OGH 4Ob1522/96

OGH4Ob1522/9612.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Griß und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** AG, ***** vertreten durch Dr.Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing.Robert M*****, vertreten durch Dr.Hermannfried Eiselsberg und Dr.Wilhelm Granner, Rechtsanwälte in Wels, wegen S 2,678.169 sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 14.Dezember 1995, GZ 6 R 134/95-19, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zulassungsbeschwerde geht in weiten Bereichen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wenn sie unterstellt, daß der vom Bauherrn mit der Planung und Bauüberwachung bestellte Architekt dem beklagten Bauunternehmer die maßgebliche Grundgrenze, zu der ein Abstand von 8 m einzuhalten war, nur gefälligkeitshalber, ohne Rechtspflicht und unentgeltlich gezeigt (oder beim gemeinsamen Suchen nach Grenzzeichen geholfen) habe, so daß es Sache des Beklagten gewesen wäre, selbst die Grenze zu ermitteln und erst dann das zu errichtende Gebäude einzumessen. Nach der Rechtsprechung (SZ 57/18; JBl 1985, 622; WBl 1987, 219; JBl 1993, 521; ecolex 1995, 97) hat der Besteller im Rahmen seiner vertraglichen Nebenpflichten insbesondere die sich aus den Besonderheiten des zu erbringenden Werks jeweils ergebende Verpflichtung zur Aufklärung und Mitwirkung. Dabei kann er sich auch eines Gehilfen bedienen. Die Mitteilung des dem Besteller bekannten Verlaufes einer Grundstückgrenze, zu der der Bauunternehmer einen bestimmten Abstand einzuhalten hat, gehört zu diesen Nebenpflichten des Bestellers, der es nicht zum Gegenstand seines Werkauftrages an den Bauunternehmer gemacht hat, den Grenzverlauf in der Natur zu ermitteln. Daß ein solcher Auftrag hier nicht erteilt wurde, ist unbestritten. Mangels Bedenklichkeit des ihm bekanntgegebenen Grenzverlaufs auf Grund der bekannten Umstände durfte der Beklagte daher annehmen, daß der Architekt sein Wissen vom Bauherrn oder sonst auf anderem Weg erworben hatte, zumal der Architekt keinen Zweifel aufkommen ließ und nicht einmal andeutete, daß dieser Verlauf noch geprüft werden müsse.

Der Hinweis des Architekten über den Grenzverlauf war somit nicht als Wunsch oder bloße Anregung sondern als verbindliche Anweisung für das eigentliche Ziel (die Situierung des herzustellenden Bauwerks auf dem Grundstück) zu verstehen. Daß das Berufungsgericht darin eine Anweisung des (Vertreters des) Bestellers gesehen hat, ist durch Rechtsprechung gedeckt (JBl 1987, 44).

Auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die genannte Anweisung nicht offenbar unrichtig war, ist nicht zu beanstanden. Offenbar unrichtig ist eine Anweisung dann, wenn sie der Unternehmer bei der ihm zumutbaren Fachkenntnis wahrnehmen mußte (JBl 1966, 562; SZ 50/50). Besondere Untersuchungspflichten sind damit nicht verbunden (SZ 37/163; EvBl 1971/308). Technisch schwierige und kostenintensive Untersuchungen, die zur Werkleistung und zur Höhe des Werklohnes in keinem vernünftigen Verhältnis stehen, müssen nicht durchgeführt werden, wenn das nicht besonders vereinbart ist (SZ 57/197; WBl 1987, 219; JBl 1987, 622). Der Beklagte hat als Baumeister keine besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet des Vermessungswesens und verfügt auch nicht über die dafür erforderlichen Geräte. Die Überprüfung gar nicht als fraglich hingestellter Angaben über den Grenzverlauf war von ihm daher nicht zu erwarten. Als er aber nach Einsichtnahme in den Bauplan den Architekten mit den Worten, daß falsch gebaut werde, auf die Abweichung vom Bauplan (geringerer Abstand als der dort festgelegte Abstand von 17 m von der fraglichen Grundgrenze) hinwies, erklärte der Architekt, daß ohnehin alles mit der Baubehörde abgesprochen sei. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen eine Verletzung der Warnpflicht durch den Beklagten verneint hat, kann das nicht als Fehlbeurteilung erblickt werden. Ist aber die Warnpflichtverletzung nicht erwiesen, dann kann der Architekt (die Klägerin als seine Berufshaftpflichtversicherung) gegen den Beklagten nicht Regreß nehmen.

Die in der Zulassungsbeschwerde behaupteten Widersprüche der angefochtenen Entscheidung zu vorliegender Rechtsprechung sind nicht gegeben:

In ecolex 1995, 714 wurde lediglich unter dem vertraglichen Aspekt, daß der Besteller nicht zur Kontrolle der bisher vom Werkunternehmer geleisteten, aber mangelhaften Arbeiten verpflichtet war, ausgeführt, daß dem Werkbesteller die Warnpflichtverletzung des zweiten Unternehmers, dessen Leistung auf der des ersten aufzubauen hatte, nicht als Gehilfenverschulden zuzurechnen ist.

Das Fehlverhalten des im Rahmen der Erfüllung eines Werkvertrages geschädigen Werkbestellers wurde in JBl 1987, 44 nur deshalb nicht als Mitverschulden gewertet, weil der Besteller zu einer Mitwirkung nicht verpflichtet war. Gemäß § 1168a ABGB haftet aber der Werkunternehmer nicht für den aus dem Mißlingen des Werks entstandenen Schaden, wenn ihm - wie hier - keine Verletzung der Warnpflicht zur Last fällt. Daß in der genannten Entscheidung auch ausgesprochen wurde, daß selbst bei festgelegter Mitwirkungspflicht des Bestellers das in der Verletzung der Warnpflicht liegende Verschulden des Werkunternehmers schwerer wiegt, hat auf den vorliegenden Fall, in dem eine Warnpflichtverletzung zu verneinen war, keinen Einfluß.

Auch SZ 66/162, wonach der Architekt, der dem Bauherrn, den er in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten zur Zahlung einer überhöhten Rechnung des Bauunternehmers veranlaßt hatte, Schadenersatz geleistet hat, beim Bauunternehmer voll Regreß nehmen kann, ging von einem Verschulden des Bauunternehmers, nämlich der vertragswidrig erstellten überhöhten Rechnung aus. Hier aber konnte ein Verschulden des Beklagten nicht ermittelt werden.

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