Spruch:
Der Revision und dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Das Teilurteil und der Beschluß der zweiten Instanz werden dahin abgeändert, daß die abweisenden Entscheidungen des Erstgerichtes in der Hauptsache und im Provisorialverfahren wiederhergestellt werden. Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit S 86.093,20 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 12.682,20 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte hat am 28.11.1988 in Gerlos eine Bäckerei eröffnet. In einer Filiale in Ramsau verkauft er außerdem Backwaren und Kaffee; dieses Geschäft ist nur unter der Woche geöffnet. Nach der Eröffnung der Bäckerei versandte der Beklagte Preislisten und ein Werbeblatt, in dem er (u.a.) anbot, für Kunden, die ihren Brotbedarf bei ihm decken, vom 22.12. bis 1.4. auch an Sonn- und Feiertagen frische Semmeln zu backen. Tatsächlich belieferte er vom 22.12.1988 bis zum 1.4.1989 Hoteliers, Fremdenpensionen und andere Kunden an Sonn- und Feiertagen mit frischen Semmeln. Er begann jeweils am Vorabend gegen 20,30 Uhr mit der Arbeit in der Backstube und stellte ohne Beiziehung von Arbeitskräften - an den Wochentagen beschäftigt er einen Bäckergesellen, einen Lehrling, zwei Brotauslieferer und die Ehegattin als Verkäuferin - ca. 14.000 Semmeln her, die er, in neutralen Schachteln verpackt, zunächst mit einem Klein-LKW und später mit einem Kastenwagen ohne Firmenaufschrift den Kunden bis etwa 6,15 Uhr vor die Haustüre stellte oder direkt ins Haus zustellte. Mit Ostermontag (27.3.1989) stellte der Beklagte diese Tätigkeit ein, kündigte aber in einem Inserat an, daß er bestrebt sei, auch im nächsten Winter seinen Kunden an Sonn- und Feiertagen frische Semmeln zu liefern.
Bevor der Beklagte am 22.12.1988 mit dem Backen von Semmeln auch an Sonn- und Feiertagen begann, informierte er sich bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz über die Rechtslage. Die Behörde teilte ihm mit, daß sie für den Fall, daß er an Sonn- und Feiertagen selbst Semmeln backe und ausliefere, keinen Grund zum Einschreiten sehe.
Die klagenden Mitbewerber des Beklagten - der Erstkläger, die Zweitklägerin und der Drittkläger betreiben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Bäckerei in Zell am Ziller, der Viertkläger eine Bäckerei in Mayerhofen - begehren unter Hinweis auf das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, das Bäckereiarbeitergesetz und das Arbeitsruhegesetz, den Beklagten schuldig zu erkennen, an Sonn- und Feiertagen das Backen und Ausliefern von Brot und Backwaren aller Art zu unterlassen; zugleich stellen sie ein entsprechendes Veröffentlichungsbegehren. Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches beantragen die Kläger die Erlassung einer gleichlautenden einstweiligen Verfügung, die (im ersten Rechtsgang) ohne Anhörung des Beklagten erlassen wurde. Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Gewerbeabteilung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz habe ihm die Rechtmäßigkeit seiner Vorgangsweise bestätigt. Es sei in Tirol üblich, daß in der Saison in Fremdenverkehrsorten an Sonn- und Feiertagen Brot gebacken und ausgeliefert wird. Der Beklagte habe beim Backen an Sonn- und Feiertagen keine Arbeitnehmer beschäftigt, sondern diese Arbeit iS des § 2 Abs 1 Z 4 des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes (BZG) in seiner Betriebsstätte persönlich durchgeführt. Auch außerhalb der Betriebsstätte habe er diese Tätigkeit verrichten dürfen, da sie "nicht das für unbeteiligte Dritte erkennbare Erscheinungsbild der dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Arbeiten" aufgewiesen habe (§ 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG). Für die Zulässigkeit der persönlichen Tätigkeit des Beklagten spreche aber auch, daß das nach dem Bäckereiarbeitergesetz 1955 (BäckAG) ursprünglich auch für Inhaber von Backwaren-Erzeugungsbetrieben und deren Familienangehörige geltende Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen (§ 11 Abs 1 iVm § 14 BäckAG) durch die BäckAG-Nov 1975 (Art I Z 9) aufgehoben worden sei. Schließlich sehe die auf Grund des § 13 des Arbeitsruhegesetzes (ARG) ergangene Verordnung des Landeshauptmanns von Tirol vom 9.12.1985 LGBl 81 (Tiroler Wochenend- und Feiertagsruhe-Verordnung) vor, daß der Verkauf und alle damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten zur Betreuung von Kunden, soweit es sich um Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Touristenproviant und Fotoartikel handelt, in Saisonorten - zu denen auch Gerlos gehöre - zulässig sei; da Brot zum Touristenproviant gehöre, könnte es der Beklagte sogar unter Zuhilfenahme von Arbeitnehmern verkaufen.
Das Erstgericht wies in einer gemeinsamen Entscheidung den Sicherungsantrag (im zweiten Rechtsgang) und das Klagebegehren ab. Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als erwiesen an und vertrat die Rechtsansicht, daß die Gewerbeausübung durch den Beklagten unter den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 1 Z 4 BZG falle. Sofern der Gewerbetreibende allein tätig werde, also keine Arbeitnehmer beiziehe, dürfe er dieser Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen in der Betriebsstätte nachgehen; außerhalb der Betriebsstätte dürfe die vom Gewerbetreibenden ausgeübte persönliche Tätigkeit nicht das für unbeteiligte Dritte erkennbare Erscheinungsbild der dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Arbeiten aufweisen. Das dazu in der RV z BZG (198 BlgNR 16.GP 5) erwähnte Beispiel eines Weineinkaufes durch einen Gastwirt am Sonntag lasse sich auch auf das Ausliefern von Waren übertragen. Die Tätigkeit des Auslieferns sei keine einem bestimmten Gewerbe, insbesondere dem Bäckereigewerbe, eigentümliche Arbeit und könne bei unbeteiligten Dritten nicht das Erscheinungsbild von Arbeiten hervorrufen, die für das Bäckereigewerbe typisch sind, zumal der Beklagte die Semmeln in neutralen Schachteln und in einem LKW ohne Firmenaufschrift zugestellt habe.
Das Berufungs- und Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, verurteilte den Beklagten im Hauptverfahren mit Teilurteil, an Sonn- und Feiertagen das Backen und Ausliefern von Brot und Backwaren aller Art zu unterlassen, hob die Entscheidung über das Begehren auf Urteilsveröffentlichung auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; der Wert des Beschwerdegegenstandes und des Streitgegenstandes, über den es (mit Teilurteil) entschieden habe, übersteige S 300.000,--.
Die zweite Instanz war der Ansicht, daß die Tätigkeit des Beklagten, auch wenn er sie persönlich und ohne Hilfe dritter Personen ausübe, das für unbeteiligte Dritte erkennbare Erscheinungsbild der Ausübung des Bäckereigewerbes entstehen lasse; selbst wenn man dieses Erfordernis nur auf § 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG (und nicht auch auf dessen lit a) beziehe, weise das Ausliefern von rund 14.000 Semmeln innerhalb von drei Stunden am frühen Morgen auch mit einem nicht als Firmenwagen gekennzeichneten Fahrzeug und in nicht gekennzeichneten Schachteln für unbeteiligte Dritte das Erscheinungsbild eines Bäckereigewerbes auf. Es könne nicht der Sinn dieser Gesetzesstelle sein, daß ein Bäcker, der seine Tätigkeit mit dem Firmenfahrzeug macht und seine Backwaren in (offenen) Behältern mit erkennbarem Inhalt ausliefert und verkauft, gesetzwidrig, derjenige aber, der die Auslieferung "tarnt", rechtmäßig handelt. Auch der Hinweis des Beklagten auf das in der RV z BZG erwähnte Beispiel des Sonntagseinkaufes eines Gastwirtes bei einem Winzer versage, weil bei einem Großeinkauf eines Gastwirtes bei Winzern das Erscheinungsbild eines Privateinkaufes wohl auch nicht mehr vorläge. Der Beklagte habe daher gegen § 2 Abs 1 Z 4 BZG verstoßen und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbewerbern verschafft.
Die Kläger seien gemäß § 14 UWG als Unternehmer, die Waren gleicher oder verwandter Art herstellten und in den geschäftlichen Verkehr brächten, aktiv legitimiert. Als Unternehmer im Sinne dieser Gesetzesstelle sei auch jede Handelsgesellschaft anzusehen, die eine selbständige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausübt. Auch persönlich haftende Gesellschafter einer solchen Handelsgesellschaft hätten das Recht, im eigenen Namen mit Unterlassungsklage vorzugehen. Der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts müsse im Prozeß gegen einen Dritten selbst auftreten. Für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen dem Beklagten und dem Viertkläger genüge es, daß die von den Mitbewerbern vertriebenen Waren ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten; des Nachweises einer Gefährdung bedürfe es nicht. Der Beklagte bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und das Teilurteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, die Entscheidungen der ersten Instanz wiederherzustellen; hilfsweise beantragt er die Aufhebung des Teilurteils.
Die Kläger beantragen in ihrer Rekurs- und Revisionsbeantwortung, den Rechtsmitteln des Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision und der Revisionsrekurs sind berechtigt. Der Beklagte hat sich darauf berufen, die zuständige Bezirkshauptmannschaft habe ihm die Auskunft erteilt, daß sie keinen Grund zum Einschreiten sehe, wenn er an Sonn- und Feiertagen selbst - d.h. ohne Arbeitnehmer - Semmeln backe und ausliefere; das stehe auch mit der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 Z 4 BZG in Einklang.
Nach dieser Bestimmung ist an Sonn- und Feiertagen die Ausübung folgender (der Gewerbeordnung unterliegender) Tätigkeiten zulässig:
"persönliche, nicht bereits unter die Z 1 oder 3 fallende Tätigkeiten des Gewerbetreibenden, die von diesem
- a) in der Betriebsstätte durchgeführt werden oder
- b) außerhalb der Betriebsstätte durchgeführt werden und nicht das für unbeteiligte Dritte erkennbare Erscheinungsbild der dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Arbeiten aufweisen;
.......".
Diese Bestimmung ist an die Stelle des Art III Z 5 des durch § 5 BZG aufgehobenen Gesetzes vom 16.Jänner 1895 RGBl 21 betreffend die Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe im Gewerbebetriebe (SRG) getreten. Art III Z 5 SRG hatte vom Verbot gewerblicher Arbeit an Sonntagen (Art I SRG) "die persönlichen Arbeiten des Gewerbeinhabers, insoweit dieselben ohne Verwendung eines Hilfsarbeiters und nicht öffentlich vorgenommen werden", ausgenommen.
Nach den Materialien zum BZG (EB zur RV 198 BlgNR 16.GP 5) vermeidet die Nachfolgebestimmung zu Art III Z 5 SRG den problematischen Ausdruck "nicht öffentlich". Die nunmehrige Formulierung (§ 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG) soll klarstellen, daß die in Betracht kommenden persönlichen Tätigkeiten des Gewerbetreibenden außerhalb der Betriebsstätte nur solche sein dürfen, die für unbeteiligte Dritte nicht als typische Tätigkeiten im Rahmen der Ausübung eines bestimmten Gewerbes erkennbar sind. So weise z.B. ein am Sonntag von einem Gastwirt durchgeführter Weineinkauf bei einem Winzer nicht das für unbeteiligte Dritte erkennbare Erscheinungsbild der einem Gastgewerbe eigentümlichen Arbeiten auf, weil auch Privatpersonen ihren Weinbedarf durch Einkauf bei Winzern an Sonntagen deckten.
Aus diesen Ausführungen sowie aus der disjunktiven Verbindung der lit a und der lit b des § 2 Abs 1 Z 4 BZG und der kumulativen Verknüpfung der Voraussetzung, daß die Tätigkeiten des Gewerbetreibenden "nicht das für unbeteiligte Dritte erkennbare Erscheinungsbild der dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Arbeiten aufweisen", mit dem Erfordernis einer "außerhalb der Betriebsstätte durchgeführten" Tätigkeit geht klar hervor, daß die erstgenannte Voraussetzung für lit a (Tätigkeiten des Gewerbetreibenden, die von diesem in der Betriebsstätte durchgeführt werden) nicht gilt. Daraus folgt, daß dem Beklagten, wie er in seinen Rechtsmitteln zutreffend ausführt, nicht verboten werden durfte, an Sonn- und Feiertagen Brot und Backwaren aller Art (in der Betriebsstätte) zu backen.
Außerhalb der Betriebsstätte ist der Beklagte allerdings dadurch tätig geworden, daß er die frisch gebackenen Semmeln auch an Sonn- und Feiertagen ausgeliefert hat. Wie das hier maßgebende Erfordernis, daß die Tätigkeiten "nicht das für unbeteiligte Dritte erkennbare Erscheinungsbild der dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Arbeiten aufweisen" dürfen, auszulegen ist, kann jedoch im vorliegenden Fall auf sich beruhen:
Die Entscheidung der Frage, ob eine bestimmte Gewerbeausübung an Sonn- und Feiertagen zulässig ist und ob insbesondere eine bestimmte, an Sonn- und Feiertagen ausgeübte gewerbliche Tätigkeit unter § 2 Abs 1 Z 1, 2 oder 4 BZG fällt, oder der Gewerbetreibende dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen hat (§ 4 BZG), obliegt der Bezirksverwaltungsbehörde (als Gewerbebehörde); einer abschließenden Beurteilung der Frage, wie § 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG auszulegen ist, bedarf es aber auch als Vorfrage des von den Klägern erhobenen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches nicht:
Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, verlangt das jedem Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens begrifflich innewohnende moralische Unwerturteil jedenfalls dort eine besondere subjektive Komponente auf der Seite des Beklagten, wo der ihm angelastete Wettbewerbsverstoß aus der Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift abgeleitet wird. Was dem Betroffenen hier als "unlauteres Verhalten" angelastet wird, ist der Umstand, daß er sich über eine gesetzliche Norm hinweggesetzt hat, um auf diese Weise einen Wettbewerbsvorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Nur eine dem Beklagten auch subjektiv vorwerfbare Mißachtung einer wettbewerbsrechtlich relevanten Vorschrift rechtfertigt es aber, über die bloße Veranwortlichkeit nach der übertretenen Verwaltungsvorschrift hinaus auch eine unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung iS des § 1 UWG anzunehmen (in diesem Sinne bereits Schönherr in ÖBl 1977, 33; ÖBl 1977, 159; ÖBl 1981, 19; SZ 56/2; ÖBl 1987, 160; SZ 59/33; JBl 1988, 50 = SZ 60/172 ua).
Dieser Grundsatz gilt vor allem dort, wo es um eine unterschiedliche Auslegung der angeblich verletzten Rechtsvorschrift geht. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Verletzung solcher Vorschriften gegen § 1 UWG verstößt, kommt es vor allem darauf an, ob die Auffassung des Beklagten über den Umfang seiner Befugnisse durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann; trifft das zu, dann kann diese Auslegung der gesetzlichen Vorschrift und die darauf beruhende Tätigkeit des Beklagten nicht mehr als eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung iS des § 1 UWG angesehen werden (SZ 59/33). An diesem subjektiven Erfordernis des "Handelns gegen die guten Sitten" bei einem Rechtsbruch nach § 1 UWG ist trotz der von der Lehre daran geübten Kritik (insbesondere Liebscher, Der Unterlassungsanspruch bei Rechtsbruch nach § 1 UWG, WBl 1989, 105;
Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 217, 249 ff, 261 ff;
auch - marginal - Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis, RdW 1989, 244) festzuhalten. Auch wenn man davon ausgeht, daß über § 1 UWG kein Vorwurf oder Unwerturteil ausgesprochen, sondern ordnungskonformes Verhalten im Wettbewerb durchgesetzt werden soll, kommt man nicht daran vorbei, daß zahlreiche Fallgruppen des § 1 UWG (zB Anreißen, Anzapfen, Boykott, vergleichende Werbung, Vernichtungsunterbietung usw.) - und nicht nur der auch von der Lehre erwähnte Fall der sklavischen Nachahmung (Liebscher aaO 109;
Koppensteiner aaO 250) - ohne vorsätzliches Handeln und zum Teil ohne besondere subjektive Unrechtselemente gar nicht denkbar sind, vielmehr ihre Gefährlichkeit für den lauteren Wettbewerb, die sie sittenwidrig (= wettbewerbswidrig) macht, gerade im Vorsatz bzw. in besonderen subjektiven Unrechtselementen zum Ausdruck kommt. So ist zB das Unterschieben einer nicht verlangten oder einer verdorbenen Ware für das Funktionieren eines lauteren Wettbewerbes nur deshalb gefährlich, weil es vorsätzlich oder gar systematisch erfolgt, eine gelegentliche, aus Unachtsamkeit unterlaufene Fehllieferung hingegen nicht. Warum ein subjektives Unrechtselement nicht auch für die Kategorie des sittenwidrigen Rechtsbruches erforderlich sein sollte, ist nicht zu sehen, zumal nach heute herrschender Ansicht ungeachtet des § 2 ABGB Rechtsunkenntnis (und der gleich zu behandelnde Rechtsirrtum ieS) nur vorwerfbar ist, wenn bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit Rechtskenntnis hätte erreicht werden können (Bydlinski in Rummel2, Rz 2 und 3 zu § 2). Der unverschuldete Rechtsirrtum bildet auch im Verwaltungsstrafverfahren einen Schuldausschließungsgrund (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4, 269). Daß das fehlende Verschulden auch auf den im Wettbewersrecht (sonst) grundsätzlich verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch durchschlägt, hat seinen Grund eben darin, daß § 1 UWG "Handeln gegen die guten Sitten" voraussetzt und ein solches Handeln in aller Regel nur bei Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände möglich ist.
Der Beklagte konnte die Auffassung, er dürfe an Sonn- und Feiertagen Semmeln nicht nur backen, sondern auch ausliefern, vor allem deshalb mit gutem Grund vertreten, weil er sich vor dem Beginn dieser persönlichen gewerblichen Tätigkeit bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde erkundigt und dort die Auskunft erhalten hatte, daß die Behörde gegen eine persönliche Tätigkeit des Beklagten an Sonn- und Feiertagen keinen Grund zum Einschreiten sehe. Dazu kommt, daß die Rechtslage bezüglich der Zulässigkeit des Auslieferns immerhin zu Zweifeln Anlaß gibt und eine unterschiedliche Auslegung der angeblich verletzten Rechtsvorschrift in Betracht kommt:
Der Gesetzgeber wollte in § 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG offenbar nur solche persönliche Tätigkeiten des Gewerbetreibenden außerhalb der Betriebsstätte zulassen, aus denen ein unbeteiligter Dritter nicht den (naheliegenden) Schluß ziehen kann, daß eine für das betreffende Gewerbe eigentümliche (= typische) Tätigkeit vorgenommen wird; auf die Kenntnis der von diesen Tätigkeiten (allenfalls) betroffenen Personen (Abnehmer) kommt es hingegen, wie der in den Materialien angeführte "Weineinkauf"-Fall zeigt, anscheinend nicht an (aM aber Schwarz, Arbeitsruhegesetz 430). Nun würde aber ein objektiver Beobachter ("Dritter") aus dem Erscheinungsbild der (getarnten) Tätigkeit des Beklagten (Verwendung eines Fahrzeuges ohne Firmenaufschrift und neutrale Verpackung der gelieferten Ware) - sofern ihm der Beklagte nicht persönlich bekannt ist - zwar den Schluß ziehen, daß hier eine gewerbliche Tätigkeit durch Auslieferung von Waren und keine private Arbeit vor sich geht. Die Ansicht des Erstgerichtes, daß dies nicht ausreiche, weil ein solcher Beobachter darüber hinaus auch erkennen müßte, daß ein Bäcker ausliefert ("Erscheinungsbild der dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Arbeiten"), war jedenfalls vertretbar, wenngleich im Sinne der Entscheidung des Berufungsgerichtes für einen kundigen Beobachter auch naheliegend sein konnte, daß es sich bei dem Auslieferer um einen Bäcker handle, weil ja eine solche Auslieferung zu sehr früher Morgenstunde gerade für das Bäckereigewerbe typisch ist.
Zweifel an der Auslegung des § 2 Abs 1 Z 4 lit b BZG wirft aber auch das bereits erwähnte, in den Materialien zitierte "Weineinkaufs"-Beispiel auf, das schon deshalb nicht besonders glücklich gewählt ist, weil gerade der Betrieb eines Gastgewerbes im Rahmen der Sperrzeitenregelungen gemäß § 198 GewO 1973 gemäß § 2 Abs 1 Z 3 BZG auch an Sonn- und Feiertagen zulässig ist, ein Gastwirt also an diesen Tagen auch Nebentätigkeiten, wie die Warenverschaffung, vornehmen darf. Auch wenn man von dieser Ausnahmevorschrift absieht, kann sich aber dieses Fallbeispiel objektiv nur auf einen - in der Regel wohl beträchtliche Mengen umfassenden - Wareneinkauf für den Gastgewerbebetrieb beziehen, ist doch ein Privateinkauf des Gastwirtes (für den Haushalt) überhaupt keine gewerbliche Tätigkeit. Die von den Gesetzesverfassern bejahte Zulässigkeit einer solchen Tätigkeit ist wohl am ehesten damit zu erklären, daß bei der Warenanschaffung das Erscheinungsbild einer typischen, einem bestimmten Gewerbe zuzuordnenden Tätigkeit nicht so leicht entsteht wie bei einer Dienstleistung, einer Erzeugung oder einem (offenen) Verkauf. Das läßt auch die Meinung des Erstgerichtes vertretbar erscheinen, daß eine neutrale Auslieferung genauso wie eine Warenanschaffung zu behandeln sein könnte.
Zu diesen Zweifelsfragen kommt, daß der Beklagte auch aus der Aufhebung des § 14 BäckAG durch Art. I Z 9 BäckAG-Nov. 1975 BGBl 348 mit guten Gründen den Schluß ziehen konnte, daß auf Grund dieses Spezialgesetzes für Backwaren-Erzeugungsbetriebe die allgemeinen Vorschriften über die Sonn- und Feiertagsruhe für ihn als Inhaber eines solchen Betriebes nicht gelten (§ 11 Abs 1 iVm dem früheren § 14 BäckAG).
Schließlich läßt auch die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 9.12.1985, LGBl 81, mit der Ausnahmen von der Wochenendruhe und von der Feiertagsruhe festgelegt wurden, die Auslegung zu, daß in den Saisonorten, in denen Verkaufstätigkeiten an Sonn- und Feiertagen so weit erlaubt sind, als es sich um Gegenstände des täglichen Bedarfes wie Touristenproviant und Fotoartikel handelt, jedenfalls auch alle damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten zur Betreuung von Kunden (vgl auch § 1 Abs 2 der zit VO), also etwa auch das Herstellen frischer Backwaren, jedenfalls für derartige Unternehmen, die gemäß § 1 Abs 1 der zit VO während der Wochenend- und Feiertagsruhe sogar Arbeitnehmer beschäftigen dürfen, erlaubt sein müsse, mag auch der Verordnunggeber, wie die beispielsweise Erwähnung von Touristenproviant und Fotoartikeln nahelegt, in erster Linie an den Verkauf in typischen Kiosken udgl. und damit jedenfalls nicht an die Belieferung von "Touristen", die in Hotels wohnen, gedacht haben. Angesichts dieser Rechtslage und der behördlichen Auskunft, die der Beklagte vor dem Beginn der beanstandeten Tätigkeit eingeholt hatte, konnte er mit guten Gründen der Meinung sein, daß er an Sonn- und Feiertagen nicht nur backen, sondern auch ausliefern dürfe. Solange die zuständigen Verwaltungsbehörden nicht anders entschieden haben, ist das Verhalten des Beklagten daher nicht sittenwidrig.
Der Revision und dem Rekurs ist somit Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO und §§ 78, 393 und 402 EO.
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