Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluss selbst zu tragen.
Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof werden mit 1.141,27 EUR (darin enthalten 123,71 EUR USt und 399 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung
Mit rechtskräftigem Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. Juni 2007, AZ 19 Cg 89/05t, wurde die verpflichtete Partei dazu verurteilt, binnen vier Wochen über die gesamte geschäftliche Tätigkeit unter Verwendung des Zeichens „M*****“, in welcher Form auch immer, und/oder verwechselbar ähnlicher Zeichen Rechnung zu legen, wobei Auskunft über sämtliche zur Bemessung der gesetzlichen Zahlungsansprüche notwendigen Umstände zu geben ist, wie insbesondere über den Umsatz und den Gewinn der verpflichteten Partei. Ferner wurde die verpflichtete Partei dazu verurteilt, die Richtigkeit der Rechnungslegung über Antrag der betreibenden Partei durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen.
Zur Erwirkung dieser Handlungen bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 4. Juni 2008 die Exekution gemäß § 354 EO und drohte für den Fall des Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel eine Geldstrafe von 10.000 EUR an.
In der Folge verhängten die Vorinstanzen über die verpflichtete Partei mit den Beschlüssen vom 16. Juli 2008 (ON 7), vom 26. September 2008 (ON 21), vom 8. Juli 2009 (ON 33) und vom 24. September 2009 (ON 38) Geldstrafen von 10.000 EUR, 15.000 EUR, 20.000 EUR und 25.000 EUR (jeweils unter Androhung der später dann tatsächlich verhängten Geldstrafe). Zuletzt wurde eine Geldstrafe von 30.000 EUR angedroht.
Am 7. Jänner 2010 beantragte die betreibende Partei, die angedrohte Geldstrafe von 30.000 EUR zu vollziehen und eine weitere Geldstrafe von 35.000 EUR anzudrohen.
Die verpflichtete Partei äußerte sich zu diesem Strafantrag dahingehend, dass die Exekutionsführung rechtsmissbräuchlich erfolge. Aufgrund der „fehlenden Greifbarkeit des seinerzeitigen, für die Zeit der Klageführung zuständigen Geschäftsführers“, sei sie nicht in der Lage, die Rechnungslegung im Umfang des Antragspunkts durchzuführen. Dies auch deshalb, weil erst vor kurzer Zeit der Firmensitz verlegt und ihre gesamte geschäftliche Tätigkeit aus dem Jahr 2005 ausschließlich über ein anderes Zeichen als das im Exekutionstitel genannte abgewickelt worden sei, sodass ihr Verschulden nur gering wiege. Weiters sei zu berücksichtigen, dass sie sich bereits seit 14. April 2008 im Stadium der Liquidation befinde und die bisher verhängten Geldstrafen das Stammkapital bereits überschritten. Sie sei nicht in der Lage, alle Beugestrafen zu bezahlen. Wie schon in ihrem erfolglos gebliebenen Rekurs (ON 22) gegen den Beschluss vom 26. September 2009 führte die verpflichtete Partei neuerlich die „fehlende Greifbarkeit des Geschäftsführers“ ins Treffen und weiters, dass sie mangels Bestellung eines Geschäftsführers bzw Liquidators handlungsunfähig sei. Folge dieser nicht bloß vorübergehenden Handlungsfähigkeit sei die Unmöglichkeit der Rechnungslegung. Es werde beantragt, den Strafantrag zurückzuweisen und das gegenständliche Exekutionsverfahren einzustellen. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Ertragslage im Zeitpunkt des Zuwiderhandelns und der derzeitigen schlechten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei die Verhängung wesentlich geringerer Geldstrafen indiziert (ON 45).
Das Erstgericht verhängte eine Geldstrafe von 30.000 EUR und drohte für den Fall weiteren Zuwiderhandelns gegen die Exekutionsbewilligung eine Geldstrafe in Höhe von 35.000 EUR an. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Unmöglichkeit der Leistung mittels Oppositionsklage bzw Oppositionsgesuch geltend zu machen wäre. Zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seien keine konkreten Umstände dargelegt worden.
Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR aber nicht 30.000 EUR übersteige und der „ordentliche Revisionsrekurs“ (richtig der Rekurs an den OGH) zulässig sei. Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass die Einstellung des Exekutionsverfahrens jedenfalls dann nicht im Rekursverfahren zu erreichen sei, wenn sie von strittigen Tatumständen - hier der Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft - abhinge, wenn diese Tatsachen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz noch nicht bekannt gewesen seien. Es bestehe eine Verpflichtung der Gesellschafter, auch im Liquidationsstadium für die Vertretung der Gesellschaft zu sorgen. Ein allfälliges (zeitweises) Fehlen der Handlungsfähigkeit einer Gesellschaft infolge Fehlens vertretungsbefugter Organe schließe schuldhaftes Handeln aus. Da bei fehlendem Verschulden Beugemaßnahmen unzulässig seien, sei das zeitweise Fehlen der Handlungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Das Verschulden einer Kapitalgesellschaft an einem Verstoß gegen den Exekutionstitel könnte einem allfälligen Verschulden der Gesellschafter am Fehlen vertretungsbefugter Organe nicht gleichgesetzt werden. Da bisher Feststellungen zur Handlungsfähigkeit oder -unfähigkeit der verpflichteten Gesellschaft aufgrund Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins von vertretungsbefugten Organen nicht getroffen worden seien, sei ein rechtlicher Feststellungsmangel gegeben. Das Erstgericht werde im fortzusetzenden Verfahren entsprechende Feststellungen nachzuholen haben.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Strafbemessung im Falle der Handlungsunfähigkeit einer Kapitalgesellschaft aufgrund Fehlens vertretungsbefugter Organe bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Betreibenden (nach § 527 Abs 2 iVm § 78 EO) ist zulässig und im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses berechtigt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die geschuldete unvertretbare Handlung bei der Exekution nach § 354 EO unerzwingbar, wenn dem Schuldner die Leistung dauernd unmöglich ist. In diesen Fällen kommt es über Antrag oder von Amts wegen zur Einstellung des Verfahrens (RIS-Justiz RS0106431; für die Notwendigkeit einer Oppositionsklage dagegen Klicka in Angst, EO2 § 354 Rz 3). Hängt die Zuwiderhandlung gegen die titelgemäße Verpflichtung hingegen weiterhin ausschließlich vom Willen des Schuldners ab, ist dauernde Unmöglichkeit der Leistung zu verneinen (vgl 3 Ob 88/95 = SZ 69/226).
2. Bringt eine verpflichtete Kapitalgesellschaft vor, die Unmöglichkeit der Leistung sei darauf zurückzuführen, dass sie mangels Bestellung von Geschäftsführern bzw Liquidatoren handlungsunfähig sei, macht sie an sich strittige Tatumstände geltend (3 Ob 163/06a). War die Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz noch nicht bekannt, müssten diese Tatumstände im Rekursverfahren über die Exekutionsbewilligung oder einen nachfolgenden Strafbeschluss wegen des Neuerungsverbots unbeachtlich bleiben (RIS-Justiz RS0002371). Im vorliegenden Fall stand dem entsprechenden Vorbringen der verpflichteten Gesellschaft das Neuerungsverbot jedoch nicht entgegen, weil diese ihre Handlungsunfähigkeit bereits vor der Beschlussfassung erster Instanz vorgebracht hatte. Das Vorbringen ist aber nicht geeignet, die Einstellung des Verfahrens wegen dauernder Unmöglichkeit der Leistung zu bewirken, weil sich daraus jedenfalls keine dauernde Unmöglichkeit der geschuldeten Rechnungslegung ableiten lässt:
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung „muss“ einen oder mehrere Geschäftsführer haben (§ 15 Abs 1 Satz 1 GmbHG). Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter (§ 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG). Aus diesen Bestimmungen ist eine Verpflichtung der Gesellschafter abzuleiten, für die Vertretung der Gesellschaft zu sorgen, damit diese ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen kann (RIS-Justiz RS0122598). Im Fall der Liquidation setzt sich gemäß § 89 Abs 2 GmbHG die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer als Vertretungsbefugnis der Liquidatoren fort; diese vertreten die Interessen der Gesellschaft (§ 92 Abs 1 GmbHG; RIS-Justiz RS0006934). Auch nach Auflösung der Gesellschaft bis zur Beendigung der Liquidation kommen hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft die hierüber im GmbHG getroffenen Anordnungen grundsätzlich zur Anwendung (§ 92 Abs 2 GmbHG). Demnach trifft die Gesellschafter auch im Stadium der Liquidation die Verpflichtung, für eine Vertretung der Gesellschaft zu sorgen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, ist ein „Notliquidator“ vom Gericht zu bestellen; § 15a GmbHG ist in der Liquidationsphase anwendbar (Ratka in Straube, Wiener Kommentar zum GmbHG, § 15a Rz 4).
Ausgehend von dieser Rechtslage kann hier schon mangels konkreter Parteibehauptungen über die Gründe der fehlenden Liquidatorbestellung von einer dauernden Unmöglichkeit der Erfüllung der Rechnungslegungspflicht nicht die Rede sein.
3. Eine bloß zeitweilige Vertretungslosigkeit begründet keinen Einstellungsgrund: Fällt der Geschäftsführer einer GmbH aus (Tod; Abberufung), kann ein neuer Geschäftsführer im Regelfall in kurzer Zeit bestellt werden. Auch in dieser Zwischenzeit ändert sich an der Titelverpflichtung nichts.
4. Ob der Umstand zeitweiliger Vertretungslosigkeit im Sinne der Ansicht des Rekursgerichts bei der Bemessung der Strafhöhe zu berücksichtigen ist, braucht hier nicht abschließend beurteilt werden, weil die von der Verpflichteten vorgetragenen Gründe nicht geeignet sind, ein Verschulden an der Nichterfüllung der Rechnungslegungspflicht verneinen oder geringer werten zu können. Dass der „seinerzeitige“ Geschäftsführer „nicht greifbar“ sei, ist für sich allein noch kein Entschuldigungsgrund. Sein Nachfolger hätte die notwendigen Urkunden zu beschaffen und die Rechnungslegung zu veranlassen. Wenn kein Nachfolger bestellt wurde, fällt dies in die Sphäre der Verpflichteten. Warum eine Geschäftstführerbestellung nicht möglich gewesen wäre, ließ die Äußerung der Verpflichteten wie ihr Rekurs an die zweite Instanz offen, ebenso auch die Frage, weshalb die behauptete Firmensitzverlegung die Rechnungslegung unmöglich machen sollte. Die Verpflichtete ist also schon ihrer Behauptungslast über nach Meinung des Rekursgerichts relevante Umstände für die Strafbemessung nicht nachgekommen. Der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts läuft darauf hinaus, dass amtswegig der Verpflichteten Gelegenheit gegeben wird, ihr unzureichendes Vorbringen zu ergänzen. Dies widerspricht dem auch im Exekutionsverfahren herrschenden Grundsatz, dass den jeweiligen Antragsteller die Behauptungslast trifft. Es herrscht reiner „Parteibetrieb“ (RIS-Justiz RS0118251). Zum Thema der Strafhöhe war schließlich auch der ganz allgemeine Einwand über die schlechte wirtschaftliche Lage unzureichend.
Der dem Strafantrag stattgebende erstinstanzliche Beschluss ist daher wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 41 und 50 ZPO iVm § 78 EO.
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