OGH 4Ob13/24a

OGH4Ob13/24a23.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Mag. Andrea Nobis, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die Maraszto Milisits Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 59.888,58 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. November 2023, GZ 5 R 154/23p‑52, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00013.24A.0523.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger verlangt vom beklagten Facharzt Schmerzengeld und Schadenersatz, weil dieser ihn im Zusammenhang mit einer chronischen Divertikulitis falsch behandelt und unzureichend aufgeklärt habe, und begehrt weiters die Feststellung der Haftung für sämtliche Folgen aus einem operativen Eingriff.

[2] Das Erstgericht wies die Klage ab, weil die Behandlung und insbesondere der chirurgische Eingriff, der auch medizinisch indiziert gewesen sei, lege artis erfolgt sei; eine Alternative im Sinne einer gleichwertigen „Lösung“ (Behandlungsmethode) habe nicht bestanden. Der Kläger sei zudem ausreichend aufgeklärt worden. Die Perforation eines Divertikels wenige Tage nach der Operation, die sich zwar auf den Eingriff, nicht aber einen Kunstfehler zurückführen lasse, sei eine seltene und nicht typische Komplikation, über die nicht gesondert aufgeklärt hätte werden müssen.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, erachtete die Rechtsrüge überwiegend als nicht gesetzmäßig ausgeführt und hob im Übrigen hervor, dass der Beklagte den Kläger mangels gleichwertiger Behandlungsalternativen auch nicht über solche aufklären hätte können. Die Revision ließ es wegen der Einzelfallbezogenheit nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er eine Klagsstattgebung, hilfsweise eine Aufhebung und Zurückverweisung anstrebt, ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[5] Der konkrete Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist eine Frage des Einzelfalls, die von den jeweiligen Umständen abhängt und daher – abgesehen von auffälligen Fehlbeurteilungen – nicht revisibel ist (vgl RS0026529, [insb T18, T31]).

[6] Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen ist erforderlich, wenn für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben (RS0026426 [T11]). Besteht im fraglichen Zeitpunkt keine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten (mehr), so liegt in der Verneinung einer (weiteren) ärztlichen Aufklärungspflicht keine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung (vgl RS0026313 [T19]).

[7] Soweit die Revision damit argumentiert, dass der Eingriff nicht eilig gewesen sei und der Beklagte über Alternativen wie eine Ernährungsumstellung und die Möglichkeit einer Verschiebung aufklären hätte müssen, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist damit nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043312). Demnach führten die Parteien ein paar Tage vor der Operation noch einmal ein Gespräch über deren Notwendigkeit, bei dem der Beklagte (medizinisch zutreffend) darauf hinwies, dass wegen der bereits eingetretenen Verengung keine Verbesserung der Situation zu erwarten und die Operation indiziert sei, woraufhin sich der Kläger mit der Durchführung einverstanden erklärte.

[8] Da die (chronische) Erkrankung des Klägers nach den Feststellungen zu schweren Komplikationen bis hin zu einer spontanen Perforation oder einem Darmverschluss führen kann, die Perforation eines Divertikels hingegen keine typische Komplikation des durchgeführten Eingriffs ist und postoperativ nur relativ selten auftritt, geht auch das Revisionsvorbringen ins Leere, wonach sich der Kläger bei einer Aufklärung darüber, dass die Risiken einer Operation in etwa gleich hoch seien wie die Risiken einer Verschiebung, für letztere entschieden hätte.

[9] Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der Beklagte weder einen Behandlungsfehler, noch eine Aufklärungspflichtverletzung zu verantworten hat, somit vertretbar und die Revision des Klägers daher zurückzuweisen.

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