OGH 3Ob91/11w

OGH3Ob91/11w24.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, gegen die verpflichtete Partei Wilhelm R*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Kramer, Rechtsanwalt in Villach, wegen 403.565,14 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 2. März 2011, GZ 2 R 26/11t-60, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 27. Jänner 2011, GZ 17 E 55/09w-52, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im gegen den Verpflichteten geführten Zwangsversteigerungsverfahren gab das Erstgericht mit Beschluss vom 15. September 2009 (ON 11) ua seine Absicht bekannt, auf Basis des eingeholten Gutachtens eines Sachverständigen vom 4. September 2009 von einem Schätzwert von 520.000 EUR auszugehen. Gleichzeitig setzte es eine Frist von 14 Tagen zur allfälligen Äußerung nach § 56 EO. Am 3. Februar 2010 setzte es den Versteigerungstermin für 23. März 2010 fest und erließ das Versteigerungsedikt; darin ist der Schätzwert mit 520.000 EUR festgehalten (ON 25). Nach Aufschiebung des Zwangsversteigerungsverfahrens über Antrag der Betreibenden nach § 200a EO und Stellung eines Fortsetzungsantrags wurde die Versteigerung für den 9. November 2010 anberaumt und ein Versteigerungsedikt gleichen Inhalts erlassen (ON 30).

Am 4. November 2010 langte beim Erstgericht ein Antrag des Verpflichteten auf neuerliche Schätzung der Liegenschaft wegen wesentlicher Veränderung der Beschaffenheit der Liegenschaft durch werterhöhende Investitionen ein (ON 37). Nunmehr seien die vormals leerstehenden Geschäftsflächen vermietet und die Mieterin habe das Bestandobjekt mit einem Aufwand von etwa 100.000 EUR saniert; der Verpflichtete habe nach Erstellung des Schätzgutachtens umfangreiche Investitionen in den Ausbau des 1. OG vorgenommen, sodass es zu einer Aufwertung der Liegenschaft um zumindest 150.000 EUR gekommen sei. Das Erstgericht beraumte deshalb den Versteigerungstermin ab und gab der Betreibenden Gelegenheit zur Äußerung zum Antrag (ON 38). Sie sprach sich gegen eine „Neuschätzung“, nicht aber gegen eine Ergänzung der Schätzung aus (ON 43).

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010, ON 44, schob das Erstgericht aus Anlass einer Klageführung sowie des Antrags auf neuerliche Schätzung das Versteigerungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung darüber gegen Sicherheitsleistung von 4.000 EUR auf und beraumte die Versteigerung unter Erlassung des Versteigerungsedikts mit Inhalt wie bisher für den 9. Februar 2011 an. Über Rekurs des Verpflichteten erfolgte die Aufhebung der Auferlegung einer Sicherheitsleistung.

Der Sachverständige wurde vom Erstgericht am 26. Jänner 2011 um Stellungnahme zu den Behauptungen im Antrag ON 37 ersucht, die dieser umgehend iS eines Ergänzungsgutachtens schriftlich abgab und zu einem Verkehrswert der Liegenschaft von (nur mehr) 500.000 EUR gelangte (ON 50).

Das Erstgericht wies den Antrag auf neuerliche Schätzung daraufhin mit Beschluss vom 27. Jänner 2011 ab, weil - zusammengefasst - nach der gutachterlichen Stellungnahme in Übereinstimmung mit Erfahrungswerten aus vielen Liegenschaftsbewertungen abgeschätzt werden könne, dass die beantragte Neuschätzung zu keinem Schätzwert führen werde, der mehr als 10 bis 15 % vom bisherigen abweiche oder gar die behauptete Wertsteigerung von 30 % bestätige.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Verpflichteten als unzulässig zurück. Nach ständiger Judikatur sei über Einwendungen gegen den bekannt gegebenen Schätzwert in keinem Fall beschlussmäßig zu entscheiden. Für den vorliegenden Fall eines Antrags auf neuerliche Schätzung wegen angeblicher Änderungen im Bestand der zu versteigernden Liegenschaft könne nichts anderes gelten. Auch das Verfahren über den Antrag auf Neuschätzung diene der Ermittlung des Schätzwerts, der aber nicht mit Rekurs bekämpfbar sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Judikatur zur vorliegenden Konstellation fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag auf Abänderung iS einer Stattgebung des Rekurses, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht. Die fehlende Bekämpfbarkeit der Bekanntgabe des Schätzwerts stelle gegenüber der allgemeinen Regel des § 65 EO, nach der gegen gerichtliche Beschlüsse grundsätzlich das Rechtsmittel des Rekurses zustehe, eine absolute Ausnahmeregelung dar. Daher stehe im Fall einer beschlussmäßigen Entscheidung des Gerichts eine Anfechtung mittels Rekurses offen. Damit könnte sinnvoller Weise auch Amtshaftungsansprüchen gegenüber dem Erstgericht vorgebeugt werden.

Der vorerst mehrfach verschobene Versteigerungstermin wurde letztlich vom Erstgericht abberaumt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist entgegen den nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil für die Lösung der Frage der Zulässigkeit des Rekurses auf ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs zurückgegriffen werden kann.

Der Verpflichtete stellt die herrschende Ansicht, wonach nach der Neufassung der §§ 144 Abs 1 und 145 EO durch die EO-Novelle 2000 eine beschlussmäßige Festsetzung des Schätzwerts auch nach Einwendungen der Parteien gegen den bekannt gegebenen Schätzwert nicht mehr vorgesehen ist und deshalb für die Parteien und Beteiligten keine Rechtsmittelmöglichkeit besteht (RIS-Justiz RS0116953; Angst in Angst² § 145 Rz 1; Feil, § 145 EO Rz 2; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 144 EO Rz 2; zur Unanfechtbarkeit der Höhe des in das Edikt aufgenommenen Schätzwerts: RIS-Justiz RS0118674) gar nicht in Frage.

Seiner Schlussfolgerung, eine dennoch gefällte Entscheidung müsse aber nach § 65 EO (iVm §§ 62 und 144 EO) anfechtbar sein, steht die weitere ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs entgegen, dass auch ein entgegen der dargestellten Rechtslage gefasster Beschluss unanfechtbar ist (zuletzt 3 Ob 187/09k mwN).

Die Gefahr von Amtshaftungsansprüchen gegenüber dem Exekutionsgericht rechtfertigt es nicht, die im Gesetz nicht vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit dennoch zu eröffnen; vielmehr wird im Rechtsschutz nach Amtshaftungsrecht und in der Schadenersatzpflicht des Sachverständigen nach § 141 Abs 5 EO ein Ausgleich für den Entfall einer Rechtsmittelmöglichkeit erblickt (Angst in Angst² § 145 Rz 2 mwN). Im Ergebnis entspricht die hier erfolgte Verweigerung der neuerlichen Schätzung dem Fall des Unterbleibens der Schätzung nach § 142 EO. Ein solcher Beschluss über die Frage wertbestimmender Veränderungen ist aber nach § 239 Abs 1 Z 3 EO unanfechtbar (Angst in Angst 2 § 142 Rz 6; 3 Ob 110/06g).

Da die Unzulässigkeit des Rekurses durch die zweite Instanz auf der Basis ständiger Judikatur zu Recht angenommen wurde, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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