OGH 3Ob82/21m

OGH3Ob82/21m24.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Dr. Michael Koth, Rechtsanwalt in Gänserndorf, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 35 EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 16. März 2021, GZ 21 R 18/21a‑41, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 7. Oktober 2020, GZ 10 C 38/20v‑30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00082.21M.0624.000

 

Spruch:

Der „außerordentliche Revisionsrekurs“ wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt mit Oppositionsklage vom 10. 11. 2015 die Feststellung, dass die Forderung der beklagten Stadt aus deren Rückstandsausweis vom 28. 10. 2014, AZ *****, gegenüber der Klägerin erloschen sei, sowie die Beklagte schuldig zu erkennen, „gegenüber der Klägerin in die Zustimmung zur Exekutionseinstellung im Verfahren 12 E ***** des BG Donaustadt (bzw 8 E***** des BG Gänserndorf) einzuwilligen“. Dazu brachte sie vor, die Beklagte führe gegen sie zur Hereinbringung der mit dem genannten Rückstandsausweis titulierten Forderung von 76.241,67 EUR sA die genannten Exekutionsverfahren. Die Forderung sei erloschen, da die Klägerin nach Entstehen des Titels wirksam mit Gegenforderungen aufgerechnet habe, die auch Gegenstand einer von der Klägerin gegen die Beklagte eingebrachten Amtshaftungsklage seien; diese wurde in der Oppositionsklage mit „LG f ZRS Wien, AZ 30 Cg ***** wegen EUR 135.000,--“ konkretisiert. Die Amtshaftungsansprüche überstiegen die Forderung aus dem Rückstandsausweis. In der Amtshaftungsklage sei die Forderung aus dem Rückstandsausweis berücksichtigt und abgezogen worden.

[2] Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte die Abweisung der Klage.

[3] In der vorbereitenden Tagsatzung vom 23. 5. 2016 brachte die Klägerin ergänzend vor, dass die im Amtshaftungsprozess „betriebenen Ansprüche zumindest teilweise diejenigen sind, mit dem hier die Opposition begehrt wird“.

[4] Das Erstgericht unterbrach mit noch in der vorbereitenden Tagsatzung gefasstem, unangefochten gebliebenem Beschluss das Verfahren „bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 30 Cg ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien“.

[5] Mit Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. 5. 2016 zu 30 Cg ***** wurde – soweit für das Verhältnis der Parteien des Oppositionsprozesses von Interesse – das Teilbegehren, „die erstbeklagte Partei (hier: Beklagte) sei schuldig, der erstklagenden Partei (hier: Klägerin) 140.000 EUR samt 4 % Verzugszinsen seit 1. 7. 2012 aus dem Anspruchsteil „Rohrponton“ zu bezahlen sowie es werde festgestellt, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand gegenüber der erstklagenden Partei für die Eingriffnahme in ihre Rechte (vorgenommen Ende Mai 2011/Anfang Juni 2011), nämlich Abriss eines Rohrpontons mit Terrasse und Verheftungseinrichtungen (vorgenannte Wasseraufbauten waren über Wasser errichtet) sowie außerdem von Aufbauten im unmittelbaren Dammbereich (welche Aufbauten zu gastronomischen Zwecken genutzt wurden), gelegen bei Stromkilometer 1***** bzw 1***** km, ***** und der damit verbundenen Vermögensnachteile hafte(n)“, abgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte am 17. 1. 2017 zu 14 R 176/16d dieses Urteil. Eine von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof zu 1 Ob 90/17t mit Beschluss vom 24. 5. 2017 zurückgewiesen.

[6] Die Beklagte beantragte am 20. 8. 2020 unter Vorlage des Beschlusses 1 Ob 90/17t die Fortsetzung des Verfahrens. Mit Schriftsatz vom 10. 9. 2020 führte sie dazu ergänzend aus, das „Teil- und Zwischenurteil zum Teilanspruch auf Schadenersatz für den Rohrponton/die Terrasse“ sei zwischen den Parteien rechtskräftig und vollstreckbar. Im gegenständlichen Verfahren seien „der Rohrponton/die Terrasse“ ebenso streitgegenständlich. Der präjudizielle Rechtsstreit sei rechtskräftig beendet, der Unterbrechungsgrund daher weggefallen. Überdies könne ein unterbrochenes Verfahren auch dann fortgesetzt werden, wenn das weitere Zuwarten einer Partei nicht mehr zumutbar sei.

[7] Die Klägerin trat dem Fortsetzungsantrag mit der Begründung entgegen, der Amtshaftungsprozess sei nicht vollständig erledigt.

[8] Das Erstgericht wies den Fortsetzungsantrag ab. Die Amtshaftungsklage habe zunächst ein Leistungsbegehren von 135.000 EUR sowie ein Feststellungsbegehren (Haftung für künftige Schäden) im Zusammenhang mit dem Abriss einer Pontonanlage enthalten. Das Leistungsbegehren sei in der Tagsatzung vom 27. 10. 2014, somit weit vor Erhebung der Oppositionsklage, auf einen Betrag von 165.000 EUR ausgedehnt worden. Der ausgedehnte Schadenersatzbetrag habe das Durchtrennen (Absägen) von Rohrleitungen betroffen. Das Amtshaftungsverfahren sei hinsichtlich des Klagebegehrens wegen dieser Durchtrennung von Rohrleitungen nach wie vor anhängig und nicht abgeschlossen. Es erscheine daher, insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Forderungen allenfalls um Amtshaftungsansprüche handle, zweckmäßig, über deren Bestehen im Amtshaftungsverfahren abzusprechen. Der Amtshaftungsakt sei äußerst umfangreich, die Entscheidung über die Ansprüche erscheine komplex. Die mit der Rechtssache befassten Richter hätten bereits Gelegenheit gehabt, sich ausführlich mit den Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien auseinanderzusetzen, sodass sie wohl eher über Ansprüche der Klägerin entscheiden könnten als es dem Gericht im Oppositionsverfahren möglich wäre.

[9] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dem Argument der Beklagten, ein Anspruch wegen „Absägen von Leitungen“ sei nicht als Oppositionsgrund behauptet worden, sodass diesbezüglich auch keine Unterbrechung habe erfolgen können, hielt es entgegen, im Oppositionsverfahren sei zu keinem Zeitpunkt behauptet worden, welche Forderung des Amtshaftungsverfahrens Gegenstand der Aufrechnungs-erklärung sei. Auch der Unterbrechungsbeschluss sei nicht auf einzelne der behaupteten Ansprüche eingeschränkt worden. Wenn die Beklagte meine, dass die Forderung für den Teilanspruch „Absägen von Leitungen“ erst später ausgedehnt worden sei, übersehe sie, dass die Ausdehnung bereits deutlich vor dem Einbringen der Oppositionsklage erfolgt sei. Im Zeitpunkt der Fassung des Unterbrechungsbeschlusses sei somit auch der Teilanspruch „Absägen von Leitungen“ verfahrensgegenständlich gewesen. Nachdem über diesen Teilanspruch noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliege, sei der Unterbrechungsgrund nicht weggefallen.

[10] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei, und begründete dies mit einem Hinweis auf § 528 Abs 2 Z 1 und 2 ZPO. Ein Bewertungsausspruch wurde nicht vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist zwar nicht nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO, aber nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

[12] 1. Der Streitwert der Oppositionsklage richtet sich nach dem Wert des betriebenen Anspruchs (RS0001623 [T4]). Das gilt uneingeschränkt für betriebene Geldforderungen, weshalb im Regelfall bei einer Oppositionsklage keine Bewertung des Entscheidungsgegenstands nach § 500 Abs 2 ZPO vorzunehmen ist (3 Ob 154/11k; RS0001618; A. Kodek in Rechberger, ZPO5 § 500 Rz 6).

[13] Dieser Streitwert stellt regelmäßig auch dann den Wert des Entscheidungsgegenstands dar, wenn im Prozess ein Beschluss welcher Form auch immer (Zurückweisung, Unterbrechung, Verfahrensgestaltung etc) getroffen wurde (Musger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 528 ZPO Rz 23). Folglich ist der Streitwert der Oppositionsklage – hier: 76.241,67 EUR – auch für den Zwischenstreit über die Verfahrensfortsetzung maßgeblich. Es ist damit trotz Fehlens eines Bewertungsausspruchs des Rekursgerichts von einem Wert des Entscheidungsgegenstands im Zwischenstreit über die Verfahrensfortsetzung von über 5.000 EUR auszugehen. Der Revisionsrekurs ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig.

[14] 2.1. Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist (vgl RS0112314). Die Anfechtung von bestätigenden Beschlüssen des Rekursgerichts ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur für die definitive Versagung des Rechtsschutzes, also die Verweigerung des Zugangs zu Gericht vorgesehen (RS0044536).

[15] 2.2. Auch die Gleichstellung der Abweisung oder Zurückweisung eines Fortsetzungsantrags mit der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen kann nur gerechtfertigt sein, wenn die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzgemäßen Verfahrens gleichzeitig auch die definitive (endgültige) Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet (vgl RS0105321 [T1, T21]; iglS Musger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 519 ZPO Rz 59). Dies ist nicht der Fall, wenn die Begründung für die die erstgerichtliche Abweisung eines Fortsetzungsantrags bestätigende rekursgerichtliche Entscheidung darin besteht, dass das Rekursgericht den Unterbrechungsgrund als (noch) nicht weggefallen erachtet.

[16] Die allenfalls – aus RS0105321 [T7 und T18] – ableitbare generalisierende Ansicht, auch bei Beschlüssen, mit denen die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wird, handle es sich um eine Verweigerung des Rechtsschutzanspruchs, weshalb von der grundsätzlichen Anfechtbarkeit der zweitinstanzlichen Entscheidung auszugehen sei, wenn die Ab‑ oder Zurückweisung des nach einer Verfahrensunterbrechung gestellten Fortsetzungsantrags bestätigt wird, überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. In der bloß temporären Verweigerung einer Verfahrensfortsetzung – etwa wegen Verneinung des Wegfalls eines Unterbrechungsgrundes – kann noch keine einer Klagezurückweisung gleichkommende, nämlich definitive (endgültige) Verweigerung des Rechtsschutzes erblickt werden. In einem solchen Fall ist kein Grund dafür ersichtlich, analog zum in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO genannten Ausnahmefall „es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist“ keine Konformatssperre anzunehmen.

[17] 2.3. Ob in besonderen Konstellationen anderes gelten soll, etwa wenn das Rekursgericht dem Akteninhalt widersprechend annimmt, das präjudizielle Verfahren sei noch nicht beendet, obgleich bereits ein rechtskräftiges Endurteil vorliegt, bedarf hier keiner Erörterung. Im vorliegenden Fall erging im Amtshaftungsprozess unstrittig erst ein Teilurteil. Damit begründet die Bestätigung der Abweisung des Fortsetzungsantrags im Wesentlichen aus der Erwägung, der Unterbrechungsgrund sei noch nicht weggefallen, weil noch kein Endurteil vorliege, gerade keine endgültige Verweigerung des Rechtsschutzes, weshalb die Konformatssperre greift. Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig. In der Konstellation des nach § 528 Abs 2 ZPO „jedenfalls“ unzulässigen Rechtsmittels kommt auch ein „außerordentliches“ Rechtsmittel nicht in Betracht (RS0112314 [T22]).

[18] Das absolut unzulässige Rechtsmittel der Beklagten war zurückzuweisen.

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