OGH 4Ob127/13z

OGH4Ob127/13z27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** GmbH, *****, 2. D***** GmbH, *****, beide vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, unter Mitwirkung von Dr. Rainer Beetz, Patentanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, unter Mitwirkung von DI Reinhard Hehenberger, Patentanwalt in Wien, wegen Patentverletzung (Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung, Streitwert im Sicherungsverfahren 70.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 7. Juni 2013, GZ 2 R 62/13x-52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach allgemein anerkannter (und auch im Rechtsmittel nicht in Frage gestellter) Terminologie ist ein patentrechtlicher Unteranspruch stets rückbezogen auf seinen übergeordneten (Haupt-)Anspruch. Der Gegenstand eines Unteranspruchs umfasst deshalb nicht nur die wörtlich im Unteranspruch angeführten Merkmale, sondern zusätzlich auch alle Merkmale des übergeordneten (Haupt-)Anspruchs (Weiser, PatG 289).

1.2. Ist der Gegenstand eines Unteranspruchs nicht selbständig patentfähig, spricht man von einem „echten“ Unteranspruch, andernfalls von einem „unechten“ Unteranspruch (Keukenschrijver in Busse, PatG7 § 34 Rz 41).

2. Infolge rechtskräftiger Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des österreichischen Patentamtes vom 26. 9. 2012, N 10/2011, steht fest, dass sowohl der Gegenstand des Anspruchs 1 des Klagspatents als auch jener des von Anspruch 1 abgeleiteten Unteranspruchs 3 neu ist und ausreichende erfinderische Tätigkeit aufweist. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts handelt es sich daher bei Anspruch 3 um einen unechten Unteranspruch.

3. Der Schutzumfang eines Patents wird durch die Patentansprüche bestimmt (vgl RIS-Justiz RS0071119). In den Schutzbereich eines Patents fallen alle Ausführungsformen, deren Elemente der patentgemäßen Ausführungsform entsprechen oder den in den Ansprüchen beschriebenen Elementen ganz oder zum Teil patentrechtlich äquivalent sind (vgl 17 Ob 6/08v). Der Schutzbereich des unechten Unteranspruchs hängt damit insoweit vom Schutzbereich des Hauptanspruchs ab, als eine angegriffene Gestaltungsform neben sämtlichen Merkmalen des Hauptanspruchs noch zusätzlich jene des Unteranspruchs aufweisen muss.

4.1. Das Rekursgericht hat - ausgehend von den Feststellungen zu den Merkmalen der angegriffenen Gestaltungsform und unter Bezugnahme auf das Erkenntnis der Nichtigkeitsabteilung des österreichischen Patentamtes - einen Verletzungstatbestand in Ansehung des rechtsbeständigen Anspruchs 1 des Klagspatents verneint. Sein daraus gezogener Schluss, dass damit auch keine Verletzung von Unteranspruch 3 vorliege, ist nach dem zuvor dargestellten Verhältnis zwischen Haupt- und Unteranspruch aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

4.2. Weist nämlich die angegriffene Gestaltungsform nicht einmal sämtliche Merkmale des Hauptanspruchs auf, kann sie schon aus diesem Grund nicht in den Schutzbereich des Unteranspruchs 3 fallen, mag dieser auch noch zusätzliche Merkmale aufweisen, die einen (gegenüber dem Hauptanspruch erweiterten) selbständigen Schutzbereich begründen.

5.1. Von der im Rechtsmittel aufgeworfenen Frage der Reichweite der Bindung der Gerichte im Verletzungsprozess an das Erkenntnis im Nichtigkeitsverfahren vor dem Patentamt hängt die Entscheidung nicht ab.

5.2. Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes ist beim Vergleich zwischen Patentanspruch 1 und dem Gegenstand laut Vorhalt CH 443 387 A davon ausgegangen, dass kennzeichnender Teil von Patentanspruch 1 eine Profilschiene mit längsausgerichtetem Steg und querstehenden Flanschen ist, während aus Figur 6 im Vorhalt CH 443 387 A ein fließender, verlaufender Übergangsbereich bei den Kupplungselementen ersichtlich ist, der keinen Flansch erkennen lässt. Damit sei der Patentanspruch 1 neu gegenüber dem Vorhalt.

5.3. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin hat sich das Rekursgericht nicht an dieses Erkenntnis der Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes „gebunden“ erachtet, sondern allein dessen Argumentation übernommen, wenn es die angegriffene Gestaltungsform mit dem Vorhalt CH 443 387 A verglichen, auch bei ersterer einen fließenden Übergangsbereich bei den Kupplungselementen ohne Flansch konstatiert und daraus den Schluss gezogen hat, die angegriffene Gestaltungsform entspreche (ebenso wie der nicht neuheitsschädliche Gegenstand laut Vorhalt) nicht den Merkmalen von Anspruch 1 des Klagspatents.

6.1. Auf eine äquivalente Benützung der patentierten Erfindung (also darauf, dass die angegriffene Ausführungsform Elemente enthält, die den in den Ansprüchen beschriebenen Elementen ganz oder zum Teil patentrechtlich äquivalent sind) hat sich die Klägerin im Sicherungsantrag ON 42 nicht berufen, sondern allein darauf abgestellt, dass die Betonleitelemente der Beklagten „alle patentgemäßen Merkmale“ aufweisen (Sicherungsantrag S 8) und dass der Eingriffsgegenstand „alle Merkmale“ von Anspruch 1 und 3 aufweise (Sicherungsantrag S 10); auch das Sicherungsbegehren beschreibt nur eine Ausführungsform des Kupplungselements mit Steg und Flanschen. Solche Teile besitzt die angegriffene Ausführungsform nach den Feststellungen nicht.

6.2. Im Übrigen hat das Rekursgericht - entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel - auch das Vorliegen einer äquivalenten Verletzung mit den im Sicherungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln geprüft und verneint.

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