OGH 3Ob97/54

OGH3Ob97/5417.2.1954

SZ 27/39

Normen

ZPO §106
ZPO §108a
ZPO §106
ZPO §108a

 

Spruch:

Nach § 108a ZPO. ist nur maßgebend, wann die Person, der zugestellt werden sollte, das ihr zustellende Schriftstück tatsächlich erhalten hat, keineswegs aber, wann sie davon Kenntnis erlangt hat, daß ein an sie gerichtetes Schriftstück den Bestimmungen des § 106 ZPO. zuwider hinterlegt wurde.

Entscheidung vom 17. Feber 1954, 3 Ob 97/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Prozeßgericht hob die für den Novembertermin 1953 vierteljährig erfolgte Aufkündigung 47 K 298/53 auf, weil sie erst am 26. August 1953 der beklagten Partei tatsächlich zugekommen sei, die vorherige Hinterlegung nicht den Vorschriften des § 106 ZPO. entsprochen habe und die Kündigung daher verspätet sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es war der Meinung, die Feststellung des Prozeßgerichtes, daß die Kündigung der beklagten Partei erst am 26. August 1953 tatsächlich zugekommen sei, sei durch die bisherigen Verfahrensergebnisse nicht gedeckt, da es sich hiebei nur um eine Behauptung der beklagten Partei handle, deren Richtigkeit weder von der Klägerin zugegeben noch vom Prozeßgericht überprüft worden sei. Es sei aber überdies auch festzustellen, wann die beklagte Partei von der Hinterlegung der Kündigung Kenntnis erlangt habe, da die beklagte Partei von der Kenntnisnahme an, die Möglichkeit erlangt habe, die Aufkündigung noch rechtzeitig zu beheben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes von der beklagten Partei erhobenen Rekurs, der zum Teil begrundet ist, kommt im Endergebnis keine Berechtigung zu. Es ist ihm zwar beizupflichten, daß die Ansicht des Rekursgerichtes, es sei für die Beurteilung, wann die Zustellung im Sinne des ZPO. erfolgte, maßgebend, zu welchem Zeitpunkt die beklagte Partei von der Hinterlegung der Kündigung Kenntnis erlangt habe, auf einem Rechtsirrtum beruht. § 108a ZPO. besagt, daß eine zwar mangelhafte Zustellung doch von dem Zeitpunkt an als bewirkt gilt, in dem das Schriftstück der Person, der zugestellt werden soll, tatsächlich zugekommen ist. Aus dem eindeutigen Wortlaut der bezogenen Gesetzesstelle, insbesondere aus dem Worte "tatsächlich" ergibt sich zweifelsfrei, daß es bei einer mangelhaften Zustellung nur darauf ankommt, wann das zuzustellende Schriftstück der Person, der zugestellt werden sollte, tatsächlich zugekommen ist, also wann sie dieses Schriftstück tatsächlich erhalten hat, keineswegs aber, wann sie davon Kenntnis erlangt hat, daß ein an sie gerichtetes Schriftstück den Bestimmungen des § 106 ZPO. zuwider hinterlegt wurde. Wurden bei der Zustellung einer Klage oder Kündigung die Bestimmungen des § 106 ZPO. nicht eingehalten, was vorliegend nach den zutreffenden Feststellungen der Vorinstanzen der Fall ist, so besteht für die Partei, der zugestellt werden soll, keinerlei Erkundungspflicht und es ist auch ohne jede Bedeutung, wann sie von der Tatsache der Hinterlegung Kenntnis erlangt hat, da, wie bereits ausgeführt, lediglich maßgebend ist, wann ihr das Schriftstück tatsächlich zugekommen, somit in ihren Besitz gelangt ist. Weitere Erhebungen darüber, ob und wann die beklagte Partei von der nicht den Vorschriften des § 106 ZPO. entsprechenden Hinterlegung Kenntnis erlangt hat, sind daher nicht notwendig.

Das Berufungsgericht ist aber insofern im Recht, als es eine Prüfung der Frage, wann die Kündigung der beklagten Partei tatsächlich zugekommen ist, für erforderlich hält. Die beklagte Partei hat zwar in ihren Einwendungen behauptet, daß ihr die Kündigung tatsächlich erst am 26. August 1953 zugekommen sei, doch hat die Klägerin die Richtigkeit dieser Behauptung weder außer Streit gestellt noch zugegeben, weshalb das Prozeßgericht verpflichtet gewesen wäre. Die Richtigkeit dieser Einwendung zu prüfen. Die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles aus dem letzteren Gründe erfolgte daher mit Recht, weshalb dem Rekurs im Endergebnis der Erfolg versagt werden mußte, doch war die Entscheidung über die Rekurskosten gemäß § 52 ZPO. Im vorliegenden Fall dem weiteren Verfahren vorzubehalten (JBl. 1934, S. 323, 1937, S. 409 u. a. m.).

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