OGH 4Ob13/75

OGH4Ob13/758.4.1975

SZ 48/40

Normen

ABGB §1392
ABGB §1392

 

Spruch:

Bleibt es dem Zessionar überlassen, ob und wann er von dem ihm vorbehaltenen Recht zur Verständigung des Schuldners Gebrauch machen will, steht es ihm auch frei, die Zession gegenüber dem Drittschuldner nicht in voller Höhe, sondern nur hinsichtlich eines Teiles der abgetretenen Forderung "offenzulegen" und sich (zumindest vorerst) mit der Überweisung dieses geringeren Betrages zufrieden zu geben

OGH 8. April 1975, 4 Ob 13/75 (LGZ Wien 44 Cg 178/74; Arg Wien 2 Cr 472/74)

Text

Die klagende Genossenschaft verlangt von der Beklagten mit der vorliegenden, am 22. Juli 1974 beim Erstgericht eingelangten "Drittschuldnerklage" die Zahlung von 3108 S samt Anhang. Sie habe dem bei der Beklagten als Hilfsarbeiter beschäftigten Heinrich P am 17. Mai 1971 ein Darlehen von 22.000 S zugezählt, von welchem laut rechtskräftigem Urteil des Handelsgerichtes Wien noch ein Restbetrag von 18.188.33 S samt Anhang aushafte. Heinrich P habe der Klägerin schon in Punkt 3 des Kreditvertrages unwiderruflich und vorbehaltlos seine sämtlichen exekutionsfähigen Bezüge gegenüber seinen jeweiligen Dienstgebern abgetreten. Von dieser Zession habe die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 17. Juni 1974 verständigt und um Abzug und Überweisung zugunsten ihrer vollstreckbaren Forderung ersucht, wobei sie sich bis auf weiteres mit einem wöchentlichen Lohnabzug von 200 S einverstanden erklärt habe. Da die Beklagte aber dieses Schreiben mit dem Vermerk: "Wird nicht angenommen" zurückgeschickt und keine Beträge überwiesen habe, fordere die Klägerin nunmehr auf der Grundlage eines Wocheneinkommens des Heinrich P von 1500 S den vollen Lohnabzug von 777 S wöchentlich; daraus ergebe sich für die Zeit vom 25. Juni bis 22. Juli 1974 (vier Lohnwochen) ein Anspruch der Klägerin in der Höhe des eingeklagten Betrages.

Bei der ersten Tagsatzung am 2. September 1974 erging auf Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil im Sinne des Klagebegehrens.

Die Beklagte erhob dagegen fristgerecht Berufung. Da die Klägerin ihre Erklärung, bis auf Widerruf mit einem wöchentlichen Lohnabzug von 200 S einverstanden zu sein, niemals widerrufen habe, könne sie von der Beklagten für den in der Klage bezeichneten Zeitraum nur (4 x 200 S) 800 S fordern; diese Schuld habe jedoch die Beklagte durch die Überweisung von 1000 S an die Klägerin bereits getilgt.

Unbestritten steht fest, daß die Klägerin am 17. Juni 1974 nachstehendes Schreiben an die Beklagte gerichtet hat:

"Wir dürfen Ihnen beiliegend eine Photokopie des Kreditvertrages Ihres oben angeführten Dienstnehmers übersenden und verweisen auf Pkt. 3, demzufolge Heinrich P uns alle ihm gegen seinen jeweiligen Dienstgeber zustehenden Bezüge bis auf das Existenzminimum abgetreten hat. Wir sind berechtigt, diese Zession jederzeit offen zu stellen.

Wir erklären uns damit einverstanden, daß wöchentlich nur 200 S einbehalten und an Hand der angeschlossenen Erlagscheine an uns überwiesen werden. Bei Einlangen einer Gehaltsexekution bzw. auf unser Verlangen ist der gesamte pfändbare Teil vom Einkommen des Obgenannten an uns zu überweisen ..."

Dazu steht außer Streit, daß dieses Schreiben noch vor dem 25. Juni 1974 bei der Beklagten eingelangt ist. Heinrich P ist mit 12. August 1974 aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden.

Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG von neuem durch; es gab sodann der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Nach dem Empfang des Schreibens vom 17. Juni 1974 habe die Beklagte - gleichgültig, ob sie diese Verständigung anerkannte oder nicht - nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an Heinrich P zahlen können, sondern im Umfang der von der Klägerin aus der Zession beanspruchten Höhe an diese leisten müsse. Da die Klägerin aber einer wöchentlichen Überweisung von nur 200 S zugestimmt habe, sei nur in dieser Höhe eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten zustande gekommen, während der darüber hinausgehende Lohn weiterhin an Heinrich P zu zahlen gewesen sei. Einen Widerruf dieser einschränkenden Verständigung habe die Klägerin nicht einmal behauptet; ohne eine solche neuerliche Verständigung sei aber eine Verpflichtung der Beklagten zu höheren Abzügen und Überweisungen nicht entstanden. Für den in der Klage angeführten Zeitraum habe die Klägerin somit tatsächlich nur 800 S zu fordern, welche Verpflichtung durch die von der Beklagten überwiesenen 1000 S mehr als abgegolten sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach dem Vorbringen der Klage wurde die Gehalts(Lohn)forderung des Heinrich P zunächst "in stiller Form" an die Klägerin abgetreten, wobei es der Klägerin jederzeit freigestanden sei, "durch Verständigung beim jeweiligen Dienstgeber die Zession fällig zu stellen und die Vormerkung der Abtretung in Höhe der fälligen Beträge zu veranlassen"; auch im Verständigungsschreiben vom 17. Juni 1974 verweist die Klägerin darauf, daß sie berechtigt sei, "diese Zession jederzeit offen zu stellen". Grundlage der vorliegenden "Drittschuldnerklage" ist daher nicht eine "stille Zession" im Sinne der von der Rechtslehre (Wolff in Klang[2], VI, 290; Ehrenzweig[2] II/1, 258; Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 99; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[3] I, 216; Schinnerer, Bankverträge[2] II, 159) und der Rechtsprechung (SZ

42/105 = EvBl. 1970/147 = JBl. 1970, 198 = VersR 1971, 678; SZ 43/21

= EvBl. 1970/168 = RZ 1970, 150; JBl. 1970, 473; 2 Ob 91/72)

entwickelten Begriffsbestimmung - also eine Vereinbarung, nach der sich der Zedent verpflichtet, die Forderung im eigenen Namen als mittelbarer Stellvertreter des Zessionars einzutreiben und dann die vom Schuldner erhaltene Leistung dem Zessionar abzuliefern -, sondern vielmehr eine von Heinrich P zur Sicherung seiner Darlehensschuld vorgenommene sogenannte "nicht verständigte" Abtretung (in der Kreditpraxis häufig ebenfalls als "stille Zession" bezeichnet; vgl. Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts, 249; Schinnerer, 166; ebenso 5 Ob 322/74), bei welcher der Drittschuldner zunächst nicht verständigt wird, diese Verständigung vielmehr dem Zessionar vorbehalten bleibt. Bei dieser Art der (Sicherungs-)Abtretung liegt also die Verständigung des Schuldners im Ermessen des Zessionars. Der Schuldner darf, solange ihm der Übernehmer nicht bekannt wird, an den Zedenten zahlen oder sich sonst mit ihm abfinden (§ 1395, letzter Satz, ABGB); er ist dazu nicht mehr berechtigt, sobald ihn der Zessionar von der Abtretung verständigt hat (§ 1396, erster Halbsatz, ABGB). Bleibt es aber mangels einer abweichenden Vereinbarung allein dem Zessionar überlassen, ob und wann er von dem ihm vorbehaltenen Recht zur Verständigung des Schuldners Gebrauch machen will (Schinnerer, 166, insbesondere in FN 106), dann muß es ihm auch freistehen, die Zession gegenüber dem Drittschuldner nicht in voller Höhe, sondern nur hinsichtlich eines Teils der abgetretenen Forderung "offenzulegen" und sich (zumindest vorerst) mit der Überweisung dieses geringeren Betrages zufriedenzugeben. Genau das hat aber die Klägerin im vorliegenden Fall getan: Die in das Verständigungsschreiben aufgenommene Erklärung der Klägerin, sich vorerst mit einem wöchentlichen Abzug von 200 S zu begnügen und erst "bei Einlangen einer Gehaltsexekution bzw. auf unser Verlangen" auf der Überweisung des gesamten pfändbaren Einkommens des Heinrich P zu bestehen, konnte im Zusammenhang mit dem Hinweis auf ihre Berechtigung, die Zession "jederzeit offen zu stellen", nur dahin verstanden werden, daß die Klägerin damit von der ihr vertraglich eingeräumten Befugnis, die (Sicherungs-)Abtretung der Arbeitsbezüge des Heinrich P durch Verständigung der Beklagten auch dieser gegenüber wirksam werden zu lassen, zunächst nur in beschränktem Umfang - nämlich nur bis zu einem Betrag von 200 S wöchentlich - Gebrauch machen wollte. Da es sich dabei um kein Anbot zum Abschluß eines Vertrages im Sinne des § 861 ABGB handelte, kommt dem Umstand, daß die Beklagte das Schreiben als "nicht angenommen" zurücksandte, entgegen der Meinung der Klägerin auch insoweit keine rechtliche Bedeutung zu. Die Beklagte war vielmehr auf Grund dieser ihr zugekommenen Verständigung - gleichgültig, ob sie diese "angenommen" hatte oder nicht (JBl. 1960, 639; ebenso 8 Ob 234/69) - verpflichtet, vom Arbeitsentgelt des Heinrich P wöchentlich 200 S abzuziehen und an die Klägerin zu überweisen; die darüber hinausgehenden Beträge hatte sie weiterhin an ihren Dienstnehmer auszuzahlen. Wollte die Klägerin von einem bestimmten Zeitpunkt an höhere Überweisungen erreichen, dann konnte sie das - mit Wirkung pro futuro - durch eine entsprechende weitere Verständigung der Beklagten jederzeit tun; die Klägerin hat aber nicht einmal behauptet, daß sie vor Einbringung der gegenständlichen Klage die Beklagte jemals zu einem höheren als dem am 17. Juni 1974 verlangten Abzug von wöchentlich 200 S aufgefordert hätte. Für die vier Lohnwochen vom 25. Juni bis zum 22. Juli 1974 - welche allein den Gegenstand des vorliegenden Zahlungsbegehrens bilden - hatte die Beklagte daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, tatsächlich nur 800 S von Heinrich P einzubehalten und an die Klägerin ab zuführen.

Dem Berufungsgericht ist aber auch darin zu folgen, daß dieser Anspruch der Klägerin durch die Überweisung eines Betrages von 1000 S getilgt worden ist: Auf Grund des insoweit übereinstimmenden Vorbringens der Parteien steht fest, daß die Beklagte die Zahlung dieses Betrages erst am 13. August 1974 - also nach Einbringung der vorliegenden Klage - angekundigt und in der Folge auch tatsächlich ausgeführt hat. Die Klägerin vertritt zwar die Auffassung, daß diese Zahlung "Abzüge für die Zeit der Lohnwoche vom 22. Juli 1974 bis zum Ausscheiden des Schuldners am 12. August 1974" enthalten habe, sie hat aber eine konkrete Widmungserklärung der Beklagten in dieser Richtung nicht einmal behauptet. Im Zweifel (§ 1416 ABGB) mußte die Überweisung daher auf den bereits eingeklagten Anspruch der Klägerin angerechnet werden, welcher damit zur Gänze getilgt erscheint.

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