OGH 4Ob159/11b

OGH4Ob159/11b22.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gudrun Pixner, Rechtsanwältin in Traunkirchen, wegen 21.535 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Mai 2011, GZ 1 R 181/10h-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 23. Juni 2010, GZ 5 Cg 176/06m-62, teilweise als nichtig aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist ein inländisches Unternehmen, das Eissalons betreibt. Sie erteilte der Beklagten, einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland, im Februar 2006 den Auftrag, Video-Überwachungssysteme für zwei Standorte im Inland zu liefern und zu installieren, dies um den Gesamtpreis von 22.600 EUR für die Geräte (11.735 EUR und 10.865 EUR) zuzüglich 1.939 EUR Montagepauschale. Die Klägerin bezahlte für die gelieferte und installierte Anlage insgesamt 21.535 EUR.

Die von der Beklagten installierten Überwachungsanlagen waren mehrere Monate in Betrieb. Sie weisen wesentliche, jedoch behebbare Mängel auf. Sie entsprechen nicht den von der Klägerin mündlich vorgegebenen Anforderungen, insbesondere ist die gewünschte lückenlose Überwachung nicht gewährleistet. Die Behebung sämtlicher Mängel erfordert einen Aufwand von 16.640 EUR exklusive Umsatzsteuer, darin enthalten Kosten für je eine zusätzliche Überwachungskamera sowie auch von der Klägerin zu tragende Kosten (Software Update, Herstellung eines passenden Internetanschlusses).

Bereits unmittelbar nach Beendigung der Installationsarbeiten reklamierte der Geschäftsführer der Klägerin mündlich vorhandene Mängel. Mit Schreiben vom 16. 5. 2006 forderte die Beklagte die Zahlung restlicher 1.865 EUR, wobei sie darauf verwies, die Aufträge fachgerecht und vollständig durchgeführt zu haben. Mit Schreiben vom 17. 5. 2006 listete die Klägerin die von ihr festgestellten Mängel auf und setzte der Beklagten eine Frist zur Mängelbehebung bis spätestens 24. 5. 2006, die bis 18. 5. 2006 schriftlich bestätigt werden sollte. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 18. 5. 2006, schlug der Klägerin als Termin den 24. 5. 2006, 11:00 Uhr (zwei Techniker) vor und ersuchte um Bestätigung des Termins. Mit Schreiben vom 19. 5. 2006 wiederholte die Beklagte ihren Terminvorschlag und ihr Ersuchen um dessen schriftliche Bestätigung. Mit Schreiben vom 19. 5. 2006 teilte die Beklagte mit, das Schreiben der Klägerin vom 17. 5. 2006 inhaltlich zurückweisen, weil ein Anforderungsprofil noch nie vorhanden gewesen sei, dass sie aber den bereits vorgeschlagenen Termin am 24. 5. 2006 wahrnehmen werde; sie ersuchte neuerlich um dessen schriftliche Bestätigung. Die Beklagte wäre zur Behebung allfällig bestehender Mängel bereit gewesen. Da ihr der Umfang tatsächlich vorliegender Mängel nicht bekannt war, schlug sie einen Termin in Anwesenheit zweier ihrer Techniker vor und bereitete sich für diesen Termin auf die im Schreiben vom 17. 5. 2006 enthaltene Mängelliste vor.

Mit E-Mail vom 21. 5. 2006 teilte der Geschäftsführer der Klägerin (auszugsweise) mit:

„[...] Wir weisen das Fax, in dem Sie behaupten, dass es nie ein Anforderungsprofil gegeben hat, zurück. [...] Nachdem Sie uns jetzt aber ein Fax schickten, in dem Sie fälschlicherweise behaupten, es hätte kein Anforderungsprofil gegeben, haben Sie jede Vertrauensbasis zerstört. […] Wir fordern Sie auf, uns einen Termin zu nennen, an dem der Kauf rückgängig gemacht werden kann. Zu diesem Zeitpunkt sollten Sie uns den von uns an Sie bezahlten Betrag zurückzahlen und die von Ihnen installierten Geräte abbauen. Wir weisen noch darauf hin, dass ein Zutritt in unsere Geschäftsräume nur in Abstimmung mit uns erfolgen darf. Ein unbefugter Zutritt würde rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. [...]“

In Reaktion darauf ließ die Beklagte durch ihre deutschen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 23. 5. 2006 (auszugsweise) mitteilen:

„[...] Nachdem Sie das Hausverbot nicht widerrufen haben, können die Mitarbeiter unserer Mandantin die bei Ihnen bestehenden Mängel nicht prüfen oder beseitigen. Wir bitten daher insofern um Widerruf des Hausverbotes und Vorschlag Ihrerseits von drei alternativen Terminen. [...]“

Mit Antwortschreiben vom 29. 5. 2006 teilte die Klägerin (auszugsweise) mit:

„[...] Für uns gibt es nur mehr zwei Möglichkeiten, diese Angelegenheit abzuschließen:

1. Die Firma [Beklagte] bezahlt den vollen von uns bezahlten Betrag zurück, holt die Geräte ab [...]

2. Wir beauftragen eine Firma, die alle vorhandenen Mängel beseitigt. ...“

Die Rechtsvertreter der Beklagten antworteten darauf mit einem modifizierten Erledigungsvorschlag, den die Klägerin ablehnte, wobei sie ihre Forderung, den gezahlten Betrag zurückzuzahlen und die nicht ordnungsgemäß funktionierenden Systeme zu entfernen, wiederholte.

Mit Klage vom 9. 8. 2006 begehrte die Klägerin die Rückzahlung von 21.535 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus der mangelhaften Auftragserfüllung. Die Beklagte habe die Arbeiten nicht vereinbarungsgemäß hergestellt und die Mängel trotz unverzüglicher Rüge nicht behoben. Die Klägerin trete deshalb vom Vertrag zurück und begehre Rückabwicklung (Wandlung). Da ihr Gesamtschaden noch nicht abschätzbar sei, besitze sie ein Feststellungsinteresse.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe die beauftragten Arbeiten fachgerecht und vollständig erbracht und die Geräte ordnungsgemäß übergeben. Das Wandlungsbegehren sei unbegründet, da sie die Klägerin erfolglos aufgefordert habe, ihr die angeblich fehlerhaften Systeme zur Prüfung zu übersenden; sie wäre jederzeit bereit gewesen, festgestellte Mängel zu beheben. Der Klägerin fehle das Feststellungsinteresse. Hilfsweise wandte die Beklagte eine Gegenforderung von 10.000 EUR aus dem Titel Nutzungsentgelt bzw Wertminderung aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.

Die Klägerin erwiderte, eine Mängelbehebung nie abgelehnt zu haben; die Beklagte sei mit ihren Leistungen seit März 2006 in Verzug und habe eine Mängelbehebung bereits mit Schreiben vom 16. 5. 2006 abgelehnt. Der Beklagten stehe weder ein Benützungsentgelt noch eine Wertminderung zu, weil die Anlage für die Klägerin völlig unbrauchbar sei. Durch die vertragswidrige Ausführung der Anlage seien der Klägerin zusätzliche Schäden (27.520 EUR Personalkosten, 4.508 EUR frustrierte Internetkosten) entstanden, die gegen eine allenfalls zustehende Gegenforderung aufgerechnet würden.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es gelangte in Anwendung deutschen Zivilrechts zum Ergebnis, dass der Klägerin kein Rücktrittsrecht zustehe, ein Feststellungsinteresse habe die Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens als Teilurteil, hob das Urteil in Ansehung des Zahlungsbegehrens auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Erstgericht habe die Parteien mit der Anwendung deutschen Rechts überrascht; es hätte vor seiner Entscheidung die Frage des anwendbaren materiellen Rechts erörtern und den Parteien Gelegenheit zur Erstattung eines Vorbringens geben müssen, ob das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf (im Folgenden: UN-Kaufrechtsübk) anwendbar sei.

Im fortgesetzten Verfahren brachte die Klägerin ergänzend vor, aufgrund des höher anzusetzenden Kaufanteils beim Vertrag liege ein Werklieferungsvertrag vor, auf den das UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG) anzuwenden sei. Danach sei die Klägerin zur Vertragsaufhebung und Rückabwicklung berechtigt gewesen, weil ihr eine Verbesserung unzumutbar gewesen sei (Art 46 Abs 3 CISG). Die Beklagte habe für eine Verbesserung mehrere Monate Zeit gehabt, sei hiezu aber nie ernsthaft bereit gewesen und habe über einen längeren Zeitraum keine Verbesserung der Anlage vorgenommen und bis zuletzt das Vorliegen von Mängeln bestritten. Wegen der zahlreichen Mängel und des hohen Behebungsaufwands liege außerdem eine wesentliche Vertragsverletzung (Art 49 Abs 1 lit a CISG) vor. Die Klägerin habe eine Verbesserung nie vereitelt.

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass der Montageanteil der Anlage überwogen habe. Sollte dennoch das UN-Kaufrechts-Übereinkommen anwendbar sein, liege keine wesentliche Vertragsverletzung vor, weil die Vertragsleistung zum Zeitpunkt der Aufhebungserklärung verwendbar gewesen und auch tatsächlich verwendet worden sei. Die Klägerin habe der Beklagten zwar eine Frist zur Nacherfüllung (Art 47 CISG) eingeräumt, die Erfüllung jedoch innerhalb dieser Frist selbst vereitelt. Vor Ablauf dieser Frist habe eine Vertragsaufhebung nicht vorgenommen werden können, zumal die Beklagte nicht angezeigt habe, dass sie nicht erfüllen wolle. Die Klägerin könne sich auf Nichterfüllung durch die Beklagte nicht berufen, weil sie die Nichterfüllung selbst dadurch verursacht habe, dass sie eine Mängelbehebung nicht zugelassen habe (Art 80 CISG).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei als Werklieferungvertrag zu beurteilen, bei dem der Wert der gelieferten Bauteile den Wert der Montagearbeiten beträchtlich übersteige. Auf den Vertrag sei das UN-Kaufrechtsübereinkommen anzuwenden. Art 45 CISG lasse für den Fall der Nichterfüllung der Pflichten des Verkäufers auch das Recht auf Aufhebung des Vertrags nach Art 49 Abs 1 CISG entstehen. Danach könne der Käufer die Aufhebung des Vertrags ua dann erklären, wenn die Nichterfüllung einer dem Verkäufer obliegenden Pflicht eine wesentliche Vertragsverletzung sei. Eine Vertragsverletzung sei dann wesentlich, wenn sie für die andere Partei einen solchen Nachteil zur Folge habe, dass ihr im Wesentlichen entgehe, was sie nach dem Vertrag habe erwarten dürfen. Die Erheblichkeit und die Modalitäten der Behebung seien gegeneinander abzuwägen; überwiege - wie hier - die Möglichkeit der Behebung die Erheblichkeit des Erfüllungsmangels, liege keine wesentliche Vertragsverletzung vor. Zwar habe die installierte Überwachungsanlage funktioniert, jedoch keine lückenlose Überwachung gewährleistet und weise noch weitere behebbare Installationsmängel auf. Art 49 Abs 1 lit a CISG finde daher keine Anwendung. Eine Vertragsaufhebung nach Art 49 Abs 1 lit b CISG komme in Betracht, wenn der Käufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setze. Die von der Klägerin im Schreiben vom 17. 5. 2006 gesetzte Frist zur Mängelbehebung bis spätestens 24. 5. 2006 sei überaus kurz und nicht angemessen, dennoch habe die Beklagte den Termin einhalten wollen. Nicht die Beklagte, sondern die Klägerin habe die Mängelbehebung verhindert. Die von der Klägerin erhobenen Forderungen, vorab mitzuteilen, welche Mängel auf welche Art und Weise beseitigt werden, sei nicht berechtigt, weil der Beklagten zuzugestehen sei, sich erst vor Ort ein Bild über die vorhandenen Mängel zu machen und anschließend die Mängelbehebung zu beginnen. Eine Vorabbekanntgabe der zu behebenden Mängel, ohne deren genauen Umfang zu kennen, sei nicht möglich. Nach Art 80 CISG könne sich eine Partei auf die Nichterfüllung von Pflichten der anderen Partei dann nicht berufen, soweit die Nichterfüllung durch ihre Handlung oder Unterlassung verursacht worden sei. Solches gelte auch, wenn - wie hier - der zur Mängelbehebung berechtigte Käufer die vom Verkäufer auch terminlich bereits angebotene Mängelbehebung nicht zulasse. Deshalb habe die Klägerin ihr Recht auf Vertragsaufhebung durch ihr eigenes Verhalten verwirkt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil aus Anlass der Berufung in seinem Ausspruch betreffend die Abweisung des Feststellungsbegehrens als nichtig auf und bestätigte es im Übrigen; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, sowie - auf Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO - dass die ordentliche Revision zur Rechtsentwicklung zu Art 49 CISG zulässig sei. Das Erstgericht habe die Grundsätze zur wesentlichen Vertragsverletzung iSd Art 49 Abs 1 lit a CISG zutreffend dargestellt. Voraussetzung der Wesentlichkeit sei eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der Erfüllungsverpflichtung durch den Verkäufer, die zum Wegfall des Erfüllungsinteresses auf Seiten des Käufers führe. Maßstab für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung sei Art 25 CISG; eine Vertragsverletzung sei wesentlich, wenn sie für die andere Partei einen solchen Nachteil zur Folge habe, dass ihr im Wesentlichen entgehe, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Die Lieferung vertragswidriger Ware sei dann eine wesentliche Vertragsverletzung, wenn es sich um einen gravierenden Mangel handle, dessen Behebung mit zumutbarem Aufwand in angemessener Zeit nicht möglich sei. Solches treffe auf Beeinträchtigungen mit nur geringfügigen Auswirkungen - zB wenn der Käufer die Ware (wenn auch nur unter Einschränkungen) nützen könne - nicht zu. Selbst ein gravierender Sachmangel sei nicht als wesentliche Vertragsverletzung zu beurteilen, wenn eine Behebung problemlos möglich sei, wenn also der Sachmangel beseitigt werden könne, ohne dass dem Käufer dadurch unzumutbare Verzögerungen oder Belastungen entstünden. Letzteres sei hier der Fall, seien doch sämtliche Mängel behebbar. Auch sei die Anlage mehrere Monate in Betrieb gewesen, sodass sie die Klägerin habe nutzen können, wenngleich entgegen den von der Auftraggeberin mündlich gestellten Anforderungen keine lückenlose Überwachung möglich gewesen sei. Dass die Waren insgesamt nicht der vertraglich vereinbarten Qualität entsprochen hätten, sei nicht schwerwiegend genug, eine wesentliche Vertragsverletzung zu begründen. Zutreffend gehe das Erstgericht auch davon aus, dass die Klägerin mit ihrem Verhalten ab 21. 5. 2006 die von der Beklagten wiederholt vorgeschlagene Besichtigung vor Ort und die Mängelbeseitigung vereitelt habe (Art 80 CISG). Besondere Gesichtspunkte, die auf einem beachtenswerten Interesse des Käufers beruhten, könnten den Ausschlag für die Erheblichkeit einer Vertragsverletzung bei einem gravierenden Sachmangel geben, lägen aber hier nicht vor. Die Klägerin habe Verbesserung gefordert und der Beklagten eine Verbesserungsmöglichkeit bis 24. 5. 2006 eingeräumt, sich in der Folge daran aber nicht mehr gehalten, sondern die Verbesserung verweigert und die Rückgängigmachung des Kaufs verlangt; dieser Vorgangsweise stehe jedoch Art 47 Abs 2 CISG entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach Auffassung der Klägerin liege eine wesentliche Vertragsverletzung darin, dass die Anlage die vorausgesetzte Sicherungsfunktion sowie das Anforderungsprofil nicht erfülle und mangelhaft sei; auch betrügen die Mängelbehebungskosten 75 % der Anschaffungskosten. Eine Mängelbehebung sei unzumutbar, weil sie seit Ende April 2006 erfolglos urgiert worden sei und ein Vertrauensverlust wegen fehlender Abwicklungskompetenz eingetreten sei. Die Klägerin habe seit März 2006 de facto eine Nachfrist zur Mängelbehebung gewährt und sei zu einem weiteren Zuwarten nicht verpflichtet.

1. Zutreffend stellt die Klägerin die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechtsübereinkommens nicht in Frage. Typengemischte Verträge unterliegen dann nicht dem Anwendungsbereich des UN-Kaufrechtsübereinkommens, wenn der Anteil der kauffremden Vertragspflichten wertmäßig oder nach dem Parteiinteresse deutlich überwiegt (4 Ob 179/05k = RIS-Justiz RS0120301 mwN). Solches ist hier nicht der Fall.

2.1. Nach Art 49 Abs 1 lit a CISG kann der Käufer die Aufhebung des Vertrags erklären, wenn die Nichterfüllung einer dem Verkäufer nach dem Vertrag oder diesem Übereinkommen obliegenden Pflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt.

2.2. Durch die Aufhebung werden die ursprünglichen Verpflichtungen der beiden Vertragsparteien vollständig beseitigt. Zweck der Vorschrift ist es, die Aufhebung des Vertrags nur als ultima ratio innerhalb der dem Käufer zustehenden Rechtsbehelfe vorzusehen. Eine Vertragsaufhebung ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn eine besonders schwerwiegende Vertragsverletzung vorliegt (Schnyder/Straub in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht² Art 49 Rz 1 f).

2.3. Die Rückabwicklung soll dem Käufer nur als letzte Möglichkeit zur Verfügung stehen, um auf eine Vertragsverletzung der anderen Partei zu reagieren, die so gewichtig ist, dass sie sein Erfüllungsinteresse im Wesentlichen entfallen lässt (BGH 3. 4. 1996, VIII ZR 51/95 mwN).

2.4. Die Vertragsaufhebung ist durch eine vom vertragstreuen Teil an den Vertragspartner gerichtete einseitige Erklärung geltend zu machen, die an keine bestimmte Form gebunden ist und auch mit der Klage erklärt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0112335, RS0113572, RS0018258); sie unterliegt - mit Ausnahme der Fälle des Art 49 Abs 2 CISG - keiner Befristung (vgl RIS-Justiz RS0104937).

3.1. Maßstab für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung ist Art 25 CISG (Müller-Chen in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht5 Art 49 Rn 4; Schnyder/Straub in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht² Art 49 Rz 17a). Danach ist eine von einer Partei begangene Vertragsverletzung wesentlich, wenn sie für die andere Partei einen solchen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, es sei denn, dass die vertragsbrüchige Partei diese Folge nicht vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte.

3.2. Zum zentralen Problem bei Bestimmung des Begriffs der „wesentlichen Vertragsverletzung“, ob die Beurteilung der Wesentlichkeit von der Möglichkeit einer bestehenden Nacherfüllung abhängig ist oder nicht (sog „Recht zur zweiten Andienung“), werden im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten. So bleibt nach einem Teil der Literatur die Möglichkeit einer Nacherfüllung in der angesprochenen Frage gänzlich unberücksichtigt, während nach anderer Auffassung selbst ein objektiv schwerwiegender Mangel, der unter zumutbaren Umständen behebbar ist, kein Aufhebungsrecht begründen kann (Nachweise bei Schnyder/Straub aaO Rz 19 ff).

Nach überwiegender Auffassung liegt ein wesentlicher Vertragsbruch noch nicht vor, wenn Nachbesserung, Nachlieferung oder Beseitigung eines Mangels in einer angemessenen, die Nutzungserwartungen des Käufers berücksichtigenden Frist möglich ist, vom Verkäufer erwartet werden kann und dem Käufer zuzumuten ist (Achilles, Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen [CISG] Art 25 Rz 4; Conrad, Die Lieferung mangelhafter Ware als Grund für eine Vertragsaufhebung im einheitlichen UN-Kaufrecht [CISG], 49; Krebs, Die Rückabwicklung im UN-Kaufrecht, 40; Lehmkuhl, Das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers im UN-Kaufrecht; Schlechtriem/Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht5 Art 25 Rz 27; Staudinger/Magnus [2005] Art 49 CISG Rz 14).

Nach der vermittelnden Auffassung von Schnyder/Straub (aaO Rz 23) erfolgt die Feststellung der Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung aufgrund einer Abwägung zwischen ihrer Erheblichkeit und den Modalitäten ihrer Behebbarkeit im Rahmen einer hypothetischen Gesamtschau aller objektiven Umstände des Einzelfalls. In die Prüfung sind insbesondere folgende Umstände miteinzubeziehen: Art und Ausmaß der Vertragsverletzung; Auswirkungen der Vertragsverletzung auf die vertragstreue Partei; Art der Kaufsache; begleitendes Verhalten des Verkäufers; Möglichkeit, Kosten und Dauer einer nachträglichen Leistungserbringung durch den Verkäufer; Möglichkeit und Kosten, die mangelnde Erfüllung zu beseitigen.

Auch Botzenhardt (Die Auslegung des Begriffs der wesentlichen Vertragsverletzung im UN-Kaufrecht, 208 ff, insb 218 f) kommt nach eingehender Analyse zum Ergebnis, dass dem Vertragsaufhebungsrecht kein unbedingter Vorrang vor dem Nacherfüllungsrecht einzuräumen ist und hält eine umfassende Prüfung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls für erforderlich, ob die Behebbarkeit eines Sachmangels eine wesentliche Vertragsverletzung ausschließt oder nicht.

Petrikic (Das Nacherfüllungsrecht im UN-Kaufrecht, 114) geht davon aus, dass selbst ein objektiv schwerwiegender Mangel, der aber durch Nachlieferung oder Verbesserung innerhalb angemessener Frist behebbar ist, nicht zu einer Vertragsaufhebung berechtigt. Diese wäre nur bei weiteren Elementen zulässig, etwa einem besonderen Interesse an der Termineinhaltung, Erschütterung der Vertrauensgrundlage, unzumutbaren Bedingungen uä.

3.3. Der Senat hält die im Schrifttum vertretene vermittelnde Lösung für sachgerecht, wonach die Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung regelmäßig aufgrund einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist.

In die gebotene Interessenabwägung sind neben Art und Ausmaß der Vertragsverletzung und deren Auswirkungen auf die vertragstreue Partei unter anderem auch die Möglichkeit einer Nachlieferung oder Verbesserung innerhalb angemessener Frist, deren Kosten sowie deren Zumutbarkeit für den Käufer einzubeziehen.

Dieses Konzept der Grenzziehung zwischen Vertragsaufhebung und Nacherfüllung berücksichtigt die Interessen beider Vertragsparteien und ermöglicht ein der Lage des jeweiligen Falls entsprechendes ausgewogenes Ergebnis (vgl Botzenhardt, Die Auslegung des Begriffs der wesentlichen Vertragsverletzung im UN-Kaufrecht, 219).

4.1. Art 80 CISG bestimmt, dass sich eine Partei nicht auf die Nichterfüllung von Pflichten durch die andere Partei berufen kann, soweit diese Nichterfüllung durch ihre Handlung oder Unterlassung verursacht wurde.

4.2. Diese Bestimmung entlastet auch von Ansprüchen auf Aufhebung des Vertrags (Magnus in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht² Art 80 Rz 14 mwN). Weigert sich demnach der Käufer grundlos, die Nacherfüllung anzunehmen, verliert er sein Aufhebungsrecht (Müller-Chen in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht5 Art 49 Rz 8).

5.1. Nach den aufgezeigten Grundsätzen ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, dass die Klägerin das Recht zur Vertragsaufhebung nach Art 49 Abs 1 lit a CISG nicht geltend machen kann.

5.2. Zwar weicht nach den Feststellungen das Gelieferte vom Geschuldeten ab; vereinbart war nämlich eine Anlage zur lückenlosen Überwachung bestimmter Lokalbereiche, welche Bedingung durch die gelieferte Anlage nicht erfüllt ist. Zugleich steht aber fest, dass die gelieferte Anlage in Teilbereichen funktions- und verwendungsfähig war, monatelang auch in Verwendung stand und die bestehenden Erfüllungsdefizite durch Verbesserung ausgeglichen werden können, deren Kosten (zieht man die im ursprünglichen Auftrag nicht enthaltenen Kosten einer zusätzlichen Überwachungskamera samt Installation sowie einer Softewareadaptierung von den vom Sachverständigen berechneten Verbesserungskosten ab) sich in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragswert bewegen und diesen nicht annähernd erreichen. Dazu kommt, dass die Verkäuferin zur Mängelbehebung bereit war, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands aber allein am Verhalten des Geschäftsführers der Käuferin gescheitert ist. Dass eine Verbesserung für die Käuferin unzumutbar wäre, ist nicht ersichtlich.

5.3. Berücksichtigt man diese Umstände des Einzelfalls, hat die Schlechterfüllung durch die Beklagte nicht den Nachteil zur Folge, dass ihr im Wesentlichen entgangen ist, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Damit liegt keine wesentliche Vertragsverletzung nach Art 49 Abs 1 lit a CISG vor, weshalb dem Begehren auf Vertragsaufhebung die Grundlage fehlt.

5.4. Auch wenn man zu einem gegenteiligen Ergebnis der Interessenabwägung gelangte, wäre für die Klägerin damit noch nichts gewonnen, hätte sie doch diesfalls ihr Aufhebungsrecht dadurch verloren, dass sie sich grundlos weigerte, die Nacherfüllung anzunehmen (Art 80 CISG).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte