Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.998,54 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 333,09 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist der Adoptivsohn der am 1. 10. 2010 verstorbenen Erblasserin, deren Erbe aufgrund ihres Testaments vom 15. 7. 2000 dem Beklagten am 21. 1. 2011 rechtskräftig eingeantwortet wurde.
Der 1948 geborene Kläger hatte nach Beendigung der Handelsschule im 17. Lebensjahr eine Lehre im registrierten Einzelunternehmen des ‑ im Jahr 1987 verstorbenen ‑ Ehemanns der Erblasserin aufgenommen. Während der Lehrzeit wohnte der Kläger in der Wohnung der Mutter der Erblasserin, in der Folge erhielt er eine Kleinwohnung über dem Büro des Unternehmens.
Der kinderlose Ehemann der Erblasserin hatte die Idee, den Kläger, den er als Nachfolger seines Unternehmens sah, zu adoptieren. Die Erblasserin hielt zunächst von einer Adoption nichts, ließ sich aber später von ihrem Ehemann überreden, den Kläger, der das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt übernehmen und führen sollte, an Kindes statt anzunehmen. Am 3. 7. 1971 schlossen daher die Erblasserin und ihr Ehemann einerseits und der Kläger andererseits einen Adoptionsvertrag, der am 29. 10. 1971 gerichtlich bewilligt wurde, und am gleichen Tag einen Pflichtteilsverzichtsvertrag.
Dem Kläger war in diesem Zusammenhang die spätere Unternehmensübergabe wichtig, die ihm der Ehemann der Erblasserin in Aussicht gestellt hatte. Bei der Unterfertigung des Adoptionsvertrags wurde über das Erbrecht nach den Adoptiveltern nicht gesondert gesprochen. Dem Kläger war jedoch bewusst, dass ihm aufgrund der Adoption grundsätzlich ein Erbrecht nach seinen Wahleltern zustehe. Ihm kam es dabei auf das Unternehmensvermögen, nicht aber auf das Privatvermögen seiner Wahleltern an. Er wollte später das Unternehmen alleine leiten können. Eine private Verbindung, wie es einem Familienverhältnis entspricht, bauten die Wahleltern mit dem Kläger nie auf. Der Kläger war zwar fallweise vor allem für seinen Wahlvater zur Stelle, die Beziehung beschränkte sich aber vorwiegend auf das Geschäftliche.
Im mit Notariatsakt vom 3. 7. 1971 geschlossenen Pflichtteilsverzichtsvertrag wurde auf den am selben Tag geschlossenen Adoptionsvertrag Bezug genommen. Für den Fall, dass diese Adoption in Rechtskraft erwächst, verzichtete der Kläger, ohne hiefür ein besonderes Entgelt erhalten zu haben, unwiderruflich für sich und seine gesetzlich erbberechtigten Nachkommen auf das ihm nach seinen Adoptiveltern zustehende gesetzliche Pflichtteilsrecht einschließlich aller Schenkungseinrechnungsansprüche gemäß § 785 ABGB. Die Rechtswirksamkeit dieses Notariatsakts wurde von der Rechtskraft des erwähnten Adoptionsvertrags abhängig gemacht.
Die Möglichkeit, die Adoption ohne Pflichtteilsverzicht durchzuführen, boten die Wahleltern dem Kläger nicht an. Im Text des Adoptionsvertrags findet sich ‑ mit Ausnahme der gerichtlichen Genehmigung ‑ keine Bedingung. Vor Vertragsunterfertigung teilte der Notar dem Kläger mit, dass der Pflichtteilsverzicht notwendig sei, um im Fall des Ablebens eines der beiden Wahlelternteile dem Verbleibenden die alleinige Unternehmensfortführung zu ermöglichen. Der Kläger verstand diese Belehrung sowie den Text des Pflichtteilsverzichtsvertrags dahin, dass er nur gegenüber dem erstversterbenden Wahlelternteil auf den Pflichtteil verzichte.
Am 8. 3. 1972 gründeten die Wahleltern, der Kläger sowie ein zu 1 % beteiligter Kommanditist eine das ursprüngliche Einzelunternehmen fortführende Kommanditgesellschaft, an der der Wahlvater zu 70 %, die Erblasserin zu 25 % und der Kläger mit 4 % beteiligt waren. Noch zu Lebzeiten des Ehemanns der Erblasserin wurde der Geschäftsanteil des Klägers auf 10 % erhöht.
Am 6. 11. 1972 verfügte die Erblasserin testamentarisch, dass ihre Geschäftsanteile an der Kommanditgesellschaft für den Fall, dass ihr Ehemann vor ihr sterbe oder mit ihr gleichzeitig versterbe, dem Kläger zufallen sollten. Der Ehemann der Erblasserin setzte am 30. 12. 1977 ebenfalls den Kläger als Ersatzerben ein, ebenso für den Fall, dass die Erblasserin vor oder gleichzeitig mit ihm versterbe.
Am 18. 4. 1989 trat der Kläger seinen Komplementäranteil an der Kommanditgesellschaft an die Erblasserin ab, um den Unternehmensverkauf zu ermöglichen. Er erhielt dafür eine Million Schilling vor Steuern als Abtretungspreis. Der Kläger war mit dem Unternehmensverkauf einverstanden. Damit wurden seine Ziele und Vorstellungen, die er im Zusammenhang mit der Adoption hatte, nämlich, dass er das Unternehmen nach dem Tod beider Wahlelternteile als alleiniger Komplementär leiten könne, zunichte gemacht. Dem Kläger war beim Unternehmensverkauf bewusst, dass er das Unternehmen nunmehr, in welcher Gesellschaftsform auch immer, nicht mehr erben konnte. Das veräußerte Unternehmen befand sich nach wie vor in den im Eigentum der Erblasserin befindlichen Räumlichkeiten, deren Vermietung der Kläger für die Erblasserin verwaltete. Diese Verwaltungstätigkeit endete mit Jahresende 1999, als das Bestandverhältnis mit dem Unternehmen aufgelöst wurde. Ab diesem Zeitpunkt brach auch der Kontakt des Klägers zur Erblasserin ab.
Der Kläger begehrte in Form einer Stufenklage vom Beklagten zunächst Rechnungslegung über den reinen Nachlass nach der Erblasserin und weiters die Zahlung der Hälfte des sich aus der Abrechnung ergebenden reinen Nachlasswerts. Das Erbrecht sei eine zwingende Rechtsfolge der Adoption, weshalb der seinerzeit abgeschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag nichtig und sittenwidrig sei. Vor Rechtswirksamkeit der Adoption sei keine gültige Verfügung über die Erbrechte möglich. Der Verzicht sei hier eine Bedingung für die Adoption des Klägers gewesen und daher unzulässig. Ihm gebühre daher die Hälfte des reinen Nachlasses als Pflichtteil.
Der Beklagte wendete ein, der Pflichtteilsverzichtsvertrag habe keine zwingenden Bestimmungen des Adoptionsrechts unterlaufen. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag sei auch nicht sittenwidrig nach § 879 ABGB, weil aus einer Adoption auch ohne Erbaussichten Vorteile erwachsen könnten, sodass selbst ein unentgeltlicher Pflichtteilsverzicht zulässig sei. Es sei überdies Vertragswille anlässlich der Adoption sowie des Pflichtteilsverzichts gewesen, dass der Kläger nur insoweit am Erbe der Wahleltern teilnehme, als diese es in den nachfolgenden Testamenten festgelegt hätten, also nur in Bezug auf das Unternehmen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Adoptionsvertrag sei als Statusvertrag grundsätzlich bedingungs‑ und befristungsfeindlich. Die sich nach § 182 ABGB ergebenden Rechte könnten nicht abbedungen werden. Der Adoptionsvertrag könne auch, selbst wenn er noch nicht bewilligt sei, nicht einseitig widerrufen werden. Hingegen sei nach § 551 ABGB der Verzicht auf das Erbrecht und das Pflichtteilsrecht grundsätzlich möglich. Der Abschluss eines Erbverzichts könne auch bedingt erfolgen. Der Adoptionsvertrag sei rückwirkend auf den Abschlusstag rechtswirksam geworden, mit diesem Tag seien auch die familienrechtlichen und sonstigen Wirkungen der Adoption zwischen den Wahleltern und dem Wahlkind entstanden, der Kläger habe daher rechtswirksam an diesem Tag auf seinen Pflichtteil verzichten können. Der Kläger sei bei Abschluss des Verzichtsvertrags auch nicht mehr unter Druck gestanden, weil die Wahleltern den Adoptionsvertrag nicht einseitig hätten widerrufen können.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Nichtigkeit eines formgültigen Pflichtteilsverzichtsvertrags, der in unmittelbarer zeitlicher Nähe mit einem Adoptionsvertrag geschlossen worden sei, fehle. Die Adoption des Klägers sei durch die gerichtliche Bewilligung rückwirkend mit dem Tag der Unterzeichnung des Adoptionsvertrags rechtswirksam, sodass die Wirkungen der Annahme an Kindes statt mit diesem Tag eingetreten seien. Ein einseitiger Widerruf des Adoptionsvertrags durch die Wahleltern ohne Zuhilfenahme des Gerichts sei nicht mehr möglich gewesen. Das gerechtfertigte Anliegen des Klägers als Wahlkind und der Wahleltern sei nach den Feststellungen die Möglichkeit des Klägers gewesen, die Nachfolge im Unternehmen des Wahlvaters anzutreten. Ob tatsächlich eine dem Verhältnis leiblicher Eltern zu ihrem Kind entsprechende Beziehung zwischen den Vertragsteilen hergestellt worden sei, sei insofern nicht erheblich und ändere nichts an der Rechtswirksamkeit der Annahme an Kindes statt. Hier sei allein zu prüfen, ob der am selben Tag wie der Vertrag über die Annahme an Kindes statt geschlossene Vertrag über den Verzicht auf den Pflichtteil sittenwidrig und damit nichtig sei. Das Gesetz enthalte keine Bestimmung, wonach ein Erbverzicht nicht unter einer Bedingung ausgesprochen werden könnte. Der Gestaltungsspielraum beim Erbverzichtsvertrag sei weit, man könne etwa auf alle oder bestimmte Berufungsgründe verzichten, auf das gesetzliche Erbrecht oder bloß ‑ wie hier ‑ auf den Pflichtteil. Der Kläger habe daher unter der aufschiebenden Bedingung der gerichtlichen Bewilligung des am selben Tag abgeschlossenen Vertrags über die Annahme an Kindes statt auf seinen gesetzlichen Pflichtteil wirksam und formgültig verzichten können. Die vom Kläger behauptete Drucksituation sei nach den Feststellungen nicht erkennbar. Der Zweck der Verträge sei gewesen, dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, die Nachfolge der Wahleltern im Unternehmen anzutreten. Dass dem Kläger die Adoption nicht ohne den Pflichtteilsverzicht angeboten worden sei, lasse noch nicht den Schluss zu, dass darüber überhaupt gesprochen worden sei oder vom Kläger darauf bestanden worden wäre, dass er keinen Pflichtteilsverzicht abgebe. Dies habe er nach den Feststellungen vielmehr freiwillig getan, in der Annahme, dass dem überlebenden Wahlelternteil die unbeschränkte Fortführung des Unternehmens möglich sein müsse, ohne durch Pflichtteilsansprüche des Klägers gehindert zu sein. Dass die Wahleltern den Kläger in irgendeiner Form unter Druck gesetzt hätten oder dies gar die unverzichtbare Bedingung für die Adoption gewesen wäre, lasse sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die im Bereich des Arbeitsrechts entwickelte Drucktheorie verfolge den Zweck, den Arbeitnehmer als den regelmäßig sozial und wirtschaftlich schwächeren Partner des Arbeitsvertrags vor unüberlegten, voreiligen oder durch Sorge um den Arbeitsplatz oder um die Arbeitsbedingungen beeinflussten Zugeständnissen mit der Folge unangemessener Vertragsgestaltungen und einer Verschlechterung der eigenen Rechtsposition zu bewahren. Mit dieser Situation sei aber die eines potentiellen Wahlkindes nicht vergleichbar, weil beim Abschluss des Adoptionsvertrags eines eigenberechtigten Wahlkindes ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Wahleltern, wie dies zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehe, in aller Regel nicht vorliegen werde und hier nach den Feststellungen jedenfalls nicht vorgelegen sei. Hier habe der Kläger zu seinem Vorteil als möglicher Nachfolger der Wahleltern in das Unternehmen integriert werden sollen, was in der Folge auch tatsächlich geschehen sei. Es sollte aber auch bei den Wahleltern liegen, den Kläger entweder testamentarisch zu bedenken, sofern sie ihm nicht schon zu Lebzeiten das Unternehmen übertragen wollten, oder den Kläger, sofern die Wahleltern ein Testament nicht errichten würden, im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge als ihren Rechtsnachfolger einzusetzen. Die Wahleltern hätten in weiterer Folge tatsächlich entsprechende Testamente verfasst. Dass der Verzicht des Klägers auf das von ihm erworbene Pflichtteilsrecht ‑ das gesetzliche Erbrecht an sich habe seinen Verzicht nicht umfasst ‑ bloß wegen der zeitlichen Nähe zum Abschluss des Adoptionsvertrags sittenwidrig oder unzulässig wäre, sei nicht anzunehmen. Nach seinem eigenen Vorbringen wäre dem Kläger auch die Möglichkeit offen gestanden, das väterliche Unternehmen aufzubauen und zu führen, was ihm im Übrigen ohnedies möglich gewesen wäre, weil nach § 182b ABGB das Erbrecht gegenüber seinen leiblichen Eltern jedenfalls aufrecht geblieben sei. Eine wirtschaftliche oder rechtliche Abhängigkeit des Klägers von den Wahleltern, die ihn zu einem Pflichtteilsverzicht gedrängt hätten, habe nicht bestanden, sodass der Kläger seinen Pflichtteilsverzicht in Form eines Notariatsakts rechtsgültig abgegeben habe. Der Kläger habe überdies der späteren gänzlichen Veräußerung des Unternehmens zugestimmt, auch wenn ihm klar gewesen sei, dass er damit nicht mehr alleiniger Komplementär oder Inhaber des Unternehmens, in welcher Form auch immer, werden könne. Das Unternehmen habe zum Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin nicht mehr bestanden. Hintergrund der Adoption und auch des Pflichtteilsverzichtsvertrags sei nur gewesen, dem Kläger die Rechtsnachfolge in Bezug auf das Unternehmensvermögen zu eröffnen, der seinerzeitige Parteiwille sei zur Gänze erfüllt worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers, mit der er die Stattgebung seines Rechnungslegungsbegehrens anstrebt, ist zur Klarstellung des Verhältnisses der erbrechtlichen Wirkungen der Annahme an Kindes statt im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsverzicht zulässig, aber nicht berechtigt.
Gemäß § 179a Abs 1 ABGB kommt die Annahme an Kindes statt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteils zustande. Sie wird im Fall ihrer Bewilligung mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung wirksam. Stirbt der Annehmende nach diesem Zeitpunkt, so hindert dies die Bewilligung nicht. Die Annahme an Kindes statt kommt somit durch zwei Akte zustande, die streng auseinanderzuhalten sind: 1. Abschluss eines schriftlichen Vertrags und 2. gerichtliche Bewilligung der Annahme (RIS‑Justiz RS0048726). Da hier ein formgültiger und ohne Bedingung errichteter Adoptionsvertrag vorliegt, der nachfolgend vom Gericht genehmigt wurde, ist von einer mit dem Tag des Vertragsschlusses (3. 7. 1971) wirksamen Adoption auszugehen. Mit diesem Zeitpunkt entstand dem Kläger auch die gesetzliche Erbanwartschaft, zumal § 182 Abs 1 ABGB vorsieht, dass zwischen dem Annehmenden und dessen Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits mit diesem Zeitpunkt die gleichen Rechte entstehen, wie sie durch die eheliche Abstammung begründet werden.
Wer über sein Erbrecht gültig verfügen kann, ist gemäß § 551 ABGB auch befugt, durch Vertrag mit dem Erblasser im Voraus darauf Verzicht zu tun. Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsakts oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll. Eine solche Verzichtsleistung wirkt, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch auf die Nachkommen. Diese Gesetzesstelle gilt entsprechend für den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht. Ein solcher Verzicht auf den Pflichtteil hat insbesondere den Zweck, dem Erblasser die unbeschränkte letztwillige Verfügung über seinen Nachlass zu verschaffen, schließt aber nicht aus, dass er von der dadurch erlangten Freiheit keinen Gebrauch macht (6 Ob 529/87 mwN). Es kann auch auf einen Teil des Pflichtteilsrechts in der im § 551 Abs 2 ABGB vorgesehenen Form verzichtet werden (RIS‑Justiz RS0012320; vgl RS0013794). Den gegen den Erbverzichtsvertrag bestehenden verschiedenen Bedenken wurde durch die Einführung der Formvorschrift (Notariatsakt oder gerichtliches Protokoll) durch die dritte Teilnovelle zum ABGB Rechnung getragen. Damit wird nun die besondere Bedeutung dieses Rechtsgeschäfts für den Verzichtenden hervorgehoben (7 Ob 202/73). Wer unter den vorgeschriebenen Formen dennoch auf sein Erbrecht verzichtet, kann nur noch auf die allgemeinen Möglichkeiten der Vertragsanfechtung (§§ 865 ff ABGB) verwiesen werden (7 Ob 202/73; 8 Ob 103/11x; vgl auch 2 Ob 527/92 zur Anfechtung wegen Willensmängeln und Wegfall der Geschäftsgrundlage).
Der Erbverzicht hindert den Erblasser nicht, den Verzichtenden trotzdem zu bedenken. Der Widerruf des Erbverzichts ist auch formlos möglich. Der Erbverzicht berührt nur das Anwartschaftsrecht des Erben auf die Erbschaft, nicht aber seine Erbfähigkeit, deshalb kann er aufgrund einer vor Widerruf des Erbverzichts errichteten letztwilligen Verfügung erwerben (RIS‑Justiz RS0012321).
Da der hier zu beurteilende Pflichtteilsverzichtsvertrag in Notariatsaktsform geschlossen wurde und der Erbverzichtsvertrag nicht bedingungsfeindlich ist (vgl 7 Ob 631/90; 7 Ob 202/73), steht auch der Umstand der Wirksamkeit nicht entgegen, dass der Pflichtteilsverzicht von der Genehmigung des Adoptionsvertrags abhängig gemacht wurde.
Wenn der Kläger sich darauf beruft, dass der hier zu beurteilende Pflichtteilsverzicht als Umgehung der gesetzlichen Gleichstellung des Wahlkindes mit einem ehelichen Kind anzusehen sei, weil das durch die Adoption begründete Erbrecht in derselben juristischen Sekunde durch den Pflichtteilsverzicht wieder beseitigt würde, ist ihm entgegenzuhalten, dass es auch ehelichen Kindern frei steht, gemäß § 551 ABGB auf ihr Erbrecht, aber auch nur auf einen allfälligen Pflichtteil zu verzichten. Die mit dem Adoptionsgesetz BGBl 1960/58 weitgehend verwirklichten Grundsätze der „vollen“ oder „starken“ Adoption, bei welcher das Wahlkind als vollwertiges Mitglied in die neue Familie eintritt (2 Ob 517/81), bedeuten nur, dass im Gegensatz zur davor geltenden Rechtslage keine individuelle Gestaltung der Rechtswirkungen der Adoption selbst möglich ist, nicht aber, dass für eheliche Kinder geltende Regeln über den Pflichtteilsverzicht für Wahlkinder nicht gelten sollen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger auch nicht auf sein Erbrecht als solches, sondern nur auf den Pflichtteil verzichtet hat, die durch die Adoption bewirkten erbrechtlichen Bande also keineswegs zur Gänze beseitigt werden sollten.
Weder lässt sich das Verhältnis zwischen Wahleltern und eigenberechtigtem Wahlkind generell mit dem Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer vergleichen, noch ist nach der konkreten Fallgestaltung hier vom Vorliegen einer Drucksituation auszugehen, welche im Sinne des klägerischen Vorbringens die Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichts begründen könnte. Es ist vor allem nicht zu erkennen, inwieweit der Kläger den Adoptionsvertrag etwa zur Existenzsicherung schließen hätte müssen, war er doch 23‑jährig nach Berufsausbildung bereits einige Jahre erwerbstätig.
Auch ein Wahlkind, das unter Einhaltung der im § 551 ABGB vorgeschriebenen Formen auf sein gegenüber den Annehmenden aufgrund der Adoption entstandenes Erbrecht (Pflichtteilsrecht) verzichtet, kann nur nach den allgemeinen Möglichkeiten der Vertragsanfechtung (§§ 865 ff ABGB) die Wirksamkeit des Erbrechts‑(Pflichtteils‑)verzichts beseitigen.
Der Revision des Klägers musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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