Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 336,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 56,14 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin besuchte den Beklagten in dessen Haus, um unentgeltlich Ratschläge für den Umgang mit ihrem Hund einzuholen. Der Beklagte verfügt über mehrjährige Erfahrung mit Hunden, besitzt einen Gewerbeschein für deren Abrichtung und arbeitet auch als Tiertrainer. Beim Gespräch im Wohnzimmer des Beklagten war auch dessen Rassehündin anwesend, die eine Woche zuvor erstmals Welpen geworfen hatte. Sie galt bis dahin als sehr belastbare, wesensfeste und freundliche Hündin, die keinerlei aggressives Verhalten zeigte, problemlos mit anderen Hunden auskam und sich auch in Gegenwart mehrerer Personen, etwa in einem Gasthaus, völlig ruhig verhielt. Sie hatte noch nie jemanden gebissen. Auch der Klägerin gegenüber verhielt sie sich zunächst freundlich, obwohl sie sie nicht kannte. Sie ging zu ihr hin, ließ sich von ihr streicheln und legte ihr den Kopf auf den Schoß.
Über Wunsch der Klägerin ging der Beklagte mit ihr in den Garten zum Hundezwinger, wo sich die Welpen befanden. Die Hündin lief vor den beiden durch die offenstehende Tür in den Zwinger hinein. Der Beklagte folgte ihr, blieb stehen und wollte sich zur Tür umdrehen. Die Klägerin blieb unmittelbar vor der Zwingertür stehen und stellte dort ihre Handtasche rechts außen auf dem Boden ab, wobei sie sich leicht nach vorne bückte. Dabei fiel die Hündin sie an und biss sie in die rechte Gesichtshälfte. Hündinnen mit Welpen zeigen einen ausgeprägten Bewachungs- und Beschützerinstinkt, verhalten sich vorsichtiger und reagieren auf allfällige Bedrohungen heftiger als sonst. Die Gefahr, von einer sich bedroht fühlenden welpenführenden Hündin gebissen zu werden, ist daher höher als sonst. Die Welpen waren zuvor von einem Tierarzt untersucht worden, wobei der Beklagte die Hündin während der Dauer der Untersuchung festgehalten hatte. Nicht festgestellt werden konnte, dass die Hündin in der Zwingertür stand und die Klägerin sich über sie gebeugt hätte. Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass die Beklagte der Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt Verhaltensanweisungen erteilt hätte, etwa vor dem Zwinger stehen zu bleiben, oder davor zu warnen in den Zwinger hineinzugehen.
Die Klägerin forderte 6.152,26 EUR an Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung sowie Behandlungskosten. Der Beklagte hafte ihr für die Folgen des Hundebisses aufgrund der schuldhaft nachlässigen Verwahrung seiner Hündin; aufgrund seiner Eigenschaft als Hundeabrichter und Hundetrainer treffe ihn im Sinn des § 1299 ABGB ein höherer Sorgfaltsmaßstab als einen durchschnittlichen Hundehalter. Er hätte bereits im Vorfeld dafür Sorge tragen müssen, dass sie der Hündin nicht zu nahe komme, habe ihr jedoch keinerlei Weisung im Hinblick auf ihr Verhalten erteilt und keine Warnung ausgesprochen. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass bereits das Abstellen ihrer Handtasche vor der Zwingertür eine Abwehrreaktion der Hündin auslösen würde.
Der Beklagte wendete ein, die Klägerin habe sich in der räumlichen Enge der Zwingertür mit einer raschen Bewegung in den Zwinger hinein über die Hündin gebeugt, wobei sie mit dem Oberkörper jedenfalls im Zwinger gewesen sei. Dies habe für die Hündin bedrohlich gewirkt, worauf diese nach der Klägerin geschnappt habe. Ein haftungsbegründendes Verschulden des Beklagten oder eine schuldhaft nachlässige Verwahrung der Hündin liege nicht vor. Die Klägerin treffe ein hohes Ausmaß an Mitverschulden, weil sie selbst Hundehalterin und Hundekennerin sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Dem Beklagten sei der ihm obliegende Beweis der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens nicht gelungen. Er hätte sich in der besonderen Situation (Welpen) nicht auf die Gutmütigkeit der Hündin verlassen dürfen, sondern mit ihrem Verteidigungsverhalten rechnen müssen. Dies gelte umso mehr, als er als gewerblich berechtigter Hundetrainer tätig sei (erhöhter Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB). Der Klägerin sei keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass sie der Beklagte vor allfälligen Gefahren warnen und/oder zu einem - aus Sicht des Experten - gebotenen Verhalten auffordern würde. Sie habe sich darauf verlassen dürfen, dass selbst beim Betreten des Zwingers keine Gefahr für sie bestehen würde. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass sie selbst Hundehalterin und Jägerin sei. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Schadenersatzpflicht des Beklagten unter Berücksichtigung eines 25%igen Mitverschuldens der Klägerin auf dreiviertel des geltend gemachten Ersatzbetrags reduzierte. Es sprach - nach Abänderungsantrag der Klägerin - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage des Mitverschuldens eines Hundehalters, der sich unvorsichtig einer fremden, welpenführenden Hündin nähere, in ihrer Bedeutung doch über den Einzelfall hinausgehe und Rechtsprechung zu dieser Problematik fehle. Es bejahte die Haftung des Beklagten gemäß § 1320 ABGB und trat seinem Berufungsvorbringen zur Schadenshöhe entgegen. Der Klägerin als Hundehalterin habe aber bewusst sein müssen, dass Hündinnen mit Welpen einen ausgeprägten Bewachungs- und Beschützerinstinkt zeigten und es daher nicht ungefährlich sei, sich fremden Welpen im Beisein ihrer Mutter zu nähern. Daraus, dass sie der Beklagte nicht gewarnt habe, habe sie daher entgegen der Ansicht des Erstgerichts noch nicht verlässlich schließen dürfen, dass selbst bei Betreten des Zwingers keine Gefahr für sie bestehen würde. Sie hätte den Beklagten fragen müssen, ob ihr die Annäherung an den offenen Zwinger gefahrlos möglich sei. Dass sie dem Beklagten einfach bis vor die offene Zwingertür gefolgt sei und ihre Handtasche dort auf den Boden gestellt habe, begründe daher eine Sorglosigkeit gegenüber ihren eigenen Gütern, die gemäß § 1304 ABGB zu einer Schadensteilung führen müsse. Der Sorgfaltsverstoß des Beklagten wiege erheblich schwerer als jener der Klägerin, sodass eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 3:1 zu ihren Gunsten angemessen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin, mit der sie dem sie treffenden Mitverschuldensvorwurf und der darauf gegründeten teilweisen Klageabweisung entgegentritt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Bestehen und Ausmaß des Mitverschuldens eines Geschädigten im Sinn der Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, weshalb die Beurteilung dieser Fragen regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0087606, RS0044262). Dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde, begründet noch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0110702, RS0102181). Dass sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit einem allfälligen Mitverschulden der von einem fremden Hund gebissenen Hundehalterin beschäftigte, der vorgeworfen wird, sie hätte als Hundehalterin wissen müssen, dass Hündinnen mit Welpen einen ausgeprägten Bewachungs- und Beschützerinstinkt zeigen, macht die Beurteilung dieses Verhaltens durch das Berufungsgericht noch nicht zur erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte als Hundehalterin von der besonderen Gefährlichkeit welpenführender Hündinnen wissen müssen und sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass unterbliebene besondere Warnungen oder Vorsichtsmaßnahmen des Beklagten eine Gefahr für sie ausschließen, bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.
Die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts steht auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung zum allfälligen Mitverschulden von Hundebesitzern, die von fremden Hunden gebissen wurden. Die von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidungen (1 Ob 609/94 und 3 Ob 133/08t) betreffen beide von fremden Hunden gebissene Hundehalter, die ihren eigenen Hund zu schützen bzw vor fremden Angriffen zu verteidigen trachteten. Sie sind mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht zu vergleichen, weil die Klägerin ihren eigenen Hund nicht mit hatte und ihr Verhalten nichts damit zu tun hatte, sich selbst oder ihr Eigentum zu verteidigen.
Das Berufungsgericht gründet den Vorwurf der Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten nicht auf die bloße Eigenschaft der Klägerin als Hundehalterin, sondern leitet aus dieser Eigenschaft ab, dass ihr ebenso wie dem Beklagten als Hundeabrichter und Hundetrainer zugemutet werden kann, die besondere Gefährlichkeit von welpenführenden Hündinnen zu kennen. Die Berechtigung dieser Schlussfolgerung und ihre Auswirkung auf die Beurteilung der Mitverschuldensfrage kann aber nur nach den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, die von der Klägerin offenbar angestrebte verkürzte und verallgemeinerte grundsätzliche Aussage ist hingegen nicht möglich.
Da die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermochte, war ihre Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.
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