Einhaltung der gesetzlichen kollektivvertraglichen Frist' zum 31. März 1981 zu kündigen und ab sofort auf seine weitere Mitarbeit zu verzichten; die 'Urlaubsansprüche und sonstigen Freizeitansprüche' seien damit abgegolten.

Unter Hinweis darauf, daß die gesetzliche Kündigungsfrist weniger als 3 Monate betragen habe (§ 9 Abs 1 Z 3 UrlaubsG), begehrt der Kläger von der beklagten Partei für seinen restlichen Urlaubsanspruch von 38 Werktagen eine - der Höhe nach unbestrittene - Urlaubsentschädigung von S 53.293,86 samt 12 % Zinsen seit 1. September 1981. Dieser Anspruch bestehe auch bei Zugrundelegung der tatsächlichen, 3 Monate übersteigenden Kündigungsfrist zu Recht, weil dem Kläger ein Verbrauch des Urlaubs während der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei (§ 9 Abs 1 Z 4 UlaubsG). Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe ihr Schreiben vom 4. Dezember 1980 widerspruchslos zur Kenntnis genommen. Ein Verbrauch des gesamten Resturlaubs während der Zeit der Dienstfreistellung (10. November 1980 bis 31. März 1981) wäre ihm nicht nur möglich, sondern auch zumutbar gewesen. Das Erstgericht wies das oben dargestellte Klagebegehren ab. Auf der Grundlage der eingangs wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen sei ein Anspruch des Klägers auf Urlaubsentschädigung zu verneinen. Nach § 9 Abs 1 Z 3 und 4 UrlaubsG sei nicht die gesetzliche Kündigungsfrist, sondern jener Zeitraum maßgebend, der im Einzelfall zwischen dem Ausspruch der Kündigugung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. Besondere Umstände, die den Kläger daran gehindert hätten, seinen noch ausstehenden Urlaub zwischen dem 10. November 1980 und dem 31. März 1981 zu konsumieren, seien nicht hervorgekommen.

Das Berufungsgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 53.293,86 samt 4 % Zinsen seit 1. September 1981 und wies das Zinsenmehrbegehren - insoweit rechtskräftig - ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Sachverhaltsfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz. Davon ausgehend, hielt es die Rechtsrüge des Klägers für begründet: Durch die - wenngleich zeitwidrige - Kündigungserklärung der beklagten Partei vom 10. November 1980 sei das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 1980 aufgelöst worden. Damit sei aber auch schon der Anspruch auf Urlaubsentschädigung nach § 9 Abs 1 Z 3 UlaubsG entstanden, weil nicht nur die gesetzliche Mindestfrist, sondern auch der bis 31. Dezember 1980

tatsächlich verbleibende Zeitraum kürzer als 3 Monate gewesen sei. Von den durch die zeitwidrige Kündigung der beklagten Partei ausgelösten Rechtsfolgen sei nachträglich nur in bezug auf den Endigungstermin abgegangen worden, weil die beklagte Partei 'die Kündigung gemäß der Bestimmung des § 20 AngG richtiggestellt' habe. Das für den Kläger durch die Kündigung vom 10. November 1980 kraft Gesetzes gemäß § 9 Abs 1 Z 3 UrlaubsG entstandene Recht auf Urlaubsentschädigung hätte nur noch im Wege einer Vereinbarung zwischen den Parteien geändert werden können. Eine solche Vereinbarung sei jedoch von der beklagten Partei nicht einmal behauptet worden und insbesondere auch durch das Schweigen des Klägers auf das Schreiben der beklagten Partei vom 4. Dezember 1980 nicht zustande gekommen. Auf die Zumutbarkeit eines Urlaubsverbrauches während der Zeit der Dienstfreistellung des Klägers sei bei dieser Sachlage nicht weiter einzugehen. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von der beklagten Partei mit Revision aus dem Grund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bekämpft. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Grundlage des angefochtenen Urteils ist die Rechtsauffassung, daß der Kläger schon mit der Kündigung vom 10. November 1980 ex lege ein Recht auf Urlaubsentschädigung gemäß § 9 Abs 1 Z 3 UrlaubsG erworben habe, welches in weiterer Folge nicht mehr einseitig, sondern nur noch im Wege eine - hier nicht erwiesenen - Parteienvereinbarung hätte geändert werden können. Dem kann nicht gefolgt werden: Daß der in § 9 UrlaubsG geregelte Anspruch auf Urlaubsentschädigung nicht bereits durch den Ausspruch der Kündigung seitens des Arbeitgebers, sondern erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, kann schon deshalb nicht zweifelhaft sein, weil dieser Anspruch gemäß § 9 Abs 1 UrlaubsG in jedem Fall einen im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestehenden, noch offenen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers

voraussetzt (SZ 53/68 = Arb 9871 = SozM I A c 195;

Arb 9643 = ZAS 1978/30 ua) und überdies auch erst dann feststeht, ob

das Arbeitsverhältnis tatsächlich durch die Kündigung und nicht etwa durch vorzeitige Auflösung (Austritt, Entlassung) während der Kündigungsfrist sein Ende gefunden hat (im gleichen Sinn auch Cerny, Urlaubsrecht 114; vgl. auch Klein-Martinek, Urlaubsrecht 121 § 9 Anm. 8.3).

Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsverhältnis des Klägers mit 31.

März 1981 geendet. Zwar wäre durch die von der beklagten Partei am

10. November 1980 zunächst 'zeitwidrig', weil unter Einhaltung einer

Kündigungsfrist von nur 6 Wochen, zum 31. Dezember 1980

ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis an sich schon mit

diesem - verfehlten - Kündigungstermin aufgelöst worden (Arb 9259 =

JBl 1975, 437 = RdA 1975, 283 = ZAS 1975, 223 mit weiteren

Nachweisen; Arb 9663 ua). Die beklagte Partei hat dann aber, als sie

vom Kläger auf diesen Irrtum aufmerksam gemacht worden war, in ihrem

Schreiben vom 4. Dezember 1980 unter ausdrücklichem Hinweis auf die

'gesetzliche kollektivvertragliche Kündigungsfrist' den 31. März

1981 als (neuen) Kündigungstermin genannt. Zu einer solchen

Richtigstellung des Kündigungstermins bedurfte es allerdings nach

Lehre und Rechtsprechung der (ausdrücklichen oder schlüssigen)

Zustimmung des Klägers (SZ 42/155 = Arb 8669 = EvBl 1970/82 = JBl

1970, 536 = SozM I A d 883 = RdA 1970, 228 = ZAS 1971, 13; Arb 6866;

Arb 8470 = JBl 1968, 484 = SozM I A d 764; Arb 9866 = ZAS 1982, 140;

Arb 10.155 = JBl 1983, 559 ua; Martinek-Schwarz, AngG 6 , 402 f § 20

Anm 18). An diesem Einverständnis des Klägers ist aber hier

umsoweniger zu zweifeln, als der Kläger im Verfahren erster und

zweiter Instanz selbst von eine Beendigung seines

Arbeitsverhältnisses mit 31. März 1981 ausgegangen ist (so in ON 1 S

2: '.... bis 31. März 1981

beschäftigt'; in ON 1 S 3: '... daß die tatsächliche Kündigungsfrist

mehr als 3 Monate betragen hat'; in ON 11 S 43: '... mußte die

tatsächliche Beendigung der Dienstzeit mit 31. März 1981 festgelegt werden'), bei der Ermittlung seines noch offenen Urlaubsrestes den Betriebsurlaub bis 6. Jänner 1981 (und nicht nur bis 31. Dezember 1980) berücksichtigt hat (ON 1 S 3) und der Berechnung der Höhe der Urlaubsentschädigung sein Monatsgehalt ab 1. Jänner 1981 zugrunde gelegt hat (ON 1 S 4).

Ist demgemäß aber durch die von der beklagten Partei am 10. November 1980 ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis des Klägers tatsächlich erst mit 31. März 1981 - also mehr als 3 Monate nach der Kündigungserklärung und selbst nach deren 'Berichtigung' am 4. Dezember 1980 - aufgelöst worden, dann hängt die Entscheidung darüber, ob dem Kläger die Urlaubsentschädigung ohne weitere Bedingungen (§ 9 Abs 1 Z 3 UlaubsG) oder nur bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Urlaubsverbrauches während der Kündigungsfrist (§ 9 Abs 1 Z 4 UrlaubsG) gebührt, davon ab, ob als 'Kündigungsfrist' im Sinne der genannten Bestimmungen des Urlaubsgesetzes die im Gesetz zwingend vorgeschriebene oder aber die dem gekündigten Arbeitnehmer tatsächlich eingeräumte Kündigungsfrist zu verstehen ist. Der Oberste Gerichtshof folgt dabei der Auffassung des Erstgerichtes, welches diese Frage im letztangeführten Sinn beantwortet und dies vor allem mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung begründet hat. Wie sich aus § 9 Abs 1 Z 4 UrlaubsG ergibt, geht der Gesetzgeber hier offenkundig davon aus, daß ein Zeitraum von (mindestens) 3 Monaten jedenfalls im Regelfall ausreichen wird, um dem Arbeitnehmer einen Verbrauch seines noch offenen (Rest-)Urlaubes zu ermöglichen. Schon daraus folgt, daß es nach § 9 Abs 1 Z 3 und 4 UrlaubsG nicht auf die im Gesetz normierte, bei der Kündigung eines Arbeitnehmers einzuhaltende Mindestfrist ankommen kann; als 'Kündigungsfrist' im Sinne der angeführten Bestimmungen des Urlaubsgesetzes kann vielmehr sinnvollerweise nur jener - die gesetzliche Kündigungsfrist meist übersteigende - Zeitraum verstanden werden, der dem gekündigten Arbeitnehmer zwischen dem Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (also dem Kündigungstermin) tatsächlich zur Verfügung steht (und, falls er mindestens 3 Monate beträgt, nach dem Willen des Gesetzgebers zum Verbrauch eines allfälligen Urlaubsrestes verwendet werden soll). Die gegenteilige Auffassung könnte dazu führen, daß ein Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmer entgegenkommenderweise unter Einhaltung einer einjährigen - statt der vom Gesetz vorgeschriebenen zweimonatigen - Frist kündigt, auch dann zur Zahlung der vollen Kündigungsentschädigung nach § 9 Abs 1 Z 3 UrlaubsG verpflichtet wäre, wenn ein zumindest teilweiser Verbrauch des noch offenen Urlaubs innerhalb dieser Jahresfrist dem Arbeitnehmer nicht nur möglich, sondern auch zumutbar gewesen wäre; ein solches Ergebnis wäre aber mit dem Grundgedanken und dem dem Zweck der gesetzlichen Regelung sicherlich nicht zu vereinbaren. Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Rechtsansicht ist die Rechtssache noch nicht spruchreif. Von seiner unrichtigen Auslegung des § 9 Abs 1 Z 3 UrlaubsG ausgehend, hat sich das Berufungsgericht mit der - vom Erstgericht bejahten - Zumutbarkeit eines Urlaubsverbrauches während der Kündigungsfrist nicht befaßt und es insbesondere unterlassen, sich mit den vom Kläger in diesem Punkt geltend gemachten Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unzureichenden und unrichtigen Tatsachenfeststellung auseinanderzusetzen. Das angefochtene Urteil muß deshalb in seinem abändernden Teil aufgehoben und dem Berufungsgericht insoweit eine neuerliche, nach allfälliger Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung über die Berufung des Klägers aufgetragen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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