OGH 4Ob2064/96z

OGH4Ob2064/96z14.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Griß und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****verlaggesellschaftmbH, ***** vertreten durch Mag.Dr.Hella Ranner und Dr.Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei G***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 440.000,--), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 6.März 1996, GZ 6 R 5/96-10, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8.November 1995, GZ 23 Cg 251/95h-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Die am 10.5.1996 beim Obersten Gerichtshof eingelangte (zweite) Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 34.975,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.829,30 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Herausgeberin und Medieninhaberin der Zeitung "Der neue Grazer"; die Beklagte gibt die Zeitung "Die Woche - Graz Aktiv" heraus. Beide Zeitungen sind Gratiszeitungen; Inserate werden gegen Entgelt eingeschaltet.

In der Ausgabe Nr. 38 der Zeitung "Die Woche-Graz Aktiv" vom 4.10.1995 wurde in einer doppelseitigen Einschaltung "Der steirische Medienjumbo" vorgestellt:

"Liebe Steirerinnen und Steirer!

Am 26. September ist die 'Steiermark-Woche' als das mit Abstand auflagenstärkste Printmedium in der Steiermark gestartet. Zehn der führenden lokalen Gratiszeitungen haben sich zur 'Steiermark-Woche' zusammengeschlossen.

Dieser unschätzbare Vorteil gepaart mit einem gemeinsamen Auftritt in redaktioneller Ausrichtung und bei der Anzeigenakquisition garantiert sowohl bei Lesern als auch bei Inserenten eine Top-Position in der Steiermark.

Mit dieser medialen Neugründung werden wir zum Gestalter der steirischen Medienwirtschaft bis weit ins nächste Jahrtausend.

Zur 'Steiermark-Woche' haben sich zusammengeschlossen:

Bildpost, Blick, Der Weststeirer, Die Woche - Graz Aktiv, Die Woche -

Der Südsteirer, Die Woche - Leoben Aktiv, Die Woche - Like, Grenzland Aktiv, Hartberger Bezirkszeitung, Weizer Zeitung."

Auf der gegenüberliegenden Seite waren, fächerförmig angeordnet, die Zeitungen abgebildet. Darunter stand "464.385 Auflage".

Der Medienverbund "Steiermark-Woche" ermöglicht es, Inserate in einzelnen, einigen oder allen daran beteiligten Zeitungen einzuschalten. Redaktionelle Beiträge mit überregionaler Bedeutung können übernommen werden. In unregelmäßigen Abständen werden gemeinsam Beilagen gestaltet, die den Zeitungen beigelegt werden. Die im Medienverbund zusammengeschlossenen Zeitungen haben eine Gesamtauflage von 464.385 Stück.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres im wesentlichen inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Behauptungen oder inhaltsgleiche Behauptungen dergestalt aufzustellen, daß mit 26.9.1995 die "Steiermark-Woche" als das mit Abstand auflagenstärkste Printmedium in der Steiermark mit einer Auflage von 464.385 gestartet sei.

Die angekündigte Zeitung "Steiermark-Woche" sei bisher nicht erschienen. Nach wie vor würden die einzelnen Zeitungen erscheinen; ihr Erscheinungsrhythmus sei verschieden. Die Ankündigung erwecke den unzutreffenden Eindruck, daß die "Steiermark-Woche" eine Wochenzeitung sei.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Aus der Ankündigung gehe klar hervor, daß es sich bei der "Steiermark-Woche" um keine neue Zeitung, sondern um einen Medienverbund handle. Die Angaben seien richtig.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.

Aus der Ankündigung ergebe sich eindeutig, daß die "Steiermark-Woche" ein Medienverbund sei. Eine allfällige Irreführung sei nicht relevant, weil für den Inserenten nur maßgebend sei, wieviele Leser sein Inserat erreiche und nicht, wie dies geschehe.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die einstweilige Verfügung erließ. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Leser und Inserenten mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit gewännen bei flüchtiger Betrachtung den irrigen Eindruck, daß eine neue eigenständige Zeitung gegründet worden sei. Diese für sie ungünstigste Auslegung müsse die Beklagte gegen sich gelten lassen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt. Die Klägerin hat zwei Revisionsrekursbeantwortungen eingebracht; eine hat sie - richtigerweise (§ 508a Abs 2 ZPO) - an den Obersten Gerichtshof adressiert; die andere an das Erstgericht. Die an das Erstgericht adressierte Revisionsrekursbeantwortung wurde an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet. Sie war, weil damit gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstoßen wurde (s Gitschthaler in Rechberger, ZPO, § 85 Rz 12 mwN), zurückzuweisen.

Die Beklagte weist darauf hin, daß es dem Inserenten durch die Medienkooperation "Steiermark-Woche" möglich sei, Inserate flächendeckend in der gesamten Steiermark zu schalten. Durch die Zusammenarbeit könnten auch die kleinsten Zeitungen überregionale Artikel bringen.

Nach § 2 UWG ist zur Unterlassung verpflichtet, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes über geschäftliche Verhältnisse Angaben macht, die zur Irreführung geeignet sind. Ob eine Angabe zur Irreführung geeignet ist, hängt davon ab, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Angabe verstehen. Nach ständiger Rechtsprechung verstößt eine Ankündigung schon dann gegen § 2 UWG, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit irrige Vorstellungen erwecken kann (ÖBl 1993, 161 - "Verhundertfachen Sie Ihr Geld" mwN; s auch ÖBl 1981, 159 - Gae-Wolf-Jacken; ÖBl 1984, 70 - MOLKO-mat ua; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht18 § 3 dUWG Rz 33). Die Wirkung einer Werbeankündigung auf das Publikum ist, wenn - wie hier - die Erfahrungen des täglichen Lebens zur Beurteilung ausreichen, eine Rechtsfrage (stRsp ua ÖBl 1985, 105 - C & A; ÖBl 1992, 114 - Prioflor; zuletzt etwa MR 1995, 150 - Städteflugreisen).

Die - für Österreich schon mit dem Beitritt zum EWRA wirksam gewordene - Richtlinie des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung (84/450/EWG) stellt objektive Mindestkriterien auf, nach denen beurteilt werden kann, ob eine Werbung irreführend

ist. Seit der Entscheidung EuGH 6.7.1995 - Mars = WBl 1995, 370 = EWS

1995, 313 = EuZW 1995, 611 = RIW 1995, 687 = ZIP 1995, 1285 ist als

sicher anzunehmen, daß der EuGH vom Bild eines mündigen und verständigen Verbrauchers ausgeht (Gamerith, Die Einflüsse des Gemeinschaftsrechts auf das UWG, WBl 1995, 473 [486]).

Auch irreführende Werbeaussagen verstoßen nur dann gegen § 2 UWG, wenn sie geeignet sind, einen beachtlichen Irrtum auszulösen. Die durch eine Werbeaussage erweckte, mit dem tatsächlichen Inhalt nicht übereinstimmende Erwartung muß mit dem Entschluß des Interessenten zusammenhängen, sich mit dem Angebot zu befassen (stRsp ua MR 1987, 181 - "OÖ.Rundschau" [Korn]).

Selbst ein flüchtiger Betrachter der beanstandeten Einschaltung erkennt, daß damit nicht eine neue Zeitung, sondern nur der Zusammenschluß bestehender und auch weiterhin erscheinender Zeitungen angekündigt wird. Ein Verstoß gegen § 2 UWG läge aber auch dann nicht vor, wenn die Ankündigung zur Irreführung geeignet wäre: Die dem Medienverbund "Steiermark-Woche" angehörenden Zeitungen sind Gratiszeitungen; ein beachtlicher Irrtum kann daher nur bei Inserenten erweckt werden. Inserenten werden aber selbst dann nicht in einer für ihren Entschluß, in der "Steiermark-Woche" zu inserieren, relevanten Weise irregeführt, wenn sie annehmen, daß es sich dabei um eine neue Zeitung handle. Zweck des Medienverbundes ist es (ua), Inserenten die Möglichkeit zu geben, Inserate in allen Gratiszeitungen durchzuschalten. Inserenten erhalten daher durch den Medienverbund jene Leistung, die sie erwarten, wenn sie irriger Weise annehmen, daß mit der "Steiermark-Woche" eine neue eigenständige Zeitung gegründet worden sei.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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