OGH 4Ob16/93

OGH4Ob16/9318.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei CONSORZIO PER LA TUTELA DEL FORMAGGIO GORGONZOLA, *****Novara, vertreten durch Dr.Helmut Petsch, Dr.Günther Frosch und Dr.Christoph Petsch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. L***** E*****, reg.GenmbH, ***** vertreten durch Dr.Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien, 2. A***** reg.GenmbH ***** vertreten durch Dr.Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Löschung einer Marke (Streitwert S 600.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 9.Juli 1992, GZ 6 R 249/91-28, womit das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 5.Juli 1991, GZ 8 Cg 144/90-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Erstbeklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 21.273,12 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.545,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Zweitbeklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 21.273,12 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.545,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, ein Konsortium für den Schutz von "Gorgonzola"-Käse, wurde von "Gorgonzola"-Herstellern gegründet; jedes der etwa 70 Mitglieder betreibt eine Käserei. Die Käsereien fügen der Bezeichnung des von ihnen erzeugten Käses noch die besondere Firmenbezeichnung hinzu, so daß der Käse zB als "Delizola", "Belzola", "vitZola", "Dolcezola", "PalZola", "Garanzola", "Orozola", Ginzola", "ZolAlba", "Bontazola", "Goldzola" vertrieben wird. Der Ort Gorgonzola liegt in der Nähe von Mailand; der Käse "Gorgonzola" ist ein Schimmelkäse, der seit etwa 1000 Jahren aus Kuhmilch erzeugt wird und seit etwa 1700 diese Bezeichnung trägt.

Die Erstbeklagte erzeugt seit 1960 einen Grünschimmelkäse, der von der Zweitbeklagten unter der Bezeichnung "Österzola" vertrieben wird. Die Zweitbeklagte bringt außerdem einen Schmelzkäse in Wurstform, dem "Österzola"-Stückchen beigefügt sind, unter der Bezeichnung "Gorgonova" in Verkehr.

Die Erstbeklagte ist Inhaberin der für "Käse" eingetragenen österreichischen Wortmarke Nr. 037022 "Österzola" (Beginn der Schutzdauer 17.7.1957).

Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, den Vertrieb eines Schimmelkäses unter der Bezeichnung "Österzola" zu unterlassen; die Erstbeklagte sei überdies schuldig, in die Löschung der österreichischen Wortmarke Nr. 037022 "Österzola" einzuwilligen.

Österreich habe das internationale Abkommen über die Anwendung der Ursprungsbezeichnungen und Benennungen für Käse (Konvention von Stresa) samt Protokoll ratifiziert. Die Konvention sei am 12.7.1953 in Kraft getreten und seit 12.7.1955 Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung. Auf Grund der Entscheidung Nr. 1 des ständigen Rates sei die Bezeichnung "Gorgonzola" in den Anhang A der Konvention aufgenommen worden. Der Schutz dieser Bezeichnung sei demnach nur subsidiär, d.h. nur für den Fall des Außerkrafttretens der Konvention von Stresa, in das Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der italienischen Regierung über geographische Herkunftsbezeichnungen und Benennungen bestimmter Erzeugnisse aufgenommen worden.

Nach Art 3 der Konvention von Stresa dürften Ursprungsbezeichnungen, die Gegenstand einer landesrechtlichen behördlichen Regelung sind, die deren Anwendung jenen Käsesorten vorbehält, die in den traditionellen Gegenden nach ortsüblichen, loyalen und ständigen Methoden erzeugt oder veredelt werden, nur für diese Käsesorten verwendet werden. Nicht nur die unveränderte Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung, sondern auch ihre von qualifizierenden oder korrigierenden Ausdrücken begleitete Verwendung durch Nichtautorisierte sei rechtswidrig. Herstellung, Lagerung und Reifeprozeß des Käses "Gorgonzola" seien durch das Dekret des Präsidenten der Republik Italien vom 30.10.1955, Nr. 1269, veröffentlicht im italienischen Gesetzblatt vom 22.12.1955, Nr. 295, geregelt. Die Konvention von Stresa sei auf Grund der damals noch geltenden generellen Transformation von Staatsverträgen Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden. Der Schutz von Ursprungsbezeichnungen ergebe sich insbesondere auch aus §§ 1, 2 UWG; er komme den durch die Konvention erfaßten Ursprungsbezeichnungen zu. Die Konvention von Stresa greife unabhängig davon ein, ob auch nach inländischer Verkehrsauffassung eine geographische Herkunftsbezeichnung vorliegt; sie stütze insofern subsidiär den Anspruch der Klägerin.

Der Schutz internationaler Abkommen, wie der Konvention von Stresa, erstrecke sich ebenso wie derjenige nach §§ 1, 2 UWG auch auf die Verwendung von Bezeichnungen, die mit der geschützten Bezeichnung nicht identisch sind; es genüge, wenn die benützte Abwandlung der Ursprungsbezeichnung geeignet ist, den Werbewert der geschützten Bezeichnung zu beeinträchtigen, oder wenn der unbefugte Benützer von der Berühmtheit der geschützten Ursprungsbezeichnung profitieren wolle.

"Gorgonzola" sei keine bloße Beschaffenheitsangabe, sondern eine starke Bezeichnung, welche auf die Herkunft eines Schimmelkäses aus der Gegend von Gorgonzola hinweise. Mit der Bezeichnung des von ihnen erzeugten und vertriebenen Käses als "Österzola" erweckten die Beklagten den Eindruck eines Zusammenhanges ihres Produktes mit "Gorgonzola". Kennzeichnender Bestandteil von "Gorgonzola" und "Österzola" sei das Wort "zola"; es weise stets auf einen Schimmelkäse hin, der im gesetzlich umschriebenen geographischen Bereich mit dem Ort Gorgonzola als Mittelpunkt von einem Mitglied der Klägerin produziert wird. Die Vorsilbe "Öster-" lasse darauf schließen, daß es sich um einen "Gorgonzola" handle, der für den Vertrieb in Österreich hergestellt wird, oder jedenfalls um einen in Österreich nach den für "Gorgonzola" geltenden Kriterien in Lizenz hergestellten Käse. Durch die Verwendung des Warenzeichens "Österzola" würden die Konsumenten über die Herkunft und/oder die Art der Herstellung des unter dieser Bezeichnung vertriebenen Käses getäuscht und in Irrtum geführt. Darüber hinaus sei die Verwendung der Bezeichnung "Österzola" für einen Schimmelkäse gleicher Geschmacksrichtung sittenwidrig, weil die Beklagten dadurch den Ruf, die Qualität und den Bekanntheitsgrad von "Gorgonzola" zur Steigerung des Absatzes ihres eigenen Produktes ausnützten.

Die Beklagten verfolgten die Absicht, die geschützte Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" durch Täuschung der Konsumenten zu schwächen und sich einen ungerechten Vorsprung vor Mitbewerbern zu verschaffen. Das systematische Vorgehen der Beklagten ergebe sich daraus, daß sie zuerst "zola" für "Österzola" und dann "Gorgon" für "Gorgonova", einen anderen Schimmelkäse, verwendet hätten. Die Verwendung der Bezeichnungen "Österzola" und "Gorgonova" mindere die Werbekraft und den Werbewert von "Gorgonzola".

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin sei nicht nach § 14 UWG klagelegitimiert. Die Konvention von Stresa sei ein "non self-executing treaty", weil sie die vertragschließenden Teile verpflichte, "alle Maßnahmen gemäß ihrer internen Gesetzgebung zu ergreifen". Da eine spezielle Transformation nicht stattgefunden habe, sei die Konvention von Stresa nicht Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung.

Die Erstbeklagte erzeuge nach dem "Internationalen Standard für bestimmte Edelpilzkäse" (Codex alimentarius Kommission FAO-WHO vom 1.7.1989) einen Grünschimmelkäse, welcher von der Zweitbeklagten unter der registrierten Marke "Österzola" vertrieben werde. "Österzola" sei "Gorgonzola" nicht verwechelbar ähnlich. Wortklang und Wortbild seien völlig verschieden; wenn man davon absehe, daß Gorgonzola ein Ort bei Mailand ist, hätten beide Zeichen überhaupt keinen Wortsinn.

Da "Gorgonzola" eine (vermeintlich) geschützte Ursprungs- und Herkunftsbezeichnung sei, bestünde nur dann eine Verwechslungsgefahr mit "Österzola", wenn die beteiligten Verkehrskreise glauben könnten, "Österzola" stamme aus dem Ort Gorgonzola oder aus dessen Umgebung. Eine derartige Annahme wäre aber schon deshalb widersinnig, weil kein vernünftiger Grund bestehe, einen Käse aus Gorgonzola nicht "Gorgonzola", sondern "Österzola" zu nennen. Daß "zola" stets auf einen (Blau-)Schimmelkäse aus dem Produktionsgebiet von "Gorgonzola" hinweise, sei dadurch widerlegt, daß nur die Bezeichnung "Gorgonzola" und nicht die Bezeichnung "zola" allein nach den Behauptungen der Klägerin in den Anhang A der Konvention von Stresa aufgenommen wurde. Die Vokale "o" und "a" kämen auch in anderen Käsebezeichnungen vor (zB Robiola, Provola, Riola), ohne daß dadurch ein Bezug zu "Gorgonzola" geschaffen würde.

"Gorgonzola" und "Österzola" seien wegen der Wortbestandteile "Gorgon" und "Öster" nicht miteinander zu verwechseln; "Öster" weise in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf Österreich hin.

"Gorgonzola" sei nach inländischer Verkehrsauffassung keine geographische Herkunftsbezeichnung, sondern eine Beschaffenheitsangabe. Der unter der Bezeichnung "Österzola" vertriebene Schimmelkäse entspreche nach Art und Beschaffenheit einem "Gorgonzola", wie er nach inländischer Verkehrsauffassung verstanden werde. Dürfte "Gorgonzola" auch in Österreich in Lizenz erzeugt werden, dann handelte es sich bei der Bezeichnung "Gorgonzola" nicht um eine Herkunftsangabe, sondern bloß um eine Beschreibung von Art und Beschaffenheit des Käses. Wollte man aber eine Herkunftsbezeichnung annehmen, dann dürfte ein in Österreich - sei es auch in Lizenz - erzeugter "Gorgonzola" nicht unter dieser Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden. "Österzola" habe seit 20 Jahren in Österreich Verkehrsgeltung erreicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Österreich sei der Konvention von Stresa beigetreten (BGBl 1955/135 und 136). Die Konvention von Stresa sei, da es sich dabei um ein "self-executing treaty" handle, Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung. Die Bezeichnung "Gorgonzola" sei in den Anhang A der Konvention aufgenommen worden und genieße auch in Österreich den Schutz dieser Konvention. Damit sei aber nicht nur die unveränderte Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung, sondern auch die "von qualifizierenden oder korrigierenden Ausdrücken begleitete Verwendung durch nicht Autorisierte" rechtswidrig.

Durch die Verwendung der Bezeichnung "Österzola" für einen Schimmelkäse, der in Aussehen und Geschmack dem "Gorgonzola" ähnlich ist, hätten die Beklagten gegen das Abkommen von Stresa verstoßen; sowohl "Österzola" als auch "Gorgonova" ließen einen Kunden bei oberflächlicher Betrachtung an "Gorgonzola" denken.

Das Berufungsgericht verwarf die von der Erstbeklagten wegen Nichtigkeit erhobene Berufung; im übrigen gab es den Berufungen beider Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Klägerin sei aktiv legitimiert. Ihr Geschäftsgegenstand sei nicht nur die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, sondern eine Fülle von Tätigkeiten, die dem Schutz der Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" dienen. Der Klägerin gehörten nur Unternehmer als Mitglieder an.

Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht "verwirkt". Der Verlust eines Anspruches durch "Verwirkung" sei dem österreichischen Recht fremd; für einen schlüssigen Verzicht iS des § 863 ABGB lägen keinerlei Behauptungen und Beweise vor.

Ob ein völkerrechtlicher Vertrag aus dem Jahr 1951 unmittelbar anwendbares Recht schafft, sei nach der Rechtslage vor der Bundesverfassungsnovelle 1964 zu beurteilen. Damals habe das Prinzip der generellen Transformation gegolten (Art 49 B-VG). Die Geltung als Folge der generellen Transformation sei nicht ident mit dem Geltungsumfang oder der Geltungsaktualität, welche von der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der völkerrechtlichen Norm abhänge. Der Geltungsumfang eines Staatsvertrages oder einzelner seiner Bestimmungen richte sich nach den im Staatsvertrag enthaltenen Geltungsbereichen. Entscheidend sei, ob ein Staatsvertrag von einem weiteren völkerrechtlichen Vertrag (Durchführungsvertrag) oder von einer einseitigen innerstaatlichen Ausführung abhängig gemacht wird; im letztgenannten Fall verpflichte der Vertrag vorerst nur den Staat, nicht aber Einzelpersonen; er sei nicht unmittelbar anwendbar.

Aus Art 1 des Abkommens von Stresa, wonach sich die Vertragschließenden Teile verpflichtet haben, alle Maßnahmen gemäß ihrer internen Gesetzgebung zu ergreifen, welche die Anwendung der Grundsätze und Verfügungen gewährleisten, die durch Art 2 bis 9 festgelegt sind, sei für Österreich das Erfordernis eines "innerstaatlichen Durchführungsgesetzes" nicht abzuleiten. Der Vertrag sei nicht bloß auf österreichische Verhältnisse zugeschnitten, sondern berücksichtige auch die rechtliche Situation der anderen Vertragspartner. In Österreich hätten bereits geeignete Instrumentarien zur Gewährleistung der vertraglich vereinbarten Grundsätze und Verfügungen bestanden; ein "Umsetzungsakt" sei daher entbehrlich gewesen. Dem Abkommen von Stresa sei infolgedessen eine durch die geschützte Ursprungsbezeichnung bzw Benennung und Bezeichnung für Käse (von Käsesorten) bewirkte wechselseitige Rechtsbeziehung zwischen Privaten zu entnehmen. Innerstaatliche Maßnahmen seien nur im Bedarfsfall zu erlassen; in Österreich sei dies nicht mehr erforderlich gewesen. Auch die objektive Eignung des Abkommens für eine unmittelbare Anwendbarkeit sei zu bejahen; das Vollzugsorgan, die einzuhaltende Vorgangsweise bei der Durchsetzung des Anspruches sowie der Kreis der Normunterworfenen im engeren Sinne seien nicht zweifelhaft. Der Schutzweck des Abkommens sei inhaltlich ausreichend bestimmt, das Abkommen von Stresa daher unmittelbar anwendbar (self-executing).

Nach diesem Abkommen sei die Bezeichnung "Gorgonzola" als Ursprungsbezeichnung den Käsesorten vorbehalten, die in den traditionellen Gegenden nach ortsüblichen, loyalen und ständigen Methoden erzeugt oder veredelt werden. Als gesetzlich geschützte Herkunftsbezeichnung habe "Gorgonzola" nicht entlokalisiert werden können (§ 6 Abs 3 UWG).

Die Klägerin (ihre Mitglieder) bediene (bedienten) sich befugterweise der prioritätsälteren Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola". "Österzola" sei ein Phantasiezeichen im engeren Sinn. Beim Vergleich zweier Phantasiewörter bestehe keine andere Vergleichsmöglichkeit, als danach zu fragen, wie weit die einzelnen Silben miteinander übereinstimmen. "Gorgonzola" sei zwar eine geographische Bezeichnung, doch werde sie nicht generell als solche aufgefaßt. Bei "Gorgonzola" sei der Wortteil "zola" dominant; als Teil einer Bezeichnung für Schimmelkäse rufe er unzweifelhaft bei den beteiligten Verkehrskreisen eine Assoziation mit "Gorgonzola" hervor. Der Hinweis auf "Robiola" (Weichkäse ohne Schimmel), "Provola" (Hartkäse) und "Riola" (französischer Käse aus Schaf- und Ziegenmilch) sei schon deshalb verfehlt, weil "Gorgonzola" und "Österzola" die letzten vier Buchstaben gemein hätte und diese Endung durch das an der Spitze stehende "z" einen erheblich anderen Klang habe als die Buchstabenfolge "ola".

Durch die Verbindung von "zola" mit "Öster-" als Hinweis auf Österreich werde auch "zola" als starkes Zeichen angesehen. "Österzola" sei eine teilweise Abwandlung des Stammzeichens "Gorgonzola", welche den Schluß als zulasse, daß die unter "Gorgonzola" und "Österzola" vertriebenen Waren aus demselben Geschäftsbetrieb stammen oder daß zwischen den Produktionsbetrieben entsprechende wirtschaftliche und/oder organisatorische Beziehungen bestehen. Die Verwendung von "zola" in dem Wort "Österzola" bedinge somit grundsätzlich zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Daß die Käselaibe mit Bezeichnungen versehen sind, die auf die Hersteller hinweisen, stehe dem nicht entgegen. Der Kunde erhalte, wenn überhaupt, nur einen kleinen Teil der Umhüllung; auch der Hinweis auf "Desserta" oder "Agrosserta Graz" oder die Molkereibetriebe "Stainach - Austria" schließe die Vorstellung, daß es sich etwa um einen in Lizenz in Österreich hergestellten Käse handle und zwischen den Produktions- und Vertriebsunternehmen besondere Beziehungen bestehen, nicht aus.

Das Warenzeichen "Österzola" als Bezeichnung von Schimmelkäse sei somit geeignet, zumindest eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn hervorzurufen und das mit dem Abkommen von Stresa angestrebte "Zurechtfinden des Käufers" erheblich zu erschweren. Wie die Verwendung der fremdländisch (italienisch) klingenden Silbenfolge "zola" in der Wortmarke "Österzola" - und der Silbenfolge "Gorgo" (bzw "Gorgon") für das nicht verfahrensgegenständliche Produkt "Gorgonova" - zeige, wollten die Beklagten die geschützte Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" offenbar für eigene Zwecke ausnützen (ausbeuten). Eine solche Ausbeutung des Rufes könne durch Täuschung oder durch Anlehnung erfolgen. Die Anlehnung sei auch bei qualifizierten geographischen Herkunftsangaben wettbewerbswidrig. "Gorgonzola" enthalte als qualifizierte Herkunftsangabe nicht nur eine Aussage über die geographische Herkunft, sondern rufe in Verbindung mit Käse zugleich die Vorstellung eines auf dem Markt besonders geschätzten Produktes hervor. Eine solche Anlehnung an die Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" sei mit den Sondertatbeständen des Mißbrauches von Unternehmenskennzeichen (§ 9 UWG) und der Irreführung (§ 2 UWG) eng verknüpft und auch darunter zu subsumieren. Eine Verweisung auf die Generalklausel des § 1 UWG sei entbehrlich. Den Beklagten sei ein Abstandhalten von "Gorgonzola" durchaus zumutbar. Aus einer allfälligen Verkehrsgeltung der Marke "Österzola" könne kein vorrangiges Schutzrecht abgeleitet werden.

Beide Beklagten bekämpfen das Berufungsurteil mit Revision; dabei richtet sich die Revision der Erstbeklagten - entgegen der Behauptung der Revisionsgegnerin - auch gegen die Stattgebung des Löschungsbegehrens. Die Rechtsmittelwerberinnen beantragen, die Urteile der Vorinstanzen "aufzuheben" und das Klagebegehren abzuweisen; in eventu stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, die Revisionen als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin verweist auf die Entscheidung 4 Ob 112/89 WBl 1990, 186, in welcher der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten habe, daß sich bei Mißbrauch einer Ursprungs- bzw Herkunftsbezeichnung der Unterlassungsanspruch schon aus § 2 UWG ergebe; es brauche daher nicht geprüft zu werden, ob die von der Klägerin subsidiär herangezogenen internationalen Abkommen unmittelbar anzuwendendes österreichisches Recht enthalten oder nicht. In der zitierten Entscheidung wurde aber nur ausgesprochen, daß die Bezeichnung eines Käses als "original italienischer Parmesan" oder als "Parmigiano reggiano" in Österreich zur Irreführung geeignet ist, wenn dieser Käse in Italien nicht den für "Parmigiano reggiano" bestehenden Vorschriften entspricht. Im vorliegenden Fall geht es hingegen in erster Linie um die Frage, ob die Konvention von Stresa Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung und daher "Gorgonzola" als Ursprungsbezeichnung für Käse geschützt ist. Dazu besteht aber noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Das Internationale Abkommen über die Anwendung der Ursprungsbezeichnungen und Benennungen für Käse (Abkommen von Stresa) wurde am 1.6.1951 von Österreich, Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz in Stresa unterzeichnet. Am 11.6.1955 wurde es im Bundesgesetzblatt kundgemacht (BGBl 135). Zu diesem Zeitpunkt, und zwar bis 1964, galt in Österreich der Grundsatz der generellen Transformation; einer Zustimmung des Nationalrates bedurfte es zumindest nach einem Teil der Lehrmeinungen bei bloß gesetzesergänzenden Normen nicht (vgl Walter, ÖJZ 1964, 449 ff [451 FN 23 mit Hinweis auf Rill]). Das Abkommen von Stresa ist daher mit seiner Kundmachung im Bundesgesetzblatt Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden.

Zur Durchsetzung des Abkommens von Stresa wurden in Österreich keine Gesetze erlassen; seine Bestimmungen sind daher für die Rechtsunterworfenen nur verbindlich, wenn es unmittelbar anwendbar (self-executing) ist (s. dazu Winkler, Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen, JBl 1961, 8). Auch das ist mit den Vorinstanzen zu bejahen:

Die Vertragschließenden Teile verpflichten sich in Art 1 Abs 1 des Abkommens, alle Maßnahmen "gemäß ihrer internen Gesetzgebung zu ergreifen", welche die Anwendung der im folgenden näher bezeichneten Grundsätze und Verfügungen gewährleisten; die Verpflichtung, solche Maßnahmen durch Erlassung entsprechender Gesetze zu treffen, wird jedoch auf den Fall eingeschränkt, daß dies nötig ist (Art 2 Abs 2). In Österreich hatten schon vor der Ratifikation des Abkommens von Stresa Normen bestanden, welche die Durchsetzung der Grundsätze nach Art 2 bis 9 des Abkommens ermöglicht hatten, so daß Gesetzgebungsakte nicht erforderlich waren. Die Bestimmungen des Abkommens von Stresa sind daher in Österreich anzuwenden, auch wenn zu ihrer Durchsetzung kein besonderes Gesetz erlassen wurde.

Art 3 des Abkommens behält die dort näher bezeichneten "Ursprungsbezeichnungen" jenen Käsesorten vor, die "in den traditionellen Gegenden nach ortsüblichen, loyalen und ständigen Methoden erzeugt oder veredelt werden." Diese Bezeichnungen sind im Anhang A aufgezählt; sie sind ausschließlich diesen Käsesorten vorbehalten, gleichviel, ob sie allein verwendet oder von einem qualifizierenden oder korrigierenden Ausdruck wie "Type", "Art", "Form" oa begleitet werden.

"Gorgonzola" war bei der Unterzeichnung des Abkommens noch nicht in dessen Anhang A aufgeschienen. In dem dem Abkommen angeschlossenen ergänzenden "Protokoll" vom selben Tag (1.6.1951) wurde aber von den Vertragschließenden Teilen vereinbart, daß drei Jahre nach der Unterzeichnung des Abkommens (ua) die Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" für den ausschließlichen Gebrauch des Ursprungslandes dieses Käses vorbehalten sei, wie wenn sie im Anhang A enthalten wäre, und zwar unter der Voraussetzung, daß die in Art 3 und 5 lit b des Abkommens vorgesehenen Beweismittel beigebracht worden wären (Punkt II lit a des Protokolls BGBl 1955/135). Der im Abkommen von Stresa eingesetzte Ständige Rat, welchem ein Vertreter eines jeden der Vertragschließenden Teile angehört, beschloß in seiner Sitzung vom 31.3. bis 2.4.1955 in Lugano, "Gorgonzola" gemäß Art 5 des Abkommens in dessen Anhang A einzutragen. Diese Entscheidung wurde der italienischen Regierung als Hinterlegungsstelle des Abkommens am 22.12.1956 zugestellt; sie war jedoch schon vor der Kundmachung des Abkommens von Stresa im österreichischen Bundesgesetzblatt (11.7.1955) ergangen, so daß die Eintragung von "Gorgonzola" in den Anhang A des Abkommens von dieser Kundmachung mitumfaßt war (zum Erfordernis der Kundmachung supranationalen Rechtes s. Adamovich - Funk, Verfassungsrecht3, 157 f; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 246). Dem entspricht auch die Auffassung der österreichischen Bundesregierung und der italienischen Regierung, wie sie in dem am 17.12.1969 unterzeichneten Zusatzprotokoll zum österreichisch-italienischen Abkommen über geographische Herkunftsbezeichnungen und Benennungen bestimmter Erzeugnisse vom 1.2.1952 (BGBl 1972/348) zum Ausdruck gebracht wurde, wo die Wirksamkeit des Zusatzprotokolls (ua) hinsichtlich der Bezeichnung "Gorgonzola" auf den Fall des Außerkrafttretens oder der Abänderung des Abkommens von Stresa beschränkt wurde.

Die Vorinstanzen haben daher richtig erkannt, daß die Bezeichnung "Gorgonzola" durch das Abkommen von Stresa auch für den österreichischen Rechtsbereich geschützt ist. Dieser Schutz beschränkt sich nicht auf Bezeichnungen, die mit der geschützten Bezeichnung identisch sind; er erfaßt auch verwechselbar ähnliche Bezeichnungen (vgl BGH GRUR 1969, 615). Das zeigt nicht zuletzt auch Art 3 des Abkommens, wonach auch von einem qualifizierenden oder korrigierenden Ausdruck wie "Type", "Art", "Form" oa begleitete Bezeichnungen in den Schutzbereich des Abkommens fallen.

"Österzola" enthält mit "zola" einen Bestandteil des Wortes "Gorgonzola". Für diese Bezeichnung ist sowohl "Gorgon" als auch "zola" prägend; auch mit "Österzola" wird daher eine Assoziation zu "Gorgonzola" ausgelöst. Daß diese Assoziation (nur) die Gattung Schimmelkäse und - wegen der durch "Öster" hergestellten Beziehung zu Österreich - nicht auch die italienische Herkunft des Käses betreffen mag, ändert nichts an der verwechselbaren Ähnlichkeit dieser Bezeichnungen. Auch wenn die angesprochenen Verkehrskreise (nur) annehmen, mit "Österzola" einen "österreichischen Gorgonzola" zu erhalten, wird durch "Österzola" eine Beziehung zu "Gorgonzola" hergestellt, welche diese beiden Bezeichnungen verwechselbar ähnlich macht.

Daraus folgt aber, daß die Bezeichnung eines österreichischen Käses als "Österzola" gegen das Abkommen von Stresa verstößt. Da dieses Abkommen in Österreich Gesetzesrang hat, liegt somit ein Gesetzesverstoß vor. Ein Gesetzesverstoß ist sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn er dem Handelnden subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, ihm einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen (stRsp; MR 1992, 259 uva).

Auch das muß hier bejaht werden: Den Beklagten mußte bekannt sein, daß "Gorgonzola" als Bezeichnung für einen Schimmelkäse italienischen Ursprungs geschützt ist. Mit der Bezeichnung ihres Schimmelkäses als "Österzola" haben sie eine Assoziation zur Güte und Beschaffenheit des seit langer Zeit bekannten "Gorgonzola" ausgelöst und damit nicht nur einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung von ihren gesetzestreuen Mitbewerbern erlangt, sondern auch den Werbewert der geschützten Bezeichnung beeinträchtigt (s. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 1 dUWG Rz 570).

Da die Beklagten mit der Verwendung der Bezeichnung "Österzola" jedenfalls gegen § 1 UWG verstoßen haben, kann dahingestellt bleiben, ob auch ein Verstoß gegen § 2 UWG vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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