OGH 4Ob142/14g

OGH4Ob142/14g17.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, Wien 1, Kohlmarkt 11/6, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** H*****, vertreten durch Höhne In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 30. Juni 2014, GZ 4 R 105/14k‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00142.14G.0917.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zu 4 Ob 166/13k hat der Senat ausgesprochen, dass gemäß § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG zum zahnärztlichen Vorbehaltsbereich insbesondere die Vornahme von kosmetischen und ästhetischen Eingriffen an den Zähnen gehört, sofern diese eine zahnärztliche Untersuchung und Diagnose erfordern. Dieser Tatbestand ist in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise dann erfüllt, wenn bei der Behandlung eine photochemische Reaktion stattfindet und die Behandlung ua bei Erkrankungen des Zahnfleisches und bei unbehandeltem Karies nicht durchgeführt werden darf.

2. Im Anlassfall ist bescheinigt, dass das von der Beklagten zur Zahnaufhellung verwendete Produkt durch ein LED‑Licht aktiviert wird, in die Zahnoberfläche eindringt und mit dem verfärbten Zahnschmelz reagiert; durch Oxydation in der Zahnsubstanz mittels freier Sauerstoffradikale werden die Verfärbungen beseitigt. Nach den Herstellerangaben kommt dieses Produkt nur für eine Behandlung gesunder Zähne in Frage; bei „Löchern und/oder starkem Zahnstein sollte erst eine Behandlung beim Spezialisten“ durchgeführt werden.

3. Unter diesen Umständen hat das Rekursgericht die Rechtsfrage nach einem Eingriff in den Zahnärztevorbehalt in vertretbarer Weise bejaht, wenn es von einem Verstoß der Beklagten gegen § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG ausgegangen ist. Den nach dem bescheinigten Sachverhalt der Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis, dass die von ihr angewendete Zahnbleichmethode trotz ausgelöster photochemischer Reaktion und trotz Empfehlung nur für die Behandlung gesunder Zähne aus zahnärztlicher Sicht unter allen Umständen ungefährlich ist und deshalb keiner vorangehenden zahnärztlichen Diagnostik bedarf, hat sie im Sicherungsverfahren nicht erbracht. Die Negativfeststellung des Erstgerichts, es könne nicht festgestellt werden, ob mit der Anwendung dieser Methode Gefahren bei Zahnfleischproblemen und/oder Kariesbefall verbunden seien, geht daher zu Lasten der Rechtsmittelwerberin. Ob vor der Anwendung einer Zahnbleichmethode eine zahnärztliche Diagnostik notwendig ist, fällt hingegen in den Bereich der rechtlichen Beurteilung.

4. Regelungsziel der VO 1223/2009 /EU ist es, einen Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu schaffen (ErwGr 4; Art 1), um beispielsweise durch effektive Marktüberwachung ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten (ErwGr 3). Dieser Regelungsgegenstand lässt nationale Vorschriften über Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten unberührt, weshalb die genannte Verordnung die hier übertretene Norm des § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG nicht unionsrechtswidrig machen kann.

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