OGH 4Ob181/98s

OGH4Ob181/98s14.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marianne O*****, derzeit in Karenz, *****, vertreten durch Dr.Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Andreas O*****, Maschinenschlosser, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Helfried Krainz, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalts (Streitwert S 198.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4.Februar 1998, GZ 13 R 616/97t-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 29.September 1997, GZ 1 C 41/97p-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat dem Beklagten die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit ihrer am 25.3.1997 noch während aufrechter Ehe eingebrachten Klage begehrt die Klägerin monatlichen Unterhalt von S 5.500,-- ab 1.1.1997. Gleichzeitig brachte sie die Scheidungsklage ein. Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 3.9.1997 (rechtskräftig seit 12.9.1997) gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden des Beklagten geschieden. Der Ehe entstammen der am 12.11.1991 geborene Marcel und der am 8.1.1996 geborene Maik Andreas. Der Beklagte ist ab 1.1.1997 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 4.000,-- für Marcel und S 3.000,-- für Maik Andreas verpflichtet (Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 15.4.1997, 14 P 418/96-5).

Der Beklagte war vom 24.1.1994 bis 27.4.1997 bei der Firma A***** beschäftigt. Sein durchschnittlicher monatlicher Nettoverdienst betrug 1994 S 21.088,-- und 1995 S 26.399,--. Ab 1996 verrichtete der Beklagte freiwillig Montagetätigkeit im Ausland. Unter Berücksichtigung der mit der Auslandstätigkeit verbundenen Zulagen, Überstunden und Urlaubsgeld verdiente er 1996 monatlich netto S 32.627,--. Die Tages- und Nächtigungsgelder betrugen 1996 zusätzlich S 84.390,--. In den ersten vier Monaten des Jahres 1997 verdiente der Beklagte ohne Tages- und Nächtigungsgelder (diese betrugen S 48.074,--) aber unter Berücksichtigung von zehn ausbezahlten Urlaubstagen monatlich netto S 41.751,--. Seit 1.5.1997 ist der Beklagte bei der Firma U***** in Deutschland beschäftigt. Sein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen beträgt nunmehr S 19.015,--.

Bis einschließlich April 1997 zahlte der Beklagte monatliche Rückzahlungsraten von S 6.500,-- für einen zum Ausbau der Ehewohnung aufgenommenen Kredit.

Die Klägerin verfügt seit 8.1.1996 bis voraussichtlich 1.8.1998 über eigenes Einkommen von S 6.310,-- monatlich (Karenzgeld).

Bei Berechnung des begehrten Unterhaltes ging die Klägerin von einem zuletzt bei A***** im Rahmen ausländischer Montagetätigkeiten bezogenen monatlichen Durchschnittsnettoeinkommens des Beklagten von S 35.000,-- aus. Der Beklagte sei auf diesen Betrag anzuspannen; er habe seit 1.1.1997 keine Unterhaltszahlungen geleistet.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Es sei nicht richtig, daß er keinen Unterhalt leiste. Die Klägerin habe im Dezember 1996 ohne Zustimmung des Beklagten S 50.000,-- von seinem Konto abgehoben; überdies leiste er monatlich DM 900,-- für die Rückzahlung eines zum Ausbau der Ehewohnung aufgenommenen Kredites. Er arbeite nunmehr für die Firma U***** in Deutschland und verdiene monatlich netto rund S 18.000,--. Diese Tätigkeit habe er mit Rücksicht auf die zerrüttete Ehe mit der Klägerin begonnen; er beabsichtige nicht, nach Österreich zurückzukehren.

Das Erstgericht setzte den für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.1997 zu leistenden monatlichen Unterhalt mit S 5.500,-- fest, rechnete jedoch die dem Konto des Beklagten entnommenen S 50.000,-- teilweise auf diese Unterhaltsleistung an und kam damit zu einer Klageabweisung für diesen Zeitraum. Für die Zeit ab 1.5.1997 setzte es die monatliche Unterhaltsleistung mit S 1.800,-- fest und wies das darüberhinausgehende Mehrbegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte das Erstgericht fest, der Beklagte, ein deutscher Staatsbürger, habe sich ab 1996 zur Montagetätigkeit im Ausland bereit erklärt, obwohl dies nicht in seinen Aufgabenbereich bei der Firma A***** gefallen sei. Die Klägerin sei zunächst auch aus finanziellen Erwägungen damit einverstanden gewesen. Grundsätzlich hätte mit dem ursprünglichen Gehalt das Auslangen gefunden werden können. Eine Notwendigkeit des Mehrverdiensts unter dem Gesichtspunkt familiärer Ausgaben habe nicht bestanden. Das mit der Montagetätigkeit im Ausland verbundene höhere Einkommen habe sich größtenteils dadurch ergeben, daß der Beklagte ab einem Monat Auslandsaufenthalt keine Lohnsteuer in Österreich zu zahlen hatte. Nach dem ersten längeren Montageaufenthalt von sechs Monaten habe die Klägerin empfunden, daß sich die Eheleute auseinanderlebten. Sie habe dem Beklagten auch mitgeteilt, sie befürchte ungünstige Auswirkungen auf die eheliche Situation. Der Beklagte habe dennoch die Montagetätigkeit fortgesetzt. Mitte oder Ende Oktober 1996 habe er zugegeben, eine Freundin in Deutschland zu haben. Er habe sich im Jänner 1997 polizeilich in Österreich abgemeldet und zu Ostern 1997 seine restlichen persönlichen Gegenstände von der Klägerin abgeholt.

Anfang November 1996 habe sich auf dem Gehaltskonto des Beklagten ein Guthaben von S 96.000,-- befunden. Die Klägerin habe daraus am 10.11.1996 S 50.000,-- behoben und einem Sparbuch gutgeschrieben. Als der Beklagte sie diesbezüglich zur Rede gestellt habe, habe sie ihm erklärt, sie würde das Geld "sicherstellen". In der Folge habe die Klägerin den Betrag für ihren Lebensaufwand und jenen der Kinder verbraucht, da der Beklagte 1997 keine Unterhaltszahlungen für sie und die Kinder geleistet habe. Der Beklagte habe daraufhin die Klägerin mit ihren Unterhaltsforderungen auf die von ihr behobene Summe von S 50.000,-- verwiesen.

Rechtlich ging das Erstgericht vom Einkommen des Beklagten beim neuen Arbeitgeber in Deutschland aus und verneinte eine Anspannung auf das zuvor erzielte Einkommen aus Montagetätigkeit. Der grundsätzliche Lebenszuschnitt der Streitteile sei nicht auf die Montageeinsätze eingerichtet gewesen. Überdies sei der Beklagte deutscher Staatsbürger. 1996/Anfang 1997 hätte sich das Scheitern der Ehe schon abgezeichnet, sodaß sich die Verhältnisse soweit geändert hätten, daß von einer allenfalls davor getroffenen Einigung nicht mehr ausgegangen werden könne. Der der Klägerin bis 30.4.1997 zustehende Unterhalt von S 5.500,-- mindere sich um 44 % des einbehaltenen Betrages, den die Klägerin zur Deckung des Unterhaltes für sich und die Kinder eigenmächtig dem Gehaltskonto des Beklagten entnommen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach - in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruches (§ 508 Abs 3 ZPO) - aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage der Anspannung des Unterhaltsschuldners auf ein fiktives Einkommen aus einer in Österreich ausgeübten Arbeitstätigkeit wenigstens bis zur Ehescheidung liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor. Rechtsprechung fehle auch zur Frage einer schlüssig vereinbarten Aufrechnung der von der Klägerin widerrechtlich behobenen S 50.000,-- gegen künftige Unterhaltsbeiträge. Die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes finde dort seine Grenze, wo der nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessene Unterhalt ohnehin gedeckt sei. Nur das einseitige Ausbrechen aus einvernehmlich gestalteten Lebensverhältnissen könne Anspannungsobliegenheiten verletzen und zur Heranziehung eines fiktiven Einkommens führen. Nach dem hier festgestellten Sachverhalt könne nicht davon ausgegangen werden, daß der durch das vermehrte Einkommen aus der Montagetätigkeit erzielte höhere Lebensstandard einvernehmlich gewählt und damit als "Lebensverhältnis" im Sinn des § 94 Abs 1 ABGB anzusehen wäre. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß die Ehegatten vereinbart hatten, kurzfristig ein höheres Familieneinkommen zu erzielen und zu diesem Zweck einen mehrmonatigen Aufenthalt des Beklagten im Ausland in Kauf zu nehmen. Keinesfalls könne davon ausgegangen werden, daß eine Einigung über diese Art der Tätigkeit auf Dauer zustande gekommen wäre. Der Beklagte könne daher nicht auf eine Tätigkeit angespannt werden, die von der Klägerin während aufrechter Ehe nie erwünscht gewesen sei. Die Angemessenheit des vom Beklagten zu leistenden Unterhalts sei daher anhand des vor der Montagetätigkeit erzielten Einkommens zu beurteilen. Im Vergleich dazu sei sein nunmehriges Einkommen bloß geringfügig niedriger. Der Beklagte wäre aber auch dann nicht auf das erhöhte Einkommen aus Montagetätigkeit anzuspannen, wenn der dadurch erzielte Lebensstandard als einvernehmlich gestalteter Lebenszuschnitt anzusehen wäre. Weitere Voraussetzung für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes sei es nämlich, daß der Unterhaltspflichtige seine Obliegenheit, bei einem den angemessenen Unterhalt nicht ausreichend deckenden Einkommen eine seinen Fähigkeiten entsprechende und zumutbare Erwerbstätigkeit zu entfalten, schuldhaft verletzt. Motiv des Beschäftigungswechsels des Beklagten sei der Umstand gewesen, daß für ihn die Ehe in Österreich gescheitert, er deutscher Staatsbürger sei und daher mit seiner neuen Partnerin in Deutschland leben wolle. Daß er den Berufswechsel zum Zweck der Unterhaltspflicht vorgenommen habe, stehe nicht fest. Auch eine fahrlässige Verletzung seiner Obliegenheiten falle dem Beklagten nicht zur Last. Im übrigen sei die Anspannung auf ein nur durch überdurchschnittliche Überstundenleistung und Beschäftigung außerhalb des Wohnortes erzielbares überdurchschnittliches Einkommen nicht zulässig. Genausowenig könne der Beklagte auf eine Arbeitstätigkeit angespannt werden, die mit mehrmonatigen durchgehenden Auslandsaufenthalten verbunden sei. Auch ein als Maßstab heranzuziehender pflichtbewußter Familienvater und Ehegatte würde nicht ohne zwingende Notwendigkeit einer derartigen Beschäftigung nachgehen. Der von der Klägerin begehrte Unterhaltsanspruch sei damit auch bei weiterhin aufrechter Ehe nicht gerechtfertigt; das gleiche habe nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft zu gelten. Zur Anrechnung des von der Klägerin vom Konto des Beklagten abgehobenen Betrages auf die Unterhaltsbeiträge für Jänner bis April 1997 führte das Berufungsgericht aus, dem festgestellten Verhalten der Streitteile sei zu entnehmen, daß diese zumindest schlüssig die Vereinbarung getroffen hätten, daß der Beklagte auf seinen Rückforderungsanspruch verzichte und die Klägerin den rechtswidrig abgehobenen Betrag zur Deckung ihres Unterhaltes heranziehe. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Klägerin im Rahmen des Aufteilungsverfahrens allenfalls Anspruch auf die Hälfte der Ersparnisse des Beklagten gehabt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht ihren Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe als schlechter verdienender Ehegatte im Sinn des § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB geltend. Bei Berechnung ihres Anspruches (40 % des Familieneinkommens, abzüglich 4 % für jedes unterhaltspflichtige Kind, abzüglich des Eigeneinkommens) strebt sie die Anspannung des Beklagten auf jenes (erhöhte) Einkommen des Jahres 1996 und von Anfang 1997 an, welches der Beklagte aus Montagearbeiten für ein österreichisches Unternehmen im Ausland bezog und das nach den Feststellungen der Vorinstanzen vor allem deshalb erhöht war, weil ihm hiefür keine Lohnsteuer in Österreich vorgeschrieben wurde.

Der Grundsatz der Anspannung geht von der aus § 94 Abs 1 ABGB abgeleiteten Obliegenheit der Ehegatten aus, bei einem für den angemessenen Unterhalt nicht ausreichenden Einkommen eine ihren Fähigkeiten entsprechende und zumutbare Erwerbstätigkeit auszuüben, sofern nur diese nach der Wirtschaftslage ein deutlich höheres Einkommen verspricht. Als eine Art Mißbrauchsvorbehalt wird der Anspannungsgrund nur in Fällen angewendet, in denen der Unterhaltspflichtige schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte verabsäumt, um sich einer (erhöhten) Unterhaltspflicht zu entziehen (Schwimann, Unterhaltsrecht 119). Die Fahrlässigkeit ist an der Sorgfalt eines ordentlichen familien- und pflichtbewußten Ehepartners zu messen. Er muß sich in einem solchen Fall das nach den Verhältnissen erzielbare potentiell höhere Einkommen anrechnen lassen, wobei dieses potentielle Einkommen nach einer den subjektiven Fähigkeiten und der objektiven Arbeitsmarktlage entsprechenden und zumutbaren Erwerbstätigkeit gemessen wird (Schwimann aaO 119 f; Schwimann in Schwimann ABGB**2 Rz 37 ff zu § 94; Gitschthaler, Die Anspannungstheorie im Unterhaltsrecht - 20 Jahre später, ÖJZ 1996, 553 ff mwN). Verfügt der Unterhaltspflichtige über Einkommen, so setzt seine Anspannung voraus, daß die tatsächlich bezogenen Einkünfte in auffälliger Weise hinter den nach den Umständen gerechtfertigten Erwartungen zurückbleiben. Dies wird von der Lehre und Rechtsprechung dann bejaht, wenn der Unterhaltspflichtige seine Einkünfte verringert hat und Anhaltspunkte dafür bestehen, daß er dies allein deshalb getan hat, um sich der Unterhaltspflicht (zumindest teilweise) zu entziehen oder daß der tatsächlich erzielte Erwerb zu Unterhaltsleistungen führt, die - beim Ehegattenunterhalt - den im Hinblick auf die Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten angemessenen Unterhalt nicht mehr decken (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 249; Schwimann aaO Rz 37 mwN; Gitschthaler aaO 555 mwN). Wird aber der nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessene Unterhalt erreicht, stellt sich die Frage der Anspannung nicht.

Ob nun der durch das überdurchschnittliche Einkommen aus Montagetätigkeit erreichte Lebensstandard der Ehegatten einvernehmlich gewählt wurde und damit der Berechnung eines nach ihren Lebensverhältnissen angemessenen Unterhaltes zugrunde zu legen wäre (was das Berufungsgericht verneint), kann dahingestellt bleiben, weil eine schuldhafte Obliegenheitsverletzung als weitere Voraussetzung der Anspannung zu verneinen ist. Angesichts der zu den Beweggründen des Beklagten, Wohnsitz und Arbeitgeber zu wechseln, getroffenen Feststellungen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte Wohnsitz- und Arbeitsplatzwechsel sowie Aufgabe der Montagetätigkeit deshalb vorgenommen hat, um sich seiner Unterhaltspflicht zumindest teilweise zu entziehen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren Beweggründe des Beklagten für sein Handeln das Scheitern der Ehe mit der Klägerin sowie sein Wunsch, als deutscher Staatsbürger mit seiner neuen Partnerin in Deutschland zu leben. Ferner wollte er die mit Montagetätigkeit im Ausland verbundenen Schwierigkeiten für die neue Beziehung von vornherein ausschließen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß einem Unterhaltspflichtigen ausländischer Herkunft unter dem Gesichtspunkt der Anspannung nicht verwehrt werden kann, nach Scheidung einer in Österreich geschlossenen Ehe wieder in sein Heimatland zurückzukehren um dort eine Beschäftigung aufzunehmen (6 Ob 360/97d = RIS-Justiz RS0047599). Dieser Grundsatz hat auch für den Fall der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft zu gelten, wobei es für die Frage der Anspannung nicht darauf ankommt, wer das Verschulden an der Auflösung trägt. Ist aber dem Unterhaltspflichtigen die Begründung eines Wohnsitzes im Ausland nicht im Sinn einer Umgehung seiner Unterhaltspflichten vorwerfbar, ist bei Anwendung des Anspannungsgrundsatzes von den ausländischen Arbeitsmarktverhältnissen auszugehen (Jus-Extra OGH-Z 1483; 6 Ob 181/97t; RIS-Justiz RS0047599). Daß es dem Beklagten bei den Arbeitsmarktverhältnissen in Deutschland möglich gewesen wäre, ein höheres als sein tatsächliches Einkommen zu erzielen, ohne weiterhin Montagetätigkeiten zu verrichteten, hat die dafür beweispflichtige Klägerin (Schwimann aaO 121) nicht einmal behauptet.

Im übrigen könnte eine Anspannung nur auf eine der Berufsausbildung und der bisherigen Tätigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechende und zumutbare Tätigkeit erfolgen (Schwimann aaO 121). Der Unterhaltspflichtige kann nicht dazu verhalten werden, eine für ihn unzumutbare Arbeit anzunehmen (Purtscheller/Salzmann aaO Rz 247 mwN; Gitschthaler aaO 556 mwN). Die Arbeitskraft überfordernde Tätigkeiten, die berufliche Überlastung durch Mehrarbeit oder Zusatzbeschäftigungen und die Erzielung von Überstundeneinkünften wurden bereits als unzumutbar erkannt (Schwimann aaO 121 und Rz 39 mwN). Ob eine ein höheres Einkommen sichernde Tätigkeit dem Unterhaltspflichtigen im Einzelfall zumutbar ist, orientiert sich am Maßstab eines ordentlichen familien- und pflichtbewußten Ehegatten und Vater, der sich mit seinen Kräften dafür einsetzt, seinen Unterhaltsberechtigten angemessenen Unterhalt leisten zu können (Gitschthaler aaO 556). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, wird auch ein pflichtbewußter Ehegatte nicht ohne zwingende finanzielle Notwendigkeit auf längere Sicht einer Beschäftigung nachgehen, die ihm wohl überdurchschnittliches Einkommen verschafft, aber mit monatelangen Auslandsaufenthalten und dadurch notgedrungen mit einer Entfremdung von seiner Familie verbunden ist. Es ist damit aber auch dem Beklagten nicht zumutbar, auf längere Sicht eine Tätigkeit auszuüben, die es ihm nur unter den geschilderten besonders erschwerten Bedingungen ermöglicht, ein überdurchschnittliches Einkommen zu erzielen. Das Berufungsgericht hat somit zu Recht eine Anspannung des Beklagten auf dieses unter besonders erschwerten Bedingungen erzielbare Höchsteinkommen verneint und der Unterhaltsbemessung das vom Beklagten in Deutschland tatsächlich bezogene Einkommen zugrundegelegt.

Die gegen die Anrechnung der von der Klägerin rechtswidrig an sich gebrachten und für ihren Unterhalt verwendeten Beträge auf ihre Unterhaltsforderung von Jänner bis April 1997 vorgebrachten Bedenken der Revision sind nicht überzeugend. Nach den Feststellungen hat die Klägerin im November 1996 S 50.000,-- vom Gehaltskonto des Beklagten abgehoben und - vom Beklagten darauf angesprochen - erklärt, sie habe den Betrag "sichergestellt". Als sie in der Folge Unterhalt begehrte, verwies sie der Beklagte auf diese Beträge, die sie dann auch tatsächlich für ihren Unterhalt (und jenen der Kinder) verbrauchte. Das Berufungsgericht hat das Verhalten der Streitteile als schlüssige Vereinbarung des Inhalts verstanden, daß der Beklagte auf die Rückforderung der von der Klägerin rechtswidrig abgehobenen Beträge verzichtet und die Klägerin diese zur Deckung ihres Unterhalts heranzieht. Diese mit den Grundsätzen der Rechtsprechung in Einklang stehende Auslegung der - am Empfängerhorizont gemessenen - Erklärungen beider Streitteile im Zusammenhang mit ihrem Verhalten ist nicht zu beanstanden.

Angesichts der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung kommt es auf die Frage, ob die Klägerin im Falle einer späteren Aufteilung des ehelichen Vermögens auf die Hälfte des auf dem Gehaltskonto des Beklagten vorhandenen Betrages Anspruch gehabt hätte, nicht mehr an. Im übrigen könnte dieser Betrag einer Aufteilung nach §§ 81 ff EheG nur dann unterliegen, wenn er den ehelichen Ersparnissen zuzurechnen und im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft tatsächlich noch vorhanden gewesen wäre.

Der Revision der Klägerin war somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte