Spruch:
Auch nach Beginn des Exekutionsvollzugs eingetretene hemmende Tatsachen können mit Oppositionsklage geltend gemacht werden.
Dem Drittschuldner, der vor der Pfändung zur Zahlung an den Verpflichteten verurteilt worden ist, steht kein Klagerecht gegen die Exekutionsführung durch den Verpflichteten zu.
Entscheidung vom 27. Oktober 1954, 3 Ob 696/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Mit Beschluß vom 11. August 1951 wurde Margarethe W. zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 83.333.33 S s. A. die Exekution durch Pfändung des von der Klägerin in Wien, XII., T.- Gasse betriebenen Apothekergewerbes und der derselben zugrunde liegenden Konzession bewilligt. Mit Beschluß vom 6. März 1953 wurde Margarethe W. zur Hereinbringung dieser vollstreckbaren Forderung die Verwertung durch Zwangsverwaltung bewilligt.
Gegen diese Exekution brachte die Klägerin Klage nach § 35 EO. ein mit dem Begehren, die bewilligte Exekution durch Zwangsverwaltung sei unzulässig, weil die Forderung der Margerethe W. von Anna L. zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 133.333.33 S s. A. mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 9. Oktober 1952 gepfändet worden sei. Damit sei der Beklagten jede Verfügung über die gepfändete Forderung, insbesondere die teilweise oder gänzliche Einziehung dieser Forderung untersagt worden. Sie könne deshalb auch die Exekution zur Hereinbringung der Forderung nicht mehr fortsetzen. Darin liege eine hemmende Tatsache, die erst nach Entstehung des dem Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sei.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Verpflichtete könne auf Grund einer den Anspruch hemmenden Tatsache, die erst nach Beginn der Exekutionsführung eingetreten sei, aber das Pfandrecht nicht berühre (Pfändung der vollstreckbaren Forderung durch einen Dritten) keine Einwendungen nach § 35 EO. erheben. Da diese Exekution bereits am 11. August 1951 begonnen habe, die Pfändung der betriebenen Forderung aber erst am 9. Oktober 1952 erfolgt sei, könne dieser Umstand durch Einwendungen nach § 35 EO. nicht mehr geltend gemacht werden.
Das Berufungsgericht änderte das erstrichterliche Urteil dahin ab, daß die mit Beschluß vom 6. März 1953 bewilligte Exekution durch Zwangsverwaltung des von der Klägerin betriebenen Apothekengewerbes unzulässig sei.
Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhebt die Beklagte Revision, macht als Revisionsgrund § 503 Z. 4 ZPO. geltend und beantragt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils. Die Exekution habe nicht erst im Jahre 1953, sondern bereits mit dem Pfändungsbeschluß im Jahre 1951 begonnen, denn die Pfändung anderer Vermögensrechte sei nicht wie die zwangsweise Pfandrechtsbegründung eine selbständige nur der Sicherung dienende Exekutionsart, sondern die Einleitung des Verwertungsverfahrens. Es könne daher der Beschluß auf Bewilligung der Zwangsverwaltung nicht selbständig mit Einwendungen nach § 35 EO. bekämpft werden. Die Fortführung der Zwangsverwaltung sei infolge ihrer Besonderheit überhaupt nicht von der Zustimmung des betreibenden Gläubigers abhängig. Die Heranziehung des § 10 EO. sei verfehlt, weil die Überweisung keine Rechtsnachfolge darstelle.
Der Revision kommt, wenn auch aus anderen Gründen, Berechtigung zu.
Der in der Entscheidung SZ. XIII/10 vom Berufungsgericht zum Ausdruck gebrachte Gedanke, es handle sich bei der Pfändung und Überweisung zur Einziehung um einen den Anspruch hemmenden Umstand, der Anspruch hemmende Umstand könne aber im Wege des § 35 EO. nur geltend gemacht werden, wenn er vor Beginn der Exekution eingetreten sei, kann nicht als zutreffend angesehen werden. Es ist nicht einzusehen, warum nach Beginn des Exekutionsvollzuges eintretende hemmende Tatsachen nicht zur Einstellung der Exekution führen sollten. Außerdem bedeutet die Pfändung und Überweisung einer Forderung gar nicht eine Hemmung des Anspruches. Durch die Überweisung wird eine Übertragung der Aktivlegitimation bewirkt, bei der es bis zur Tilgung der Forderung verbleibt. Von einer hemmenden Einrede kann man jedoch nur dort sprechen, wenn von vornherein feststeht, daß die Einrede niemals wegfallen wird. Das Besondere der Situation, das sich bei der Pfändung und Überweisung einer im Zwangsvollstreckungsverfahren befindlichen Forderung ergibt, ist nicht, daß die weitere Betreibung der Forderung gehemmt ist, sondern daß das Beitreibungsrecht des Gläubigers entfällt, obwohl sie nicht erloschen ist.
Zu untersuchen ist nun, ob auch der Verpflichtete geltend machen kann, daß dem betreibenden Gläubiger nicht mehr das Beitreibungsrecht zusteht. Nun soll durch die Pfändung und Überweisung zur Einziehung einer Forderung der Drittschuldner an sich weder von einer Verpflichtung befreit werden noch ein Recht erlangen. Dem Drittschuldner, gegen den bereits ein Exekutionstitel vorliegt, könnte ein selbständiges Recht, sich gegen die Betreibung der Exekution durch den Verpflichteten zu wehren, nur zuerkannt werden, wenn ihm die Verpflichtung obläge, sich im Interesse des Pfändungsgläubigers der Betreibung der Forderung durch den Dritten bei sonstigen Nachteilen zu widersetzen. Eine solche Verpflichtung könnte man wohl daraus ableiten, daß es ihm nach § 294 EO. verboten ist, an den Verpflichteten zu zahlen. Es ist auch wohl klar, daß der Drittschuldner im Rechtsstreite über eine Klage des Verpflichteten die Überweisung zur Einziehung wird einwenden müssen. In einer ähnlichen Situation befindet sich der Inhaber einer Sache, auf die von dritter Seeite Ansprüche erhoben werden. Auch dieser muß sich gegen die Ansprüche des Dritten verteidigen, wenn er sich auch durch die Benennung seines Auktors der Gefahr entziehen kann, dem Kläger und dem Auktor leisten zu müssen.
Daraus ist aber noch nicht zu schließen, daß sich der Drittschuldner, der vor der Pfändung und Überweisung zur Zahlung an den Verpflichteten verurteilt wurde und gegen den vom Verpflichteten bereits Exekution geführt wird, gegen die Durchführung der Exekution auf Grund dieses Urteiles zu wehren berechtigt oder gar verpflichtet ist. Im Exekutionsverfahren ist kein Platz mehr für solche Einwendungen des Verpflichteten. Auch der Inhaber einer fremden Sache kann sich in einem gegen ihn geführten Exekutionsverfahren nicht mehr gegen die Pfändung dieser Sache wehren. Nur der Dritte, in dessen Rechte durch die Exekution eingegriffen wird, kann dies tun. Ebenso wird man auch im Falle einer Pfändung und Überweisung einer urteilsmäßig dem Verpflichteten zugesprochenen Forderung dem Drittschuldner das Recht aberkennen müssen, sich selbständig gegen die Exekutionsführung durch den Verpflichteten zu wehren. Der Drittschuldner wird nur verpflichtet sein, dem Pfändungs- und Überweisungsgläubiger von der Einleitung des Exekutionsverfahrens Mitteilung zu machen und ihn so in die Lage zu versetzen, von dem ihm allein zustehenden Rechte Gebrauch zu machen, den Verpflichteten aus seiner Stellung bei Betreibung der Drittschuld zu verdrängen. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung könnte ihn schadenersatzpflichtig machen. Solange aber der Überweisungsgläubiger nicht selbst in das zwischen Verpflichteten und Drittschuldner schwebende Exekutionsverfahren eingreift, wird dieses zwischen ihnen wirksam ablaufen. Der Drittschuldner ist deshalb nicht berechtigt, sich selbständig gegen die Schritte des Verpflichteten zu wehren. Die Erklärungen des Verpflichteten bleiben als Erklärungen des betreibenden Gläubigers in diesem Exekutionsverfahren wirksam und die Schuld des Drittschuldners wird auch mit Wirksamkeit für den Pfändungs- und Überweisungsgläubiger getilgt, soweit die Exekution Erfolg hat, wenn dieser von der Exekutionsführung Kenntnis hatte (im gleichen Sinn 1 Ob 534/54). Selbstverständlich bleibt es dem Drittschuldner unbenommen, um einer allfälligen doppelten Inanspruchnahme zu begegnen, durch Zahlung an den Überweisungsgläubiger oder gerichtlichen Erlag den Anspruch des betreibenden Gläubigers (Überweisungsschuldners) zu tilgen und damit die Exekution zur Einstellung zu bringen.
Da somit der Klägerin die Berechtigung zur Erhebung von Einwendungen nach § 35 EO. im vorliegenden Fall tatsächlich nicht zusteht, war das erstgerichtliche Urteil zur Gänze wiederherzustellen.
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