Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 3. Juli 1971 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 9. Mai 2001 gemäß § 55 EheG mit dem Ausspruch gemäß § 61 Abs 3 EheG, dass der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet habe, rechtskräftig geschieden. Die Streitteile sind je Hälfteeigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Haus, das als Ehewohnung (bis zum Auszug des Klägers im Jahr 1995) gedient hatte (im Folgenden nur Haus).
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 20. Februar 2001 wurde der Beklagten gegen den Kläger aufgrund eines Versäumungsurteils vom 10. März 1997 die Forderungsexekution zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands für Dezember 2000 sowie Jänner und Februar 2001 von 12.000 S sowie des ab 1. März 2001 laufenden monatlichen Unterhalts von 4.000 S = 290,69 EUR bewilligt.
Der Kläger bezog von Juli 2000 bis Juni 2001 als Gendarmeriebeamter ein monatliches Durchschnittseinkommen (einschließlich aller Zulagen und Sonderzahlungsanteile) von 35.972 S. Die Beklagte hatte von April 1998 bis einschließlich November 2000 eine Beschäftigung in Wien, weshalb sie den Kläger verständigen ließ, er müsse bis auf weiters keinen Unterhalt bezahlen. Nach einvernehmlicher Auflösung ihres Dienstverhältnisses bezieht sie seit Dezember 2000 nur mehr eine Arbeitslosenunterstützung von monatlich 12.587 S = 914,73 EUR.
Der Kläger leistete für das gemeinsame Haus vom 1. April 1998 bis 30. November 2000 119.793,60 S für Strom, Gas, Wasser und sonstige Gemeindeabgaben, Haushaltsversicherung sowie Rückzahlung eines Darlehens und eines Landeskredits.
Der Kläger begehrte mit seiner am 26. März 2001 eingebrachten Oppositionsklage das Urteil, der (Unterhalts-)Anspruch der Beklagten sei für die Monate Dezember 2000 bis Februar 2001 und "jedenfalls bis August 2001" nicht gegeben. Er rechnete mit der Hälfte (59.896,80 S = 4.352,87 EUR) des von ihm für das gemeinsame Haus aufgewendeten Beträge gegen den exekutiv betriebenen Unterhaltsanspruch der Beklagten auf.
Die Beklagte wendete ein, diese Aufrechnung sei unzulässig. Im Übrigen habe sie ihrerseits Auslagen für das Haus getätigt, die sie gleichfalls aufrechnungsweise einwende.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die vor Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs geleisteten Zahlungen des Klägers der Unterhaltsforderung der Beklagten gemäß § 1440 ABGB nicht entgegengesetzt werden könnten.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Denn die Aufrechnung gegen eine gesetzliche Unterhaltsforderung sei unter den Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO ohne Einschränkung zulässig. Auch in einem solchen Fall müsse es sich um eine konnexe Gegenforderung handeln. Dies sei hier nicht der Fall: Der Anspruch der Beklagten sei familienrechtlicher Natur und höchstpersönlich, derjenige des Klägers beruhe auf der Gemeinschaft von Eigentum. Der Kläger habe die Aufwendungen für die gemeinsame Liegenschaft in voller Kenntnis, dass die Beklagte (damals) über ein Vollbeschäftigungseinkommen verfügte, getätigt. Er habe somit - falls es sich bei diesen Aufwendungen um eine Schuld der Beklagten gehandelt habe - wissentlich eine Schuld bezahlt (§ 1432 ABGB), weshalb ihm für diesen Fall eine Aufrechnung versagt wäre. Andernfalls habe es sich um seine eigene Schuld gehandelt, weshalb ihm wiederum keine Aufrechnungsmöglichkeit zuzugestehen sei. Weiters könnten Zahlungen des Unterhaltspflichtigen, die nicht den im Unterhaltstitel bzw. in der Exekutionsbewilligung erfassten Zeitraum betreffen, im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung nach § 1440 ABGB auch nicht durch Kompensation berücksichtigt werden.
Rechtliche Beurteilung
Die von der zweiten Instanz - mit der Begründung, dieser Fall der Aufrechnung gegen eine gesetzliche Unterhaltsforderung wäre anders zu beurteilen, wenn man die Aufwendungen des Klägers als Naturalunterhaltsleistungen qualifizieren würde - zugelassene Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Die Beklagte setzt mit ihrer Forderungsexekution ihren Anspruch auf gesetzliche rückständige Unterhaltsleistungen gegen den Kläger durch. Zu beurteilen ist hier, ob der Kläger mit seinen Gegenforderungen (für vom 1. April 1998 bis 30. November 2000 vorgenommene Aufwendungen für das gemeinsame Haus) gegen diesen gesetzlichen Unterhaltsanspruch aufrechnen kann und damit einen tauglichen Oppositionsgrund iSd § 35 EO für sich ins Treffen führen kann.
a) Ausgehend davon, dass der Beklagten in dem betreffenden Zeitraum, in dem der Kläger Aufwendungen tätigte, gegen den Kläger - wie diesem aufgrund ihrer Mitteilung bekannt - wegen ihres Einkommens aus Vollbeschäftigung kein Unterhaltsanspruch zustand, kann es sich bei diesen Aufwendungen für das gemeinsame Haus schon begrifflich nicht um die Leistung von Naturalunterhalt für die Beklagte handeln.
b) Es ist in Lehre und Rsp unbestritten, dass die Aufrechnung einen Oppositionsgrund bildet (3 Ob 172/00s = SZ 74/50 = JBl 2002, 45 = IPRax 2002, 412 [Reiner 432]; 3 Ob 43/02y = JBl 2003, 383 = EvBl 2003/12 = RZ 2003/7, je mwN u.a.; Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 25; Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 35 Rz 49, je mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn die Aufrechnung nach materiellem Recht zulässig ist (3 Ob 172/00s; Jakusch aaO § 35 Rz 25). Hier war auch die Geltendmachung der Gegenforderung im Titelverfahren unmöglich (vgl. dazu die stRsp zu RIS-Justiz RS0000786 und Rummel in Rummel2 § 1438 ABGB Rz 28 mwN sowie 3 Ob 172/00s), stammt doch das Versäumungsurteil als Exekutionstitel vom 10. März 1997, wogegen die behaupteten Gegenforderungen einen weit danach liegenden Zeitraum betreffen. Unter Aufrechnung (Kompensation) versteht man die Aufhebung einer Forderung mit einer Gegenforderung. Sie wirkt als Zahlung, beide Forderungen werden, zumindest teilweise, getilgt. Voraussetzung dafür ist, dass die Forderungen im Aufrechnungszeitpunkt fällig und gleichartig sind, Gegenseitigkeit und eine Aufrechnungserklärung vorliegen.
Zur Zulässigkeit der Aufrechnung nach materiellem Recht ergibt sich Folgendes: Nach der EO-Novelle 1991 sind gesetzliche Unterhaltsleistungen beschränkt pfändbare Forderungen nach § 290a Abs 1 Z 10 EO. Nach dieser Bestimmung darf eine gesetzliche Unterhaltsforderung nur nach Maßgabe der § 291a EO (unpfändbarer Freibetrag, "Existenzminimum"), § 291b EO (Besonderheiten bei Exekutionen wegen Unterhaltsansprüchen, wobei in casu nur Abs 1 Z 1 leg cit in Frage kommt) und § 291c EO (Besonderheiten bei Exekutionen wegen wiederkehrender Leistungen) gepfändet werden. Die Aufrechnung ist gegen den pfändbaren Teil einer gesetzlichen Unterhaltsforderung unbeschränkt zulässig (3 Ob 101/00z; Zechner, Forderungsexekution, § 293 EO Rz 3 unter Hinweis auf Gitschthaler in ÖJZ 1995, 656), gegen ihren unpfändbaren Teil hingegen nur dann, wenn eine der Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO erfüllt ist (3 Ob 101/00z; Zechner aaO).
Nach den in § 292 Abs 1 und 3 EO normierten Grundsätzen der Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte sind dabei auch die sonstigen Einkünfte der Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen. Die Beklagte bezog in den Jahren 2000 und 2001 ein monatliches Einkommen an Arbeitslosenunterstützung von 12.587 S = 914,73 EUR. Da schon diese, welche die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung der Beklagten bildet, die Pfändungsfreigrenzen der ExminV 2000 BGBl 1999 II 482 und ExminV 2001 BGBl 2000 II 419 übersteigt, ist der Anspruch auf den gesetzlichen Unterhalt der Beklagten gegen den Kläger von monatlich 4.000 S = 290,69 EUR - nur gegen diesen wird ja hier vom Kläger aufgerechnet - auf jeden Fall pfändbar. Damit muss auf die Ausnahmsfälle des § 293 Abs 3 EO (Beschränkung der Aufrechnung auf die Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schade vorsätzlich zugefügt wurde), gar nicht eingegangen werden. Festzuhalten bleibt, dass bei einer - hier nicht vorzunehmenden - Anwendung des § 293 Abs 3 EO in Übereinstimmung mit der Ansicht der Vorinstanz der betriebene gesetzliche Unterhaltsanspruch der Beklagten mit einem Ersatzanspruch des Klägers für Aufwendungen für die gemeinsame Haus der Parteien in keinem rechtlichen Zusammenhang steht, ist doch der eine Anspruch familienrechtlicher Natur, wogegen der andere auf der Gemeinschaft von Eigentum iSd § 825 ABGB beruht (3 Ob 76/80 = RPflSlgE 1982/56).
c) Zum pfändbaren Teil des Anspruchs der Beklagten auf gesetzlichen Unterhalt ist Folgendes noch klarzustellen: Die oben genannte "unbeschränkte" Zulässigkeit der Aufrechnung gegen gesetzliche Unterhaltsforderungen ist so zu verstehen, dass insoweit exekutionsrechtlich kein Hindernis besteht. Dass die Aufrechnungsvoraussetzungen der §§ 1438 ff ABGB vorliegen müssen bzw. die dort genannten Aufrechnungshindernisse nicht vorliegen dürfen, ist evident, wobei freilich - anders als nach § 293 Abs 3 EO - hier mangels Nennung des rechtlichen Zusammenhangs (der Konnexität) in den §§ 1438 ff ABGB für die Zulässigkeit der Aufrechnung keine Konnexität der beiden Forderungen vorliegen muss. Dass sowohl bei Anwendung wie bei Nichtanwendung des § 293 Abs 3 EO andere gesetzliche Aufrechnungsverbote (vgl. dazu Rummel aaO § 1440 ABGB Rz 6; Oberhammer in Angst, EO, § 293 Rz 4) berücksichtigt werden müssen, bedarf keiner weiteren Begründung.
In den rekursgerichtlichen E EFSlg 28.685, 35.358 und 41.162 wurde ausgesprochen, Zahlungen des Unterhaltspflichtigen, die nicht den Zeitraum betreffen, auf den sich der Unterhaltsbeschluss beziehe, könnten im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung im Verfahren außer Streitsachen nicht durch Kompensation berücksichtigt werden. Da es sich im vorliegenden Fall nicht um die Festsetzung von Unterhalt geht, sondern um die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat in einer Oppositionsklage, ist mit diesen E für die Beklagte nichts gewonnen.
In der rekursgerichtlichen E EFSlg 87.421 wurde dann judiziert, § 299 Abs 3 EO (EO-Nov 1991) habe § 1440 ABGB nicht berührt. Dem Rechtssatz kann beigepflichtet werden, wenngleich damit § 293 Abs 3 EO gemeint sein sollte. Weiters wird in dieser E ausgesprochen, ein Geldunterhaltsanspruch sei wegen seines höchst persönlichen Charakters mit einer anderen Geldforderung nicht aufrechenbar. Zahlungen des Unterhaltspflichtigen, die nicht den im Unterhaltsbeschluss erfassten Zeitraum beträfen, könnten daher im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung nach § 1440 ABGB auch nicht durch Kompensation berücksichtigt werden. Die Höchstpersönlickeit des Unterhaltsanspruchs, aus der früher von der hA ganz allgemein Unpfändbarkeit des Unterhaltsanspruchs abgeleitet wurde, kann seit der EO-Novelle 1991 angesichts der klaren Regelungen der § 290a Abs 1 Z 10 iVm §§ 291b und c EO kein tragfähiges Argument mehr bilden (Rummel aaO § 1440 ABGB Rz 19). Im Übrigen lassen sich zufolge § 1440 erster Satz ABGB Forderungen, welche ungleichartige oder bestimmte und unbestimmte Sachen zum Gegenstand haben, gegeneinander nicht aufheben. Sind beide Forderungen auf Geld gerichtet, so sind diese unabhängig vom jeweiligen Schuldgrund gleichartig (Rummel aaO § 1440 ABGB Rz 1; Honsell/Heidinger in Schwimann2, § 1440 ABGB Rz 1). Gleichartigkeit besteht auch zwischen Unterhaltsansprüchen in Geld und Schadenersatzansprüchen (SZ 43/40, SZ 43/229; Honsell/Heidinger aaO § 1440 ABGB Rz 2). Gleiches hat auch im Verhältnis zwischen Unterhaltsansprüchen und Ansprüchen auf Ersatz von Aufwendungen zwischen Miteigentümern zu gelten. Die in der E EFSlg 87.421 vertretene Auffassung kann somit der erkennende Senat nur ablehnen.
d) Da die von den Vorinstanzen gegen die Aufrechnung angenommenen Hindernisse tatsächlich nicht vorliegen, muss im fortgesetzten Verfahren geprüft werden, ob die vom Kläger behauptete Forderung auf Ersatz von Aufwendungen für das gemeinsame Haus gegen die Beklagte überhaupt, wenn ja in welcher Höhe besteht.
e) Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe, weil es sich bei diesen Aufwendungen um eine Schuld der Beklagten gehandelt habe, wissentlich eine fremde Schuld (§ 1432 ABGB) oder auch eine eigene Schuld bezahlt, setzt der Kläger in der Revision entgegen, er hafte als Hälfteeigentümer der Liegenschaft bzw. als Mitschuldner der Kreditverträge nach außen hin "selbstverständlich" zu 100 %.
Das Berufungsgericht kann sich bei seiner Rechtsansicht nicht auf eine entsprechende Tatsachengrundlage stützen, weil nur pauschal die Höhe der vom Kläger getätigten Aufwendungen festgestellt wurde. Weitere Feststellungen, auch zu den von der Beklagten nach ihren Behauptungen getätigten Aufwendungen wurden vom Erstgericht nicht getroffen. Auf dieser Tatsachengrundlage erweist sich derzeit eine Beurteilung der Berechtigung der Klageforderung als unmöglich. So wird der Erstrichter im fortzusetzenden Verfahren Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, insbesondere über die von den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen über die Tragung der gemeinschaftlichen Lasten, die nach § 839 ABGB nach dem Verhältnis der Anteile bestimmt werden, wobei aber abweichende Regelungen getroffenen werden können (Koziol/Welser I12 264 mwN), um dem Grunde nach das Bestehen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs beurteilen zu können. Bei grundsätzlicher Bejahung dieses Anspruchs sind Feststellungen über Art, Umfang, Nutzen und Zweckmäßigkeit der vom Kläger, aber auch der von der Beklagten behaupteten Aufwendungen zu treffen. Auf dieser Grundlage ist sodann eine neuerliche Entscheidung zu fällen.
Die Zulässigkeit der Aufrechnung ist nicht mehr Gegenstand des fortzusetzenden Verfahrens.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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