OGH 4Ob136/97x

OGH4Ob136/97x10.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manuela F*****, Deutschland, vertreten durch Dr.Herwig Mayrhofer, Dr.Karl-Heinz Plankel und Dr.Robert Schneider, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Emma B*****, vertreten durch Dr.Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, wegen DM 65.475,95 sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil und Rekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck je als Berufungsgerichtes, je vom 30.Jänner 1997, GZ 2 R 300/96a-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. Oktober 1996, GZ 7 Cg 84/96i-17, teilweise als Teilurteil bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, beschlossen und in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der Klägerin wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 16.785 (darin S 2.797,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 20.11.1994 verstorbene Franz D***** B***** hinterließ seine Ehegattin, die Beklagte und seine außereheliche Tochter, die Klägerin. In einem rechtswirksamen Testament vom 13.10.1984 hatte er die Beklagte zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Das Testament enthielt keine weiteren Bestimmungen. Der Nachlaß wurde der Beklagten, die eine bedingte Erbserklärung abgegeben hatte, am 1.12.1995 eingeantwortet.

Im Todeszeitpunkt betrug die Gesamtsumme der Nachlaßaktiva (Liegenschaftsanteile zuzüglich eines Alpanteils und eines PKWs) DM 258.336,41. An Passiva waren DM 7.384,19 vorhanden.

Nicht Gegenstand des Verlassenschaftsverfahrens war eine Lebensversicherungssumme von DM 30.333, welche der Beklagten aufgrund eines vom Verstorbenen abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages mit Gewinnbeteiligung zufloß. Versicherte Personen dieser Lebensversicherung waren der Verstorbene und die Beklagte, wobei im Ablebensfalle der überlebende Versicherte, im Erlebensfall der verstorbene Daniel Berchthold begünstigt (bezugsberechtigt) sein sollten.

Die Klägerin hatte zu Lebzeiten mit ihrem Vater keinerlei Kontakt. Es bestand zwischen ihnen zu keiner Zeit ein Naheverhältnis, wie es in der Familie zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich besteht.

In Anrechnung auf die Pflichtteilsansprüche der Klägerin leistete die Beklagte eine Teilzahlung von DM 28.285,79.

Die Klägerin begehrt nunmehr noch Zahlung von DM 65.475,95 sA. Dieser Betrag errechnet sich aus einem Drittel des reinen Nachlasses (DM 83.650,75) zuzüglich eines Drittels der ausbezahlten Versicherungssumme (DM 10.111). Eine Pflichtteilsminderung nach § 773a ABGB komme nicht in Betracht, da diese eine ausdrückliche Anordnung des Erblassers voraussetze.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Wille des Erblassers sei offenkundig darauf gerichtet gewesen, daß die Klägerin nichts erhalten solle. Das Testament sei daher dahingehend auszulegen, daß die Klägerin nur den nach § 773a ABGB geminderten Pflichtteil, somit nur 1/6, erhalten soll. Die Leistung aus der Lebensversicherung falle nicht in den Nachlaß und sei auch bei Berechnung des Pflichtteils nicht zu berücksichtigen, da der Erblasser für diese Versicherung keine Leistung erbracht habe, und es sich um eine gemeinsame Versicherung der Ehegatten handle.

Das Erstgericht sprach der Klägerin weitere DM 13.539,58 samt 4 % Zinsen seit 1.12.1995 zu und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, der Verstorbene habe die Klägerin nie als seine Tochter angesehen und sei der Meinung gewesen, nicht ihr Vater zu sein. Er habe gewollt, daß im Fall seines Todes der gesamte Nachlaß der Beklagten zufalle. Es habe dem Willen des Verstorbenen entsprochen, daß die Klägerin im Fall seines Todes nichts bekommen solle.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Voraussetzungen einer Pflichtteilsminderung auf 1/6 des Nachlasses lägen vor. Der Verstorbene habe gewollt, daß die Klägerin im Fall seines Todes nichts erhalte. Darin liege auch sein Wille auf Reduktion des Pflichtteiles. Ansprüche aus der Lebensversicherung seien nur dann vererblich, wenn der Erblasser selbst Begünstigter sei. Dies sei hier nicht der Fall. Der der Beklagten als Begünstigter zugeflossene Betrag sei daher bei Berechnung des Pflichtteils nicht zu berücksichtigen.

Das Urteil des Erstgerichts blieb in seinem klagsstattgebenden Teil unangefochten.

Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil gerichteten Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es hob das angefochtene Urteil im Umfang der Abweisung eines Mehrbegehrens von DM 5.055,50 sA auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im übrigen bestätigte es die angefochtene Entscheidung als Teilurteil. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen den bestätigenden Teil zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof die Frage, inwieweit eine Pflichtteilsminderung einer ausdrücklichen Anordnung durch den Erblasser bedürfe oder auch stillschweigend erfolgen könne, bisher nicht endgültig beantwortet habe.

Gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage, ob und inwieweit Zahlungen aus einer vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherung bei der Pflichtteilsbemessung zu berücksichtigen sind, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

§ 773 a ABGB decke auch eine vom Erblasser positiv gewollte, stillschweigende Herabsetzung des Pflichtteils. Sofern der Klägerin vor Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes überhaupt ein Pflichtteil neben Verwandten der zweiten oder dritten Linie zugestanden wäre, hätte dieser maximal 1/6 betragen. Es liege klar auf der Hand, daß der Erblasser die Klägerin maximal auf einen Pflichtteil in dieser Höhe setzen wollte, hätte er sie doch sonst im Testament bedacht oder von einer letztwilligen Verfügung Abstand genommen, um ihr den gesetzlichen Erbteil zukommen zu lassen. Habe die Klägerin aber erst durch die gesetzliche Änderung nachträglich gesetzliche Erb- und Pflichtteilsansprüche erhalten oder seien diese erhöht worden, und habe der Erblasser ihr davor gar nichts oder wenig zuwenden wollen, könne die letztwillige Verfügung nur so verstanden werden, daß die Klägerin auch nur das erhalten soll, was sie zwingend erhalten müsse, nämlich den geminderten Pflichtteil.

Die an die Beklagte als Bezugsberechtigte ausbezahlte Versicherungssumme sei in die Verlassenschaft des Versicherungsnehmers nicht einzubeziehen. Für den Fall der Unentgeltlichkeit des Zuwendungsverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Begünstigter sei der durch die Bezugsberechtigung zugewendete Betrag bei der Pflichtteilsberechnung als Schenkung gemäß § 785 ABGB anzurechnen. Unentgeltlichkeit sei jedoch nicht anzunehmen, wenn der Begünstigte aufgrund seiner Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer die Prämienlast aus eigenem getragen hat. In einem solchen Fall sei nur die Differenz zwischen der Versicherungsleistung und der von der Begünstigten selbst gezahlten Prämien allenfalls als Schenkung in Anschlag zu bringen, sofern die Parteien diesen Differenzbetrag als geschenkt angesehen haben. Dies sei jedoch bei Überwälzung der gesamten Prämienlast auf die Bezugsberechigte im Zweifel nicht anzunehmen.

§ 785 Abs 3 ABGB nehme Schenkungen, die in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gemacht wurden, von der Anrechnung aus. Eine zur Versorgung naher Angehöriger abgeschlossene Lebensversicherung, deren Versicherungssumme das nach der Vermögens- und Einkommenssituation der Beteiligten vernünftige Maß nicht unverhältnismäßig überschreite, sei somit einer Anrechnung nicht unterworfen.

Das Erstgericht habe - ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, die an die Beklagte aus der Lebensversicherung geleistete Zahlung sei bei der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigen - diese Kriterien der Schenkungsanrechnung nicht erörtert und dazu keine Beweise aufgenommen, obwohl die Beklagte vorgebracht habe, sie allein habe Versicherungsprämien geleistet. Die Aufhebung und Rückverweisung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung erweise sich als erforderlich.

Die Revision der Klägerin richtet sich gegen das vom Berufungsgericht erlassene Teilurteil, der Rekurs der Beklagten gegen den in Ansehung eines Mehrbegehrens von DM 5.055,50 ergangenen Aufhebungsbeschluß.

Beide Rechtsmittel sind aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der Klägerin:

Die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor.

Die Revision bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach der Verstorbene eine Minderung des der Klägerin zustehenden Pflichtteils gewollt und seinen Willen durch Übergehen der Klägerin anläßlich seiner letztwilligen Anordnung zum Ausdruck gebracht habe. Sie vertritt die Auffassung, die Pflichtteilsminderung nach § 773 a ABGB bedürfe einer ausdrücklichen Anordnung und könne nicht stillschweigend durch Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten im Testament erfolgen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Sie vertritt die Auffassung, der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sei der Klägerin deshalb verwehrt, weil sie die im Berufungsverfahren unterbliebene Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht mehr nachholen könne.

Die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung, wonach der Verstorbene bei Testamentserrichtung wollte, daß der gesamte Nachlaß der Beklagten zufalle und die Klägerin nichts erhalten sollte, ist als Tatfrage der Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Ob aber aus dieser Feststellung im Zusammenhang mit den übrigen Umständen dieses Falles die testamentarische Anordnung des Verstorbenen als wirksame Minderung des Pflichtteils im Sinn des § 773 a ABGB zu beurteilen ist, stellt eine überprüfbare Rechtsfrage dar. Das Erstgericht hat die schriftliche testamentarische Anordnung als positiv gewollte, jedoch stillschweigend angeordnete Pflichtteilsminderung beurteilt. Dieser Rechtsansicht ist die Revisionswerberin in ihrer Berufung - wenngleich ausdrücklich nur im Zusammenhang mit den Berufungsgründen der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung - entgegengetreten. Eine Rechtsrüge ist in ihren Berufungsausführungen gerade noch zu erkennen, sodaß ihr der nunmehr geltend gemachte Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht verwehrt ist (vgl Kodek in Rechberger ZPO Rz 5 zu § 503).

Der Oberste Gerichtshof hat zur hier entscheidungswesentlichen Frage, ob eine Pflichtteilsminderung nach § 773 a ABGB einer ausdrücklichen Anordnung bedarf oder auch stillschweigend durch Übergehen des Pflichtteilsberechtigten in der letztwilligen Verfügung erfolgen kann, bisher nicht Stellung genommen. Ein Großteil der Lehre vertritt unter Hinweis auf den Justizausschußbericht zum Erbrechtsänderungsgesetz (1158 BlgNR 17.GP, 6) die Auffassung, eine Pflichtteilsminderung müsse nicht ausdrücklich angeordnet sein. Sie könne auch stillschweigend durch bloßes Übergehen (Nichterwähnung) des Noterben erfolgen. Allerdings müsse der Erbe - neben dem Fehlen eines Naheverhältnisses - aufgrund der sonstigen Umstände beweisen, daß der Erblasser die Minderung gewollt hat (Eccher in Schwimann ABGB2 Rz 6 zu § 773 a; Koziol/Welser Grundriß II10 380; Schauer, Neues Erbrecht ab 1991, RdW 1990, 70 ff [73]; Umlauft, Pflichtteilsminderung nach § 773 a ABGB, NZ 1990, 143 ff [144, 146 f]; derselbe, Die Pflichtteilsminderung im Lichte des Repräsentationsrechts JBl 1992, 557 ff [563]; Welser, Die Erbrechtsreform 1989, NZ 1990, 137 ff [140]; derselbe in Rummel ABGB II2 Rz 6 zu § 773 a). Die gegenteilige Ansicht vertritt Zemen (Die Pflichtteilsminderung im Parentelensystem, JBl 1992, 220 [228]), er fordert eine ausdrückliche Anordnung des Erblassers.

Umlauft (aaO 147 f) und ihm folgend Welser (aaO Rz 6 zu § 773 a) wollen dem Erben in Fällen, in denen die letztwillige Verfügung, in der der Erblasser das uneheliche Kind stillschweigend übergangen hat, vor Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes errichtet wurde, der Erblasser aber nach dessen Inkrafttreten verstorben ist, den Nachweis, wonach der Wille des Erblassers auf eine Pflichtteilsminderung gerichtet war, ersparen. In diesem Fall sei von einer stillschweigenden Pflichtteilsreduktion auszugehen. Das übergangene Kind könne aber beweisen, daß es nach dem Willen des Erblassers den ungekürzten Pflichtteil zu erhalten habe. Ob diese Auffassung zutrifft, kann mit Rücksicht auf die von den Vorinstanzen vorgenommenen Feststellungen dahingestellt bleiben.

Der Oberste Gerichtshof schließt sich der vom Großteil der Lehre vertretenen Auffassung (gegenteilig nur Zemen aaO 228) aus nachstehenden Überlegungen an:

Die Gesetzesmaterialien (JAB 1158 BlgNR 17.GP 6 f) nennen als "weitere Voraussetzung" der Pflichtteilsminderung wohl eine letztwillige Anordnung des Erblassers. Dieser müsse darin jedoch nicht die verba legalia verwenden, es genüge, wenn die Auslegung des letzten Willens klar ergebe, daß die Minderung des Pflichtteils gewollt sei. Daraus wird deutlich, daß es dem Gesetzgeber nicht auf die vom Erblasser verwendete Formulierung oder darauf ankommt, daß dieser die Pflichtteilsminderung ausdrücklich verfügt. Entscheidend ist vielmehr, ob die nach allgemeinen Grundsätzen vorzunehmende Auslegung der letztwilligen Verfügung ergibt, daß die Pflichtteilsminderung dem Willen des Erblassers entspricht, wofür die beklagte Testamentserbin beweispflichtig ist. (Eccher aaO Rz 7 zu § 773 a; Schauer aaO 73; Umlauft aaO 147 f; Welser aaO Rz 6 zu § 773 a; derselbe aaO 141). Der subjektive Wille des Erblassers ist hiebei unter Berücksichtigung aller Umstände zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung zu erforschen (Welser aaO Rz 7 und 8 zu § 533).

Im vorliegenden Fall steht bindend fest, daß der Verstorbene mit der Klägerin keinerlei Kontakt pflegte und sein Wille bei Testamentserrichtung darauf gerichtet war, daß der gesamte Nachlaß der Beklagten zufallen und die Klägerin nichts erhalten solle. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Erblasser habe der Klägerin nur das zukommen lassen wollen, was sie zwingend nach dem Gesetz zu erhalten habe, somit nur den geminderten Pflichtteil, ist nicht zu beanstanden. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung stand der Klägerin (mangels Vorhandenseins ehelicher Nachkommen) nur dann ein gesetzliches Erbrecht von maximal einem Drittel des Nachlasses zu, wenn noch Eltern des Erblassers, deren Nachkommen oder Großeltern vorhanden waren, was nicht feststeht (vgl Welser aaO Rz 3 zu § 754 aF). Waren diese weggefallen, hätte die Klägerin kein gesetzliches Erbrecht geltend machen können, der Nachlaß wäre zur Gänze der beklagten Ehegattin zugefallen. Für den Erblasser bestand daher im Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine Notwendigkeit, die Klägerin im Testament namentlich zu nennen, es sei denn, er hätte ihr etwas zuwenden wollen, was jedoch festgestelltermaßen nicht der Fall war. Dadurch, daß er sie im Testament überging, brachte er aber (konkludent) zum Ausdruck, daß sie nichts, bzw nur das gesetzlich vorgesehene Minimum erhalten soll (nämlich gegebenenfalls 1/6 des Nachlasses als Pflichtteil neben Eltern, deren Nachkommen oder Großeltern des Erblassers). Ein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß der Erblasser der Klägerin auch für den Fall künftiger gesetzlicher Änderungen des Erb- und Pflichtteilsrechts nur das zukommen lassen wollte, was ihr nach dem Gesetz zwingend zusteht, nämlich den geminderten Pflichtteil, ist nicht zu erkennen (§ 863 ABGB, vgl hiezu Umlauft aaO 147 f).

Der Klägerin steht daher nur der nach § 773 a ABGB geminderte Pflichtteil zu.

Ihrer Revision war ein Erfolg zu versagen.

2. Zum Rekurs der Beklagten:

Die Beklagte bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach noch zu prüfen sei, ob die in der Bezugsberechtigung aus der Lebensversicherung liegende Zuwendung bei Pflichtteilsbemessung als Schenkung zu berücksichtigen sei. Sie hat dazu im Verfahren erster Instanz vorgebracht, die Versicherungsprämien seien ausschließlich von ihr bezahlt worden, der Erblasser habe keine Leistung erbracht. Ihr nunmehriges Vorbringen, es handle sich um eine Bagatellversicherung, deren Prämie das Familieneinkommen nicht belaste und die zur Erfüllung einer sittlichen Pflicht und zur Erleichterung der mit dem Todesfall eines Ehepartners auftretenden Probleme, nicht aber in Schenkungsabsicht abgeschlossen worden sei, muß im Revisionsverfahren als Neuerung unbeachtet bleiben.

Die Auffassung der Vorinstanzen, wonach die an die Beklagte als Bezugsberechtigte ausbezahlte Versicherungssumme aus der Verlassenschaft des Versicherungsnehmers auszuscheiden ist, steht mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Einklang, wonach die Versicherungssumme nicht in die Verlassenschaft des Versicherungsnehmers einzubeziehen ist, wenn die Versicherungspolizze zugunsten einer bestimmten, namentlich bezeichneten Person lautet (SZ 57/73; 7 Ob 622, 623/95; RIS-Justiz RS0007845; Eccher, Antizipierte Erbfolge 134 f; Gschnitzer-Faistenberger, Österreichisches Erbrecht2 10; vgl Zankl, Lebensversicherung und Pflichtteilsrecht NZ 1989, 1 ff).

Dies hindert allerdings - wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt - eine allfällige Anrechnung der in der Bezugsberechtigung liegenden Zuwendung bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 785 ABGB nicht. Gegenstand einer Schenkung im Sinn dieser Bestimmung kann nämlich auch die unentgeltliche Zuwendung einer Bezugsberechtigung aus einem Lebensversicherungsvertrag sein (Welser in Rummel aaO Rz 7 zu § 785), wobei es zur Frage der Unentgeltlichkeit auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Bezugsberechtigten ankommt.

Ob allerdings der Erblasser seiner Gattin die Bezugsberechtigung in Schenkungsabsicht eingeräumt hat, ist den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht zu entnehmen und bedarf der Erörterung und entsprechender Feststellungen im fortgesetzten Verfahren.

Sofern man unterstellt, daß der Erblasser eine unentgeltliche Zuwendung beabsichtigt hatte, ist § 785 Abs 3 ABGB zu berücksichtigen.

Danach sind in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gemachte Schenkungen von der Anrechnung ausgenommen. Dies ist dann der Fall, wenn die Lebensversicherung zur Versorgung des überlebenden Ehegatten (allenfalls auch zur Deckung der mit dem Todesfall verbundenen Aufwendungen) abgeschlossen wurde, und die Versicherungssumme ein nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Beteiligten vernünftiges Maß nicht unverhältnismäßig überschreitet (Zankl aaO 6).

Das Bestehen einer sittlichen Pflicht im Sinn des § 785 ABGB ist nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der persönlichen Beziehungen zwischen Schenker und Beschenktem, ihrem Vermögen und ihrer Lebensstellung zu beurteilen (NZ 1981, 29; RZ 1983/65; RISJustiz RS0012972).

Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, bedarf der Erörterung und entsprechender Feststellungen.

Eine Pflichtteilserhöhung fände nur dann statt, wenn der Erblasser die Bezugsberechtigung in Schenkungsabsicht und nicht in Erfüllung einer sittlichen Pflicht eingeräumt hätte. Für die letztgenannte Voraussetzung wäre die Beklagte beweispflichtig (Welser aaO Rz 12 zu § 785).

Zur Frage, ob im Falle einer Anrechnung nach den dargelegten Kriterien nur die tatsächlich einbezahlten Prämien (Weiß in Klang III, 911), der Rückkaufswert der Lebensversicherungspolizze (Ehrenzweig, FamuErbR 596) oder die gesamte Versicherungssumme (Zankl aaO 1ff) zu berücksichtigen sind, folgt der erkennende Senat der auch von Welser (aaO Rz 7 zu § 785) geteilten Auffassung Zankls (NZ 1989, 1ff). Zankl weist mit Recht darauf hin, daß der Zweck der Pflichtteilserhöhung primär darin liegt, einen vermögensrechtlichen Ausgleich unter den Noterben herbeizuführen (Welser, Zur Berücksichtigung von Schenkungen im Pflichtteilsrecht in Kralik - FS 588 f; ders aaO Rz 1 zu § 785) und es keinen Unterschied machen kann, ob sich der Erblasser einer schon eingetretenen Vermögensvermehrung (durch Schenkung) entledigt oder die Entstehung einer solchen verhindert, indem er sie zugunsten Dritter (oder eines von mehreren Erben) ausschließt.

Bei Berechnung des auf eine allfällige Schenkung entfallenden Pflichtteils müßten allerdings von der Bezugsberechtigten bezahlte Versicherungsprämien berücksichtigt werden. In Analogie zur gemischten Schenkung könnte nur jener Teil der Zuwendung als geschenkt angesehen werden, für den keine Gegenleistung erbracht wurde, somit nur die Differenz zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der von der Begünstigten selbst bezahlten Prämien (Zankl aaO 1 ff, [4]).

Die bisherigen Verfahrensergebnisse reichen zur Beurteilung einer allfälligen Anrechnung der Lebensversicherungssumme (oder eines Teiles hievon) nach § 785 ABGB nicht aus. Das Berufungsgericht hat mit Recht die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs der Beklagten war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich beider Rechtsmittel gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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