Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Am 7. Mai 1973 wurde zwischen dem Fremdenverkehrsverband für Wien als Auftraggeber und der Vivienne Filmproduktion GmbH, vertreten durch den Kläger, ein Vertrag abgeschlossen, dessen Punkt 1 wie folgt lautet:
"Gegenstand des Vertrages
Herstellung eines Filmes mit dem vorläufigen Arbeitstitel "Wien - zum Beispiel", wobei sich der Fremdenverkehrsverband das Recht vorbehält, für den herzustellenden Film auch einen anderen Titel zu wählen.
Darüber hinaus ist der Fremdenverkehrsverband für Wien berechtigt, den von ihm nach diesem Stoff hergestellten Film auf- und vorzuführen, er kann den kompletten Inhalt des Films in jeder ihm geeignet erscheinenden Weise verwerten.
Der Fremdenverkehrsverband für Wien hat das Recht, einen oder mehrere Filme nach diesem Stoff in jeder von ihm gewählten Sprache herzustellen, die hergestellten Filme in jeder anderen Sprache zu synchronisieren und jede Fassung in der ganzen Welt auf jede mögliche Art auszunützen, auch wenn eine solche Ausnützungsart erst in der Folge bekannt werden sollte.
Die Rechte des Fremdenverkehrsverbandes für Wien sind vom Vertragspartner in keiner wie immer gearteten Weise, und aus keinem, wie immer gearteten Rechtstitel zu beschneiden oder anzufechten. Die Leistung umfaßt Leitung der Dreharbeiten, Obsorge für das nötige Personal, Einholen der nötigen behördlichen Bewilligungen, Beistellung der nötigen Geräte samt Bedienungspersonal, zwingende eigene persönliche Alleinarbeit, Mitarbeit, die ev. Verwendung von Gehilfen und Substituten und Arbeiten nach eigenem Plan. Die Arbeiten beginnen sofort und bauen auf das bereits vorhandene abgedrehte Filmmaterial auf.
Als fixer Endtermin wird der 31. August 1973 unter Verzicht auf jegliche Verlängerung des Termines vereinbart. Für den Fall, daß dieser Endtermin mit Zustimmung des Fremdenverkehrsverbandes für Wien überzogen wird, wird eine Konventionalstrafe von 10 % der Auftragssumme pro Woche (7 Tage) vereinbart."
Die Generalversammlung der Vivienne Filmproduktion GmbH hat am 28. September 1984 die Umwandlung der Gesellschaft durch Übertragung auf den alleinigen Gesellschafter beschlossen.
Die Beklagte produziert Werbefilme mit dem Titel "Hello Austria - Hello Vienna"; der Fremdenverkehrsverband für Wien hat ihr das Recht eingeräumt, für diese Produktionen den Film "Wien z.B." zu verwenden.
Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Verwendung und Verwertung des Films "Wien z.B." oder von Teilen desselben, insbesondere durch Übernahme dieses Films oder von Teilen desselben in eigene Filmproduktionen, zu unterlassen (Punkt 1.), ihm S 250.000 sA zu zahlen (Punkt 2.) und die widerrechtlich hergestellten und verbreiteten sowie die zur widerrechtlichen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke der Produktionen "Hello Austria - Hello Vienna" zu vernichten, soweit in diesen Teile des Films "Wien z.B." enthalten sind, und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Mittel, nämlich die Arbeits- und Schnittbänder, auf denen Teile des Films "Wien z.B." enthalten sind, unbrauchbar zu machen (Punkt 3.). Die Beklagte verwende bei ihren Werbefilmen mit dem Titel "Hello Austria - Hello Vienna", die über amerikanische Satelliten in den USA ausgestrahlt würden, unbefugt Teile des Films "Wien z.B.". Der Kläger sei alleiniger Rechtsnachfolger der Vivienne Filmproduktion GmbH (ON 1). In der Verhandlungstagsatzung vom 26. August 1987 berief sich der Kläger auch darauf, daß er Urheber des Films "Wien z.B." sei, weil er an dessen Herstellung derart mitgewirkt habe, daß er deutlich als ein von ihm stammendes Werk zu erkennen sei; er habe sowohl die Kameraführung als auch die Regie besorgt und werde im Film als Urheber genannt. Zu einer Änderung des Filmwerkes, insbesondere durch Verwendung einzelner Szenen in anderen Filmwerken, hätte es daher seiner Einwilligung bedurft. Er stütze demnach sein Klagebegehren auch auf eigene Urheberrechte (ON 15). Die Beklagte, die die Abweisung der Klage beantragt hatte, trat dieser Klageänderung entgegen, weil sie das Verfahren wesentlich verzögern und erschweren würde.
Der Erstrichter ließ die Klageänderung nicht zu und wies das Klagebegehren ab. Er traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus:
Das Vorbringen des Klägers, er sei Urheber des Films und stütze seinen Anspruch auch auf eigene Urheberrechte, bedeute eine Änderung des Klagegrundes und damit eine Klageänderung im Sinne des § 235 ZPO. Nach Lehre und Rechtsprechung seien solche Änderungen - insbesondere auch, um den Parteien und dem Gericht einen zweiten Prozeß zu ersparen - tunlichst zuzulassen; diese Auffassung sei insofern bedenklich, als sie teilweise dem Wortlaut des § 235 Abs.3 ZPO, der nur auf eine Erschwerung oder Verzögerung "der Verhandlung" abstelle, zuwiderlaufe. Diese Frage könne jedoch hier dahingestellt bleiben, weil auch die vom Obersten Gerichtshof im Sinne der weitgehenden Auslegung des § 235 Abs.3 ZPO in SZ 43/35 aufgestellten Kriterien für die Zulassung einer Klageänderung fehlten: Aus der Klageänderung ergebe sich kein Zugeständnis des Klägers, daß der Anspruch auf der Grundlage des bisher geltend gemachten Rechtsgrundes nicht durchsetzbar sei; vielmehr sei die Rechtssache ohne Rücksicht auf das neue Vorbringen des Klägers spruchreif. Auch könne nicht davon gesprochen werden, daß die Beklagte keinen überflüssigen Prozeßaufwand zum bisherigen Prozeßthema entfaltet habe, habe sie doch die Klagebeantwortung erstattet und am Provisorialverfahren teilgenommen. Klageänderungen seien dann nicht zuzulassen, wenn sie durch Änderung des Begehrens oder des Rechtsgrundes den Rahmen des ursprünglichen Rechtsstreites sprengten. Der Kläger mache jetzt etwas völlig Neues geltend:
Während das auf den ursprünglichen Klagegrund (§ 38 UrhG) gestützte Begehren auf Grund der vorliegenden Urkunden im Sinne der Klageabweisung spruchreif sei, würde die Zulassung der Klageänderung voraussichtlich ein länger dauerndes Beweisverfahren notwendig machen und daher zu einer wesentlichen Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens führen.
Das ursprüngliche, auf die Rechtsnachfolge nach der Vivienne Filmproduktion GmbH gestützte Begehren sei unberechtigt. Diese Gesellschaft sei Filmhersteller im Sinn des § 38 UrhG gewesen. Die dem Filmhersteller zustehenden Verwertungsrechte seien nach § 40 Abs.1 UrhG übertragbar. Soweit eine Übertragung erfolge, könne derjenige, dem die Rechte übertragen wurden, diese weiterübertragen:
in diesem Umfang stünden dem Filmhersteller keine Rechte zu. Die Vivienne Filmproduktion GmbH habe aber dem Fremdenverkehrsverband für Wien das Recht übertragen, Teile des Films zu verwenden und, gekürzt oder ungekürzt, zu übernehmen (andere Verhaltensweisen seien in der Klage nicht beanstandet worden). Aus dem Vertragstext ergebe sich zweifelsfrei, daß die Vivienne Filmproduktion GmbH an dem Film keinerlei Rechte mehr haben sollte. Werknutzungsverträge dürften zwar im Zweifel nicht weiter auszulegen sein, als es für den praktischen Zweck der ins Auge gefaßten Werknutzung erforderlich erscheine. Diese Zweckübertragungstheorie gelte aber nur im Zweifel; sollten - wie hier - eindeutige alle Rechte übertragen werden, dann könne dieser Auslegungsgrundsatz nicht herangezogen werden. Die Vivienne Filmproduktion GmbH könne daher nicht, gestützt auf § 38 Abs.2 UrhG, gegen die Beklagte vorgehen.
Das Rekursgericht ließ die Klageänderung zu und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Nach Lehre und Rechtsprechung sie § 235 Abs.3 ZPO dahin auszulegen, daß eine Klageänderung, soweit tunlich, zuzulassen sei, wenn sie den Parteien einen zweiten Prozeß erspare und es die Einheitlichkeit des Verfahrens zweckmäßig erscheinen lassen. Bei der Beurteilung dieser Frage, seien die Umstände des Einzelfalles maßgebend. Demgemäß könne nicht ganz allgemein gesagt werden, daß schon in der Notwendigkeit einer Beweisaufnahme über die geänderte Klage eine erhebliche Verzögerung der Verhandlung gelegen wäre; nur wenn nach Durchführung eines Beweisverfahrens bereits abschließend geklärt sei, daß der ursprünglich geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht zu Recht bestehe, könne dem Kläger nicht mehr die Möglichkeit geboten werden, durch eine Änderung der Klage den Prozeß auf neuer Grundlage und mit völlig neuen Beweismitteln fortzusetzen. Die bloße Notwendigkeit der Erstreckung der Tagsatzung und der Aufnahme weiterer, nicht allzu umfangreicher Beweise sei dagegen kein ausreichender Grund, die Klageänderung nicht zuzulassen. Ob eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung dieses Verfahrens zu befürchten sei, müsse nach dem Zeitpunkt der Klageänderung beurteilt werden. Im vorliegenden Fall habe der Kläger seine Klage sofort nach ihrem Vortrag zu Beginn der Tagsatzung vom 26. August 1987 geändert; zu diesem Zeitpunkt seien Beweise zum ursprünglichen Klagevorbringen noch nicht aufgenommen worden, es habe lediglich ein Bescheinigungsverfahren auf Grund des Sicherungsantrages stattgefunden; es habe daher noch nicht abschließend gesagt werden können, daß der ursprünglich geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht zu Recht bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Beklagten gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Klageänderungen im Sinne des § 235 Abs.3 ZPO aus Gründen der Prozeßökonomie tunlichst zuzulassen, wenn sie den Parteien und dem Gericht einen zweiten Prozeß ersparen und ihrer Art nach geeignet sind, das streitige Verhältnis zwischen den Parteien erschöpfend und endgültig zu bereinigen; weder die Aussichtslosigkeit des ursprünglichen Begehrens noch die Notwendigkeit einer Vertagung rechtfertigen in einem solchen Fall für sich allein die Zurückweisung einer Klageänderung (SZ 43/35; SZ 47/49 uva). Davon ausgehend, hat der Oberste Gerichtshof Klageänderungen vor allem dann nicht zugelassen, wenn nach Durchführung eines Beweisverfahrens schon abschließend geklärt war, daß der ursprünglich geltend gemachte Anspruch nicht zu recht besteht; hier soll dem Kläger nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine Änderung seines Begehrens den Rechtsstreit auf einer ganz neuen Grundlage und mit neuen Beweismitteln fortzusetzen. Wird hingegen, wie diesmal, das Klagebegehren noch vor der Fassung eines Beweisbeschlusses - also in einem Zeitpunkt, in dem der Beklagte regelmäßig noch keinen besonderen Prozeßaufwand zur Abwehr des ursprünglichen Urteilsbegehrens entfaltet hat - geändert, dann besteht kein Anlaß, die Klageänderung nicht zuzulassen, eine überflüssige Entscheidung über das erste Begehren zu fällen und den Kläger auf diese Weise zu einer neuerlichen Prozeßführung zu zwingen (JBl. 1973, 43 ua).
Diese Voraussetzungen treffen hier zu:
Der Kläger hat unmittelbar im Anschluß an den Vortrag seiner Klage noch ein zusätzliches, der Stützung des geltend gemachten Begehrens dienendes Vorbringen erstattet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Erstrichter - im Hauptverfahren - noch keine Beweise, auch keine Urkundenbeweise, aufgenommen. Wollte man der Rechtsansicht des Erstrichters folgen, so wäre der Kläger zur Einbringung einer weiteren Klage gezwungen, während - nach der derzeitigen Aktenlage - bei Zulassung des neuen Vorbringens den Parteien und dem Gericht ein zweiter Prozeß erspart und das streitige Verhältnis zwischen den Parteien im vorliegenden Verfahren endgültig bereinigt werden kann.
Der Beklagte meint demgegenüber, ein zweiter Prozeß könne nur dann verhindert werden, wenn der Kläger im Zuge des Verfahrens seinen Anspruch auf sämtliche denkbaren Anspruchsgrundlagen stütze; andernfalls könnte er nach Unterliegen mit - beispielsweise - zwei geltend gemachten Anspruchsgründen doch eine neue Klage, gestützt auf einen dritten Rechtsgrund, einbringen. Vom Kläger könne aber nicht gefordert werden, daß er alle denkbaren Grundlagen geltend mache.
Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Bei der Entscheidung über die Zulassung einer Klageänderung muß von der Aktenlage im Zeitpunkt des Beschlusses erster Instanz ausgegangen werden. Darauf, daß der Kläger möglicherweise auch noch andere Rechtsgründe geltend machen könnte, kann nicht Bedacht genommen werden. Wollte man sich die Argumentation des Klägers zu eigen machen, dann wäre eine Änderung des Klagegrundes niemals zuzulassen, eine Klageänderung also nur im Fall der Erweiterung der Klage zulässig. Diese Auffassung findet aber in § 235 Abs.3 ZPO keine Stütze. Die Zulassung der Klageänderung ist jedenfalls geeignet, einen zweiten Prozeß zu ersparen; sie kann nicht mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, daß unter Umständen doch noch ein anderer, auf ein derzeit noch unbekanntes Vorbringen gestützter Prozeß zwischen denselben Parteien begonnen werden könnte. Soweit der Beklagte meint, ihm wäre die Zulassung von Klageänderungen deshalb nicht zuzumuten, weil ihm dabei das volle Kostenrisiko aufgebürdet würde, ist er auf §§ 44 und 48 ZPO zu verweisen.
Daß auch das geänderte Begehren zum Scheitern verurteilt wäre, kann derzeit, da die Beklagte zum neuen Vorbringen des Klägers noch nicht Stellung genommen hat (ON 15 S 58), nicht gesagt werden. Die Frage, ob bei Aussichtslosigkeit auch des geänderten Begehrens die Klageänderung zu verweigern wäre (in diesem Sinne 4 Ob 608/81 ua; Fasching II 122 f), ist demnach hier nicht zu behandeln. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten des Beklagten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
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