OGH 3Ob163/06a

OGH3Ob163/06a13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. Heribert E*****, wider die verpflichtete Partei K***** GmbH in Liquidation, ***** vertreten durch den Notliquidator Dr. Johannes Hock jun., Rechtsanwalt in Wien, wegen Exekution gemäß § 354 EO, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Mai 2006, GZ 37 R 286/04b-89, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 3. Juni 2002, GZ 24 E 6081/01d-53, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Aufgrund zweier Beschlüsse des zuständigen Firmenbuchgerichts ist die verpflichtete Partei - eine GmbH in Liquidation - verpflichtet, dem Betreibenden Einsicht in alle die Zeit ab 1. Jänner 1993 betreffenden Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der verpflichteten Partei sowie ihrer Tochtergesellschaft „M." ***** GmbH in Liquidation zu gewähren und mit der Bucheinsicht zusammenhängende Auskünfte zu erteilen. Aufgrund der Exekutionstitel wurde dem Betreibenden am 26. November 2001 die Exekution gemäß § 354 EO bewilligt und eine Geldstrafe von 50.000 S angedroht (ON 9). In der Folge wurde mit dem Beschluss des Erstgerichts vom 28. Februar 2002 (ON 39) und dem Beschluss des Rekursgerichts vom 9. April 2002 (ON 42) die angedrohte Geldstrafe verhängt, neuerlich der Auftrag erteilt, der titelmäßigen Verpflichtung nachzukommen und für den Fall des Verstoßes gegen diesen Auftrag eine weitere Geldstrafe von 10.000 EUR angedroht. Am 28. Mai 2002 beantragte der Betreibende mit der Behauptung, die verpflichtete Partei habe keine Bucheinsicht gewährt, die Verhängung der Haftstrafe über den Liquidator Dipl.Ing. Peter C***** und zusätzlich die Verhängung der angedrohten Geldstrafe von 10.000 EUR.

Das Erstgericht verhängte die angedrohte Geldstrafe von 10.000 EUR, erteilte einen neuerlichen Auftrag, der titelmäßigen Verpflichtung nachzukommen und drohte für den Fall des Zuwiderhandelns die Verhängung einer Haftstrafe in der Dauer von einer Woche an. Das Mehrbegehren auf kumulative (sofortige) Verhängung einer Haftstrafe wurde abgewiesen. Dieser Beschluss konnte der verpflichteten Partei zunächst nicht zugestellt werden, weil der Liquidator seine Funktion mit Schreiben vom 15. Mai 2002 zurückgelegt hatte. Laut Firmenbuchauszug zum Stichtag 4. Juni 2002 war Dipl. Ing. Peter C***** als Liquidator mit selbständiger Vertretungsbefugnis im Firmenbuch noch eingetragen (ON 52). Die verpflichtete Partei hatte damals vier Gesellschafter. Der Betreibende ist Minderheitsgesellschafter. Am 10. Juni 2002 teilte der Liquidator die Zurücklegung seiner Funktion dem Exekutionsgericht mit. Diese Mitteilung sei auch den Gesellschaftern der verpflichteten Partei zugegangen. In der Folge wurde vom Firmenbuchgericht ein Rechtsanwalt zum Notliquidator bestellt, der allerdings nicht im Firmenbuch eingetragen wurde und schließlich seine Zustimmung zur Übernahme der Funktion zurückzog (AV des Erstgerichts vom 23. September 2002, ON 61). Der Beschluss des Erstgerichts vom 3. Juni 2002 konnte schließlich erst am 16. August 2004 dem bestellten Notliquidator Dr. Johannes Hock jun. zugestellt werden (ON 72). Dieser erhob namens der verpflichteten Partei dagegen rechtzeitig Rekurs (ON 75) und stellte am 9. September 2004 mit der Begründung einen Einstellungsantrag gemäß § 40 EO, dass dem Betreibenden bereits vollständig Bucheinsicht gewährt worden sei (ON 76). Dieser Antrag wurde vom Erstgericht gemäß § 40 Abs 2 EO abgewiesen (ON 79). Über Auftrag des Rekursgerichts verbesserte der Liquidator seinen Rekurs ON 75 durch die Klarstellung, dass Anfechtungsgegenstand der Beschluss ON 53 sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei teilweise Folge und reduzierte die verhängte Geldstrafe auf 3.500 EUR. Im Übrigen wurde der angefochtene Beschluss jedoch bestätigt. Der Betreibende müsse im Gegensatz zur Auffassung der verpflichteten Partei in seinem Exekutionsantrag nach § 354 EO nicht behaupten, dass die geschuldete unvertretbare Handlung noch nicht vorgenommen worden sei. Die Erfüllung der geschuldeten Leistung könne der Verpflichtete mit Klage nach § 35 EO geltend machen. Von der Notwendigkeit einer exekutionsrechtlichen Klage sei nur dann abzusehen, wenn die entscheidenden Umstände sich schon aus dem Akteninhalt ergeben. Dass bereits am 13. Dezember 2001 eine Bucheinsicht stattgefunden habe, sei bereits Thema des Rekursverfahrens gegen den Beschluss des Erstgerichts ON 39 gewesen. Dieses Thema könne nicht neuerlich aufgerollt werden.

Bei Strafen iSd § 354 EO handle es sich um Beugemittel und nicht um Kriminalstrafen. Ein Wechsel in der organschaftlichen Vertretung der verpflichteten Partei könne grundsätzlich nicht dazu führen, dass keinerlei Strafen mehr verhängt werden dürften. Von einer dauernden Unmöglichkeit der Erfüllung der Verpflichtung zur Bucheinsicht könne keine Rede sein, weil die verpflichtete Partei nur vorübergehend nicht handlungsfähig gewesen sei. Der Umstand habe aber Auswirkungen auf die Höhe der Strafe. Wegen des Wechsels in der organschaftlichen Vertretung der verpflichteten Partei sei eine Strafe von 3.500 EUR angemessen. Nach der oberstgerichtlichen Rsp müssten einzusehende Urkunden dem betreibenden Gläubiger aktiv zur Verfügung gestellt werden. Es liege nicht bloß eine Verpflichtung zur Duldung vor. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Auswirkungen eines Wechsels in der organschaftlichen Vertretung einer verpflichteten Partei während eines anhängigen Exekutionsverfahrens nach § 354 EO keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Mit ihren Revisionsrekurs beantragt die durch den Notliquidator vertretene verpflichtete Partei die Abänderung dahin, dass der Vollzugsantrag des Betreibenden abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass 1. keine Geldstrafe zu verhängen gewesen wäre, weil die Gesellschaft mangels vertretungsbefugter Organe die Bucheinsicht nicht habe gewähren können; 2. dem Betreibenden schon am 14. Dezember 2001 Bucheinsicht gewährt worden sei und 3. der Betreibende hätte behaupten und nachweisen müssen, dass er die Bucheinsicht mit einer Frist von 14 Tagen angekündigt (verlangt) habe.

Zu diesem Vorbringen ist Folgendes auszuführen:

I. Die titelmäßige Verpflichtung zur Bucheinsicht ist exekutiv

durchsetzbar (6 Ob 215/97d = SZ 70/157 uva) und zwar mit

Exekutionsführung gemäß § 354 EO (3 Ob 2012/96w = MR 1996, 193

[Walter] = ecolex 1997, 262 = RPflE 1997/16 uva). Der Betreibende

muss im Exekutionsantrag nicht behaupten, dass ihm die Einsicht in die Unterlagen nicht gewährt worden sei. Im Exekutionsantrag müssen negative Tatsachen weder behauptet noch bewiesen werden (3 Ob 2012/06w). Die im Rechtsmittel relevierte Obliegenheit des Betreibenden, behaupten und nachweisen zu müssen, dass die Bucheinsicht unter Setzung einer Frist von der verpflichteten Partei vergeblich verlangt wurde, besteht nicht. Schon im Exekutionsantrag liegt grundsätzlich die Behauptung des Betreibenden über die Fälligkeit des betriebenen Anspruchs. Da es hier um strittige Umstände geht, können diese nur im Rechtsweg geklärt werden. Die Voranmeldung ist für den Fall der Bestreitung der Fälligkeit des Anspruchs von Bedeutung. Eine fehlende Voranmeldung der Bucheinsicht hätte die verpflichtete Partei im Rechtsweg zu behaupten und nachzuweisen.

II. Im Rekursverfahren in Exekutionssachen herrscht Neuerungsverbot (stRsp, jüngst 3 Ob 194/05h; RIS-Justiz RS0002371):

1. Der Einwand der Erfüllung der titelmäßigen Verpflichtung ist ein strittiger Umstand, der nicht mit Rekurs, sondern nur mit Oppositionsklage (allenfalls mit Oppositionsgesuch) geltend gemacht werden kann. Aktenkundig ist eine vollständige Erfüllung der Verpflichtung der verpflichteten Partei keineswegs. Dazu kann auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts über das schon im Vorverfahren erledigte Thema verwiesen werden.

2. Um strittige Umstände geht es auch beim Einwand der Unmöglichkeit der Erfüllung der titelmäßigen Verpflichtung (hier wegen Mangels eines Organs der verpflichteten GmbH in Liquidation), sodass nicht darauf einzugehen ist, ob ein bloß vorübergehender Vertretungsmangel bereits eine die Exekutionsführung hindernden Umstand wegen (dauernder) Unmöglichkeit der Erbringung der Leistung darstellt (vgl die Verpflichtung der Gesellschafter zur Beseitigung des Vertretungsmangels). Auch wenn die Unmöglichkeit, eine unvertretbare Handlung zu erbringen, über Antrag oder sogar von Amts wegen zur Einstellung des Verfahrens führen kann (3 Ob 88/95 = SZ 69/226; gegen eine amtswegige Einstellung und für die Notwendigkeit einer Oppositionsklage: Klicka in Angst, EO, § 354 Rz 3), ist die Einstellung des Exekutionsverfahrens jedenfalls nicht im Rekursverfahren zu erreichen, wenn sie - wie hier - von strittigen Umständen abhängt, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz noch nicht bekannt waren, sodass sie wegen des Neuerungsverbots unbeachtlich bleiben müssen. Vom Neuerungsverbot ausgenommen sind nach stRsp lediglich die für die Strafhöhe maßgeblichen Umstände (RIS-Justiz RS0106431, RS0004403).

3. Bedenken gegen das Neuerungsverbot unter dem Gesichtspunkt des Art 6 MRK (vgl dazu 3 Ob 20/03t) bestehen hier nicht, weil die verpflichtete Partei ihre Einwendungen im Oppositionsstreit erheben kann, das Vorbringen für ihren Standpunkt relevanter Umstände also nicht unmöglich ist.

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